Libretto: Dido and Aeneas

from Henry Purcell


Dido und Aeneas


Personen:
DIDO [ELISSA], Königin von Karthago (Sopran oder Mezzosopran)
BELINDA, ihre Vertraute (Sopran)
ZWEITE FRAU (Sopran)
AENEAS, trojanischer Fürst (Bariton)
ZAUBERIN (Mezzosopran oder Bariton)
ERSTER SEEMANN (Tenor)
ERSTE HEXE (Sopran)
ZWEITE HEXE (Mezzosopran)
GEIST (Sopran oder Bariton)

CHOR
Gefolge, Krieger, Seeleute, Furien

ERSTER AUFZUG

Ouvertüre

Der Palast
Dido, Belinda und Gefolge treten auf.


BELINDA
Schüttle die Wolke ab von deinen Brauen,
Das Schicksal erhört deine Wünsche;
Dein Reich wächst mächtig, Freuden strömen,
Fortuna lächelt, lächeln sollst auch du.

CHOR
Verbanne den Kummer, verbanne die Sorgen,
Trübsal bleibe ewig fern der Schönen.

DIDO
Ach, Belinda, ich werde heimgesucht
Von unaussprechlichen Qualen.
Fremd ist mir der Friede geworden,
Ich schmachte, bis mein Kummer bekannt ist;
Doch wollte ich, niemand erräte ihn.

BELINDA
Es wächst der Kummer, bleibt er im Verborgenen.

DIDO
Der meine duldet keine Enthüllung.

BELINDA
Dann lasst mich sprechen; der trojanische Gast
Gab Euern Gedanken ein
Den grössten Segen, den das Schicksal fügen kann,
Um unser Karthago zu retten und Troja neu zu beleben.

CHOR
Wenn Fürsten sich vereinen, wie glücklich ihr Los!
Sie triumphieren sogleich über ihre Feinde und ihr Schicksal.

DIDO
Woraus kann nur so viel Tugend entspringen?
Von welchen Stürmen, welchen Schlachten sang er nicht?
Des Anchises Tapferkeit vermischt mit der Venus Zauber,
Wie sanft im Frieden, und doch wie fürchterlich in Waffen!

BELINDA
Ein Lied so mächtig und so voller Leid
Könnte Felsen erweichen ebenso wie euch.

ZWEITE FRAU
Welches verstockte Herz könnt' sehen ungerührt
Solch Leid und solche Frömmigkeit?

DIDO
Meines, selbst von Sorgenstürmen ganz zerrissen,
Hat gelernt, der Elenden sich zu erbarmen.
Armer Toren Leid kann rühren
Meine mitfühlende, empfindsame Brust.
Doch ach! Ich fürchte, ich empfinde seines zu stark!

BELINDA UND ZWEITE FRAU
vom Chor wiederholt
Fürchtet nicht, dass Gefahren lauern.
Der Held liebt ebenso wie ihr.
Stets ist er sanft, stets lächelt er,
Und er verbannt des Lebens Nöte.
Cupido bestreute Euern Pfad mit Blumen,
Gepflückt in den elysischen Lauben.

Aeneas und sein Gefolge treten auf.

BELINDA
Seht, Euer königlicher Gast erscheint;
Wie göttlich ist seine Gestalt!

AENEAS
Wann, schöne Königin, werde ich erhört werden,
Geschlagen mit Liebespein und herrscherlichen Sorgen?

DIDO
Das Schicksal verbietet, was Ihr begehrt.

AENEAS
Aeneas kennt kein Schicksal als Euch!
So Dido nur lächelt, will ich verachten
Die ohnmächtigen Schicksalsschläge.

CHOR
Cupido nur schleudert den Pfeil,
Den das Herz des Kriegers fürchtet.
Und nur sie, die die Wunde schlägt, kann den Schmerz lindern.

AENEAS
Wenn nicht um meinet dann doch um des Reiches Willen
Habt etwas Mitleid mit euerm Freund.
Ach, lasst nicht in einem Feuer ohne Hoffnung,
Einen Helden fallen, und Troja noch einmal untergehen.

BELINDA
Vollend', o Liebe, deinen Sieg; ihre Augen
Leuchten von der Flamme, die ihr Mund verleugnet.

CHOR
Den Hügeln und Tälern, den Felsen und Bergen,
Den melodischen Hainen und den kühlen, schattigen Quellen
Verkündet die Triumphe der Liebe und der Schönheit.
Jubelt, ihr Liebesgötter, denn euer ist der Tag.

Triumphtanz

ZWEITER AUFZUG

ERSTE SZENE
Die Höhle
Die Zauberin tritt auf


Vorspiel der Hexen

ZAUBERIN
Launische Schwestern, die ihr erschreckt
Den einsamen Wanderer bei Nacht -
Die ihr, wie unheilverkündende Raben schreiend,
An die Fenster der Sterbenden klopft,
Erscheint! Erscheint auf mein Geheiss und teilt den Ruhm
Einer Missetat, die Karthago in Flammen setzen soll.
Erscheint!

Die Hexen treten auf.

ERSTE HEXE
Sag, alte Zauberin, was ist dein Wille?

CHOR
Das Böse ist unser Entzücken und
Missetaten unsere ganze Kunst.

ZAUBERIN
Die Königin von Karthago, die wir hassen,
Wie wir alle hassen, die im Glücke leben,
Soll vor Sonnenuntergang ins Unglück stürzen,
Beraubt des Ruhms, des Lebens und der Liebe!

CHOR
Ha ha ha, ha ha ha!

ZWEI HEXEN
Zugrunde gerichtet vor Sonnenuntergang?
Sag uns, wie dies geschehen soll!

ZAUBERIN
Der trojanische Prinz, ist, wie ihr wisst,
Vom Schicksal gehalten, die Gestade Italiens aufzusuchen;
Die Königin und er sind jetzt auf der Jagd.

ERSTE HEXE
Hört! Hört! Ihre Rufe kommen schnell näher.

ZAUBERIN
Wenn sie die Jagd beendet haben, soll mein treuer Geist
In Gestalt des Merkurs selbst,
Wie von Jupiter gesandt, sein Verweilen tadeln
Und ihm befehlen, heute abend mit seiner Flotte abzusegeln.

CHOR
Ha ha ha, ha ha ha!

ZWEI HEXEN
Doch eh' wir dies vollbringen,
Lasst uns einen Sturm heraufbeschwören,
Um ihnen das Vergnügen an der Jagd zu verderben
Und sie zum Hof zurückzujagen.

ECHO-CHOR
In unserer tiefen gewölbten Höhle wollen wir den Zauber bereiten,
Zu schrecklich ist dies Vorhaben für das helle Licht.

Echotanz der Furien


ZWEITE SZENE
Der Hain
Aeneas, Dido, Belinda und Gefolge treten auf.


Ritornell
Orchester

BELINDA
wiederholt vom Chor
Wir danken euch, einsame Täler,
Und euch, einsame Hügel und Schluchten!
So reich ist das Wild, so vergnüglich die Jagd,
Diana selbst könnte in diesen Wäldern leben.

ZWEITE FRAU
Oft besucht sie diesen einsamen Berg,
Oft badet sie in dieser Quelle;
Hier fand Actaeon seinen Tod,
Verfolgt von seinen eigenen Hunden,
Erhielt er tödliche Wunden
Und ward zu spät gefunden.

Didos Frauen tanzen, um Aeneas zu unterhalten.

AENEAS
Sieh, auf meinem gebogenen Speer
Hängt der blutende Kopf eines Ungeheuers.
Mit Hauern weit grösser
Als jene, die den Jäger der Venus zerrissen.

DIDO
Der Himmel ist verdunkelt, hört, wie der Donner
Die Bergeichen zerschlägt.

BELINDA
wiederholt vom Chor
Schnell, schnell zur Stadt. Dies freie Feld
Kann gegen den Sturm keinen Schutz gewähren.

Dido, Belinda und Gefolge treten ab.

Der Geist der Zauberin steigt zu Aeneas herab in der Gestalt des Merkur.


GEIST
Verweile Prinz, und höre das Gebot des grossen Jupiter;
Er gebietet dir, heute nacht abzufahren.

AENEAS
Heute nacht?

GEIST
Heute nacht musst du dies Land verlassen.
Der zornige Gott will nicht dulden längeres Verweilen.
Jupiter befiehlt dir, verschwende nicht mehr
Auf Freuden der Liebe jene kostbaren Stunden,
Die dir die Götter geschenkt,
Damit du das westliche Ufer aufsuchst.
Und das zerstörte Troja wieder aufrichtest.

AENEAS
Den Geboten Jupiters werde ich folgen:
Heute nacht sollen unsere Anker gelichtet werden.
Der Geist verschwindet
Doch ach! mit welchen Worten
Soll ich meine verletzte Königin besänftigen:
Kaum hat sie mir ihr Herz geschenkt,
Da bin ich schon gezwungen, aus ihrer Umarmung zu fliehen.
Wie kann ich ein so hartes Schicksal ertragen?
Eine Nacht verbracht in Freuden, in der nächsten schon der Abschied.
Ihr tragt die Schuld, ihr Götter! Denn ich
Gehorche euerm Willen, doch leichter fiel' es mir zu sterben.

DRITTER AUFZUG

ERSTE SZENE
Die Schiffe
Seeleute treten auf


Vorspiel

ERSTER SEEMANN
wiederholt vom Chor
Kommt herbei, Kameraden, lichtet eure Anker!
Die Zeit und die Flut dulden keinen Aufschub.
Trinkt und nehmt einen schnellen Abschied von euren Nymphen am Strand
Und beschwichtigt ihre Trauer
Mit Versprechen der Rückkehr
Doch denkt nicht daran, sie wiederzusehen.

Der Tanz der Matrosen

Die Zauberin und die Hexen treten auf

ZAUBERIN
Seht, wie Flaggen und Wimpel flattern!
Anker werden gelichtet und Segel entfaltet.

ERSTE HEXE
Des Phoebus blasse, trügerische Strahlen
Vergolden heimtückische Strömungen.

ZWEITE HEXE
Unsere Verschwörung ist gelungen,
Die Königin ist verlassen.

ZWEI HEXEN
Elissa ist verloren, ha ha!
Unsere Verschwörung ist gelungen,
Die Königin ist verlassen, ha ha!

ZAUBERIN
Als nächstes müssen wir
Ihren Liebhaber auf dem Ozean mit Stürmen heimsuchen!
Von dem Elend anderer schaffen wir unser Vergnügen.
Elissa blutet heut nacht, und Karthago steht morgen in Flammen.

CHOR
Zerstörung ist unser Entzücken
Und Freude unser grösster Verdruss!
Elissa blutet heut nacht,
Und Karthago steht morgen in Flammen, ha ha!

Tanz der Hexen

Ein Irrlicht führt die Matrosen von ihrem Weg ab zu den Hexen.


ZWEITE SZENE
Der Palast
Dido, Befinda und Gefolge treten auf.


DIDO
Euer guter Rat ist ganz umsonst.
Bei der Erde und beim Himmel will ich klagen!
Doch warum rufe ich Himmel und Erde an?
Himmel und Erde planen meinen Fall:
An das Schicksal wend ich meine Klage, denn andere Mittel bleiben mir nicht.
Es ist die einzige Zuflucht für die Elenden.

Aeneas tritt auf

BELINDA
Seht, Herrin, seht, der Prinz erscheint;
Und solchen Kummer liest man in seinem Gesicht,
Dass Ihr überzeugt sein könnt, dass er noch immer treu ist.

AENEAS
Was soll der verlorene Aeneas tun?
Wie, schöne Königin, soll ich euch den
Ratschluss der Götter
Kundtun, und Euch sagen, dass wir scheiden müssen?

DIDO
So weint auf des Niles Schicksalsbänken
Das tückische Krokodil!
So machen Heuchler, die einen Mord verüben,
Den Himmel und die Götter zu Urhebern der Tat!

AENEAS
Bei allem, was gut ist -

DIDO
Bei allem, was gut ist, nichts mehr!
Alles was gut ist, hast du betrogen.
Flieg hin zu deinem versprochenen Reich,
Und lass die verlassene Dido sterben.

AENEAS
Trotz Jupiters Geheiss werd' ich bleiben,
Die Götter verletzen und der Liebe gehorchen.

DIDO
Nein, treuloser Mensch, verfolge deinen Plan;
Ich bin nun entschlossen, ebenso wie du.
Keine Reue kann wieder erlangen
Der verletzten Dido verachtete Liebe.
Genug ist's, was auch immer du jetzt beschliessest,
Dass du nur ein einziges Mal den Gedanken fasstest, mich zu verlassen.

AENEAS
Lass Jupiter sagen,
Was er will, ich werde bleiben!

DIDO
Hinweg, hinweg! Nein, nein, hinweg!

AENEAS
Nein, nein, bleiben will ich und der Liebe gehorchen!

DIDO
In des Todes Arme will ich fliegen,
Wenn du noch länger verweilest; Hinweg, hinweg ...
Aeneas geht ab
Doch ach, den Tod kann ich nicht meiden;
Der Tod ist gewiss, ist er gegangen.

CHOR
Grosse Seelen zermartern sich selbst
Und verachten die Hilfe, die sie am meisten begehren.

DIDO
Deine Hand, Belinda; Finsternis umwölbt mich:
An deinem Busen lass mich ruhen.
Mehr wollt ich tun, doch der Tod ist in mir.
Der Tod ist nun ein willkommener Gast.

Wenn ich in der Erde liege,
Mögen meine Verfehlungen Dich nicht bekümmern.
Denk an mich! Doch ach! vergiss mein Schicksal.

Liebesgötter erscheinen in Wolken über ihrem Grab

CHOR
Mit hängenden Flügeln kommt, ihr Liebesgötter,
Und streut Rosen auf ihr Grab.
So zart und sanft wie einst ihr Herz,
Haltet Wache hier und geht nie fort.