Personen:
DER KAISER
DIE KAISERIN
DIE AMME
DER GEISTERBOTE
Ein HÜTER DER SCHWELLE DES TEMPELS
ERSCHEINUNG DES JÜNGLINGS
DIE STIMME DES FALKEN
Eine STIMME VON OBEN
BARAK, der Färber
SEIN WEIB
Des Färbers Brüder:
Der EINÄUGIGE
Der EINARMIGE
Der BUCKLIGE
Sechs KINDERSTIMMEN
Die STIMMEN DER WÄCHTER der Stadt
CHOR
Kaiserliche Diener; Fremde Kinder; Dienende Geister; Geisterstimmen
Die Werke von Richard Strauss geniessen bis auf weiteres den Schutz des Copyrights
© 1916 Adolph Fürstner, Berlin
Die nachfolgende Wiedergabe des Librettos geschieht mit freundlicher Genehmigung
© 1987 Fürstner Musikverlag GmbH, Mainz
(für die Gebiete Deutschland, Danzig, Italien, Portugal und die Nachfolgestaaten der UdSSR ausser Estland, Lettland und Litauen)
for all other countries: © 1943 Boosey & Hawkes Music Publishers Ltd
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ERSTER AUFZUG
Auf einem flachen Dach über den kaiserlichen Gärten.
Seitlich der Eingang in Gemächer matt erleuchtet
AMME
kauernd im Dunkel
Licht überm See –
ein fliessender Glanz –
schnell wie ein Vogel! –
Die Wipfel der Nacht
von oben erhellt –
eine Feuerhand
will fassen nach mir –
bist du es, Herr?
Siehe, ich wache
bei deinem Kinde,
nächtlich in Sorge und Pein!
BOTE
tritt aus der Finsternis hervor, geharnischt, von blauem Licht umflossen
Nicht der Gebieter,
Keikobad nicht,
aber sein Bote!
Ihrer elf
haben dich heimgesucht,
ein neuer mit jedem schwindenden Mond.
Der zwölfte Mond ist hinab:
der zwölfte Bote steht vor dir.
AMME
beklommen
Dich hab' ich nie gesehn.
BOTE
streng
Genug: ich kam
und frage dich:
wirft sie einen Schatten?
Dann wehe dir!
Weh uns allen!
AMME
triumphierend, aber gedämpft
Keinen! Bei den gewalt'gen Namen!
Keinen! Keinen!
Durch ihren Leib
wandelt das Licht,
als wäre sie gläsern.
BOTE
finster
Einsamkeit um dich,
das Kind zu schützen.
Vom schwarzen Wasser
die Insel umflossen,
Mondberge sieben
gelagert um den See –
und du liessest, du Hündin,
das Kleinod dir stehlen!
AMME
Von der Mutter her
war ihr ein Trieb
übermächtig
zu Menschen hin!
Wehe, dass der Vater
dem Kinde die Kraft gab,
sich zu verwandeln!
Konnt' ich einem Vogel
nach in die Luft?
Sollt' ich die Gazelle
mit Händen halten?
BOTE
Lass mich sie sehn!
AMME
leise
Sie ist nicht allein:
Er ist bei ihr.
Die Nacht war nicht
in zwölf Monden,
dass er ihrer nicht hätte begehrt!
Er ist ein Jäger
und ein Verliebter,
sonst ist er nichts!
Im ersten Dämmer
schleicht er von ihr,
wenn Sterne einfallen,
ist er wieder da!
Seine Nächte sind ihr Tag,
seine Tage sind ihre Nacht. –
BOTE
sehr bestimmt
Zwölf lange Monde
war sie sein!
Jetzt hat er sie noch
drei kurze Tage!
Sind die vorbei: –
sie kehrt zurück
in Vaters Arm.
AMME
mit gedämpftem Jubel
Und ich mit ihr!
O gesegneter Tag!
Doch er?
BOTE
Er wird zu Stein!
AMME
Er wird zu Stein!
Daran erkenn' ich Keikobad
und neige mich!
BOTE
verschwindend
Wahre sie du!
Drei Tage! Gedenk!
KAISER
tritt in die Tür des Gemaches
Amme! Wachst du?
AMME
Wache und liege
der Hündin gleich
auf deiner Schwelle!
KAISER
tritt hervor, schön, jung, im Jagdharnisch.
Es dämmert schwach.
Bleib und wache,
bis sie dich ruft!
Die Herrin schläft.
Ich geh' zur Jagd.
Heute streif' ich
bis an die Mondberge
und schicke meine Hunde
über das schwarze Wasser,
wo ich meine Herrin fand,
und sie hatte den Leib
einer weissen Gazelle
und warf keinen Schatten
und entzündete mir das Herz.
Wollte Gott, dass ich heute
meinen roten Falken wiederfände,
der mir damals
meine Liebste fing!
Denn als sie mir floh
und war wie der Wind
und höhnte meiner –
und zusammenbrechen
wollte mein Ross –,
da flog er
der weissen Gazelle
zwischen die Lichter –
und schlug mit den Schwingen
ihre süssen Augen!
Da stürzte sie hin
und ich auf sie
mit gezücktem Speer –
da riss sich's in Ängsten
aus dem Tierleib,
und in meinen Armen
rankte ein Weib! –
O dass ich ihn wiederfände!
Wie wollt' ich ihn ehren! –
Den roten Falken!
Denn ich habe mich versündigt gegen ihn
in der Trunkenheit der ersten Stunde:
denn als sie mein Weib geworden war,
da stieg Zorn in mir auf
gegen den Falken,
dass er es gewagt hatte,
auf ihrer Stirn zu sitzen
und zu schlagen
ihre süssen Lichter!
Und in der Wut
warf ich den Dolch
gegen den Vogel
und streifte ihn,
und sein Blut tropfte nieder. –
AMME
lauernd
Herr, wenn du anstellst
ein solches Jagen –
leicht bleibst du dann fern über Nacht?
KAISER
Kann sein, drei Tage
komm' ich nicht heim!
Hüte du mir die Herrin
und sag ihr: wenn ich jage –
es ist um sie
und aber um sie!
Und was ich erjage,
mit Falke und Hund,
und was mir fällt
von Pfeil und Speer:
es ist anstatt ihrer!
Denn meiner Seele
und meinen Augen
und meinen Händen
und meinem Herzen
ist sie die Beute
aller Beuten
ohn' Ende!
schnell ab
Morgendämmerung stärker, man hört Vogelstimmen
AMME
zu einigen Dienern, die sich allmählich um den Kaiser versammelt hatten
Fort mit euch!
Ich höre die Herrin!
ihr Blick darf euch nicht sehn!
die Diener auf und hinab, lautlos
KAISERIN
tritt aus dem Gemach
Ist mein Liebster dahin,
was weckst du mich früh?
Lass mich noch liegen!
Vielleicht träum' ich
mich zurück
in eines Vogels leichten Leib
oder einer jungen,
weissen Gazelle!
O dass ich mich nimmer verwandeln kann!
O dass ich den Talisman verlieren musste
in der Trunkenheit der ersten Stunde!
Und wäre so gern
das flüchtige Wild,
das seine Falken
schlagen – sieh! –
Da droben, sieh! –
Da hat sich einer
von seinen Falken –
sieh – verflogen!
Oh, sieh doch hin,
der rote Falke,
der einst mich
mit seinen Schwingen –
ja, er ist's!
O Tag der Freude
für meinen Liebsten
und für mich!
Unser Falke,
unser Freund!
Sei mir gegrüsst,
schöner Vogel,
kühner Jäger!
Er hat uns vergeben,
er kehrt uns zurück.
Oh, sieh hin,
er bäumt auf!
Dort auf dem Zweige –
wie er mich ansieht –
von seinem Fittich
tropft ja Blut,
aus seinen Augen
rinnen ja Tränen!
Falke! Falke!
Warum weinst du?
STIMME DES FALKEN
klagend
Wie soll ich denn nicht weinen?
Wie soll ich denn nicht weinen?
Die Frau wirft keinen Schatten,
der Kaiser muss versteinen!
KAISERIN
Dem Talisman,
den ich verlor
in der Trunkenheit der ersten Stunde,
ihm war ein Fluch
eingegraben –
gelesen einst,
vergessen, ach!
Nun kam es wieder: –
STIMME DES FALKEN
Die Frau wirft keinen Schatten,
der Kaiser muss versteinen!
Wie soll ich da nicht weinen?
AMME
dumpf wiederholend
Die Frau wirft keinen Schatten!
KAISERIN
Der Kaiser muss versteinen!
ausbrechend
Amme, um alles,
wo find' ich den Schatten?
AMME
dumpf
Er hat sich vermessen,
dass er dich mache
zu seinesgleichen –
eine Frist ward gesetzt,
dass er es vollbringe.
Deines Herzens Knoten
hat er dir nicht gelöst,
ein Ungebornes
trägst du nicht im Schoss,
Schatten wirfst du keinen.
Des zahlt er den Preis!
KAISERIN
Weh, mein Vater!
Schwer liegt deine Hand
auf deinem Kind.
Doch stärker als andre
noch bin ich!
– – – – – – – –
Amme, um alles,
du weisst die Wege,
du kennst die Künste,
nichts ist dir verborgen
und nichts zu schwer.
Schaff mir den Schatten!
Hilf deinem Kind!
Sie fällt vor ihr nieder
AMME
streng
Ein Spruch ist getan
und ein Vertrag!
es sind angerufen
gewaltige Namen,
und es ist an dir,
dass du dich fügest!
unter der Gewalt ihres Blickes, stockend
Den Schatten zu schaffen
– – – – – – – –
wüsst' ich vielleicht,
– – – – – – – –
doch dass er dir haftet,
müsstest du selber
ihn dir holen.
Und weisst du auch wo?
KAISERIN
Sei es wo immer,
zeig mir den Weg,
und geh ihn mit mir!
AMME
leise und schauerlich
Bei den Menschen!
Graust's dich nicht?
Menschendunst
ist uns
Todesluft.
Dies Haus, getürmt
den Sternen entgegen,
emporgetrieben spielende Wasser
buhlend um Reinheit
der himmlischen Reiche!
Uns riecht ihre Reinheit
nach rostigem Eisen
und gestocktem Blut
und nach alten Leichen!
Und nun von hier
noch tiefer hinab!
Dich ihnen vermischen,
hausen mit ihnen,
handeln mit ihnen,
Rede um Rede,
Atem um Atem,
erspähn ihr Belieben,
ihrer Bosheit dich schmiegen,
ihrer Dummheit dich bücken,
ihnen dienen!
Graust's dich nicht?
KAISERIN
sehr bestimmt und gross
Ich will den Schatten!
mit grossem Schwung
Ein Tag bricht an!
Führ mich zu ihnen:
ich will!
fahles Morgenlicht
AMME
Ein Tag bricht an,
ein Menschentag.
Witterst du ihn?
Schaudert's dich schon?
Das ist ihre Sonne:
der werfen sie Schatten!
Ein Verräter Wind
schleicht sich heran,
an ihren Häusern
haucht er hin,
an ihren Haaren
reisst er sie auf!
allmählich Morgenrot
– – – – – – – –
voll Hohn und Geringschätzung
Der Tag ist da,
der Menschentag –
ein wildes Getümmel,
gierig – sinnlos,
ein ewiges Trachten
ohne Freude!
wild und hasserfüllt
Tausend Gesichter,
keine Mienen –
Augen, die schauen,
ohne zu blicken –
Kielkröpfe, die gaffen,
Lurche und Spinnen –
uns sind sie zu schauen
so lustig wie sie!
– – – – – – – –
Sie zu fassen
verstünde ich schon –
mich einzunisten –
ihnen Streiche zu spielen
im eigenen Haus –
ist mein Element!
Diebesseelen sind ihre Seelen –
so verkauf' ich
einen dem andern!
Eine Gaunerin bin ich
unter Gaunern,
Muhme nennen sie mich
und Mutter gar!
Ziehsöhne hab' ich
und Ziehtöchter viel,
hocken wie Ungeziefer auf mir!
Warte, du sollst was sehn!
KAISERIN
ohne auf die Amme zu achten
Weh, was fasst mich
grässlich an!
Zu welchem Geschick
reisst's mich hinab?
AMME
dicht an ihr
Zitterst du?
Reut dich dein Wünschen?
Heissest uns bleiben?
Lässest den Schatten dahin?
KAISERIN
Mich schaudert freilich,
aber ein Mut
ist in mir,
der heisst mich tun,
wovor mich schaudert!
Und kein Geschäfte
ausser diesem,
das wert mir schiene
besorgt zu werden!
Hinab mit uns!
Das Morgenrot flammt voll auf
AMME
Hinab denn mit uns!
Die Geleiterin hast du
dir gut gewählt,
Töchterchen, liebes,
warte nur, warte!
Um ihre Dächer
versteh' ich zu flattern,
durch den Rauchfang
weiss ich den Weg,
und ihrer Herzen
verschlungene Pfade,
Krümmen und Schlüfte,
die kenne ich gut.
Sie tauchen hinab in den Abgrund der Menschenwelt, das Orchester nimmt ihren Erdenflug auf.
Der Zwischenvorhang schliesst sich rasch.
Verwandlung
Im Hause des Färbers. Ein kahler Raum, Werkstatt und Wohnung in einem. Hinten links das Bett, hinten rechts die einzige Ein- und Ausgangstür. Vorne die Feuerstätte, alles orientalisch-dürftig. Gefärbte Tücher an Stangen zum Trocknen aufgehängt da und dort; Tröge, Eimer Zuber, an Ketten hängende Kessel, grosse Schöpflöffel, Rührstangen, Stampfmörser, Handmühlen; Büschel getrockneter Blumen und Kräuter aufgehängt, anderes dergleichen an den Mauern aufgeschichtet, Farbmassen in Pfützen auf dem Lehmboden; dunkelblaue, dunkelgelbe Flecke da und dort.
Beim Aufgehen des Vorhanges liegt der Einäugige auf dem Einarmigen, würgt ihn. Der Junge, Verwachsene sucht den Einäugigen wegzureissen. Die Färbersfrau kommt von rückwärts herzu, sucht nach einem Zuber, die Streitenden mit Wasser zu beschütten.
EINÄUGIGER
schlägt auf den unter ihm Liegenden
Dieb! Da nimm!
Unersättlicher Nehmer!
EINARMIGER
unten, röchelnd
Reiss ihn nach hinten!
Hund den! Mörder!
BUCKLIGER
Zu Hilfe, Bruder!
Sie würgen einander!
FRAU
beschüttet sie
Schamlose ihr!
Eines Hundes Geschick über euch!
Die drei Brüder, auf das Tun der Frau, auf und auseinander; fauchen, an der Erde hockend, gegen die Frau.
EINÄUGIGER
Willst du uns schmähen, Hergelaufene!
Du Tochter von Bettlern, wer bist denn du?
Unser waren dreizehn Kinder,
aber für jeden Armen, der kam,
standen die Schüsseln und dampften von Fett!
BUCKLIGER
Was hebst du die Hand gegen uns, du Schöne,
bist doch unserm Bruder mit Lust zu Willen!
EINARMIGER
Lass sie, Bruder, was ist ein Weib!
Barak, der Färber tritt eben in die Tür.
FRAU
Aus dem Haus mir mit diesen!
Du, schaff sie mir fort!
Oder es ist meines Bleibens nicht länger bei dir!
BARAK
gelassen
Hinaus mit euch!
Ist Zeug zum Schwemmen
zehn Körbe voll,
was lungert ihr hier?
Die drei Brüder gehen ab.
Barak schichtet gefärbte Tierhäute übereinander zu einem mächtigen Haufen.
FRAU
Sie aus dem Hause,
und das für immer,
oder ich.
Daran will ich erkennen,
was ich dir wert bin.
BARAK
weiter schaffend
Hier steht die Schüssel,
aus der sie sich stillen.
Wo sollten sie herbergen,
wenn nicht in Vaters Haus?
Frau schweigt böse.
Barak wie vorher ohne aufzusehen
Kinder waren sie einmal,
hatten blanke Augen, gerade Arme,
einen glatten Rücken.
Aufwachsen hab' ich sie sehn
in Vaters Haus.
FRAU
ihn höhnend
Für dreizehn Kinder
standen die Schüsseln
dampfend vor Fett –
kam noch ein Bettler,
Platz war für jeden!
Sie hält sich die Ohren zu.
BARAK
holt ein Tau, den Pack zu schnüren; hält inne, sieht sie an
Speise für dreizehn,
wenn es not tut,
schaff' ich auch
mit diesen zwei Händen!
hat sich aufgerichtet, steht dicht bei ihr
Gib du mir Kinder, dass sie mir hocken
um die Schüsseln zu Abend,
es soll mir keines hungrig aufstehn.
Und ich will preisen ihre Begierde
und danksagen im Herzen,
dass ich bestellt ward,
damit ich sie stille.
Er tritt näher rührt sie leise an.
Wann gibst du mir
die Kinder dazu?
Die Frau hat sich abgekehrt; wie er sie anrührt, schüttelt sie's.
BARAK
arglos, behaglich
Ei du, 's ist dein Mann, der vor dir steht –
soll dich der nicht anrühren dürfen?
FRAU
ohne ihn anzusehen
Mein Mann steht vor mir! Ei ja, mein Mann,
ich weiss, ei ja, ich weiss, was das heisst!
Bin bezahlt und gekauft, es zu wissen,
und gehalten im Haus
und gehegt und gefüttert,
damit ich es weiss,
und will es von heut ab nicht wissen,
verschwöre das Wort und das Ding!
BARAK
Heia! Die guten Gevatterinnen,
haben sie nicht die schönen Sprüche
gesprochen über deinen Leib,
und ich hab' siebenmal gegessen
von dem, was sie gesegnet hatten,
und wenn du seltsam bist
und anders als sonst –
ich preise die Seltsamkeit
und neige mich
zur Erde
vor der Verwandlung!
O Glück über mir
und Erwartung
und Freude im Herzen!
Er kniet nieder zur Arbeit.
FRAU
Triefäugige Weiber, die Sprüche murmeln,
haben nichts zu schaffen
mit meinem Leib,
und was du gegessen hast vor Nacht,
hat keine Gewalt über meine Seele.
leise
Dritthalb Jahr
bin ich dein Weib –
und du hast keine Frucht
gewonnen aus mir
und mich nicht gemacht
zu einer Mutter.
Gelüsten danach
hab' ich abtun müssen
von meiner Seele:
Nun ist es an dir,
abzutun Gelüste,
die dir lieb sind.
BARAK
mit ungezwungener Feierlichkeit und Frömmigkeit des Herzens
Aus einem jungen Mund
gehen harte Worte
und trotzige Reden,
aber sie sind gesegnet
mit dem Segen der Widerruflichkeit.
Ich zürne dir nicht
und bin freudigen Herzens,
und ich harre
und erwarte
die Gepriesenen,
die da kommen.
Barak hat den gewaltigen Pack zusammengeschnürt, hebt ihn auf den Herd und lädt ihn von da, indem er sich bückt und das Ende des Strickes vornüberzieht, auf seinen Rücken, beladen richtet er sich auf.
FRAU
finster vor sich
Es kommen keine
in dieses Haus,
viel eher werden welche hinausgehn
und schütteln den Staub von ihren Sohlen.
fast tonlos
Also geschehe es,
lieber heute als morgen.
BARAK
nickt ihr gutmütig zu, ohne auf ihre letzten Worte zu hören; indem er unter der gewaltigen Last schwer gehend, den Weg zur Tür nimmt, für sich
Trag' ich die Ware mir selber zu Markt,
spar' ich den Esel, der sie mir schleppt!
er geht.
Die Frau, allein, hat sich auf ein Bündel oder einen Sack gesetzt, der vorne liegt.
Ein Heranschweben, ein Dämmern, ein Aufblitzen in der Luft.
Die Amme, in einem Gewand aus schwarzen und weissen Flicken, die Kaiserin, wie eine Magd gekleidet, stehen da, ohne dass sie zur Tür hereingekommen wären.
FRAU
ist jäh auf den Füssen
Was wollt ihr hier?
Wo kommt ihr her?
AMME
nähert sich demütig, ihr den Fuss zu küssen
Ach! Schönheit ohnegleichen!
Ein blitzendes Feuer!
Oh! Oh! Meine Tochter, vor wem stehen wir?
Wer ist diese Fürstin, wo bleibt ihr Gefolge?
Wie kommt sie allein in diese Spelunke?
Sie hebt sich furchtsam aus der fussfälligen Lage.
Verstattest du die Frage, meine Herrin?
AMME
War dieser einer von deinen Bedienten
oder von deinen Botengängern,
der Grosse mit einem Pack auf dem Rücken,
solch ein Vierschrötiger, nicht mehr Junger,
mit gespaltenem Maul und niedriger Stirne?
FRAU
Du Zwinkernde, die ich nie gesehn
und weiss nicht, wo du hereingeschlüpft bist –
dich durchschaue ich so weit: Du weisst ganz wohl,
dass dieser der Färber und mein Mann ist,
und dass ich hier im Hause wohne.
AMME
springt auf die Füsse, wie in masslosem Erstaunen
O meine Tochter, starre und staune!
Die wäre das Weib des Färbers Barak?
Heran, meine Tochter, es wird dir verstattet:
betrachte dir diese Wimpern und Wangen,
betrachte dir diesen Leib in der Schlankheit
des ganz jungen Palmbaums und schreie:
Wehe!
KAISERIN
Ich will den Schatten küssen, den sie wirft!
AMME
Wehe! Und das soll ihm Kinder gebären!
Und das soll einsam hier verkümmern!
O des blinden Geschicks und der Tücke des Zufalls!
FRAU
geht ängstlich vor ihr zurück
Weh, dass du gekommen bist, meiner zu höhnen!
Was redest du da und was starrst du auf mich
und willst mich zu einer Närrin machen
vor Gott und den Menschen.
sie weint
AMME
mit gespieltem Erstaunen, indem sie die Kaiserin fortzieht
Wehe, mein Kind, und fort mit uns!
Diese weist uns von sich und will nicht unsere Dienste.
Sie kennt das Geheimnis und will unser spotten, fort mit uns!
FRAU
steht jäh auf
Welches Geheimnis,
du Unsagbare du!
Bei meiner Seele und deiner,
welches Geheimnis?
AMME
neigt sich tief
Das Geheimnis des Kaufs
und das Geheimnis des Preises,
um den du dir alles erkaufst.
FRAU
Bei meiner Seele und dem Jüngsten Tag,
ich weiss von keinem Kauf, ich weiss von keinem Preis!
AMME
O meine Herrin, soll ich dir glauben,
dass du deinen Schatten,
dies schwarze Nichts
hinter dir auf der Erde,
dass dir dies Ding ohne Namen nicht feil ist –
auch nicht um unvergänglichen Reiz
und um Macht ohne Schranken
über die Männer?
FRAU
dreht sich nach ihrem Schatten um
Der gekrümmte Schatten
eines Weibes, wie ich bin!
Wer gäbe dafür
auch nur den schmählichsten Preis?
AMME
Alles, du Benedeite, alles
zahlen begierige Käufer, du Herrin,
wenn eine Unnennbare deinesgleichen
abtut ihren Schatten und gibt ihn dahin!
Ei! Die Sklavinnen und die Sklaven,
so viele ihrer du verlangest,
und die Brokate und Seidengewänder,
in denen du stündlich wechselnd prangest,
und die Maultiere und die Häuser
und die Springbrunnen und die Gärten
und deiner Liebenden nächtlich Gedränge
und dauernde Jugendherrlichkeit
für ungemessene Zeit –
dies alles ist dein,
du Herrscherin,
gibst du den Schatten dahin!
Sie greift in die aufblitzende Luft und reicht der Frau ein köstliches Haarband aus Perlen und Edelsteinen.
FRAU
Dies in mein Haar?
Du Liebe, du! –
Doch ich armes Weib,
ich hab keinen Spiegel!
Dort überm Trog
mach' ich mein Haar!
AMME
Verstattest du,
ich schmücke dich!
Sie legt ihr die Hand auf die Augen; sogleich ist sie selbst samt der Frau verschwunden. An Stelle des Färbergemaches steht ein herrlicher Pavillon da, in dessen Inneres wir blicken: es ist das Wohngemach einer Fürstin. Der Boden scheint mit einem Teppich in den schönsten Farben bedeckt, doch sind es Sklavinnen in bunten Gewändern. Sie heben sich nun von der Erde, lauschen kniend nach rückwärts, rufen mit süssen, wie ein Glockenspiel ineinanderklingenden Stimmen:
DIENERINNEN
Ach, Herrin, süsse Herrin! Aah!
Durch eine kleine Tür rückwärts, links, tritt die Frau, geführt von der Amme, in das Gemach. Sie ist fast nackt, in einen Mantel gehüllt, gleichsam aus dem Bade kommend, sie trägt das Perlenband ins Haar gewunden. Sie geht mit der Amme durch die knienden Sklavinnen quer durch, an einen grossen, ovalen Metallspiegel, der rechts vorne steht Dort setzt sie sich und sieht sich mit Staunen.
STIMME DER KAISERIN
Willst du um dies Spiegelbild
nicht den hohlen Schatten geben?
STIMME DES JÜNGLINGS
gleichsam antwortend
Gäb ich um dies Spiegelbild
doch die Seele und mein Leben!
FRAU
O Welt in der Welt! O Traum im Wachen!
Wie die Frau den Mund auftut, verbleicht alles und beginnt zu entschwinden.
DIENERINNEN
Weh! Zu früh!
Herrin! Ach Herrin!
Das Färberhaus steht wieder da, die Amme wie früher, die Kaiserin seitlich; die Färberin in ihrem ärmlichen Gewand – der Schmuck ist verschwunden – klammert sich taumelnd an die Amme.
Die Amme und die Kaiserin wechseln einen Blick.
FRAU
sehr aufgeregt
Und hätt' ich gleich
den Willen dazu –
wie tät' ich ihn ab
und gäb' ihn dahin –
den an der Erde,
ihn, meinen Schatten?
Nein, sag doch schnell!
Nein, schnell doch, schnell,
du Kluge, du Gute!
Jetzt sag es, schnell!
Die Amme sieht sich um, winkt die Kaiserin heran, gleichsam als Zeugin.
Die Frau kann ihre Ungeduld kaum bemeistern.
AMME
Hat es dich blutige Tränen gekostet,
dass du dem Breitspurigen keine Kinder geboren hast?
Und lechzt dein Herz darnach bei Tag und Nacht,
dass viele kleine Färber durch dich eingehen
sollen in diese Welt?
Soll dein Leib eine Heerstrasse werden
und deine Schlankheit ein zerstampfter Weg?
Und sollen deine Brüste welken
und ihre Herrlichkeit schnell dahin sein?
FRAU
leise
Meine Seele ist satt worden der Mutterschaft,
eh' sie davon verkostet hat.
Ich lebe hier im Haus,
und der Mann kommt mir nicht nah!
So ist es gesprochen
und geschworen
in meinem Innern.
AMME
Abzutun
Mutterschaft
auf ewige Zeiten
von deinem Leibe!
Dahinzugeben
mit der Gebärde
der Verachtung
die Lästigen,
die da nicht geboren sind!
So ist es gesprochen
und so geschworen!
Du Seltene du!
Du erhobene Fackel!
O du Herrscherin, o du Gepriesene unter den Frauen,
nun sollst du es sehn und es erleben:
angerufen werden
gewaltige Namen
und ein Bund geschlossen
und gesetzt ein Bann!
Tage drei
dienen wir dir
hier im Haus,
diese und ich,
dies ist gesetzt!
Sind die vorbei,
dem Dienst zum Lohn
von Mund zu Mund,
von Hand zu Hand
mit wissender Hand
und willigem Mund
gibst du den Schatten
uns dahin
und gehest ein
in der Freuden Beginn!
Und die Sklavinnen und die Sklaven
und die Springbrunnen und die Gärten
und Gewölbe voll Tonnen Goldes –
FRAU
unterbricht sie jäh
Still und verschwiegen:
ich höre meinen Mann, der wiederkommt!
finster
Nun wird er verlangen nach seinem Nachtmahl,
das nicht bereit ist,
und nach seinem Lager,
fast tonlos
das ich ihm nicht gewähren will.
AMME
hastig
Du bist nicht allein:
Dienerinnen hast du,
diese und mich.
Morgen zu Mittag
stehn wir dir in Dienst:
als arme Muhmen
musst du uns grüssen,
nach Mitternacht nur,
indessen du ruhest,
entlässest du uns
für kurze Frist,
das braucht niemand zu wissen!
jetzt schnell, was nottut!
Ein Windstoss durchfährt plötzlich den Raum, den die allmählich einsetzende Dämmerung in Halbdunkel getaucht hat.
AMME
befehlend
Fischlein fünf aus Fischers Zuber,
wandert ins Öl,
und Pfanne empfang' sie!
Feuer, rühr dich!
Hierher, du Bette des Färbers Barak!
Und fort mit den Gästen, von wo sie kamen!
Die Amme hat befehlend in die Hände geschlagen, lautlos.
– Die Fischlein fliegen blinkend durch die Luft herein und landen in der Pfanne, das Feuer unteren Herd flammt auf, die Hälfte des ehelichen Lagers hat sich abgetrennt, und es ist ganz im Vordergrund eine schmälere Lagerstatt für einen einzelnen erschienen, indessen hinten das Lager der Frau durch einen Vorhang verhängt erscheint – und indes dies alles geschah, sind die Amme selbst und die Kaiserin lautlos durch die Luft verschwunden. Der Feuerschein flackert durch den dämmernden Raum. Die Frau steht allein und starr vor Staunen. Plötzlich ertönen aus der Luft, als wären es die Fischlein in der Pfanne, ängstlich fünf Kinderstimmen.
KINDERSTIMMEN
Mutter, Mutter, lass uns nach Hause!
Die Tür ist verriegelt, wir finden nicht ein,
wir sind im Dunkel und in der Furcht!
Mutter, o weh!
FRAU
in höchster Angst über das Unbegreifliche, ratlos um sich blickend
Was winselt so grässlich
aus diesem Feuer?
KINDERSTIMMEN
dringender
Wir sind im Dunkel und in der Furcht!
Mutter, Mutter, lass uns ein!
Oder ruf den lieben Vater,
dass er uns die Tür auftu'!
FRAU
in grosser Angst
O fänd' ich Wasser,
dies Feuer zu schweigen!
Die Flamme unteren Herd wird zusehends schwächer.
KINDERSTIMMEN
verhauchend
Mutter, o weh! Dein hartes Herz!
Die Frau sinkt vorne auf ein Bündel, wischt sich den Angstschweiss von der Stirne.
BARAK
erscheint in der Tür mit einem vollgepackten Korb beladen; für sich, behaglich
Trag' ich die Ware mir selber zu Markt,
spar' ich den Esel, der sie mir schleppt.
Die Frau hebt sich mühsam, geht nach hinten an ihr Lager, hebt den Vorhang und sagt nichts.
BARAK
kommt nach vorne
Ein gepriesener Duft
von Fischen und Öl.
Was kommst du nicht essen?
FRAU
von rückwärts
Hier ist dein Essen.
Ich geh' zur Ruh'.
Hier ist jetzt dein Lager.
BARAK
wird's gewahr, gemässigt unwillig
Mein Bette hier? Wer hat das getan?
FRAU
von ihrer Stelle
Von morgen ab schlafen zwei Muhmen hier,
denen richt' ich das Lager zu meinen Füssen
als meinen Mägden. So ist es gesprochen,
und so geschieht es.
Sie zieht den Vorhang vor.
BARAK
indem er resigniert ein Stück Brot aus dem Gewand zieht, und, dieses essend, sich auf die Erde setzt
Sie haben mir gesagt,
dass ihre Rede seltsam sein wird
und ihr Tun befremdlich
die erste Zeit.
Aber ich trage es hart,
und das Essen will mir nicht schmecken.
STIMMEN DER WÄCHTER
Ihr Gatten in den Häusern dieser Stadt,
liebet einander mehr als euer Leben
und wisset: nicht um eures Lebens willen
ist euch die Saat des Lebens anvertraut,
sondern allein um eurer Liebe willen!
BARAK
indem er sich umwendet
Hörst du die Wächter, Kind, und ihren Ruf?
Keine Antwort
STIMMEN DER WÄCHTER
Ihr Gatten, die ihr liebend euch in Armen liegt,
ihr seid die Brücke, überm Abgrund ausgespannt,
auf der die Toten wiederum ins Leben gehn!
Geheiligt sei eurer Liebe Werk!
BARAK
horcht abermals, nach rückwärts gewendet, vergeblich; er seufzt tief auf und streckt sich zum Schlaf hin
Sei's denn!
ZWEITER AUFZUG
Des Färbers Wohnung. – Die Brüder blicken zur Tür herein, bepackt. Der Färber belädt sich, die Kaiserin, als Magd, hilft ihm dabei.
AMME
läuft an die Tür neigt sich bis zur Erde vor dem Färber
Komm bald wieder nach Haus, mein Gebieter,
denn meine Herrin verzehrt sich vor Sehnsucht,
wenn du nicht da bist!
Barak geht. Die Amme läuft zur Frau hinüber
leise
Die Luft ist rein und kostbar die Zeit!
Wie ruf' ich den, der nun herein soll?
Die Frau hat sich gesetzt und das Tuch, mit dem ihr Kopf umwunden war, gelöst, ihr Haar ist mit Perlschnüren durchflochten. Die Kaiserin kniet vor ihr, hält ihr den Spiegel.
Oh, du meine Herrin seit diesem Tage,
gib mir doch Antwort!
Wie sind deine Bräuche?
Soll diese laufen?
Oder ruf' ich ihn?
Mit einem sehnsüchtigen Ruf?
Oder einem fröhlichen?
FRAU
scharf
Auf wen geht die Rede?
AMME
leise
Auf den, der thronet in deinem Herzen,
und für den du dich schmückest!
FRAU
ruhig
Im leeren Herzen wohnet keiner,
und geschmückt hab' ich mich
für den Spiegel.
AMME
verschlagen
Hören ist Verstehen,
o meine Herrin!
So sprech' ich von dem Sehnsuchtsverzehrten,
dem deines offenen Haares Wehen –
in Träumen geahnt, doch niemals gesehen –
die Knie löst vor Furcht und Bangen:
verstatte, dass ich diesen rufe
zur Schwelle der Sehnsucht und der Erhörung!
FRAU
steht auf
Ich weiss von keinem Manne ausser ihm,
der aus dem Hause ging.
AMME
dicht an ihr
O du Augapfel meiner Träume!
Den flüchtig Begegneten, heimlich Ersehnten,
den du mit niedergeschlagenen Augen
dennoch ansahest – und warst ihm zu Willen
in deinen Gedanken – erbarme dich seiner!
FRAU
errötend, verwirrt
Wer bist denn du?
Wie nimmst du mich denn?
AMME
schnell, triumphierend
Wir bringen ihn dir,
zu dem du jetzt eben
mit süssem Erröten
dein Denken geschickt!
FRAU
Lachen muss ich
über dich!
– – – – – – – –
Wenn ich dir sage:
ich weiss kaum die Gasse,
wo ich ihn traf,
nicht das Viertel der Stadt
noch seinen Namen!
AMME
Nun schliess deine Augen
und ruf ihn dir!
Und schlägst du sie auf,
steht er vor dir!
FRAU
ihren Gedanken nachhängend
Nur, dass ich auf einer Brücke ging
unter vielen Menschen,
als einer mir entgegenkam,
ein Knabe fast,
der meiner nicht achtete –
AMME
nimmt verstohlen einen Strohwisch vom Boden
Du Besen, leih mir die Gestalt!
Und Kessel du, leih mir deine Stimme!
KAISERIN
zur Amme
Weh! Muss dies geschehen
vor meinen Augen?
AMME
leise
Zu gutem Handel
und dir zu Gewinn.
Sie gleitet zur Frau hin, birgt den Strohwisch hinterm Rücken.
Geschlossen dein Aug'
und geöffnet dein Herz,
du Liebliche, du!
Sie wirft den Strohwisch über die Frau. Es blitzt auf und nachher bleibt das Licht verändert.
KAISERIN
vor sich, flüsternd, währenddem die Frau laut denkt
Sind so die Menschen?
So feil ihr Herz?
AMME
Kielkröpfe und Molche
sind zu schauen
so lustig als sie!
FRAU
mit geschlossenen Augen, monologisch fortlaufend
– Der meiner nicht achtete
mit hochmütigem Blick –
– – – – – – – –
und des ich gedachte
heimlich, zuweilen,
um Träumens willen!
AMME
entschieden
Es ist an der Zeit,
herbei, mein Gebieter!
Sie klatscht in die Hände. Es steht ein Jüngling da, wie entseelt.
Zwei kleine dunkle Gestalten stützen ihn, die sogleich verschwinden.
FRAU
mit offenen Augen
Er und der gleiche!
Und doch nicht!
AMME
dicht bei dem Jüngling, der allmählich sich belebt
Um ihretwillen
bist du hier,
du Vielersehnter!
läuft zur Frau hinüber
Wie ist dir
um jede Stunde,
da du diesen
nicht gekannt hast?
FRAU
Ich will hinweg
und mich verbergen!
Der Jüngling steht gesenkten Kopfes.
Die Frau hebt unwillkürlich die Hände gegen ihn.
AMME
zwischen beiden
Sei schnell, mein Gebieter!
Und kühn, du Herrin!
Unsagbar fliehend
ist solches Glück!
CHOR
aus der Luft
Sei schnell, mein Gebieter!
Und kühn, du Herrin!
Unsagbar fliehend
ist das Glück!
Die Amme läuft zur Kaiserin hin, zieht sie nach rückwärts.
KAISERIN
macht sich jäh los, horcht hinaus
Ach! Wehe! Dass sie sich treffen müssen,
der Dieb und der, dem das Haus gehört,
der mit dem Herzen und der ohne Herz!
AMME
läuft nach vorne
Voneinander!
Ihr ist gegeben,
zu hören, was fern ist,
sie meldet: der Färber
kehrt nach Hause!
Sie wirft ihren Mantel über den Jüngling, der Raum verdunkelt sich jäh, und als es wieder hell wird, ist der Knabe verschwunden. Zu der Amme Füssen liegt der Strohwisch, den sie aufnimmt und in einer Mauernische verbirgt.
Die Tür geht auf, Barak tritt ein, eine riesengrosse kupferne Schüssel auf den Armen tragend, ihm voraus der Einäugige, den Dudelsack spielend, der Bucklige, bekränzt und ein grosses Weingefäss schleppend, der Einarmige, mit noch einer kleineren Schüssel, Bettelkinder drängen sich ihnen nach zur Tür herein.
BARAK
stolz und glücklich auf die Frau zu
Was ist nun deine Rede,
du Prinzessin,
vor dieser Mahlzeit,
du Wählerische?
Die Frau kehrt ihm den Rücken.
DIE BRÜDER
haben sich rechts in eine Reihe gestellt
O Tag des Glücks, o Abend der Gnade!
Das war ein Einkauf!
Schlag ab, du Schlachter, ab vom Kalbe
und ab vom Hammel! Und her mit dem Hahn!
Du Bratenbrater, heraus mit dem Spiess!
Heran, du Bäcker, mit dem Gebackenen
und du, Verdächtiger, her mit dem Wein!
Wenn wir einkaufen, das ist ein Einkauf!
O Tag des Glücks, o Abend der Gnade!
BETTELKINDER
fallen ein
O Tag des Glücks, o Abend der Gnade!
FRAU
ohne Barak voll anzusehen
Wahrlich, es ist angelegt
aufs Zertreten des Zarten,
und es siegt das Plumpe,
und dem, der Brot will,
wird ein Stein gegeben!
Und wer von der Schüssel der Träume kostete,
zu dem treten Tiere
und halten ihm den Wegwurf hin
vom Tisch des Glücklichen,
und er hat nichts,
wohin er sich flüchte,
als in seine Tränen!
Das ist meine Rede,
du glückseliger Barak!
Die Tränen überwältigen sie, sie setzt sich abseits und verbirgt ihr Gesicht in den Händen.
BARAK
hat seine Schüssel auf die Erde gestellt, nach einer Pause der Resignation
Esset, ihr Brüder, und lasset euch wohl sein!
Ihre Zunge ist spitz, und ihr Sinn ist launisch,
aber nicht schlimm –
und ihre Reden sind gesegnet
mit dem Segen der Widerruflichkeit
um ihres reinen Herzens willen
und ihrer Jugend.
Die Brüder lagern auf der Erde und haben sich über die Schüsseln hergemacht, die Bettelkinder um sie; Barak stopft den Kindern gute Bissen in den Mund. In der Tür sammeln sich Nachbarn, alte Weiber Krüppel, noch mehr Kinder an, auch Hunde.
Barak winkt die Magd heran.
Komm her, du stillgehende Muhme,
da ist für dich!
Und geh hin zu der Frau:
ob sie nicht will vom Zuckerwerk
oder vom Eingemachten mit Zimmet.
Die Kaiserin schickt sich an, zu der Frau hinüberzugehen.
FRAU
fährt auf
Meinen Pantoffel in dein Gesicht,
du Schleichende!
Bitternis will ich tragen im Mund
und nicht sie verzuckern!
Was brauch' ich Gewürze,
der Gram verbrennt mich!
Um der grausamen Tücke willen
und des erbärmlichen Geschickes!
DIE BRÜDER
unter dem Essen durcheinander
Wer achtet ein Weib
und Geschrei eines Weibes?
Aber der Langmütige,
der bist du von je!
Und der Grossmütige
vom Mutterleib!
Und der Wohltätige!
Und der Freigebige!
Das bist du!
Oh, unser aller Vater!
O Tag des Glücks,
o Abend der Gnade!
neigen sich, halbtrunken, küssen die Erde vor Barak
BARAK
zugleich mit ihr und ihnen; fromm, mit ungesuchter Feierlichkeit
Hier ist vom Guten,
lasset euch wohl sein,
meine Brüder,
und freuet euch,
dass ihr lebt!
Es ist euch gegönnt,
und ihr seid mir
anstatt der Kinder!
BETTELKINDER
neigen sich vor Barak
Oh, du Färber unter den Färbern
und unser aller Vater!
O Tag des Glücks,
o Abend der Gnade!
Verwandlung
Das kaiserliche Falknerhaus, einsam im Walde. Mondlicht zwischen den Bäumen. Der Kaiser kommt geritten, steigt leise vom Pferde, nähert sich lautlos, bleibt hinter einem Baum verborgen, von wo er den Eingang und das eine Fenster des kleinen Hauses vor Augen hat. Die Tür ist geschlossen.
KAISER
Falke, Falke, du wiedergefundener –
wo führst du mich hin, kluger Vogel?
»Das Falknerhaus, einsam im Walde,
soll die drei Tage mir Wohnung sein –
niemand um mich als die Amme allein,
ferne den Menschen, verborgen der Welt –«
So schrieb meine Frau – sie gab's dem Boten,
künstlich ihr Haarband umflocht den Brief.
Nun führst du mich über Berg und Fluss
hierher den Weg, Seltsamer du –
Soll ich mich bergen hier im Schatten
als ihr Jäger immerdar?
Hast du darum mich hergeführt?
Schläft sie? Mich dünkt, das Haus ist leer!
Falke, mein Falke, was ist mir das?
Wo ist deine Herrin zu nächtiger Zeit?
Falke, mir ist: zur unrechten Stunde
hast du mich hierhergeführt.
er lauscht
Still, mein Falke, und horch mit mir!
Es kommt gegangen, es kommt geschwebt –
ist das die Beute, die du mir schlägst?
Stille –
Die Amme, hinter ihr die Kaiserin, kommen zwischen den Bäumen herangeschwebt und stehen zwischen den Bäumen; sie sind mit wenigen lautlosen Schritten auf der Schwelle, die Amme öffnet, sie schlüpfen ins Haus, das sich von innen erleuchtet.
KAISER
O weh, Falke, o weh!
Wo kommt sie her! Wehe, o weh!
Menschendunst hängt an ihr,
Menschenatem folgt ihr nach,
wehe, dass sie mir lügen kann –
wehe, dass sie nun sterben muss!
Er zieht einen Pfeil aus dem Köcher
Pfeil, mein Pfeil, du musst sie töten,
die meine weisse Gazelle war!
Weh! Da du sie ritztest, ward sie ein Weib! –
Du bist nicht, der sie töten darf.
Er stösst den Pfeil wieder in den Köcher, zieht das Schwert halb aus der Scheide.
Schwert, mein Schwert, du musst auf sie!
Weh, ihren Gürtel hast du gelöst –
du bist nicht, der sie töten darf!
Er stösst das Schwert wieder in die Scheide.
– Und meine nackten Hände! Weh!
Meine Hände vermögen es nicht!
Wehe, o weh!
Auf, mein Pferd, und du, Falke, voran!
Und führ mich hinweg von diesem Ort,
wohin dein tückisches Herz dich heisst,
führ mich ins öde Felsengeklüft,
wo kein Mensch und kein Tier meine Klagen hört!
Wehe, o weh!
Verwandlung
Des Färbers Wohnung. – Barak schafft. – Die Frau und die Amme tauschen ungeduldige Blicke.
FRAU
halblaut vor sich hin
Es gibt deren, die haben immer Zeit,
und ist der Markt vorbei,
so kommen sie auch noch zurecht.
BARAK
wendet den Kopf nach ihr
Schon geh' ich. Es ist heiss. Ich habe schwer geschafft
seit diesem Morgen, und nicht viel vor mich gebracht.
Gib mir zu trinken, Frau!
FRAU
ohne sich zu wenden
Sind Mägde da.
Die Amme giesst ein, tut verstohlen einen Saft in den Trunk.
BARAK
ohne hinzusehen
Gibst du mir nicht?
Die Amme gibt der Kaiserin das Gefäss. Die Frau, mit ausgestrecktem Arm, heisst sie, es dem Herrn zu bringen.
Die Kaiserin bringt es hin.
BARAK
trinkt
Mich schläfert. Es ist heiss.
FRAU
vor Ungeduld, singt höhnisch vor sich hin
Sag: ich geh' – und bleibe sitzen!
Sag: ich tu' – und lass es sein!
Bin ich doch der Herr im Haus!
Hab' es halt, so ist es mein,
Haus und Herd und Bett und Weib!
BARAK
ohne Zorn
Mich schläfert sehr. Ich muss hier liegen, Frau.
Zu Abend – dann – – trag' ich – die Ware zu Markt.
schläft auf einem Sack Kräuter ein
FRAU
höhnisch wild singend
Und sparst den Esel, der sie dir schleppt!
Sparst den Esel, der dir sie schleppt!
AMME
läuft zu ihr leise
Herrin, halt inne mit Schreien und Zürnen!
Ich hab' ihm einen Schlaftrunk eingeschüttet!
FRAU
Wer hiess dich das tun?
ängstlich
Barak! Barak!
Sie geht hinüber sieht den Schlafenden an.
AMME
zieht sie weg
Er schläft bis an den Morgen. Ihm ist wohl.
Viel schöne Stunden, Herrin, sind vor dir.
FRAU
Wer hat dich gelehrt, welche Stunde mir schön heisst?
Ich will ausgehen! Du bleib dahinten.
Ich will nicht in deinen Händen sein,
und dass du ausspähest
all mein Verborgenes,
du alte weiss und schwarz gefleckte Schlange!
AMME
Willst du den in der Ferne suchen, Herrin,
der deiner harret und deines Winkes?
Gewähre: ich breit' ihn vor deine Füsse –
und sprich es aus: er darf heran!
FRAU
spitz und scharf
Spräch' ich es aus und spräche einerlei Rede mit dir,
es wäre einerlei Rede nicht.
Der darf wohl heran, der, den ich meine –
doch eben von dir
darf nichts heran:
darum auch er nicht.
allmählich in verändertem Ton
Von ihm darf heran,
was du nie wahrnimmst:
was nie an deiner
Hand sich mir naht.
träumerisch, sehnsüchtig
Von wo der Strand
nie betreten wurde,
beträte ihn einer
von dort her,
dem wehrte keine Mauer
und kein Riegel.
AMME
schnell
Ich ruf' ihn!
Ein Dunkelwerden, ein Blitz. Die Amme führt an ihrer Hand die Erscheinung des Jünglings heran.
FRAU
Schlange, was hab' ich
mit dir zu schaffen!
und solchen,
die du bringest!
JÜNGLING
mit geisterhafter hoher Stimme
Wer tut mir das,
dass ich jäh muss stehen
vor meiner Herrin!
Der Macht ist zu viel!
Zu jäh die Gewalt!
kniet nieder verhüllt sich
FRAU
mit verstellter Härte, ohne den Jüngling eines Blickes zu würdigen
Wer heisst eine alte Vettel wissen,
was ihr zu wissen nicht getan ist?
mit gespielter Verachtung, indem sie den Jüngling mit einem koketten Blick streift
Meine Tücher her! Ich war gewillt, ins Freie
und auf dem Fluss zu fahren in der Kühle.
als wollte sie fort
AMME
zu ihr, umschlingt ihre Füsse; dringend, feurig
Peinvoll süsse Unruh'
treibt dich umher.
Gewillt bist du zu nichts,
als zu Süssem gewillt zu sein
jetzt und hier!
gleichsam ins Feuer blasend, nicht ohne kupplerisch-dämonische Grösse
Wer teilhaftig ist der Wonne,
der fürchtet auch den Tod nicht,
denn er hat gekostet von der Ewigkeit,
aber wie er dahin gelangt ist,
das ist ihm vergessen!
JÜNGLING
Bin ich dir ferne, so ist's deine Nähe,
die mich zerbricht,
bin ich vor dir, so wirst du unnahbar,
und deine Ferne ist's, die mich tötet!
Er fällt nach rückwärts wie ein Ohnmächtiger.
FRAU
wie unbewusst
Ich habe geträumt, dass ich zu dir fliege
mit unablässigen Küssen
wie eine Taube, die ihr Junges füttert –
und mein Traum hat dich getötet!
Sie beugt sich über ihn, will sanft die Hände von seinem Gesicht lösen; sein Blick trifft sie, seine Hand zuckt, die ihrig festzuhalten. Sie fährt mit einem Schrei zurück.
Die Amme will die Kaiserin mit sich ziehen, zur Türe hinaus.
jäh verwandelt
Weh mir, wohin!
Verräterinnen!
Hierher! Zu mir!
Sind die Toten lebendig,
so sind wohl die Schlafenden tot!
Wach auf, mein Mann!
Ein Mann ist im Haus!
Ich will! Wach auf! Zu mir!
Sie eilt zu Barak hin, rüttelt ihn, bespritzt ihn mit Wasser, die Kaiserin ist bei ihr, hilft ihr
AMME
wirft ihren Mantel über den Jüngling
Gott schütz' uns vor einer jungen Närrin!
Sei du getrost!
Schnell dreht sich der Wind,
und wir rufen dich wieder!
BARAK
erwacht aus der Betäubung, richtet sich auf
Was schlief ich so schwer? Wer rüttelt mich auf?
FRAU
Du sollst nicht schlafen am hellen Tag!
Sollst wahren dein Haus
vor Dieben und Räubern
und meiner achten!
Geschieht mir dergleichen
vor dir noch einmal,
so ist meines Bleibens
hier nicht länger!
Verstehst du mich?
BARAK
steht aufrecht, blickt wild um sich
Sind Räuber hier? Den Hammer dort!
Ihr Brüder her! Zum Bruder her!
FRAU
windet ihm den Hammer aus der Hand
Lass du dein Schreien und tölpisch Gehaben!
Unter der Arbeit schlägst du mir hin,
kommst mir von Sinnen, redest fremd.
Hast du die Sucht, oder schiert's dich so wenig,
mich zu erschrecken täppisch und roh!
AMME
beiseite
Wie sie ihn sich hernimmt
und sattelt und aufzäumt,
die Prächtige die!
BARAK
langsam
War dir bange um mich,
du Gute!
Bin ja wieder bei dir!
FRAU
spöttisch
Wieder bei mir! Das ist ja recht viel!
Er ist wieder bei mir! Ei, grosse Freude!
Wieder bei mir!
BARAK
sucht sein Arbeitszeug zusammen
Es widerfährt mir, was ich nicht kenne,
und ist eine Gewalt über mir im Dunkeln –
starrt vor sich hin
Mein bester Mörser ist mir zersprungen –
Versteh' ich mein Handwerk nicht mehr?
FRAU
sieht ihn starr an
Ein Handwerk verstehst du sicher nicht,
wie du's von Anfang nicht verstanden,
sonst sprächest du jetzt nicht von dir
und diesem Mörser.
Geschah dir das, was dir eben geschah,
dein Herz müsste schwellen vor Zartheit,
und es müsste dir bangen, die Hand zu heben
und deinen Fuss vor dich zu setzen,
um des Köstlichen willen,
das du zerstören könntest.
fast mit Ekel
Aber es geht ein Maulesel
am Abgrund hin,
und es ficht ihn nicht an
die Tiefe und das Geheimnis!
BARAK
halb zu der Magd, die bei ihm ist, ihm hilft, sein Handwerkszeug vom Boden aufzunehmen
Ich höre und weiss nicht, was eines redet,
und habe vergossen den Leim, da ich hinfiel –
und mir ist bange um mein Handwerk,
und dass ich nicht werde nähren können,
die meinen Händen anvertraut sind.
FRAU
Um Nahrung für mich
gräme dich nicht!
Und wenn du mich siehst
meine Tücher nehmen,
sie tut's, die beiden Mägde sind ihr behilflich
vielleicht zu fahren auf dem Flusse,
vielleicht zu wandeln neben den Gärten
oder was immer die Lust mich wird heissen –
kann sein, dann komme ich eines Abends
nicht wieder heim zu dir. –
Denn es ist nicht von heute, dass du meine Stimme hörest
und fassest sie nicht in deinem Sinn,
und ist dir ferne, die du nahe glaubst,
und wähnest, du hättest sie im Gehäuse
wie einen gefangenen Vogel,
der dein ist,
um wenig Münze
gekauft auf dem Markt:
die doch anderswo, anders daheim.
Die Frau schickt sich an, zu gehen, winkt der Amme, sie zu begleiten, der Kaiserin, zurückzubleiben. Barak sieht bestürzt und trübe vor sich hin.
Die Frau und die Amme sind zur Tür hinaus. Die Kaiserin, auf den Knien in Baraks Nähe, sucht auf der Erde verstreutes Handwerkszeug zusammen.
BARAK
wird erst jetzt gewahr dass er nicht allein ist
Wer da?
KAISERIN
sieht zu ihm auf
Ich, mein Gebieter, deine Dienerin!
Verwandlung
Der Kaiserin Schlafgemach im Falknerhaus. Die Kaiserin liegt auf dem Bett in unruhigem Schlaf. Die Amme schlummert, in ihren Mantel gewickelt, zu Füssen des Bettes.
KAISERIN
aus dem Schlaf, ohne die Augen aufzutun
Sieh – Amme – sieh
des Mannes Aug', wie es sich quält!
traumhaft, feierlich
Vor solchen Blicken liegen Cherubim
auf ihrem Angesicht!
– – – – – – – –
nach einer Stille, jäh auffahrend, mit ausgebreiteten Armen
Dir – Barak – bin ich mich schuldig!
Sie sinkt hin und scheint nun fester einzuschlafen. Die Wand des Gemaches schwindet, und man sieht in eine gewaltige Höhle, die durch einen Spalt ins Freie mündet.
Düstere Lampen, da und dort, erleuchten matt uralte, in den Basalt gehauene Grabstätten. Zur Rechten gewahrt man eine eherne Tür, ins Innere des Berges führend. Des Falken Ruf wird hörbar. Dann dringt der Kaiser, als folge er dem Falken nach, mit den Händen sich vorwärts tastend, durch den Spalt in die Höhle.
Die Kaiserin bewegt sich im Schlaf stöhnt einmal leise auf.
Der Kaiser nimmt eine der Grablampen; in seiner Hand leuchtet sie hell auf, er wird die eherne Tür gewahr. Ein Rauschen dringt durch diese wie von fallendem Wasser.
CHOR
aus dem Innern des Berges, lockend
Zum Lebenswasser!
drohend
Zur Schwelle des Todes!
lockend
Nahe!
Wage!
drohend
Wehe!
Zage!
Der Kaiser geht gegen die Tür. Der Falke umschwirrt ihn, stösst klägliche, abmahnende Rufe aus. Der Kaiser pocht an die Tür, die sich öffnet und ihn einlässt, dann wieder schliesst.
STIMME DES FALKEN
Die Frau wirft keinen Schatten,
der Kaiser muss versteinen!
Die Höhle verschwindet, die Lampen im Schlafgemach leuchten stärker auf.
KAISERIN
fährt mit einem Schrei aus dem Schlummer empor
Wehe, mein Mann!
Welchen Weg!
Wohin?
Durch meine Schuld!
Die Tür fiel zu,
als wär's ein Grab.
Er will heraus
und kann nicht mehr.
Ihm stockt der Fuss,
sein Leib erstarrt.
Die Stimme erstickt.
Sein Auge nur
schreit um Hilfe!
Weh, Amme, kannst du schlafen!
Da und dort
alles ist
meine Schuld –
Ihm keine Hilfe,
dem andern Verderben –
Barak, wehe!
Was ich berühre,
töte ich!
Weh mir!
Würde ich lieber
selber zu Stein!
Verwandlung
Des Färbers Wohnung. Es dämmert in dem Raum, wird allmählich dunkler und dunkler
BARAK
sitzt an der Erde
Es dunkelt, dass ich nicht sehe zur Arbeit
mitten am Tage.
Die drei Brüder kommen zur Tür herein mit gesenkten Köpfen. Auch draussen ist es dunkel.
DIE BRÜDER
Es ist etwas, und wir wissen nicht, was es ist,
o mein Bruder!
Die Sonne geht aus mitten am Tage,
und der Fluss bleibt stehen und will nicht mehr fliessen,
o mein Bruder!
Es widerfährt uns, und wir wissen nicht, was uns widerfährt!
Sie brechen in ein langgezogenes Geheul aus.
AMME
mit der Kaiserin seitwärts
Es sind Übermächte im Spiel,
o meine Herrin,
und ein Etwas bedroht uns,
aber wir werden
anrufen
gewaltige Namen,
und dir wird werden,
worauf du deinen Sinn gesetzt hast!
KAISERIN
für sich
Wehe, womit ist die Weit der Söhne Adams erfüllt!
Und wehe, dass ich hereinkam, ihren Gram zu vermehren
und ihre Freude zu versehren!
Gepriesen sei, der mich diesen Mann finden
liess unter den Männern,
denn er zeigt mir, was ein Mensch ist,
und um seinetwillen will ich bleiben unter den Menschen
und atmen ihren Atem
und tragen ihre Beschwerden!
BARAK
für sich
Meine Hände sind, als ob sie gebunden wären,
und mein Herz, als läge ein Stein darauf,
und auf meiner Seele ein Stück der ewigen Nacht.
Gepriesen, der die Finsternis nicht kennt
und dessen Auge niemals zufällt.
Einer unter allen!
FRAU
für sich, an der Erde seitwärts
Wie ertrag' ich dies Haus
und mache kein Ende –
wo es finster ist mitten am Tage,
und die Hunde heulen vor Furcht,
und niemand weist sie hinaus!
ist jäh aufgestanden; sie heftet einen bösen Blick auf Barak, dann geht sie auf und nieder ohne ihn anzusehen
Es gibt derer, die bleiben immer gelassen,
und geschähe, was will, es wird keiner jemals
ihr Gesicht verändert sehen.
Tagaus, tagein
gehen sie wie das Vieh
von Lager zu Frass,
von Frass zu Lager
und wissen nicht, was geschehen ist,
und nicht, wie es gemeint war.
Ein greller Blitz, die Brüder heulen auf. Die Frau stampft zornig auf.
fährt fort
Darüber müssen sie verachtet werden
und verlacht,
wer zu ihnen gehört
und ist in die Hand eines solchen gegeben.
Aber ich bin nicht in deiner Hand,
hörst du mich, Barak?
Und wenn du ausgegangen warst
und trugest dir selber die Ware zu Markt,
so habe ich meinen Freund empfangen,
einen Fremdling unter den Fremdlingen,
und wenn ich dich weckte aus deinem Schlaf,
so kam ich aus seiner Umarmung!
Blitz, die Brüder heulen auf.
Hörst du mich, Barak?
Schweige doch diese,
damit du mich verstehen kannst!
Ich will nicht, dass du ein Gelächter sein müssest
unter den Deinen,
sondern du sollst wissen!
Dies alles tat ich hier im Hause
drei Tage lang:
aber die Freude war mir vergällt,
denn ich musste dich denken,
wo ich dich hätte vergessen wollen,
und dein Gesicht kam hin,
wo es nichts zu suchen hatte!
Aber es ist mir zugekommen,
wie ich dir entgehe
und dich ausreisse aus mir,
und jetzt weiss ich den Weg!
Barak steht jäh auf, die Brüder taumeln zur Seite.
Frau ohne Furcht.
Abtu' ich von meinem Leibe die Kinder,
die nicht gebornen,
und mein Schoss wird dir nicht fruchtbar
und keinem andern,
sondern ich habe mich gegeben den Winden
und der Nachtluft
und bin hier daheim und wo anders,
und des zum Zeichen
habe ich meinen Schatten verhandelt:
und es sind die Käufer willig,
und der Kaufpreis ist herrlich
und ohnegleichen!
BARAK
in höchster Erregung
Das Weib ist irre,
zündet ein Feuer an,
damit ich ihr Gesicht sehe!
Das Feuer flammt auf.
DIE BRÜDER
Sie wirft keinen Schatten.
Es ist, wie sie redet!
Sie hat ihn verkauft
und abgehalten
die Ungeborenen
von ihrem Leibe!
Der Schatten ist abgefallen von ihr,
und sie ist ohne,
die Verfluchte!
AMME
zur Kaiserin
Auf und hin,
nimm den Schatten,
reiss ihn an dich!
Sie hat es gesprochen
mit wissendem Mund,
so ist es getan!
Und nicht der Sterne Gericht
macht diesen Handel zunicht!
BARAK
furchtbar losbrechend
Hat sie solch eine Hurenstirn
und sieht lieblich darein
und schämt sich nicht?
Heran, ihr Brüder, einen Sack herbei
und hinein von den Steinen,
dass ich dies Weib
ertränke im Fluss
mit meinen Händen!
will auf die Frau los
DIE BRÜDER
hängen sich an Barak
Kein Blut auf deine Hände, mein Bruder!
Auf und jage sie aus dem Hause,
einer Hündin Geschick über sie
in Gosse und Graben!
BARAK
will auf die Frau los; zugleich
Mein Aug' ist verdunkelt,
helft mir, ihr Brüder!
Herbei einen Sack
und Steine hinein,
dass ich sie ertränke
mit meinen Händen!
DIE BRÜDER
hängen sich an ihn; zugleich
Kein Blut auf deine Hände, mein Bruder,
halte dich rein, o unser Vater!
BARAK
zugleich
Helft ihr mir nicht,
tret' ich euch nieder!
Ich hab' es verhängt
in meiner Seele
und will es vollziehen
mit meinen Händen!
Wie er gleichsam zum Schwur die Rechte nach oben reckt, stürzt ihm aus der Luft ein blitzendes Schwert in die Hand. Die Brüder haben vereint kaum die Kraft, ihn zu halten. –
AMME
rückwärts mit der Kaiserin, ihr Auge unverwandt mit dämonischer Lust auf den Vorgang geheftet, zugleich mit Barak und den Brüdern
Wer schreit nach Blut
und hat kein Schwert,
dem wird von uns
die Hand bewehrt!
Und fliesst nur schnell
das dunkle Blut,
wir haben den Schatten,
und uns ist gut!
KAISERIN
reisst sich von ihr los, wendet den Blick nach oben, für sich, aber zugleich mit den andern
Ich will nicht den Schatten:
auf ihm ist Blut,
ich fass' ihn nicht an.
Meine Hände reck' ich
in die Luft,
rein zu bleiben
von Menschenblut!
Sternennamen
ruf' ich an
gegen mich,
diese zu retten,
geschehe, was will!
FRAU
ist in sprachlosem Schreck über die Wirkung ihrer frevelhaften Rede nach links hinübergeflüchtet, allmählich geht in ihr eine ungeheure Veränderung vor; leichenbleich, aber verklärt, mit einem Ausdruck, wie sie ihn nie zuvor gehabt hat, trägt sie sich Barak und dem tödlichen Schwertstreich entgegen; zugleich, stellenweise dominierend
Barak, ich hab' es
nicht getan!
Noch nicht getan!
Höre mich, Barak!
Verräter ward
mein Mund an mir,
zuvor die Seele
die Tat getan!
Muss ich sterben
vor deinem Angesicht,
muss ich sterben,
um was nicht geschah,
o du, den zuvor
ich niemals sah,
mächtiger Barak,
strenger Richter,
hoher Gatte –
Barak, so töte mich,
schnell!
Barak hebt das Schwert, das in seinen Händen funkelt und von dem Blitze ausgehen, die den dunklen Raum – denn das Feuer ist zusammengesunken – zuckend erleuchten.
DIE BRÜDER
hängen sich mit letzter Kraft an ihn; zugleich
Sie werden dich behängen mit Ketten
und dich erschlagen
mit der Schärfe des Schwertes,
erbarme dich unser, o unser Vater!
Indem Barak zum Streich ausholt, erlischt das funkelnde Schwert plötzlich und scheint ihm aus der Hand gewunden – ein dumpfes Dröhnen macht das Gewölbe erzittern, die Erde öffnet sich, und durch die geborstene Seitenmauer tritt der Fluss herein. Indes die Brüder, ihr Leben zu retten, zur Tür hinausflüchten, sieht man Barak und die willenlos vor ihm liegende Frau, aber jedes für sich, versinken.
Die Amme hat die Kaiserin mit sich auf einen erhöhten Platz an der Mauer des Gewölbes emporgerissen und deckt sie mit ihrem Mantel. Man hört aus dem Dunkel, das alles verhüllt, ihre Stimme.
AMME
Übermächte sind im Spiel!
Herzu mir!
DRITTER AUFZUG
Unterirdische Gewölbe, durch eine querlaufende dicke Mauer in zwei Kammern geteilt. In der rechten wird Barak sichtbar in düsterem Brüten auf dem harten Stein sitzend, zur Linken die Frau, in Tränen, mit aufgelöstem Haar. Sie wissen nicht voneinander, hören einander nicht. Die Frau zuckt zusammen.
Im Orchester ertönen die Stimmen der ungeborenen Kinder wie im ersten Aufzug.
FRAU
Schweiget doch, ihr Stimmen!
Ich hab' es nicht getan!
– – – – – – – –
Barak, mein Mann,
oh, dass du mich hörtest,
dass du mir glaubtest
vor meinem Tode!
– – – – – – – –
Dich wollt' ich verlassen,
o du, den zuvor
niemals ich sah!
Dich wollt' ich vergessen
und meinte zu fliehen dein Angesicht:
dein Angesicht,
es kam zu mir –
O dass du mich hörtest,
o dass du mir glaubtest. –
Dich wollt' ich vergessen –
da musste ich dich denken:
und wo ich ging
verbotene Wege,
dein Angesicht...
es kam zu mir
und suchte mich
zuvor die Seele die Tat getan!
Ein fremder Mann,
ich zog ihn her,
er war mir nah –
aber nicht völlig –
Barak, Barak,
dich weckt' ich doch,
weisst du es nicht?
BARAK
für sich
Mir anvertraut,
dass ich sie hege,
dass ich sie trage
auf diesen Händen
und ihrer achte
und ihrer schone
um ihres jungen Herzens willen!
FRAU
teilweise zusammen mit ihm
Dienend, liebend dir mich bücken:
dich zu sehen!
atmen, leben!
Kinder, Guter, dir zu geben! –
BARAK
Mir anvertraut –
und taumelt zur Erde
in Todesangst vor meiner Hand!
Weh mir! Dass ich sie einmal noch sähe
und zu ihr spräche:
Fürchte dich nicht.
Stille.
EINE STIMME
von oben, auf Baraks Seite
Auf, geh nach oben, Mann, der Weg ist frei!
Es fällt zugleich mit der Stimme ein Lichtstrahl von oben in Baraks Verlies; die Stufen einer Wendeltreppe, in den Fels gehauen, werden sichtbar.
Barak richtet sich auf und beginnt hinaufzusteigen.
FRAU
Barak, mein Mann!
Strenger Richter,
hoher Gatte!
Schwängest du auch
dein Schwert über mir,
in seinem Blitzen
sterbend noch
sähe ich dich!
Ein Lichtstrahl fällt von oben in ihr Verlies, der Schein in Baraks leerer Kammer ist erloschen.
EINE STIMME
auf der Linken
Frau, geh nach oben,
denn der Weg ist frei.
Die Frau eilt nach oben.
Verwandlung
Das Gewölbe versinkt. Wolken treten vor, teilen sich, enthüllen eine Felsterrasse, jener gleich, die während des Schlafes der Kaiserin sichtbar wurde. Steinerne Stufen führen vom Wasser aufwärts zu einem mächtigen tempelartigen Eingang ins Berginnere. Ein dunkles Wasser, in den Felsgrund eingeschnitten, fliessend gegenüber.
Die Tür zum mittleren Eingang offen. Auf der obersten Stufe der Bote, wartend. Dienende Geister rechts und links.
Ein Kahn kommt auf dem Wasser geschwommen, ohne Lenker. Die Kaiserin liegt darin, schlummernd, die Amme kniet neben ihr hält sie umschlungen, bewegt um sich schauend, wohin der Kahn treibe.
Der Bote hat das Herankommen des Kahnes abgewartet. Der Kahn hält an.
DIENENDE GEISTER
Sie kommen!
BOTE
Hinweg!
Er tritt ins Innere zurück, die Geister zugleich, die eherne Tür schliesst sich hinter ihnen.
Die Kaiserin erwacht.
Die Amme sucht sie zurückzuhalten, mit dem freien Arm den Kahn vom Ufer wegzustossen, vergeblich.
Die Gegend erhellt sich.
Die Kaiserin erhebt sich, blickt um sich, will ans Land.
AMME
drückt sie nieder hastig, aufgeregt
Fort von hier!
Hilf mir vom Fels
lösen den Kahn!
leise
Übermächte
spielen mit uns!
Zum greulichsten Ort
eigenwillig
strebt das Gemächte
aus bösem Holz!
Wär' ich nicht gewitzigt,
was würde aus dir!
KAISERIN
Der Kahn will bleiben –
siehst du denn nicht?
Die Treppe, schau!
AMME
gibt's auf den Kahn vom Ufer zu stossen, treibend, mit fieberhafter Ungeduld
So lass den Kahn!
Nun fort
von hier!
Ich weiss den Weg,
Mondberge sieben
sind gelagert,
dies ist der höchste:
ein böser Bereich!
Geschürzt dein Kleid
und hurtig die Füsse:
ich führ' dich hinunter,
ich finde hinaus!
KAISERIN
ist auf die Treppe hinausgetreten
Hier ist ein Tor!
sinnend, suchend
Einmal vordem
sah ich dies Tor!
Posaunenruf wie aus dem Innern des Berges
Hörst du den Ton?
Der läd't zu Gericht!
leise, etwas beklommen
Mein Vater, ja?
Keikobad? Sag?
Lang sah ich ihn nicht,
doch weiss ich wohl:
er liebt es zu thronen
wie Salomo
und aufzulösen,
was dunkel ist.
Hoch ist sein Stuhl
und abgründig sein Sinn –
rein und mutig
doch, ich bin sein Kind:
ich fürchte mich nicht.
Amme ängstlich, späht nach der Seite, ob sich ein Ausweg finden liesse.
Die Posaune ruft abermals, stärker.
KAISERIN
die Hände erhoben, angstvoll
Mein Herr und Geliebter!
Sie halten Gericht
über ihn
um meinetwillen!
Was ihn bindet,
bindet mich.
Was er leidet, will ich leiden,
ich bin in ihm,
er ist in mir!
Wir sind eins.
Ich will zu ihm.
wendet sich, hinaufzuschreiten
AMME
angstvoll
Fort mit uns!
Ich schaff' dir den Schatten!
So ist es gesetzt
und so beschworen!
Du bleibst die gleiche,
Töchterchen, liebes,
und durch deinen Leib
gleitet das Licht –
allein des Weibes
trauriger Schatten,
dir verfallen,
haftet der Ferse!
Ihresgleichen
scheinst du dann
und bist es nicht:
doch du erfüllst,
was bedungen war!
schmeichelnd
So hab' deinen Liebsten
und herze ihn!
Ich helf' dir ihn finden,
ich will es tragen,
dass ich ihn sehe
in deinen Armen
auf Jahr und Tag
und bleibe die Hündin
in seinem Hause!
resigniert seufzend, nicht heftig
Wehe mir!
sehr stark
Nur fort von hier!
Fort von der Schwelle,
sie zu betreten,
ist mehr als Tod!
KAISERIN
So kennst du die Schwelle?
So weisst du, wohin
dies Tor sich öffnet?
Antworte mir!
AMME
dumpf
Zum Wasser des Lebens.
KAISERIN
Antworte mir!
plötzlich erleuchtet
Zur Schwelle des Todes!
So scholl der Ruf.
Steh mir Rede!
Du weisst das Geheime
und kennst die Bewandtnis.
Antworte mir!
Die Amme schweigt.
KAISERIN
Schweigst du tückisch?
Willst du mit Fleiss
den Sinn mir verdunkeln?
Hell ist in mir!
Hell ist vor mir!
leidenschaftlich
Ich muss zu ihm!
Wasser des Lebens,
ich muss es erspüren,
ihn besprengen –
Wasser des Lebens –
ist es das Blut
aus diesen Adern?
Fliesse es hin,
dass ich ihn wecke!
Sie wendet sich entschieden dem Eingang zu.
AMME
wirft sich vor sie hin, fasst sie am Gewand
Hab' Erbarmen!
Du verfängst dich:
tausend Netze,
Gaukelspiel,
greulicher Trug!
Wasser des Lebens,
greuliches Blendwerk –
müsst' ich darüber
mein Blut hingeben –,
halte ich ab
von deiner Seele
und deinem Herzen!
Ein Wasser springt
wirklich im Berge.
Leuchtend steigt es,
goldene Säule,
aus dem Grund:
Wasser des Lebens!
Wer daran
die Lippen legte –
einer der unsern,
von Geistern stammend –
mehr als Tod,
greulich unsagbar
teuflisches Unheil
schlürft er in sich
rettungslos.
Die Kaiserin ist auf die oberste Stufe getreten.
AMME
in höchster Angst
Hörst du mich nicht?
Fürchterlich
ist Keikobad!
Was weisst du von ihm!
Du bist sein Kind
und hast dich gegeben
in Menschenhand
und dein Herz vergeudet
an einen von den Verwesenden!
Fürchterlich
straft er dich,
wenn du fällst in seine Hand.
Denn er kennt kein Greuel
über diesem,
dass eines spiele
mit den Verhassten
und sich mische
mit den Verfluchten!
Weh über sie,
die dich gebar,
und Menschensehnsucht
dir flösste ins Blut!
Weh über dich!
KAISERIN
verklärt, entschlossen
Aus unsern Taten
steigt ein Gericht!
Aus unserm Herzen
ruft die Posaune,
die uns lädt. –
entschieden, die Hand gegen sie ausstreckend, gebietend
Amme, auf immer
scheid' ich mich von dir.
Was Menschen bedürfen,
du weisst es zu wenig,
worauf ihrer Herzen
Geheimnis zielet,
dir ist es verborgen.
sehr feierlich und gross
Mit welchem Preis
sie alles zahlen,
aus schwerer Schuld
sich wieder erneuern,
dem Phönix gleich,
aus ewigem Tode
zu ewigem Leben
sich immer erhöhen –
kaum ahnen sie's selber –
dir kommt es nicht nah.
Ich gehöre zu ihnen,
mächtig
du taugst nicht zu mir!
Sie tritt ans Tor das sich lautlos öffnet, sie tritt hinein, das Tor schliesst sich.
AMME
will ihr nach, wagt sich nicht in den Bereich, verzweifelnd auf der Treppe
Was Menschen bedürfen?
Betrug ist die Speise,
nach der sie gieren.
Betrüger sie selber!
Fluch über sie!
Das ewige Trachten,
Vorwärts ins Leere,
der angstvermischte
gierige Wahnsinn –
hinübergeträufelt
in meines Kindes
kristallene Seele!
Fluch über sie!
Es dunkelt, rötlicher Nebel tritt herein.
DIE STIMME BARAKS
im Wind
Ah!
DIE STIMME DER FRAU
von der anderen Seite
Ah!
DIE STIMME BARAKS
Dass ich dich fände!
DIE STIMME DER FRAU
klagend
O mein Geliebter!
DIE STIMME BARAKS
Fürchte nichts!
Sieh, o sieh!
DIE STIMME DER FRAU
zugleich
Finde mich,
töte mich!
BEIDE
Weh, weh, o weh!
AMME
Menschen! Menschen!
Wie ich sie hasse!
Wimmelnd wie Aale,
schreiend wie Adler,
schindend die Erde!
Tod über sie!
BARAK
im Nebel herein, von rechts
Ich suche meine Frau, die vor mir flieht.
erkennt die Amme, angstvoll, gepresst, fast stöhnend
Hast du sie nicht gesehn –
O meine Muhme?
AMME
zeigt nach links aufwärts
Dort hinüber!
Dort hinauf!
Sie verflucht dich
in den Tod!
Strafe sie –
räche dich –
schnell!
BARAK
ab nach links aufwärts
Zu ihr! Zu ihr!
FRAU
erscheint von links weiter unten
O du – o du – wo ist mein Mann? O du –
ich will zu ihm!
AMME
zeigt nach rechts
Dort hinüber!
Dich zu töten
mit seinen Händen.
Rette dich,
flieh!
FRAU
eilt nach rechts in den Wind und Nebel, wild entschlossen
Barak! Hier!
Schwinge dein Schwert.
Töte mich
schnell!
verschwindet rechts; es dunkelt
AMME
Wehe, mein Kind,
ausgeliefert,
Gaukelspiel
vor ihren Augen,
Fallen und Stricke
vor ihrem Fuss!
Sie ist hinein!
Sie trinkt! Das goldne,
flüssige Unheil
springt auf die Lippen,
wühlt sich hinab!
Ihr Gesicht
greulich zuckt,
ein menschlicher Schrei
ringt sich aus
der wunden Kehle!
Ihr zu Hilfe!
Müsste ich sterben!
Keikobad!
Sie will ans Tor
BOTE
tritt aus dem Tor, ehern
Den Namen des Herrn?
Hündin, zu wem
hebst du die Stimme?
Fort mit dir
von der Schwelle!
Pack dich, für immer!
AMME
wie wahnsinnig vor Erregung
Mir anvertraut –
du selber, Bote!
Drei Tage lang!
Ich hab' sie gehütet,
ich rang mit ihr –
sie stiess mich von sich –
sie kennt mich nicht mehr –
Keikobad!
Er muss mich hören!
will an ihm vorbei
BOTE
vertritt ihr den Weg; ehern
Sie ist vor ihm!
Wer bedarf deiner?
Niemand.
Such dir den Weg!
AMME
Keikobad!
Deine Dienerin
schreit zu dir –
Strafe sie, aber
verwirf sie nicht
ungehört!
Mir übergeben,
ich steh' dir Rede!
Keikobad!
Der Nebel tritt herein, wird immer dichter Gewitter und Sturm nehmen zu an Heftigkeit. Es dunkelt mehr und mehr. Im Sturm tönen die Stimmen der Färbersleute, die einander vergeblich rufen und suchen. Zugleich.
BOTE
gewaltig, mit einem Anflug von Hohn
Wer bist du,
dass du ihn rufest?
Was weisst du
von seinem Willen
und wie er verhängt
hat ihr die Prüfung?
Wenn er dich hiess
des Kindes hüten,
wer heisst dich raten,
ob er nicht wollte,
dass sie dir entliefe?
immer schrecklicher
Und trotzdem dich
verwirft auf ewig:
dass du nicht vermochtest,
ihrer zu hüten!
BARAK
unsichtbar
O du!
FRAU
unsichtbar
O du!
BARAK
Wo bist du?
FRAU
Wo bist du?
BARAK
Fliehe nicht!
FRAU
Finde mich!
BARAK
Komm zu mir!
FRAU
Komm zu mir!
BARAK
Dich zu sehen – atmen, leben!
FRAU
Kinder, Guter, dir zu geben!
BARAK
Weh, verloren!
FRAU
Weh, vertan!
BARAK
Diese Hände –!
FRAU
Weh, so jung!
BARAK
Dir vergeben, dich erquicken!
FRAU
Liebend, dienend dir mich bücken!
BARAK
Weh, verloren!
FRAU
Hab' Erbarmen!
BARAK
Sterben! Sterben!
FRAU
Weh, uns Armen!
BARAK
Mir anvertraut,
dass ich dich hege
und dich trage
auf diesen Händen.
AMME
Schlage er mich
mit seinem Zorn!
Ich will zu ihr!
BOTE
Mit seinem Zorn
schlägt er dich,
dass du ihr Antlitz
nicht wiedersiehst!
AMME
Weh, mein Kind!
Mir verloren!
Fluch und Verderben
über die Menschen –
fressendes Feuer
in ihr Gebein!
BOTE
mit Hohn
Unter den Menschen
umherzuirren,
ist dein Los!
Die du hassest,
mit ihnen zu hausen,
ihrem Atem
dich zu vermischen
immer aufs neu'!
AMME
wie von Sinnen
Die ich hasse,
mit ihnen zu hausen,
ihrem Atem
mich zu vermischen
immer aufs neu'!
Sie drängt sich dicht an den Boten, will an ihm vorbei.
BOTE
fasst sie gewaltig und stösst sie die Treppe hinab
Auf, du Kahn,
trage dies Weib
Mondberge hinab
den Menschen zu!
AMME
Fressendes Feuer
in ihr Gebein!
Die Amme stürzt im Kahn zusammen, der Kahn löst sich und treibt jäh hinab. Ihr Schrei, durchdringend, verhallt.
BOTE
ehern
Verzehre dich!
Dir widerfährt
nach dem Gesetz!
Blitz, Donner, Posaune
DIE STIMMEN DER FÄRBERSLEUTE
Sterben, sterben!
Weh uns Armen!
Verwandlung
Offene Verwandlung. Allmählich erhellt sich, aber noch nicht zu völliger Klarheit, das Innere eines tempelartigen Raumes. – Eine Nische, die mittelste, ist verhängt. Die Kaiserin, allein, steigt von unten empor. Dienende Geister, fackeltragend, ihr entgegen, noch im Dunkel.
ERSTER GEIST
Hab' Ehrfurcht!
ZWEITER GEIST
Mut!
DRITTER GEIST
Erfülle dein Geschick!
sie verschwinden
MENSCHENSTIMMEN
tönen von draussen herein, doch schwächer und schwächer, als wären Türen zugefallen
Weh, verloren!
Hab' Erbarmen! –
Sterben! Sterben!
Weh uns Armen!
KAISERIN
geht auf die verhängte Nische zu
Vater, bist du's?
Drohest du mir
aus dem Dunkel her?
Hier siehe dein Kind!
Mich hinzugeben,
hab' ich gelernt,
aber Schatten
hab' ich keinen
mir erhandelt.
Nun zeig mir den Platz,
der mir gebührt
inmitten derer,
die Schatten werfen.
Ein Springquell goldenen Wassers steigt leuchtend aus dem Boden auf.
KAISERIN
einen Schritt zurückgehend
Goldenen Trank,
Wasser des Lebens,
mich zu stärken,
bedarf ich nicht!
Liebe ist in mir,
die ist mehr.
EINE STIMME
von oben
So trink, du Liebende, von diesem Wasser!
Trink, und der Schatten, der des Weibes war,
wird deiner sein, und du wirst sein wie sie.
KAISERIN
Jedoch was wird aus ihr?
DIE STIMME DER FRAU
Barak!
DIE STIMME BARAKS
Wo bist du?
DIE STIMME DER FRAU
Wehe, wo?
DIE STIMME BARAKS
Herzu mir!
DIE STIMME DER FRAU
Ach, vergebens!
DIE STIMME BARAKS
Weh! Verloren!
KAISERIN
Baraks Stimme!
Baraks Blick!
Meine Schuld
hier wie dort,
dort wie hier!
Das Wasser fällt langsam.
schaudernd
Sternennamen
rief ich an,
rein zu bleiben
von Menschenschuld!
Blut ist in dem Wasser,
ich trinke nicht!
Das Wasser versinkt gänzlich.
Doch weich' ich nicht!
Mein Platz ist hier in dieser Welt.
Hier ward ich schuldig,
hierher gehör' ich.
Wo immer du
dich birgst im Dunkel –
in meinem Herzen
ist ein Licht,
dich zu enthüllen!
Ich will mein Gericht!
Zeige dich, Vater!
Mein Richter, hervor!
Das Licht hinter dem Vorhang wird stärker und stärker, endlich ist seine Kraft so gross, dass der Vorhang zum durchsichtigen Schleier wird. In der strahlend erhellen Nische sitzt auf steinernem Thron der Kaiser. Er ist starr und steinern, nur seine Augen scheinen zu leben.
KAISERIN
gesprochen
Ach! Weh mir!
Mein Liebster starr!
Lebendig begraben
im eigenen Leib!
Erfüllt der Fluch!
Meines Wesens
unschuldige Schuld
an ihm gestraft,
weil er zu sehr
mein Geheimnis geliebt,
um das er mich wählte –
erbarmungslos,
dahingeopfert,
meinem Geheimnis
sein liebendes Herz!
Ungelöst
meiner Seele Knoten
von Menschenhand –
Starr nun die Hand,
die ihn nicht löste –
Versteinert sein Herz
von meiner Härte!
Mein Geschick
seine Schuld!
Meine Schuld
sein Geschick!
Weh, ihr Sterne,
also tut ihr
an den Menschen!
Sie nähert sich in Verzweiflung dem Versteinerten.
Mit dir sterben,
auf, wach auf!
Aug' in Aug',
Mund an Mund
mit dir vereint,
lass mich sterben!
Sie will hervor, den Versteinerten zu umschlingen, und wagt es nicht. Wie sie in Angst vor dem auf sie gerichteten Blick nach der Seite zurückgeht, folgen ihr die Augen des Kaisers nach.
in höchster Qual
Nicht diesen Blick!
Ich kann nicht helfen,
ich kann nicht!
Sie fällt zusammen, bedeckt die Augen mit den Händen.
Die Statue glüht im stärksten Licht, die Augen mit stummer Bitte auf die Kaiserin gerichtet.
UNIRDISCHE STIMMEN
dumpfdröhnend wie aus Abgründen
Die Frau wirft keinen Schatten,
der Kaiser muss versteinen!
Die Statue verdunkelt sich wie Blei. Vor ihren Füssen hebt sich wie früher das goldene Wasser leuchtend empor.
EINE STIMME
von oben
Sprich aus: Ich will! Und jenes Weibes
Schatten wird dein!
Und dieser stehet auf und wird lebendig
und geht mit dir!
Und des zum Zeichen neige dich und trink!
KAISERIN
in furchtbarem Kampfe auf dem Boden liegend, gesprochen
Versuch mich nicht,
Keikobad!
Ich bin dein Kind!
Lass mich sterben,
eh' ich erliege!
DIE STIMME BARAKS
Nirgend Hilfe!
DIE STIMME DER FRAU
Wehe, sterben!
Die KAISERIN
erhebt sich auf die Knie, ihren Lippen entringt sich ein qualvoller, stöhnender Schrei, in dessen Intervallen die Worte –
Ich – will – nicht! –
hörbar sind. – Sogleich, wie diese Worte hörbar werden, sinkt das Wasser hinab, der Raum, nach einer kurzen Dunkelheit, erhellt sich von oben. – Von der Kaiserin, die sich wie unbewusst vom Boden erhoben hat, fällt ein scharfer Schatten quer über den Boden des Raumes. – Der Kaiser erhebt sich von seinem Thron und schickt sich an, die Stufen hinabzusteigen.
KAISER
»Wenn das Herz aus Kristall
zerbricht in einem Schrei,
die Ungebornen eilen
wie Sternenglanz herbei.
Die Gattin blickt zum Gatten,
ihr fällt ein irdischer Schatten
von Hüfte, Haupt und Haar.
Der Tote darf sich heben
aus eignen Leibes Gruft –
die Himmelsboten eilen
hernieder aus der Luft!«
So ward mir zugesungen,
da ich im Sterben war.
Nun darf ich wieder leben!
Schon kommt die heil'ge Schar
mit Singen und mit Schweben –
Das Licht von der Kuppel herab ist stärker und stärker geworden. Nun dringen, von oben her die Stimmen der Ungeborenen hernieder.
STIMMEN DER UNGEBORENEN
(EINZELNE)
Hört, wir wollen sagen: Vater!
(ANDERE)
Hört, wir wollen Mutter rufen!
(EINIGE)
Steiget auf!
(ANDERE)
Nein, kommt herunter!
Zu uns führen alle Stufen!
KAISERIN
deutet nach oben
Sind das die Cherubim,
die ihre Stimmen heben?
KAISER
von der untersten Stufe
Das sind die Nichtgeborenen,
nun stürzen sie ins Leben
mit morgenroten Flügeln
zu uns, den fast Verlorenen;
uns eilen diese Starken
wie Sternenglanz herbei.
Du hast dich überwunden.
Nun geben Himmelsboten
den Vater und die Kinder:
die Ungebornen frei!
Sie haben uns gefunden,
nun eilen sie herbei!
Er ist von der untersten Stufe herabgestiegen. Die Kaiserin will ihm entgegen, deutet nach oben, von wo ein immer hellerer Schein herabdringt, ein silbernes Klingen dem Gesang der Ungeborenen präludiert, sie sinkt in die Knie. Der Kaiser, der Kaiserin gegenüber fällt gleichfalls auf die Knie. Die Ungeborenen fangen an zu singen. Die Kaiserin und der Kaiser bergen jedes ihr Gesicht in den Händen.
DIE STIMMEN DER UNGEBORENEN
von oben
Hört, wir gebieten euch:
ringet und traget,
dass unser Lebenstag
herrlich uns taget!
Was ihr an Prüfungen
standhaft durchleidet,
uns ist's zu strahlenden
Kronen geschmeidet!
Der Kaiser und die Kaiserin haben sich, mit Entzücken aufwärtsblickend, erhoben.
KAISERIN
indem ihre und des Kaisers Hände sich berühren
Engel sind's, die von sich sagen!
Ihre Stärke will uns tragen!
Ungeboren, preisgegeben,
ohne Anker, ohne Ziel!
Wie sie rufend uns umschweben,
bin ich, bin ich dir gegeben!
KAISER
Nirgend Ruhe, still zu liegen,
nirgend Anker, nirgend Port,
nichts ist da – nur aufzufliegen
ist ein Ort an jedem Ort,
wie sie rufend uns umschweben
bist du, bist du mir gegeben!
Sie halten einander umschlungen. Helles Gewölk umschliesst sie.
Verwandlung
Eine schöne Landschaft, steil aufsteigend, hebt sich heraus. Inmitten ein goldener Wasserfall, durch eine Kluft abstürzend. Kaiser und Kaiserin werden über dem Wasserfall sichtbar von der Höhe herabsteigend.
FRAU
von links auf schmalem Fusspfad
Trifft mich sein Lieben nicht,
treffe mich das Gericht,
er mit dem Schwerte!
eilt vor bis an den Abgrund
BARAK
auf der gegenüberliegenden Seite
Steh nur, ich finde dich.
Schützend umwinde dich,
ewig Gefährte!
Indem sie ihn gewahr wird, ihm die Arme entgegenstreckt, fällt ihr Schatten quer über den Abgrund.
BARAK
jubelt
Schatten, dein Schatten,
er trägt mich zu dir!
FRAU
Gattin zum Gatten!
Einziger mir!
DIE STIMMEN DER UNGEBORENEN
Mutter, dein Schatten!
Sieh, wie schön!
Sieh deinen Gatten
zu dir gehn!
Im Augenblick fällt an Stelle des Schattens eine goldene Brücke quer über dem Abgrund.
Barak und die Frau betreten die Brücke, liegen einander in den Armen.
Der Kaiser und die Kaiserin sind oben dicht an den Rand des Absturzes herausgetreten. Sie wenden sich nach abwärts, die beiden anderen blicken zu ihnen empor.
BARAK
Nun will ich jubeln, wie keiner gejubelt,
nun will ich schaffen, wie keiner geschafft,
denn durch mich hin strecken sich Hände,
blitzende Augen, kindische Münder,
und ich zerschwelle
vor heiliger Kraft!
KAISER
weist hinunter auf die beiden, weiter hinunter auf die Menschenwelt
Nur aus der Ferne
war es verworren bang,
hör es nun ganz genau,
menschlich ist dieser Klang!
Rührende Laute –
nimmst du sie ganz in dich,
Brüder, Vertraute!
CHOR
unsichtbar, hineinjauchzend
Brüder! Vertraute!
KAISERIN und FRAU
Schatten zu werfen,
beide erwählt,
beide in prüfenden
Flammen gestählt.
Schwelle des Todes nah,
gemordet zu morden,
seligen Kindern
Mütter geworden!
Schleier vorfallend, die Gestalten und die Landschaft einhüllend
DIE STIMMEN DER UNGEBORENEN
im Orchester
Vater, dir drohet nichts,
siehe, es schwindet schon,
Mutter, das Ängstliche,
das euch beirrte.
Wäre denn je ein Fest,
wären nicht insgeheim
wir die Geladenen,
wir auch die Wirte!