Libretto: Agrippina

from Georg Friedrich Haendel


Personen:
CLAUDIO, römischer Kaiser (Bass)
AGRIPPINA, seine Frau (Sopran)
NERONE, Agrippinas Sohn aus erster Ehe (Sopran / Countertenor)
OTTONE, General (Alt / Countertenor)
POPPEA, dessen Geliebte (Sopran)
PALLANTE, Höfling (Bass)
NARCISO, Höfling (Tenor / Countertenor)
LESBO, Claudios Diener (Bass)
JUNO (Alt)
Ein PAGE der Agrippina (stumme Rolle)



ERSTER AUFZUG

ERSTE SZENE
Agrippinas Privatgemächer

Rezitativ

AGRIPPINA
Nero, lieber Sohn! Dies ist die Zeit,
in der du dein Glück
beim Schopfe packen und festhalten kannst;
das günstige Geschick
reicht dir heute die Kaiserkrone.
Dir enthülle ich, was allen
noch verborgen ist.
Nimm, lies! Und was ich
für dich beschloss, sollst du erfahren.

NERO
liest die Nachricht
Mit schwerem Herzen und trauerndem Blick
sende ich Euch diese Nachricht, Herrscherin;
im Meeressturm in grosser Gefahr
versank der römische Adler.
Claudius, Euer Gemahl,
unser aller Gott, litt den Tod.“
Claudius tot? Was lese ich!

AGRIPPINA
Verwaist ist der römische Thron,
und du sollst ihn an seiner Stelle besteigen.
Kurz vor deinem einundzwanzigstem Jahr
hast du nun die Reife für die Herrschaft.
An diesem schicksalhaften Tag soll Rom
dein Haupt mit dem Kaiserlorbeer krönen.

NERO
Was soll ich tun?

AGRIPPINA
Höre!
Verbirg, was du weisst,
lege allen Hochmut ab, übe Demut,
geh unter die Menge, bescheiden höre jeden an;
unter den Armen verteile Goldmünzen,
die du verborgen hältst;
bedaure ihr Geschick.
Und ob in deinem Herzen sich Rachegefühle regen
oder Liebe brennt,
verbirg sowohl das eine als das andere.
Lass dich nicht von Gefühlen leiten.
Willst du regieren, so widerstehe jeder Versuchung.
Vor dem Willen zur Macht beugt sich das Recht.

NERO
Dein weiser Rat
Mutter, soll mich stets leiten.

AGRIPPINA
Nun gehe. Sogleich befolge,
was ich aus Liebe verfüge;
ein verlorener Augenblick
vermag den grössten Plan zu zerstören.

Arie

NERO
Durch deinen weisen Rat
werde ich den Thron besteigen.
Mehr als der Kaiser wird dich,
Mutter, der Sohn verehren.

ZWEITE SZENE

Rezitativ

AGRIPPINA
Für solch grosses Ziel
muss alles bereit sein. Ich merke wohl,
dass Narziss und Pallas,
aus Liebe oder aus Kalkül,
insgeheim mein Herz zu erobern hoffen.
Was ich verachte,
sei nun aus List begrüsst.
Man rufe Pallas!
Ein Page holt Pallas
Nun seien Geschick und List in meinem Dienst.
setzt sich in nachdenklicher Haltung

DRITTE SZENE

PALLAS
Auf einen Wink von Euch
ist hier der treue Pallas, Kaiserin.
(Sie verbirgt ihr liebliches Antlitz,
und gedankenverloren antwortet sie mir nicht?)
Ihr kennt mein Herz, Kaiserin,
Ich bin Euch treu ergeben, und Ihr wisst,
wie treu ich bin, wie standhaft.

AGRIPPINA
Ach Pallas, Pallas!

PALLAS
Und warum
seufzt Agrippina?
Stünde es nur in meiner Macht,
Euer Leiden zu lindern.

AGRIPPINA
Ach Pallas, Pallas!

PALLAS
(Was bedeutet dies? Nur Mut!)
Euer ergebener Pallas bin ich.
Mein Herz steht
in Euren Diensten...

AGRIPPINA
Dein Herz?

PALLAS
Ja, Königin, mein Herz,
und mit meinem Herzen alles, was Ihr begehrt …

AGRIPPINA
Ja, ja, ich verstehe. Wie dein Herz,
so dient mir dein Schwert.

PALLAS
Mein Schwert, mein Arm, meine ganze Seele...

AGRIPPINA
Deine Treue gefällt mir.

PALLAS
Ach, wäre mir nur erlaubt,
meine Gedanken auszusprechen!

AGRIPPINA
So sprich, enthülle deine Gedanken.

PALLAS
Ich fürchte ...

AGRIPPINA
Hab keine Angst.
(Jetzt gilt es, listig zu sein.)

PALLAS
Seit langem hege ich eine Liebe,
die mich verzehrt,
och aus natürlichem Respekt...

AGRIPPINA
Nicht weiter, genug hast du gesagt.

PALLAS
Ich bitte um Verzeihung für meine Liebe.

AGRIPPINA
Es genügt, dass ich gehört und verziehen habe.
Zu anderer Zeit sei mehr dazu gesagt.
Pallas, dir sei offenbart,
was allen anderen verborgen.
Claudius ist tot.

PALLAS
Claudius?

AGRIPIINA
Das Heer, das Volk,
sie warten auf den Nachfolger.
Geh zum Kapitol,
versammle die Parteien,
und in dem Augenblick,
in dem ich des Kaisers Tod verkünde,
jubele sogleich Nero zu;
wird erst mein Sohn regieren,
so regiert mit Agrippina auch Pallas.

Arie

PALLAS
Mein glückliches Geschick
steigt heute von den Sternen zu mir herab,
es erscheint heute in deiner Gestalt,
denn in dir allein, verehrte Schöne,
erstrahlt mir mein Stern
zu meiner Treue Ruhm.
ab

VIERTE SZENE

Rezitativ

AGRIPPINA
Nun, da Pallas gewonnen ist,
werde ich auch Narziss gewinnen.
Heda, Narziss soll kommen!
Ein Page holt Narziss.
Mit List bekommt man, was man begehrt.

FÜNFTE SZENE

NARZISS
Euch zu Diensten...

AGRIPPINA
Schon gut! Ein Geheimnis ist der Grund,
dass ich dich rufe;
du allein sollst der Schmied
eines grossen Werkes sein, Und dir
vertraue ich an, was bis heute verborgen war.

NARZISS
Seid meiner Treue stets versichert.

AGRIPPINA
Doch kenne ich nicht deine wahren Gefühle.
Entdecke sie mir.

NARZISS
Ach, kaiserliche Hoheit,
was ich sagen möchte, ist nicht gestattet.

AGRIPPINA
Alles sei dir erlaubt zu sagen.

NARZISS
Wenn Ihr frei zu sprechen mir erlaubt,
so sage ich denn, dass ich Euch liebe.

AGRIPPINA
Welch ein Mut!

NARZISS
Zu Euren Füssen!
Ich bitte...

AGRIPPINA
Was bittest du?

NARZISS
Dass Ihr Mitleid mit mir empfindet.

AGRIPPINA
Stehe auf. Und lass dies mein Mitleid sein, dass ich
dich angehört und dir verziehen habe.

NARZISS
Da Ihr nun meine Liebe kennt, bin ich glücklich.

AGRIPPINA
Wie sehr ich dir vertraue.
Lies!

NARZISS
Himmel, was lese ich?

AGRIPPINA
Es ist nun vonnöten,
Agrippina die Herrschaft
zu sichern.
Geh hin, wo Volk und Soldaten
versammelt sind; dort warte,
bis ich die schicksalhafte Nachricht verkünde;
geschickt bringe dann
Neros Namen unter das Volk,
Bestimmt der Himmel Nero heute für den Thron,
wird Narziss mit Agrippina herrschen.

Arie

NARZISS
Ich eile geschwind, und das beglückte Herz
sieht der Freude entgegen.
Fliegen will ich von Ort zu Ort
auf den Flügeln meiner Liebe,
und mit feuriger Glut
will ich gewähren, was du begehrst.
ab

SECHSTE SZENE

Rezitativ

AGRIPPINA
Das Schicksal will es,
ich will es, ich!
Keine Zeit mehr vergeudet! Voran, voran!
Ruhm erlangt, wer mit List zu Werke geht.

Arie

AGRIPPINA
Meine Seele hofft, in den Stürmen
ihre Ruhe wiederzufinden.
Mit Beharrlichkeit bin ich gewappnet;
das süsse Bild der Herrschaft vor Augen,
gereicht auch das grösste Unheil
zur Erquickung.

SIEBENTE SZENE

Platz vor dem Kapitol.

Arioso

NERO
umringt vom Volk, Geschenke verteilend
Welche Freude ist es dem gütigen Herzen,
den Armen Linderung zu bringen.

Rezitativ

NERO
Nimm auch du, nimm.

Arioso

NERO
Und doch betrübt es mich,
dass unter allem Volke hier
keine eifrige Seele sich befindet,
die eure Lage bedauert.

Rezitativ

NERO
Meine Freunde. ich umarme euch.
Oh wie gern
litte ich für euch
die harte Armut!
(List und Verstellung sind mir zu Diensten.)

ACHTE SZENE

PALLAS, NARZISS
Hier ist der künftige Kaiser von Rom.

PALLAS
(So macht man sich verdient.)

NARZISS
(So werde ich seine Gunst erringen.)

PALLAS
Hier, Herr,
wird Eure Tugend offenbar.

NARZISS
Deine Güte waltet hier,
sie vereinigt Herzen, Ruhm und Ehre.

NERO
Ach Pallas, ach Narziss!
Es schmerzt mich, dass meine Stellung
mir nicht mehr zu tun erlaubt.
Allen Bedürftigen möchte ich helfen,
denn Mitleid ist die vornehmste Tugend der Götter.
(Mutter, ich halte mich an dein Gebot,
mich zu verstellen, um Kaiser zu werden.)

PALLAS
Hier kommt Agrippina.

NARZISS
Und in Begleitung
von Volk und Würdenträgern.
Eine wichtige Angelegenheit führt sie hierher.

PALLAS
Weisst du vielleicht davon?

NARZISS
Was es auch sei, ich weiss es nicht.

NARZISS, PALLAS
(Mir allein hat Agrippina es offenbart).

NERO
(Dies ist der Schicksalstag
meines Lebens.)

NARZISS, PALLAS
{Bald wird das göttliche Wesen mein sein.)

NEUNTE SZENE

AGRIPPINA
nimmt auf dem Thron Platz
Euch, die ihr mit Liebe,
Weisheit und Stärke
die Geschicke
des grossen Roms führt, bringe ich
eine unglückselige Nachricht.
Freunde, Claudius ist tot;
das unbarmherzige Meer, das dem Land
einen solchen Schatz missgönnte,
hat ihn uns geraubt.
Der römische Thron ist verwaist.
Sie steigt vom Thron herab
Kraft eures Amtes
mögt ihr einen Kaiser bestimmen;
er sei gerecht, gütig und barmherzig,
wie Rom es verdient und ich es wünsche.

Quartett

PALLAS
Euer Sohn ...

NARZISS
Euer Nachkomme …

NARZISS, PALLAS
... allein verdient Zepter und Krone.
Es lebe Nero, er lebe!

AGRIPPINA
Es lebe Nero, er lebe!
Komm, mein Solin, besteige den Thron,
komm, Kaiser von Rom!

NERO
Meine Seele ist voller Freude.
Der Thron ist erlangt, man wird mir das Haupt
mit Lorbeer kränzen.

Agrippina und Nero besteigen den Thron

Rezitativ

AGRIPPINA
Was bedeutet der freudige Klang der Trompeten?

ZEHNTE SZENE

Arietta

LESBUS
Freut euch! Freut euch!
Claudius erreicht den Hafen Antiums.
Das Meer, das ihn verschlingen wollte,
ward von Otto bezähmt.

Rezitativ

PALLAS
Was hör ich!

NARZISS
Grausamer Himmel!

AGRIPPINA
Heimtückisches Geschick!

NERO
Gibt es auf Erden einen Unglückseligeren als mich?

AGRIPPINA
Lass das schmerzliche Schicksal, mein Sohn,
dich nicht beunruhigen.
Du wirst den Thron besteigen,
den du verlassen hast,
(Wenn jemals List vonnöten war,
so muss sie jetzt gebraucht werden.)
Welches Glück erquickt mein betrübtes Herz:
Claudius ist zurückgekehrt
und mit ihm das Glück Roms;
solch frohe Nachricht
muss gefeiert werden!

CHOR
Es lebe Claudius, er lebe!

NARZISS
(O entschwundenes Glück!)

PALLAS
(Meine Hoffnung ist zerschlagen!)

NERO
(Grausamer Himmel, betrügst du mich so?)

LESBUS
Herrin, der tapfere Otto kommt zu Euch,
der dem Meeresschlund den Kaiser entrissen
und ihn dem Thron zurückgegeben.

AGRIPPINA, NERO, NARZISS, PALLAS
(Er ist die grausame Ursache meiner Qual).

LESBUS
(Geschwind eile ich zu Poppea als Liebesbote,
um ihr Claudius' Herz zu offenbaren.)

ELFTE SZENE

OTTO
Zu Euren Diensten, Kaiserin,
kehre ich freudig aus schwerem Kampfe zurück.
Kaum war der Brite geschlagen
und zeugte das Meer von unserm grossen Sieg,
als rachedurstig der Ozean mit Stürmen
Rom den Sieg zu entreissen suchte.
Unsere Schiffe widerstanden nicht den Wellen,
die uns an die Klippen trieben
und uns unter sich begruben.
Auch waren die verräterischen Wogen dem Kaiser
nicht holder als dem gemeinen Plebejer,
und zogen selbst ihn hinab,
bis alle glaubten, er sei tot.
Doch das gütige Schicksal
verlieh meinem Arm die Kraft,
ihn dem Verderben zu entreissen.

AGRIPPINA
Für deine Heldentat
schulden Claudius, Rom und Agrippina
dir alles, und von der kaiserlichen Seele
soll dir grösster Lohn zuteil werden.

OTTO
Der dankbare Herrscher
hat mir weit mehr
als mein Verdienst vergolten:
Er bestimmte mich für den Kaiserthron.

NARZISS, PALLAS
(Was hör ich, oh Himmel!)

AGRIPPINA
(Kaiser?)

NERO
(Ach, welch ein Schmerz!)

OTTO
Bei Sonnenaufgang
wird Rom seinen Claudius im Triumphe sehen,
und vor Volk und Senat
wird er die Ehre verkünden, die mir zuteil wird.

AGRIPPINA
Ehre, die dir gebührt.

PALLAS
So wird Otto...

NARZISS
Er wird Kaiser sein?

AGRIPPINA
(Erst will ich sterben!)

NERO
(Ach, Eifersucht!)

OTTO
zu Agrippina
Wenn Ihr erlaubt, Herrin,
will ich Euch ein Geheimnis anvertrauen,
von dem allein
mein ganzes Glück abhängt.

AGRIPPINA
(Mit Vorsicht will ich lauschen.)
Ihr anderen möget gehen.

Vertraue dich mir an, eröffne mir
den Wunsch deines Herzens.

NARZISS
(Grausames Los!)

PALLAS
(Seltsames Geschick!)

NERO
(Ach, grausames Schicksal!)

Nero, Narziss und Pallas ab

ZWÖLFTE SZENE

OTTO
Herrscherin, ich liebe Poppea;
Thron und Zepter gelten mir nichts,
wenn ich fern hin von meiner Angebeteten,
der mein Leben gilt;
in Euren Händen liegt heute mein Glück.

AGRIPPINA
So nähre dein Herz die Liebe
zu der werten Schönen,
wie meines dir Hilfe verspricht.

OTTO
Oh edelmütige und grosse Spenderin
der Gnade und des Glücks,
tief stehe ich in Eurer Schuld!

AGRIPPINA
(Claudius liebt Poppea, das ist mir bekannt;
ich hoffe, dass mein Plan gelingt).

Arie

AGRIPPINA
Du bist würdig
den Lorbeer zu tragen.
(Doch mein Herz
vergeht vor Zorn.)
Mit der Liebe,
die im Herzen brennt,
wird süsse Leidenschaft
Einzug halten.

DREIZEHNTE SZENE

Rezitativ

OTTO
Das höchstersehnte Ziel geht in Erfüllung,
oh Fortuna! Um mein Glück zu vollenden,
fügt Amor dem Thron
ein göttliches, geliebtes Antlitz hinzu.

Arie

OTTO
Verführerisches Hoffen,
trüge meine Seele nicht!
Mir scheinbar wohlgesonnenes Geschick,
wende nicht dein schönes Gesicht!

VIERZEHNTE SZENE
Poppeas Gemach

Arie

POPPEA
vor dem Spiegel
Liebliche Perlen, zarte Blüten,
schmückt mir die Stirn!
Vergrössert die Schönheit
meiner Anmut.
Denn in den Männern Liebe zu wecken,
ist meines Herzens Lust.

Rezitativ

POPPEA
Otto, Claudius und Nero
haben ihre Liebe offenbart.
Die Leidenschaft betört einen jeden von ihnen;
doch sie wissen noch nicht,
ob ich es ernst meine oder mich verstelle.

FÜNFZEHNTE SZENE

LESBUS
Herrin, oh meine Herrin!

POPPEA
(Da kommt Claudius' Diener.
Die Verstellung der Liebe sei weiter zu Dienst.)
Treuer Diener, welchen Trost
bringt mir dein Anblick. Und welch glückliche
Nachricht bringst du von Claudius?

LESBUS
In der Gefahr auf dem Meere,
mehr als fürs eigene Leben,
sorgte Claudius sich um dich.
Alle riefen die Götter an,
nur er betete zu Poppea.

POPPEA
Ach, lieber Lesbus, kaum finde ich Worte des
Ausdrucks der schlimmen Sorge meines Herzens
ob der schmerzlichen Trennung.
Kaum verging ein Augenblick,
da ich nicht an ihn dachte.
(Mein Herz, du weisst, wie meine Zunge lügt.)

SECHZEHNTE SZENE

LESBUS
Ich überbringe eine freudige Nachricht.

AGRIPPINA
beiseite
(Der Diener ist hier, aufgepasst!)

POPPEA
Was gibt es?

LESBUS
Allein und im Verborgenen
wird Claudius in dieser Nacht
zu dir kommen.

POPPEA
Himmel, was höre ich!)
Doch Agrippina?

LESBUS
Keine Angst, Herrin.
Ich werde überall
dein wachsamer Diener sein.

POPPEA
Was soll ich nur tun?

LESBUS
Die Stunde nähert sich;
er erwartet mich im nahen Palast.
Nur ein Augenblick des Zögerns
ist schmerzvoll für ein liebendes Herz.

POPPEA
Er komme, doch soll er wissen,
dass mein Herz, wiewohl ihm zugetan,
immer rein ist; ich empfange ihn als Herrscher,
nicht als Geliebten.

LESBUS
Das geht mich nichts an; ich gehe, lebt wohl!

AGRIPPINA
Das Schicksal ist mir günstig!)

SIEBZEHNTE SZENE

POPPEA
Warum nur kommt der gute Otto nicht
statt Claudius zu mir? Er wäre willkommener
dem liebenden Herzen;
doch kommt stets spät, was man ersehnt.

Arie

POPPEA
Die Liebe ist ein Feuer,
das ins Herz dringt,
doch wie, das weiss man nicht.
Es entzündet sich langsam,
doch dann brennt es lichterloh
und verzehrt dich.

ACHZEHNTE SZENE

Rezitativ

POPPEA
(Doch da ist Agrippina.
Was mache ich, wenn Claudius kommt.
Ach, welch ein Schmerz!)

AGRIPPINA
Poppea, du weisst, ich bin dir zugetan, und ich teile
mit dir deine Sorgen und Freuden.

POPPEA
(Erscheint Claudius, mag der Himmel mir helfen.)

AGRIPPINA
(Ich hoffe, der dreiste Betrug hat bald ein Ende.)
Sag mir ohne Scheu, liebst du Otto?

POPPEA
Ach, Agrippina, ich wage es nicht zu sagen.

AGRIPPINA
Vertraue mir die Gefühle
deines Herzens an.

POPPEA
Es ist wahr, ich liebe ihn.

AGRIPPINA
Wisse, dass er dich verrät;
er weiss, dass Claudius
deine Schönheit verehrt,
und macht sich dies infam zunutze;
um dem dunklen Trachten seines Herzens
nachzugeben, trat er dich an Claudius ab,
und das glückliche Kapitol
wird ihn heute zum Kaiser ausrufen.

POPPEA
Und das ist wahr?

AGRIPPINA
Ich versichere es dir;
und zum Beweis für meine Worte
wird Claudius noch in dieser Nacht
im Schatten der Dunkelheit zu dir kommen.

POPPEA
(Agrippina weiss alles!)

AGRIPPINA
Höre: Claudius
wird bald kommen.
Bereite deine Rache vor.

POPPEA
Was soll ich tun'?

AGRIPPINA
Senke Eifersucht
in Claudius' Herz.
Stelle dich betrübt,
dass der stolze Otto
nun kühn dich zwingt,
ihn nicht wiederzusehen
und dich selbst begehrt;
damit er ihn fallen lässt,
betöre und umwerbe ihn,
und verlangt er Liebe,
so versprich sie;
weine, seufze und bitte;
doch verweigere ihm alles,
bis er sich deinem Willen beugt.

POPPEA
So will ich es tun; doch wenn er zustimmt,
die Früchte meiner Versprechen geniessen will,
und ich bin wehrlos und allein ?
wie entrinne ich der grossen Gefahr?

AGRIPPINA
Folge meinem Rat ohne Furcht.

Arie

AGRIPPINA
Ich fühle etwas im Herzen,
das statt Schmerz
Freude verlangt.
Doch das Herz, gewohnt an Furcht,
vernimmt die Stimmen der Freude
noch nicht.
Oh trügerischer Gedanke,
glaubt es ihnen?

NEUNZEHNTE SZENE

Rezitativ

POPPEA
O Himmel, welche Ereignisse
rauben mir den Seelenfrieden! Otto, Otto,
sind das deine Versprechungen, deine Schwüre?
Verletzt du so das Herz,
das in edler Tugend und Liebe
für dich schlug?
Betrügst du so zum Zwecke
eitlen Ruhms die Treue,
die du mir schuldetest,
und machtest mich, um deine Ziele zu verfolgen,
unbesonnen zum Opfer deiner Wünsche?

Arie

POPPEA
Tu was du willst,
ich werde deinen Hohn
nicht dulden.
In meiner Brust
werden Zorn und Rache erwachen.

ZWANZIGSTE SZENE

Rezitativ

LESBUS
Niemand zu sehen. Meine Herrin,
Claudius ist hier. Kommt ohne Furcht;
alles ist still.
Nicht einmal ein säuselndes Lüftchen ist zu hören;
Ich will der Hüter Eurer Freuden sein.

EINUNDZWANZIGSTE SZENE

Arie

CLAUDIUS
Ich komme, euch wiederzusehen,
ihr lieblichen Augen, geliebte Sterne;
die müde, euch zu lieben,
weihe ich euch Seele und Herz.

Rezitativ

CLAUDIUS
Doch, oh Himmel, betrübt und verwirrt,
sagst du mir nichts?
Was quält dich?
Meine aufrichtige Liebe
blieb dir nicht verborgen.
Warum verschweigst du die Sorge deines Herzens?
Rede, Teure, antworte mir!

POPPEA
Wenn ich dir den Grund meines inneren Leidens
entdecken soll, so wisse... Doch, Himmel,
Sie gibt vor zu weinen
diese Herzensseufzer, vermischt mit Tränen,
erlauben es kaum, dass sich Worte
auf Lippen bilden,
die Bitterkeit erfahren haben.
So zu lügen, lehrt mich die Rache.)

CLAUDIUS
Verbirg nicht deinen Schmerz.
Bediene dich dessen,
was in meiner Macht steht.
Bitte mich, um was du willst,
es soll dir durch meine Liebe gewährt werden.

POPPEA
Dass Euch länger zu lieben mir verwehrt ist!

CLAUDIUS
Und wer verbietet es dir?

POPPEA
Oh Gott!

CLAUDIUS
Sprich!

POPPEA
Ich kann es nicht sagen.

CLAUDIUS
Wer hindert dich daran zu sprechen?
Sag es mir, Geliebte!

POPPEA
Otto.

CLAUDIUS
Otto?

POPPEA
Ja, Otto, der kühn meinem Herzen
Gewalt antun will.

CLAUDIUS
So sag. Was höre ich? Der Verräter!

POPPEA
Vor langer Zeit
entdeckte er mir seine geheimen Gefühle.
Umsonst. Meine Treue zu Euch
liess mich ihn zurückweisen.
Bis er schliesslich zu seinem Verdruss
den Grund meiner Standhaftigkeit erfuhr.
Hochmütig und stolz rühmt er sich nun,
morgen mit Lorbeer bekränzt zu sein;
befiehlt verwegen, droht mir dreist,
wenn ich Euch, Geliebter, nur ansehe;
ist dies kein Grund für grossen Schmerz?

CLAUDIUS
Das wagt er?

POPPEA
Vereitelt, Kaiser, des Kühnen Hoffnung zu herrschen,
und Ihr werdet sehen,
gedemütigt wird der Stolze nicht wagen,
mich je wieder anzusehen.

CLAUDIUS
Alles werde ich tun; weine nicht, mein Herz!

POPPEA
Versprecht Ihr es?

CLAUDIUS
ch schwöre es.

POPPEA
So wird Otto
nicht länger Kaiser sein?

CLAUDIUS
Nein, nein, meine Liebe.
In dieser Nacht noch möchte ich
dir den Beweis meiner Treue und Liebe bringen.
Komm in meine Arme!
In süssem Umfangen
verspricht uns die Liebe noch schönere Freuden.

POPPEA
um sich blickend
(Der kritische Augenblick ist da. Wo ist Agrippina?)

CLAUDIUS
Reich deine Hand ihm, der dich liebt.
Zögere nicht, meiner Liebe Trost zu spenden.

POPPEA
erneut um sich blickend
(Die Gefahr wächst,
und noch immer kein Zeichen von Agrippina.)

CLAUDIUS
Was starrst du mich an?
Der treue Lesbus
bewacht die königlichen Schwellen.
So komm, meine Liebe,
stille mein Verlangen.

POPPEA
(Keine Spur von Agrippina. Ach, welche Pein!)
Sie blickt um sich

Arietta

CLAUDIUS
Komm, oh Geliebte,
in meinen Armen
das süsse Verlangen
der Liebe zu stillen!

Rezitativ

POPPEA
(Was soll ich nur tun!)

CLAUDIUS
Ich verstehe!
Die ehrbare Frau will zuweilen
mit Macht umworben werden;
versage dich nicht
meinem Wunsch, mein Herz!

ZWEIUNDZWANZIGSTE SZENE

LESBUS
herbeieilend
Herr, Herr, wir müssen fort!
Eure Gemahlin Agrippina naht.

CLAUDIUS
Grausames Geschick!

LESBUS
Nur rasch!

POPPEA
(Die Qual ist vorüber.)

CLAUDIUS
Lesbus, versperre den Eingang!

LESBUS
Es ist zu spät.

POPPEA
Ach Claudius,
verschwiegen wollen wir sein;
geht, Herr, wenn Ihr mich liebt!

CLAUDIUS
Und die ersehnten Freuden sind mir versagt?

LESBUS
Ich weiss keinen Rat.

POPPEA
(Agrippina kommt zur rechten Zeit.)

Terzett

CLAUDIUS
Und wann werd ich mich deiner Liebe erfreuen?

POPPEA
Wann immer Ihr wollt!

LESBUS
Gehen wir, Herr!

Claudius und Lesbus ab

Rezitativ

POPPEA
Endlich sind sie fort. Freudig sehe ich
an diesem Tag den Verräter bestraft.

DREIUNDZWANZIGSTE SZENE

POPPEA
Oh meine Retterin,
wieviel habe ich Euch zu danken,
und wie sehr erwarte ich
das Ergebnis Eures weisen Rates!

AGRIPPINA
Alles muss verborgen bleiben.
Heute sind wir Gefährtinnen,
freudig zu sehen mehr unseren
als des Kaisers Triumph.
Sei umarmt, Freundin, und vertraue mir.
Verfüge, oh Liebe, über mich;
ich bin dir zugetan.
(Die Intrige nimmt einen günstigen Verlauf.)

POPPEA
Hoheit, mein ganzes Tun ist Euch geweiht.

AGRIPPINA
Meine Seele hängt von deiner Zuneigung ab.

Arie

AGRIPPINA
Nur dich zu leben lebt dies Herz.
Immer werde ich deine Freundin sein.
Mit lauterer Zuneigung
binde ich mich an dein Herz.
Mögen Ränke, List und Betrug
nie zwischen uns kommen.

VIERUNDZWANZIGSTE SZENE

Rezitativ

POPPEA
Wenn Otto mich betrog,
wenn der Undankbare meine Liebe
für seinen Ruhm missbraucht,
so ist die Rache meines betrogenen Herzens gerecht.

Arie

POPPEA
Wenn Verachtung
das Herz kränkt,
so wird die Liebe
im Herzen zur Wut.
Wer die Liebe angreift und verfolgt,
der liebt nicht.
Und das Herz schützt sich
vor vergänglicher Glut.


ZWEITER AUFZUG

ERSTE SZENE
Strasse in Rom beim Kaiserpalast, geschmückt für den Triumphzug des Claudius

Rezitativ

PALLAS
So sind wir betrogen?

NARZISS
Freund, es ist,
wie ich dir sagte.

PALLAS
Und was ich dir erzählte,
ist ebenso wahr.

NARZISS
So wollen wir zusammenhalten,
wie zwei Betrogene es tun müssen.

PALLAS
Wenn Agrippina uns hintergeht,
müssen wir mit List zu Werke gehen.

NARZISS
Ja, ja, die Täuschung offenbare unser Plan,
was sie will, sagst du mir sogleich,
und ich verspreche,
treu desgleichen zu tun.

NARZISS, PALLAS
Reichen wir uns die Hände
zum Zeichen unserer Treue.

PALLAS
Doch da ist Otto.

NARZISS
Er, der Kaiser sein wird.

PALLAS
Schon jubelt ihm das Volk zu.

ZWEITE SZENE

Arie

OTTO
Gekrönt mit dem Lorbeerkranz
werde ich auf dem Kapitol stehen.
Doch grösser ist mein Verlangen nach der angebeteten
Schönen als nach Thron und Krone.

Rezitativ

PALLAS
Mehr als deinen Triumph
ehrt Rom heute deine Tugend.

NARZISS
Das Land beugt sich vor deinem erhabenen Mut.

OTTO
Genug Tugend und Heldenmut wünsche ich mir,
um Latiums Reich glücklich
und seine Feinde besiegt zu sehen.

PALLAS
Doch herunter kommen dort
Poppea und Agrippina,
um den Kaiser zu sehen.

OTTO
Dort kommt die Göttin und Königin meines Herzens

DRITTE SZENE
Agrippina, Poppea, Nero und GefoIge kommen aus dem Palast

AGRIPPINA
(Dort ist der Hochmütige.)

POPPEA
(Dort ist der Verräter.)

NERO
(Dort sehe ich den Rivalen,
und ich fühle Wut im Herzen.)

AGRIPPINA
beiseite, zu Poppea
(Poppea, wir verstellen uns.)

POPPEA
(Ja, wir verstellen uns.)

OTTO
Schönste Poppea,
endlich ist es mir vergönnt,
dein geliebtes Antlitz zu erschauen.

AGRIPPINA
beiseite, zu Poppea
Wie falsch er ist!

POPPEA
(So will er mich täuschen!)

NARZISS
(Welche Sorge in meinem Herzen!)

OTTO
Von Agrippina wirst du wissen,
was mich erwartet.

POPPEA
Ich kenne deine Pläne und weiss,
was die Götter zu deinem Vorteil entschieden haben!

AGRIPPINA
zu Otto
Was du wünscht, habe ich ihr gesagt.
beiseite, zu Poppea
Er will, dass ich ihm seine Fehler verzeihe.

POPPEA
(Ah, Verräter!)

OTTO
Was Agrippina dir entdeckt hat,
ist mein Herzenswunsch.
Glaube mir, ohne dich
würden die Freuden der Herrschaft zum Kummer.

NERO
Dort kommt Claudius.

AGRIPPINA
(Er kommt zur Zeit,
so dass mein Plan unentdeckt bleibt.)

Chor

POPPEA, NERO, AGRIPPINA, OTTO, NARZISS, PALLAS, LESBUS
Der fröhliche Klang
der Pauken und Trompeten
erschallt zum Festtag
ringsumher!
Rom huldigt dem grossen Regenten,
es lebe der siegreiche Claudius!

VIERTE SZENE

Rezitativ

CLAUDIUS
in einem Triumphwagen
lm besiegten Britannien
werde ich ein neues
römisches Reich errichten;
und kein Meeressturm kann uns aufhalten,
kein Ungeheuer an Land;
kein Höllenschlund kann wenden,
was das Schicksal Rom vorherbestimmt.
Er entsteigt dem Wagen

Arie

CLAUDIUS
Es fällt die unterjochte Welt
und wird zum Schemel des römischen Thrones.
Doch wie glücklich ist ein Reich zu nennen,
das dem Kapitol dienen darf!

Rezitativ

AGRIPPINA
Herr, wie mein Herz jubelt,
dich zu sehen! Und diese Arme,
die dich nicht umfassen konnten,
oh wie gross war meine Pein,
bilden nun das süsse Band der Liebe.

CLAUDIUS
Meine liebe Agrippina,
endlich halte ich dich in meinen Armen,
dir gilt stets meine Liebe;
der Gefährte umarmt dich, der Geliebte.

POPPEA
Imperator, ich huldige Eurem grossen Ruhm.

CLAUDIUS
Ich danke dir für deine Worte.
beiseite, zu Poppea
Du weisst, dass ich dich begehre.

NERO
In Treue bin ich
Euch ergeben.

CLAUDIUS
Mein Sohn,
sei meiner Liebe versichert.

NARZISS
Ehrfurchtsvoll preise ich
Eure Herrlichkeit.

PALLAS
Und Eurer Siege Ruhm
wird unsterblich sein.

CLAUDIUS
Ich weiss,
dass Narziss und Pallas
mir herzlich zugetan sind.

OTTO
Euch zu Diensten, Herrscher,
kniet hier Otto, der Getreue,
der auf dem Meere ...

CLAUDIUS
Was willst du?

OTTO
Demütig harre ich
des versprochenen Lohns
für meine Treue.

CLAUDIUS
Du wagst es, mir unter die Augen zu treten?

OTTO
Was habe ich getan?

CLAUDIUS
Du bist ein Verräter!

NERO, NARZISS, PALLAS
(Was höre ich?)

AGRIPPINA
(So ist's recht!)

POPPEA
(Freue dich, mein Herz!)

OTTO
Ich ein Verräter? Ich, der den Tod
nicht fürchtete, und mutig Euch
dem Tod entriss, ich ein Verräter?

CLAUDIUS
Genug, der Tod ist die gerechte Strafe
für dein Vergehen.

OTTO
Himmel, was höre ich!

CLAUDIUS
(Doch dem ich das Leben danke,
dem will ich das seine schenken.)
ab

OTTO
Agrippina, helft mir!

Arietta

AGRIPPINA
Nichts erhoffe von mir,
treulose Seele,
verräterisches Herz!
Prunk blendete dich,
und du hast den Frevel deiner Tat
nicht eingesehen?
ab

Rezitativ

OTTO
Und du, Poppea, Geliebte?

Arie

POPPEA
Deine Geliebte ist der Thron,
ich bin es nicht länger.
Jener ist dein Begehr,
und ich fühle
Freude darüber in meinem Herzen.
ab

Rezitativ

OTTO
So stehe mir zumindest Nero bei!

Arie

NERO
Mit dem Lorbeer im Haar
brauchst du Unglück und Verderben
noch nicht zu fürchten.
Selbst der Blitz achtet
das Laub, das heute
deine Stirn krönen soll.
ab

Rezitativ

OTTO
Ich bin ein Spielball des Schicksals. Narziss, Freund,
teilst du jenen Schmerz in meinem Herzen?

NARZISS
Die Freundschaft währt, solange Glück beschieden.
ab

OTTO
So hab du zumindest Mitleid
mit dieser armen Seele!

PALLAS
Des Kaisers Feind ist auch
der Feind des Pallas.
ab

OTTO
Treuer Lesbus, erbarm dich meines Schmerzes!

LESBUS
Lesbus hört einen Verräter nicht an.
ab

FÜNFTE SZENE

OTTO
Otto, welch ungeheuerlicher Schlag ist dies?
Ach, undankbarer Kaiser, treulose Freunde,
ungerechter Himmel! Doch um wieviel ungerechter,
undankbarer und treuloser als Himmel, Kaiser
oder Freunde ist Poppea!
Ich ein treuloses Ungeheuer?
Ach Himmel, ach grausames Geschick!
Gibt es grösseren Schmerz als den meinen?

Arie

OTTO
Ihr, die ihr meine Klage vernehmt,
erbarmt euch meiner.
Ich verliere einen Thron, was ich gering achte,
doch die so sehr geliebte
zu verlieren ist eine Qual,
die mir das Herz bricht.

SECHSTE SZENE
Ein Garten mit Brunnen

Arie

POPPEA
Wie schön wäre in meinem Sehnen
mir die Unschuld.
Ich fühle ein Verlangen in der Brust,
das nach Gnade ruft.

Rezitativ

POPPEA
Ottos Qualen
bereiten mir Qual; ich will seine
Erklärungen anhören.
Doch gedankenvoll und traurig erscheint er hier,
will er das Herz vom bittren Kummer befreien?

SIEBENTE SZENE

POPPEA
Es scheint, als sei die Liebe Ursach seiner Leiden;
um die Wahrheit zu erfahren,
will ich mich schlafend stellen.

Von Otto unbemerkt, setzt sie sich an einen Brunnen und gibt vor zu schlafen

Arioso

OTTO
Liebliche Quellen, die ihr murmelnd
euch durch die Gräser windet.

Er sieht Poppea

Rezitativ

OTTO
Doch was seh ich hier, oh Himmel?
Poppea ruht in den Blumen,
und ich finde keine Ruhe in meinem grossen Schmerz.

Arioso

OTTO
Ihr schlummert, ihr geliebten Augen,
und Frieden geniesst das Herz.

Rezitativ

POPPEA
bewusst wie im Traum sprechend
Otto, Verräter!

OTTO
Auch der Traum, oh Gott, trügt dich,
siehst in mir den Treulosen.

POPPEA
Grausamer Betrüger!

OTTO
So sag mir doch, welches Vergehen
begründet deine Härte?

POPPEA
Otto, Verräter!
tut, als erwache sie

OTTO
(Sie erwacht. Ich will hören, was sie sagt!)

Er verbirgt sich

POPPEA
»erwacht«, führt sie Selbstgespräche zum Schein
rugbilder des Geistes,
noch länger stört ihr meine Ruhe?
Bittend führt ihr den unwürdigen Verräter vor mich?
Wie wird er sich verteidigen?
Womöglich abstreiten, dass er an Claudius
alle Liebe abgetreten,
alle versprochene Treu,
damit auf dem Kaiserthron
Rom ihn heute im Kapitel sieht?

OTTO
(Himmel, was höre ich da?)

POPPEA
So sag, sag mir, Treuloser, ob es wahr ist.
Zeugin deines Vergehens
ist die Kaiserin Agrippina,
und dass eine Kaiserin lügt,
wirst du nicht zu sagen wagen.

OTTO
(Ich ertrage es nicht länger.)
Hier bin ich dir zu Füssen...
Poppea will gehen. Otto hält sie zurück
Du willst fort? Bleibe doch, Geliebte!
(Welch ein Schmerz!)
So hör mich doch an!

POPPEA
Ich will nichts mehr hören.

OTTO
Bleib.

POPPEA
Lass mich!

OTTO
Höre! Nimm das Schwert, das ich dir reiche,
und wenn du mich schuldig findest,
so töte mich, und ich werde glücklich sein.

POPPEA
nimmt einen Dolch und richtet die Klinge auf Otto
So sprich denn, aber wisse, dass die Strafe
für dein Verbrechen bereits beschlossen ist.
Wenn du mich betrogen hast,
wirst du auf der Stelle den Tod sterben.

OTTO
Ich spüre den ungeheuren Vorwurf,
wenn ich ihn auch nicht verstehe,
der dich erzürnt.
Ich würde dich wegen einer anderen verlassen?
Ich liesse dich gehen,
meine einzige Sonne, nur wegen eines
einzigen Ehrgeizstrahls?
Wer könnte dies jemals glauben oder behaupten?
Zepter und Krone verschmähe ich;
mein Herz hat immer für dich geschlagen,
dein liebliches Antlitz gilt mir mehr als die Welt.

POPPEA
Ich weiss nicht, ob ich deinen Worten glauben soll;
was ich weiss,
hat Agrippina mir offenbart.

OTTO
Was höre ich?
Heimtückisches, niederträchtiges Weib,
Ursache meines Kummers!
Höre, Poppea,
wie sehr sie schuldig ist.

POPPEA
Otto, jetzt ist nicht die Zeit,
noch ist der Ort sicher; komm in meine Gemächer;
die Entscheidung ist aufgeschoben.
Bist du schuldig, werde ich gnadenlos sein,
und barmherzig, wenn du unschuldig bist.

Arie

OTTO
Ich wünsche, dass du Gerechtigkeit statt Gnade
walten lässt, wenn du über mich urteilst.
Unschuldig bin ich.
Wenn du glaubst, dass mein Herz gelogen hat,
verzeihe ich dir deine Missbilligung.

ACHTE SZENE

Rezitativ

POPPEA
Welcher Ränkespiele
bin ich Opfer geworden?
Jetzt durchschaue ich deine Intrigen, Agrippina!
Um Otto den Lorbeer des Kaisers
zu nehmen, täuschtest du mich;
Nero galt der stolze Gedanke,
der dich verlockte.
Ich überlasse mich nicht meinem Schmerz;
Ich wäre nicht Poppea, wollte ich mich nicht rächen.

Arie

POPPEA
Man betrügt mich nur einmal,
gewiss kein zweites Mal.
Wem man vertraut, dem lauscht das Herz;
doch ist der Betrug offenbar,
wird man taub für die Worte dessen,
der zum Lügner geworden ist.

NEUNTE SZENE

LESBUS
Endlich finde ich Euch.
Claudius schickt mich voller Ungeduld.
Er bittet um ein Gespräch
allein mit Euch in Euren Gemächern.

POPPEA
Was soll ich tun?

LESBUS
Schöne Dame, seid standhaft,
denn je glühender die Liebe ist,
desto mehr Freuden bereitet sie.

POPPEA
(Eine günstige Gelegenheit zur Rache bietet mir das Schicksal).
Ich nehme die Gunst des Kaisers an.

LESBUS
So darf er kommen?

POPPEA
Ja, er möge kommen.

LESBUS
Ich eile, meinem Herrn die freudige Nachricht zu überbringen.

POPPEA
(Himmel, hilf, dass mein Plan gelingt.)

LESBUS
(Jetzt hoffe ich auf den rechten Lohn für meine Dienste.)

ZEHNTE SZENE

POPPEA
Wahrlich, viele Gefahren
lauern auf mich;
doch dem Furchtlosen ziemt die Rache.
Der Wunsch, sie auszuführen,
beherrscht ganz meinen Sinn;
wenn nur Nero hier wäre.

ELFTE SZENE

NERO
Hier bin ich, mein Leben.

POPPEA
(Oh wie ein freundliches Geschick
meinen Wünschen hold ist!)
Höre, Nero!
Tausendmal schon rühmtest du dich
deiner Liebe und Treue zu mir;
ich zweifle daran, denn gewöhnlich betrügt der Mann
die Frau, und ist nur zu bereit,
die Zartheit durch Verachtung zu verhöhnen.

NERO
Fürchte nicht darum, oh meine Teure!

POPPEA
Von dir den Beweis zu erlangen,
ist hier nicht der rechte Ort;
komm in meine Gemächer;
kannst du dort mein Herz überzeugen,
soll dir als Lohn für deine Liebe
meine Liebe zuteil werden.

NERO
Oh mein Angebetete!

POPPEA
Still!
Tue, was ich dir sage, und schweige darüber;
ist die Liebe offenbar,
bringt sie Kummer statt Freuden.
(Möge mein Plan gelingen.)

Arie

POPPEA
Am Mass deiner Liebe
miss deine Freuden
und deine Hoffnungen.
Wenn dein Herz treu ist,
dann erhofft es Freuden,
und deine Hoffnung ist begründet.

ZWÖLFTE SZENE

Rezitativ

NERO
Dies ersehnte Glück
schickt mir der Himmel!
Heute hoffe ich,
das göttliche Antlitz zu küssen.

Arie

NERO
Bittet eine Frau den Geliebten zu sich,
ist der Liebe Erfüllung nah.
Sagt sie: »Komm sofort«,
heisst es: »Komm und geniess die Freuden der Liebe!«

DREIZEHNTE SZENE
Agrippinas Gemächer

Arie

AGRIPPINA
Gedanken, ihr quält mich.
Himmel, sei meinen Plänen gewogen!
Lass meinen Sohn regieren,
und ihr Götter, steht ihm bei!

Rezitativ

AGRIPPINA
Mein Vorhaben ist in grosser Gefahr.
In dem Glauben, Claudius sei tot,
vertraute ich mich zu sehr
Narziss und Pallas an.
Otto hat sich verdient gemacht,
und Poppea ist mutig;
wird der Betrug entdeckt,
werden sie die Schmähung rächen.
Bei so vielen Feinden ist List vonnöten;
Ach, möge sie mir helfen!

Arie

AGRIPPINA
Wie ihr mich quält, rastlose Gedanken!

VIERZEHNTE SZENE

Rezitativ

PALLAS
Wenn auch das feindliche Los
meinem Versprechen nicht hold ist,
so ist doch des treuen Pallas' Herz
Euch standhaft zu Diensten.

AGRIPPINA
Möge es standhaft sein,
indem es mir willig dient.

PALLAS
Wie kann ich Euch dienstbar sein?
Befehlt mir, Schöne!

AGRIPPINA
Höre: Narziss und Otto
sind meine Feinde.
Beide sollen sterben.
Du verstehst, welcher Gefahr
ich dich aussetze.

PALLAS
Wenn ich dir diene, Agrippina,
gibt es keine Gefahr, die nicht zu Ruhm würde.
Doch was wird aus meiner Liebe?

AGRIPPINA
Hoffe, Pallas!

PALLAS
(Diese Frau hat das Herz der Megäre!)

Arie

PALLAS
Ein sanfter Schimmer
der Hoffnung
ist der Grund
meiner Standhaftigkeit.
Nicht mehr
verlangt mein Herz
als ihre Treue
und ihr Mitleid.

FÜNFZEHNTE SZENE

Rezitativ

AGRIPPINA
Ich verzweifle nicht am Gelingen meines Plans.
Doch ist das nicht Narziss? Nur Mut!

SECHZEHNTE SZENE

AGRIPPINA
Jetzt ist es Zeit, Narziss,
das Werk zu vollenden.
Vereint, sind Pallas und Otto
unsere gemeinsamen Feinde.
Wenn du mich liebst und wenn du mutig bist,
steht uns nichts im Wege.

NARZISS
Was soll ich tun?

AGRIPPINA
Töte sie beide!

NARZISS
Alles werde ich tun,
doch was ist mein Lohn?

AGRIPPINA
Vertraue mir und sei ganz Hoffnung.

NARZISS
(Sie hat die Seele eines wilden Tieres.)

Arie

NARZISS
So will ich hoffen, wie es mir
diese schönen Lippen befehlen, oh erhabene Frau.
Und wenn ich hoffe, glücklich zu sein,
so ist die Hoffnung nicht vergebens.

SIEBZEHNTE SZENE

Rezitativ

AGRIPPINA
Um dem Herzen Frieden zu geben,
säe ich Hass und Zwietracht;
Claudius soll das Werk zum Ende führen.
Da ist er. Mein Herz, übe dich in Arglist!

ACHZEHNTE SZENE

CLAUDIUS
Mit Wohlgefallen betrachte ich, oh meine Geliebte,
die Liebe in deinen schönen Augen.

AGRIPPINA
Ich wünschte, ich könnte stolzer Schönheit
mich rühmen, um dir zu gefallen;
doch woran es fehlt, ersetzt das Herz,
das allein für dich schlägt.
Doch, oh Gott, in meiner Brust
ein Kummer, der mich quält,
und die Seele ist betrübt vor Furcht.

CLAUDIUS
Welche Furcht befällt dich? Sag es mir, Liebste!

AGRIPPINA
Ich sehe dein Leben
in grosser Gefahr, und mir ist,
als höre ich Waffenlärm von überallher.

CLAUDIUS
Und wer wagt es,
in Rom Ränke zu schmieden?

AGRIPFINA
Ah, mein Leben,
Otto schäumt vor Wut,
jedem erzählt er vom grossen Unrecht,
das ihm widerfahren;
erstickst du nicht rasch die Flamme im Keim,
so wird sie alles verzehren.

CLAUDIUS
Was rätst du mir?

AGRIPPINA
Vergiftete Wurzeln
zieht man aus der Erde.
Da Otto noch hofft auf den Thron,
wird sein vermessenes Hirn Pläne schmieden,
sich Lug und Trug bedienen.
Gleichgesinnte wird er bestechen,
Eigennützige wie er selbst,
und das gemeine Volk, vom Gold geblendet,
wird wollen, dass sein Haupt
mit dem heiligen Lorbeer gekrönt wird.
Vereitle seine Pläne, sein Werk zerstöre,
rufe einen neuen Kaiser aus.
Unverzüglich wird man sich von Otto abwenden,
denn alle beten die aufgehende Sonne an.

CLAUDIUS
Doch wem könnte ich zum Thron verhelfen,
ohne zu fürchten,
dass er über seiner Liebe zur Macht vergisst,
mir für meine Wohltat dankbar zu sein?
Denn Eifersucht ist die Begleiterin der Macht.

AGRIPPINA
Glaubst du, Claudius, dass ich dich liebe?

CLAUDIUS
Ich zweifle nicht daran.

AGRIPPINA
So bestimme
meinen Sohn Nero
zum Kaiser von Rom!
Er wird sich deinen Wünschen stets fügen;
Respekt wird er mir, seiner Mutter, zollen,
Ehrerbietung dir als seinem Vater.

CLAUDIUS
Ich stimme dir zu, dein Gedanke ist klug.

AGRIPPINA
(Mut, mein Herz! Fast sind wir am Ziel).
So zögere nicht länger.

CLAUDIUS
Lass mir Zeit,
die wichtige Angelegenheit zu überdenken.

AGRIPPINA
Du bist in grosser Gefahr!

CLAUDIUS
Alles werde ich tun, doch lass mich...

AGRIPPINA
Ach, für Aufschub
ist keine Zeit.

NEUNZEHNTE SZENE

LESBUS
beiseite, zu Claudius
Herr, Poppea...

CLAUDIUS
beiseite, zu Lesbus
Sprachst du mit ihr?

LESBUS
beiseite, zu Claudius
Sie erwartet Euch.

AGRIPPINA
Zeit zu verlieren ist gefährlich.

CLAUDIUS
Zweifle nicht, du wirst zufrieden sein.

AGRIPPINA
Doch wann?

LESBUS
beiseite, zu Claudius
So kommt, Herr!

CLAUDIUS
beiseite, zu Lesbus
Ich komme.
zu Agrippina
Schon bald. Leb wohl!
Eine andere Sache verlangt mich an anderem Ort.

AGRIPPINA
Nein, nein, du darfst nicht gehen,
versprich es mir zuerst.

LESBUS
beiseite, zu Claudius
Die Zeit drängt.

CLAUDIUS
beiseite, zu Lesbus
Ich komme.
zu Agrippina
Ja, ja, so sei es, ich gebe dir mein Wort.

AGRIPPINA
Am heutigen Tage
wirst du Nero auf den Kaiserthron erheben ?

CLAUDIUS
Noch heute.

AGRIPPINA
(Nichts anderes will ich.)

Arie

CLAUDIUS
Ihr braucht nur zu fragen,
und ich gebe es euch,
meine schönen Lippen.
Wenn ich euch nur sehe,
ist mein Herz verloren,
ihr schönen Wangen.

ZWANZIGSTE SZENE

Rezitativ

AGRIPPINA
Günstig ist mir heute das Schicksal;
damit der geliebte Sohn Kaiser wird,
scheue ich keine Gefahr.

Arie

AGRIPPINA
Für jeden Wind, der ihn in den Hafen bringt,
auch wenn wilde Stürme drohen,
setzt der Seemann volle Segel.
Dass der Sohn herrsche, ist mein einziger Wunsch.
Mögen die Sterne auch dunkel sein,
der Geist betrachtet sie doch ohne Sorge.


DRITTER AUFZUG

ERSTE SZENE
Poppeas Gemach mit einer Vordertür und zwei weiteren Seitentüren

Rezitativ

POPPEA
Den guten Otto habe ich an den Abgrund getrieben,
aber der geplante Betrug
hat in mir die Lust geweckt, mich zu rächen;
sie zu überlisten, die mich überlistete.

ZWEITE SZENE

OTTO
Ah meine Poppea! Glaube mir,
ich habe keine Schuld
an diesem heimtückischen Verrat.
Das falsche Weib betrog mich,
als sie auf mein Bitten hin versprach,
gnädige Hüterin meiner Liebe
und Treue zu sein.
Ich folge meiner Liebe. anderes sorge ich nicht,
und dir, mein Leben, schwöre ich ewige Treue.

POPPEA
Und ich glaube dir von ganzem Herzen
und von ganzer Seele.
Für unsere Rache ist alles bereit,
und bin ich der Grund für das Unglück,
so will ich es auch tilgen.
Nun verbirg dich hier und schweige;
zweifle nicht an meiner Treue,
auf meine Worte oder Taten sei nicht eifersüchtig;
für einen Moment musst du grosse Qual erdulden,
bis die anderen leiden und du glücklich sein wirst.

Arie

OTTO
Ich werde schweigen,
solange du mich
wahrhaft liebst.
Ich werde Leid ertragen,
wenn deine Härte
grausam ist.
verbirgt sich hinter einer Tür mit Vorhang

DRITTE SZENE

Rezitativ

POPPEA
Noch erwarte ich Nero und Claudius.
Kaum kann ich es erwarten,
mich für die Schmach zu rächen.

VIERTE SZENE

NERO
Ich komme so rasch ich konnte, Liebste,
uni den Lohn für meine Treue zu empfangen.

POPPEA
An deiner Verspätung erkenne ich,
dass Eifer dich nicht angetrieben hat.
Der vereinbarte glückliche Zeitpunkt
ist bereits verstrichen.
Länger währt nun die Genesung
des leidenden Herzens.
Aber, oh Gott, ich fürchte...

NERO
Was fürchtest du?

POPPEA
Dass Agrippina kommt und uns entdeckt.
Sie schaut um sich

NERO
Hierher soll die Mutter kommen?

POPPEA
Und schon bald.
Doch damit du
meine Gefühle kennst und siehst,
welche Beweise ich dir gebe,
will ich, dass du dich hier versteckst
und wartest, bis sie geht.
Dann sollst du sehen, wie sehr Poppea,
nachdem die Furcht gewichen,
dich liebt und anbetet.

NERO
Schon fühle ich süsse Freude in meiner Brust.

OTTO
(Immer mehr wächst in mir der grausame Schmerz.)

Arie

NERO
Deiner Liebe Glut
lasse die Zeit rasch vergehen!
Zu begierig wartet meine Liebe
auf die Stunde der Erfüllung.
versteckt sich hinter einem Türvorhang gegegenüber Ottos Versteck

FÜNFTE SZENE

Rezitativ

POPPEA
Gütiger Himmel, stehe meinem Plan bei.
Ich glaube, dass Ottos Herz
vor Zorn vergeht:
doch wer liebt, muss leiden.

SECHSTE SZENE

LESBUS
Niemand ist hier, Herr;
die Liebe wird die Wunden heilen.
ab

POPPEA
Claudius, Ihr umwerbt mich,
doch liebt Ihr mich nicht wirklich.

CLAUDIUS
Wie? Zweifelst du an meiner Liebe?
Liebste, du weisst,
was ich für dich getan!

POPPEA
Was Ihr getan?
Stets kühner und frecher ist der,
der mir die Ruhe raubt.

CLAUDIUS
So richtet die Strafe
bei dem Schamlosen nichts aus?

POPPEA
Welche Strafe?

CLAUDIUS
Kann einer, der vom Gipfel gestossen wurde,
noch so verwegen sein?

POPPEA
Ich vestehe Euch nicht, Herr.
Mehr als je hegt er Hoffnungen auf den Thron.

CLAUDIUS
Ist Otto derart dreist?

POPPEA
Otto? Von wem sprecht Ihr, Herr?
Ach, Claudius, endlich begreife ich
mein unseliges Geschick.
gibt vor zu weinen

CLAUDIUS
Du weinst, meine Schöne? Sag mir,
was ich tun soll! Befiehl mir!
Wie ich's dir versprach,
soll Ottos Haupt der Lorbeerkranz entrissen werden.

NERO
(Könnte ich nur verstehen, was sie sprechen!)

OTTO
(Ich leide, doch sterbe ich nicht?)

POPPEA
Ottos Haupt?

CLAUDIUS
Ja, von ihm, dem Verwegenen,
der deinem Herzen befiehlt.

POPPEA
Otto, Herr, war es nicht.

CLAUDIUS
Wer dann?

POPPEA
Nero, über Nero klage ich,
er verbot mir, Euch wiederzusehen.

CLAUDIUS
Wie? Du sagtest Otto.

POPPEA
Ich sprach von Nero. Ihr verstandet mich nicht recht.

CLAUDIUS
Nero? Wie passt solches
zum Machtwillen, zum Zepter, zum Thron?
Du hintergehst mich, Poppea!

POPPEA
Ich Euch hintergehen? Vielleicht wisst Ihr nicht,
dass, bevor Ihr nach Rom kamt,
auf Agrippinas Befehl
Nero auf den Thron gelangte
und Kaiser wurde. Oder täuscht Ihr mich nur?

NERO
(Und noch immer geht er nicht, oh Himmel!)

OTTO
(Ich vergehe vor Schmerz!)

CLAUDIUS
Ungeheuerliches erzählst du.
Aber sagtest du nicht Otto? So antworte mir.

POPPEA
Mein Herr, vielleicht verstandet ihr
den Namen falsch.
Nero und Otto klingt ähnlich.

CLAUDIUS
Ich weiss es nicht. Ich bin verwirrt.

POPPEA
Ihr zweifelt noch?
Vertraut mir, und wenn Ihr wollt,
liefere ich den Beweis,
dass der, welcher mir gegen meinen Willen
nachstellt, Nero allein ist.
Was werdet Ihr dann tun, Herr?

CLAUDIUS
Ich werde dich rächen.

POPPEA
Versprecht Ihr es?

CLAUDIUS
Ich schwöre es.

POPPEA
Genau wie ich hoffte.
Seht, ob mein Herz ehrlich oder betrügerisch ist.
Kommt hierher mit mir, Herr, hierher.

Poppea führt Claudius hinter die Vordertür und geht zu Neros Versteck

NERO
(Ist Claudius fort?)

OTTO
(Wie schwer wird mir das Warten!)

POPPEA
Nero, wo bist du?

NERO
Hier bin ich, mein Leben.

SIEBENTE SZENE

CLAUDIUS
Verwegener, Schamloser!

NERO
(Oh Himmel, hilf mir!)

CLAUDIUS
Selbst im Palast wagst du,
frecher Bursche,
schamlos und kühn,
achtbare junge Damen zu belästigen?

NERO
Hört, Herr!

CLAUDIUS
Schweig!

POPPEA
(Ich bin zufrieden.)

OTTO
(Frohlocke, oh Herz!)

CLAUDIUS
Geh von mir und wage nicht,
mir wieder unter die Augen zu treten!

Wie Nero gehen will, geht Poppea auf ihn zu

POPPEA
beiseite, zu Nero
Geh zu Agrippina und sage ihr...

NERO
(Ach, grausames Schicksal!)

POPPEA
.. dass Betrüger selbst zu Betrogenen werden.

NERO
im Gehen
Ihr königlicher Geist wird dich die Zukunft lehren.
Agrippina weiss, wie sie sich rächen kann.

ACHTE SZENE

POPPEA
Nun, Claudius, was sagst du?

CLAUDIUS
Ich bin überzeugt.

POPPEA
Jetzt ist die Aufrichtigkeit meines Herzens offenbar.
(Mit List muss ich mich von Claudius befreien.)
Doch Agrippina, ach,
wird alle Furien zur Hife rufen.
Nero läuft in seiner Wut
zur Mutter. Ach, ich sehe
mich umgeben von Schwierigkeiten.

CLAUDIUS
Befürchte nichts, oh Teure. Trockne deine Tränen.

POPPEA
Durch deine Liebe bin ich in grosser Gefahr.
Die Zeit ist ungünstig, Herr.
Mein Geist ist verwirrt
und denkt an anderes als an Freuden.
Bald kommt Agrippina. Welche Marter!

CLAUDIUS
Nein, sie soll nicht kommen.

POPPEA
Ach, verlasse mich!
Von mir erhältst du nichts.

CLAUDIUS
Unglücklich wird also stets
meine Liebe sein?

POPPEA
Bezähme zuerst die Wut
deiner Gemahlin.
Schütze mich vor ihrem Zorn.
Dann wirst du hören, was mein Herz empfindet.

Arie

CLAUDIUS
Ich gebiete in Rom,
noch ist keiner, der mit mir regiert.
Es umschleichen den Thron,
auf dem ich sitze, die anderen mit ihren Gedanken.

NEUNTE SZENE

Rezitativ

POPPEA
vergewissert sich, dass Claudius gegangen ist
Endlich ist er fort. Ach wie lockt
süsse Rache das Herz!
Claudius ist fort; die Intrige gelingt. Ich eile, den
Geliebten von seiner langen Qual zu erlösen.

Sie öffnet die Tür, hinter der sich Otto versteckt

ZEHNTE SZENE

POPPEA
Nun, Otto, was sagst du?
Siehst du, wie ich Nero
getäuscht habe, und wie ich mich
an Agrippina gerächt? Siehst du, dass ich
den Herrscher der Welt verschmähe,
und dass ich in Liebe dir,
Geliebter, verbunden bin?

OTTO
Ein gesegnetes Band,
wenn es uns vereint,
und im ewigen Bund der Liebe
aus zwei Herzen eines macht.

POPPEA
So kann ich ganz
auf deine Treue bauen?

OTTO
Bevor ich dich enttäusche,
sterbe ich lieber tausend Tode.

POPPEA
Du versprichst es?

OTTO
Ich verspreche es nicht nur, ich schwöre es.
Möge mich der Blitz treffen, wenn ich lüge.

POPPEA
Doch wenn Claudius ...

OTTO
Was kümmert's?

POPPEA
Agrippina, Nero...

OTTO
Ich verachte sie.

POPPEA
Der Glanz des Thrones?

OTTO
Für deine Umarmung gebe ich alles auf.

POPPEA
Dir, mein Geliebter, will ich mich schenken.

Arie

OTTO
Deine Umarmung,
mein geliebtes Wesen,
macht mich glücklich.
Ohne dich, mein Herz,
ist alles in mir nur Schmerz,
nur Qual.
ab

Rezitativ

POPPEA
Im sanften, stillen Hort meines Herzens
lege deine Flügel nieder, oh mein Cupido!

Arie

POPPEA
Wahre Freude
beschert uns
die treue Liebe!
Sie beglückt das Herz.
Der Schönheit Glanz
ist nichts,
wenn er nicht
aus treuem Herzen kommt.

ELFTE SZENE
Saal im kaiserlichen Palast

Rezitativ

AGRIPPINA
Das wagte Poppea?

NERO
Wie ich dir sagte,
sie umwarb mich, lud mich ein, empfing mich und
gab mich dem Kaiser preis!
Er tobt, sie lacht, und ich laufe zitternd
zu dir, oh Mutter,
um mich vor Claudius' Wut zu retten,
und vor der Gefahr;
er ist dein Gemahl, du meine Mutter und ich der Sohn.

AGRIPPINA
Ah! Wie unbedacht, Nero;
jetzt, wo ich alle List und Tücke anwende,
um dich auf den Thron zu bringen,
folgst du blind einer törichten Liebe
geradeswegs ins Verderben?

NERO
Es ist wahr, ich irrte. Doch Poppea
hat jetzt deine Machenschaften durchschaut.
»Geh« - sagte sie - »zu Agrippina, und sage ihr,
dass Betrüger selbst zu Betrogenen werden.«

AGRIPPINA
Doch noch soll all meine Hoffnung
nicht vergebens sein.
Sohn, lösche die unwürdige Flamme
in deinem Herzen; erkenne in Poppea
deine Feindin.
Allein der Regentschaft widme deine Gedanken.
ab

Arie

NERO
Wie der Wind die Wolken verjagt,
vertreibe ich erzürnt dieses Antlitz.
Schon ist das Feuer in meinem Herzen erloschen,
das Band zu dieser Seele gelöst.

ZWÖLFTE SZENE

Rezitativ

PALLAS
Gab es je eine bösere Frau?

NARZISS
Gab es je ein Herz,
das kälter wäre?
Was sollen wir tun?

PALLAS
Wir müssen Claudius
alles entdecken. Uns vertraut
er mehr als allen anderen.
Kommen wir der Anschuldigung zuvor,
möge Agrippina büssen, was sie uns angetan hat.

NARZISS
In unserer gefährlichen Lage
scheint mir dein Rat der richtige.

PALLAS
Doch hier kommt der Kaiser.

NARZISS
Der Augenblick ist günstig,
unseren Plan voranzutreiben.

PALLAS
Überlasse es mir, doch steh mir bei.

DREIZEHNTE SZENE

CLAUDIUS
Agrippina, Nero, Otto und Poppea
rauben mir den Seelenfrieden,
indem sie einander beschuldigen.
Ich weiss nicht, wem ich glauben kann,
um den Schuldigen mit Härte zu strafen.

PALLAS
Sieh, Herr,
zu deinen Füssen
den unglücklichen Pallas fallen.

NARZISS
Um sein Leben zu retten, Herr,
bittet Euch Narziss um Beistand.

CLAUDIUS
Meine Getreuen,
von wem droht euch Gefahr,
sprecht!

PALLAS
Euch ergeben,
um uns zu verteidigen,
verklagen wir Agrippina,
denn sie allein ist es,
die uns ins Verderben stürzen will.

CLAUDIUS
Aus welchem Grund?

PALLAS
Bevor Ihr Rom erreichtet,
liess sie mit unserer Hilfe
Nero zum Kaiser ausrufen.
Sie bediente sich unserer Dienste.
Doch wer betrogen wird, den trifft keine Schuld.

NARZISS
Wir nahmen an, Ihr wäret tot; so sind wir schuldlos.

CLAUDIUS
Das wagte Agrippina?
Jetzt begreife ich Poppea. Im Palaste selbst
befinden sich die Feinde.
Doch Furcht schürt in mir den Verdacht
in der allgemeinen Verwirrung.
Ihr seid treu, mein mächtiger Arm wird euch
schützen. Fürchtet euch nicht länger!

VIERZEHNTE SZENE

AGRIPPINA
Verehrter Gemahl, heute erwarte ich
die Einlösung deines Versprechens;
bestimme heute Nero zum Kaiser,
und alle Aufrührer
sind in die Knie gezwungen.

CLAUDIUS
Noch nicht, Agrippina.

AGRIPPINA
(Er zürnt mir.)
Deine Gefahr ist dir bekannt,
und deutlich das Mittel, sie zu beseitigen.
Mein Herr, warum länger zögern? Verhindere
das drohende Verderben.
Gebiete den Feinden Einhalt...

CLAUDIUS
Und Agrippina?

AGRIPPINA
(Ich kann nicht heucheln
im Beisein von Narziss und Pallas.
Ich muss es selbst durchstehen.)

PALLAS, NARZISS
(Welch wütenden Blick Agrippina mir zuwirft!)

AGRIPPINA
Aus deinem Ton spricht
die bösartige List deiner und meiner Feinde.
Sprich, sprich,
was ist der Grund für deine Verstimmung?

CLAUDIUS
Das wird der Kaiser sagen. Nero kennt den Grund.

AGRIPPINA
Ah! Claudius, nun begreife ich, dass man bisweilen
auch für eine gute Tat beschuldigt werden kann.

NARZISS
(Was wird sie nun sagen?)

PALLAS
(Hören wir ihre Erklärung).

CLAUDIUS
Du nennst es eine gute Tat,
kühn mir das Reich zu entreissen
und während meiner Abwesenheit
Nero auf den Thron zu bringen?
Welche Entschuldigung sollte dich freisprechen?

AGRIPPINA
Ein aufrechtes Herz braucht sich nicht zu
entschuldigen. Was du sagst, Herr, ist wahr.

CLAUDIUS
Du gibst es zu, Verwegene?

AGRIPPINA
Dir den Thron und das Leben zu retten,
ist kein Vergehen. Wie glücklich bin ich,
dass Narziss und Pallas zugegen sind.

NARZISS
(Welche Beharrlichkeit!)

PALLAS
(Wie kaftblütig sie ist!)

AGRIPPINA
Es ging das falsche Gerücht,
du seist im schweren Sturme
ums Leben gekommen.
Schon verlangten Heer, Volk und Senat
nach dem Nachfolger;
hätte ein Stolzer die Macht ergriffen, mit jener
Nachricht, die immer gefällt, so wäre es um deine
Ruhe geschehen;
um dich zu schützen,
liess ich meinen Sohn ausrufen;
er bestieg den Thron, doch nur,
um ihn dir zu erhalten, mein lieber Gemahl!
Ich, die ich dein Leben
und den Thron verteidigte,
Ich soll die Feindin, die Aufrührerin sein?

PALLAS
(Wie schlau sie ist!)

NARZISS
(Wie listig!)

AGRIPPINA
Pallas und Narziss
können es bezeugen;
bat ich euch nicht,
mir zu helfen?
So bezeugt, dass Nero auf die Nachricht,
dass Claudius gerettet war,
demütig vom Throne stieg,
und dass er, getreu meinem Wunsche.
ganz Rom dazu bewegte,
Claudius’ Namen jubelnd auszurufen.
Jeder von euch sage es ehrlich.

CLAUDIUS
Ihr, was sagt ihr?

NARZISS, PALLAS
Herr, alles ist wahr.

AGRIPPINA
Wer sonst ausser meinem Sohne,
wenn er einst regiert,
vom Volke stolz bestätigt,
hätte das Zepter abgegeben.
Indem ich dein Leben verteidigte,
dir den Thron bewahrte,
bin ich nun die Feindin, die Rebellin?

CLAUDIUS
(Agrippina verwirrt mich;
die sie verklagten, verteidigen sie nun).

NARZISS
(Ich bin erstaunt!)
ab

PALLAS
(Ihre eigene Untat wird ihr zum Lohn!)
ab

CLAUDIUS
Teure, ich zweifle nicht an deiner Treue und Liebe.

AGRIPPINA
Aber, oh Gott, ich bin mir
deiner Treue und Liebe nicht sicher.
Ich glaube, dass du mich für schuldig hältst,
denn dein Herz hört auf...

CLAUDIUS
Auf wen?

AGRIPPINA
Auf Poppea.
Nur schmerzt es mich,
dass du ihren Betrug nicht wahrnimmst.

CLAUDIUS
So enthülle ihn.

AGRIPPINA
Diese Frau, von Otto begehrt...

CLAUDIUS
Agrippina, du irrst dich: es war Nero.
Heda! Otto, Nero und Poppea
sollen sofort kommen.

AGRIPPINA
Du wirst sehen, ob ich lüge oder ob sie schuldig ist.
(Das habe ich vorausgesehen.)

CLAUDIUS
Bei solchem Durcheinander
will ich sehen, wer der Übeltäter ist.
In den Herzen soll Ruhe und Frieden regieren.

Arie

AGRIPPINA
Willst du Frieden, oh Geliebter,
so sei böser Hass dir fern!
Sieh, verehrter Gott,
meine Liebe und Treue an.

FÜNFZEHNTE SZENE

Rezitativ

AGRIPPINA
(Hier ist meine Rivalin.)

POPPEA
Hier ist die grausame Ursache für grossen Schmerz).

NERO
(Was wird aus mir?)

OTTO
(Himmel, was wird geschehen?)

CLAUDIUS
Hier siehst du, Agrippina,
deinen Sohn, den kühnen Burschen,
der im Palast die Ehre
achtbarer junger Damen kränkt.

AGRIPPINA
Du irrst dich, Herrscher.

CLAUDIUS
Nein, ich irre mich nicht; nein, er wird es bestätigen.
In Poppeas Gemach fand ich dich doch verborgen?

AGRIPPINA
Himmel, was muss ich hören?

NERO
(Ich wage nicht zu sprechen.)

CLAUDIUS
Sein Schweigen überführt ihn.
Du, Poppea, kannst dies aufrichtig bezeugen.

POPPEA
Ihr saht es, Herr, es ist wahr.

AGRIPPINA
(Noch seien ihre Pläne vereitelt.)

OTTO
(Wie schlau rächt sich Poppea!)

CLAUDIUS
Ich verlange Wiedergutmachung
für diese offenbare Schuld.

AGRIPPINA
(Noch hoffe ich.)

POPPEA
(Oh wie froh ich bin!)

CLAUDIUS
Das erhabene Band der Ehe
vereine Nero und Poppea.

POPPEA
(Was vernehme ich?)

AGRIPPINA
(Was höre ich?)

NERO
Eurer Gnade ergebe ich mich.

OTTO
Hier zu Euren Füssen, oh Herrscher,
liegt der unglückliche Ottone!

CLAUDIUS
Nun beruhige dich,
du bist von deiner Schuld befreit.
Ich versprach dir den Lorbeer.
Du sollst Kaiser sein.

AGRIPPINA
(Ich vernehm' es und sterbe doch nicht!)

OTTO
Ich will den Lorbeer nicht.
will nicht herrschen, wichtig ist mir allein
meine geliebte Poppea.
Wollte das Schicksal Euch das Leben schenken,
so gebt Ihr mir den Tod, nehmt Ihr mir die Geliebte.

AGRIPPINA
Nun siehst du, wer der Schuldige ist,
ob es Nero ist oder Otto, der Poppea liebt.

CLAUDIUS
zu Nero
Und du. Nero, was sagst du?

NERO
Ich beuge mich Eurem Willen;
doch ist es doppelte Strafe,
mir das Reich zu nehmen und mir eine Frau zu geben.

POPPEA
Und hast du mir nichts zu sagen?
Möge Nero Zeptet, Macht und Besitz haben,
Ich will niemand anderem gehören als Otto.

CLAUDIUS
Eure Wünsche will ich auf die Probe stellen.
zu Nero
Entsagst du der Liebe für den Lorbeerkranz,
zu Otto
Und verzichtest du auf Reich für die Liebe,
so wird die Nachwelt in euch würdige Helden
der Liebe und des Ruhmes erblicken.
Kaiser werde Nero, und du, Otto,
nimm deine treue Poppea!.
(Frei ist mein Herz, wenn sie einem anderen gehört.)

NERO, POPPEA
Wie glücklich bin ich.

OTTO
Nun hat die Qual ein Ende.

AGRIPPINA
(Nun, da Nero regiert, kann ich ruhig sterben.)

CLAUDIUS
Aller Hass ist nun fern und Rom preise
diesen ersehnten Tag, der jedem Glück
und Segen beschert.
Auf Befehl des Kaisers,
zur Feier dieser glücklichen Heirat
der lieblichen Poppea, steigt Juno, Göttin der Ehe,
in allem Glanz herab.
Schon erscheint sie, und möge Rom
um Neros Haupt den Lorbeerkranz flechten.

Juno steigt mit ihrem Gefolge herab

Chor

CHOR
Heiter möge Wellen schlagen der Tiber
im Glanze des neuen Herrschers
und an den Gestaden preisen
voller Freuden den Gott der Liebe!

Rezitativ

JUNO
Zur Feier der Ehe von Otto und Poppea
steigt Juno vom Himmel herab und streut Lilien.
Vom Brautbett erwartet die glückliche Göttin
neue Vasallen für Claudius, Söhne fürs ehrwürdige Rom.

Arie

JUNO
Die Strahlen der Sterne
entzünden unsere Fackeln.
Zu Ehren solcher Treue
strahlen sie im hellsten Glanz.

Es folgt der Tanz von Junos Gefolge

Tanz