Libretto: La Forza del Destino

from Giuseppe Verdi


Die Macht des Schicksals


Personen:
MARCHESE VON CALATRAVA (Bass)
LEONORA DI VARGAS, seine Tochter (Sopran)
DON CARLO DI VARGAS, sein Sohn (Bariton)
ALVARO, ein Mestize (Tenor)
PREZIOSILLA, eine junge Zigeunerin (Mezzosopran)
PATER GUARDIAN, Prior eines Franziskanerklosters (Bass)
FRA MELITONE, Franziskanermönch (Bass)
CURRA, Leonoras Kammerzofe (Mezzosopran)
Ein ALKALDE (Bass)
Mastro TRABUCO, Maultiertreiber, später Hausierer (Tenor)
Ein CHIRURGUS der spanisch-italienischen Truppen (Bass)

CHOR
Marketenderinnen; Bettlerinnen und Bettler; Spanisches und italienisches Landvolk;
Maultiertreiber; Spanische und italienische Soldaten; Soldaten aler Waffengattungen;
Ordonnanzen; Italienische Rekruten; Franziskanermönche

ERSTER AUFZUG
Sevilla

Nr. 1 - Vorspiel

ERSTE SZENE
Eine Halle; an den mit Damast tapezierten Wänden Familienporträts und -wappen; Einrichtung im Stil des 18. Jahrhunderts, jedoch mit Anzeichen des Verfalls. In der rückwärtigen Wand zwei Fenstertüren, die linke geschlossen. Die andere steht offen; sie gibt den Blick auf einen klaren, vom Mond erleuchteten Himmel und auf Baumwipfel frei. Zwischen den Fenstern steht ein grosser geschlossener Schrank für Kleider, Wäsche usw.. Jede Seitenwand hat zwei Türen. Das Zimmer hat eine Terrasse

Nr. 2 - Introduktion und Szene

Der Marchese von Calatrava, mit einem Leuchter in der Hand, sagt der bedrückten Donna Leonora gute Nacht. Curra kommt von links

MARCHESE
umarmt Leonora liebevoll
Gute Nacht, meine Tochter... Gott segne dich, geliebtes Kind.
Die Tür zur Terrasse ist noch offen?
Er geht hin, um sie zu schliessen

LEONORA
(Diese Angst')

MARCHESE
kommt zu ihr zurück
Deine Liebe hat mir nichts zu sagen? Warum so traurig?

LEONORA
Vater... Herr...

MARCHESE
Die reine Luft des Landes
gab Frieden deinem Herzen…
Du flohst den Fremden, der deiner nicht würdig ist…
Lass mir die Sorge
um die Zukunft. Vertraue deinem Vater
und seiner grossen Liebe!

LEONORA
Ach, Vater!

MARCHESE
Nun, was bedrückt dich?
Weine nicht.

LEONORA
(Mein Gewissen!)

MARCHESE
Ich lasse dich allein.

LEONORA
wirft sich ihrem Vater leidenschaftlich in die Arme
Mein Vater'.

MARCHESE
Der Himmel segne dich... Lebe wohl.

LEONORA
Lebe wohl.

Der Marchese küsst sie, greift wieder zum Leuchter und geht in seine Gemächer.


ZWEITE SZENE

Nr. 3 - Rezitativ und Romanze

CURRA
folgt dem Marchese, schliesst die Tür hinter ihm und kehrt zu Leonora zurück, die weinend im Lehnstuhl zusammengesunken ist
Ich fürchtete schon, er bliebe bis morgen früh!
Das Fenster muss wieder geöffnet werden, alles
muss bereit sein. Fangen wir an.
Nimmt aus dem Schrank eine Tasche und steckt Wäsche und Kleider hinein.

LEONORA
In all seiner Liebe stellt mein Vater sich
so meinem Verlangen entgegen?
Nein, nein, ich kann mich nicht entscheiden.

CURRA
emsig beschäftigt
Was meint Ihr?

LEONORA
Diese Worte drangen mir wie Dolche ins Herz...
Wäre er länger geblieben,
ich hätte ihm die Wahrheit gesagt...

CURRA
ihre Arbeit unterbrechend
Dann läge Alvaro morgen
in seinem Blut,
oder er sässe in Sevilla im Gefängnis, oder vielleicht
hinge er am Galgen...

LEONORA
Hör auf.

CURRA
Und all das
aus Liebe zu einem Menschen, der ihn liebte.

LEONORA
Ich sollte ihn nicht lieben? Du weisst allzu gut, wie ich ihn liebe…
Heimat, Familie, den Vater,
verlasse ich sie nicht um seinetwillen?
Ach, zu gross, zu gross ist mein Unglück!

Mich, die Heimatlose, Verwaiste,
treibt ein unerbittliches Schicksal
fort vom Haus meiner Kindheit
und fremden Gestaden zu.
Bedrängt von Angstbildern,
erdrückt von Gewissensqualen,
verdammt zu ewigem Leiden
ist das Herz dieser Elenden.
Ach, ich verlasse dich unter Tränen,
meine geliebte Heimat! Lebe wohl!
Ach, mein grosser Schmerz
wird nie ein Ende haben! Lebe wohl!

Nr. 4 - Szene und Duett

CURRA
Helft mir, meine Herrin,
desto schneller sind wir fertig.

LEONORA
Und wenn er nicht käme?
wirft einen Blick auf die Uhr
Es ist spät.
Es hat schon Mitternacht geschlagen!
in froher Erleichterung
Nein, er kommt nicht mehr!

CURRA
Ein Geräusch!
Das Trappeln von Hufen!

LEONORA
läuft zum Fenster
Er ist es!

CURRA
Undenkbar,
dass er nicht gekommen wäre!

LEONORA
O Gott!

CURRA
Hab keine Angst'


DRITTE SZENE
Don Alvaro, ohne Mantel, in weitärmeligem Hemd, darüber eine Majo-Jacke, auf dem Kopf ein Haarnetz, in Sporenstiefeln, kommt von der Terrasse herein und wirft sich Leonora in die Arme

ALVARO
Für immer, meine schöne Geliebte,
vereinigt uns nun der Himmel!
In dieser Umarmung
spüre ich den Jubel des Universums.

LEONORA
Don Alvaro!

ALVARO
Himmel, was beunruhigt dich'?

LEONORA
Bald ist es Tag.

ALVARO
Allzu lange
haben tausend Hindernisse vereitelt,
dass ich zu dir kam;
doch dem Zauber unserer reinen, heiligen Liebe
kann sich nichts entgegenstellen,
und Gott selbst hat unsere Angst
in Freude verwandelt.
zu Curra
Wirf diese Kleider
vom Fenster herab.

LEONORA
zu Curra
Halt.

ALVARO
zu Curra
Nein, nein...
zu Leonora
Komm mit mir,
verlasse jetzt dein Gefängnis...

LEONORA
Himmel! Ich kann mich nicht entscheiden.

ALVARO
Schnelle Pferde stehen schon für uns bereit;
ein Priester erwartet uns am Altar.
Komm, finde Zuflucht an einem Herzen voller Liebe,
die Gott im Himmel segnen wird!
Und wenn die Sonne, Gottheit der Indianer
und Herrin meines königlichen Hauses,
die Welt mit ihrem Glanz überflutet,
wird sie uns, Geliebte, als Gatten finden.

LEONORA
Es ist spät...

ALVARO
zu Curra
Mach schnell, beeile dich!

LEONORA
zu Curra
Warte noch...

ALVARO
Eleonora!

LEONORA
Morgen ...

ALVARO
Was sagst du?

LEONORA
Ich bitte dich, warte.

ALVARO
bestürzt
Morgen?

LEONORA
Morgen werden wir fliehen.
Nur einmal noch will ich meinen Vater,
meinen armen Vater sehen;
und dir ist es recht, nicht wahr?
Ja, denn du liebst mich…
verwirrt
Du kannst nicht widersprechen…
Auch ich, du weisst es… ich liebe dich!
Wie glücklich mich das macht… o Gott!
Sie weint
Mein Herz ist voll Freude! Lass uns bleiben…
Ja, mein Alvaro, ich liebe dich! Ich liebe dich!
Sie erstickt in Tränen

ALVARO
Dein Herz ist voll Freude…und du weinst!
Deine Hand ist eisig wie ein Grab!
Ich begreife alles, meine Dame, alles!

LEONORA
Alvaro! Alvaro!

ALVARO
Eleonora!
Ich werde allein zu leiden lernen. Verhüte Gott,
dass du meinen Schritten aus Schwäche folgst.
Ich entbinde dich von deinen Schwüren. Die Hochzeitsfackeln
wären für uns nur ein Zeichen des Todes,
wenn du mich nicht liebst, wie ich dich liebe, wenn du bereust

LEONORA
unterbricht ihn
Ich gehöre dir, mit dem Herzen und dem Leben.
Dir zu folgen
bis an das Ende der Welt,
dir zur Seile und unerschrocken
das feindliche Schicksal zum Kampf herauszufordern,
wäre mir endlose Freude,
ewige Lust,
Ich folge dir, gehen wir, das, Schicksal
kann uns nie, niemals trennen.

ALVARO
Ich atme wieder, Licht und Leben
dieses Herzens, das dich liebt;
solange ein Puls in mir schlägt,
wird mein einziger und unerschütterlicher
Wunsch sein,
dir jedes Verlangen zu erfüllen.
Komm mit mir, gehen wir, das Schicksal
kann uns nie, niemals trennen.

LEONORA
Ich folge dir, gehen wir, das Schicksal
kann uns nie, niemals trennen.
Links ist das Geräusch von sich öffnenden und schliessenden Türen zu hören
Welch ein Lärm!

CURRA
Jemand kommt die Treppe herauf'!

ALVARO
Fort...

LEONORA
Fort... Ich folge dir,
Gehen wir, usw.

ALVARO
Komm mit mir.
Gehen wir, usw.

Sie gehen schnell zum Fenster

Nr. 5 - Szene und Finale des Ersten Aktes

LEONORA
Zu spät.

ALVARO
Jetzt müssen wir
Ruhe bewahren.

CURRA
Heilige Jungfrau!

LEONORA
zu Don Alvaro, auf ihr Gemach weisend
Versteck dich dort!

ALVARO
zieht eine Pistole
Nein! Ich muss dich verteidigen

LEONORA
Steck die Waffe weg! Willst du sie etwa
gegen den Vater richten?

ALVARO
Nein, gegen mich selbst.
steckt die Pistole weg

LEONORA
Entsetzlich!


VIERTE SZENE
Nach mehreren Schlägen springt die Tür links hinten auf, der Marchese von Calatrava tritt wutentbrannt und mit gezogenent Degen ein, hinter ihm zwei Diener mit Leuchtern

MARCHESE
Schändlicher Verführer! Ehrlose Tochter!

LEONORA
wirft sich ihm zu Füssen
Nein, mein Vater...

MARCHESE
stösst sie zurück
Der bin ich nicht mehr...

ALVARO
Der einzig Schuldige bin ich.
bietet ihm die Brust dar
Stosst zu und stillt Eure Rache ...

MARCHESE
zu Don Alvaro
Nein, Euer Betragen zeigt
allzu deutlich Eure schändliche Abkunft.

ALVARO
Herr Marchese!

MARCHESE
zu seiner Tochter
Geh hinaus!
zu den Dienern
Packt den Verbrecher!

ALVARO
zieht wieder die Pistole, zu den zuückweichenden Dienern
Wehe, wenn sich einer von euch rührt...

LEONORA
läuft zu ihm
Alvaro, um Himmels willen, was tust du!

ALVARO
zum Marchese
Nur Euch ergebe ich mich, stosst zu ...

MARCHESE
Sterben von meiner Hand?!
Einer wie Ihr
muss von der Hand des Henkers sterben.

ALVARO
Herr von Calatrava!
Rein wie die Engel ist Eure Tochter,
das schwöre ich;
schuldig bin ich allein. Der Zweifel,
den meine Kühnheit hier erregt,
sei mit meinem Leben getilgt.
Hier, ich bin ohne Waffe…

Er wirft die Pistole fort, beim Aufschlagen auf den Boden löst sich ein Schuss und trifft den Marchese tödlich

MARCHESE
Ich sterbe!

ALVARO
verzweifelt
Verhängnisvolle Waffe!

LEONORA
stürzt zu ihrem Vater
Zu Hilfe'

MARCHESE
zu Leonora
Mir ans den Augen!
Dein Anblick schändet meinen Tod.

LEONORA
Vater!

MARCHESE
Ich verfluche dich!
Er sinkt seinen Dienern in die Arme

LEONORA
verzweifelt
Himmel, erbarme dich!

ALVARO
O Schicksal!

Die Diener tragen den Marchese in seine Zimmer, während Don Alvaro die gebrochene Leonora mit sich zur Terrasse zieht

ZWEITER AUFZUG
Das Dorf Hornachuelos und Umgebung

ERSTE SZENE
Grosse Küche eines Wirtshauses zu ebener Erde. Links ist die Tür zur Strasse. Hintere Wand mit einem Fenster, davor eine Anrichte mit Geschirr usw. Rechts hinten ein grosser brennender Herd mit verschiedenen Töpfen; weiter vorn eine kurze Treppe, die zu einem Zimmer mit praktikabler Tür führt. Seitlich ein grosser gedeckter Tisch, darüber eine brennende Lampe

Nr. 6 - Chor und Tanz

Wirt und Wirtin sind wortlos mit der Zubereitung des Abendessens beschäftigt. Der Alkalde sitzt in der Nähe des Herdfeuers, ein Student Don Carlos di Vargas in Verkleidung sitzt am Tisch. Einige Maultiertreiber, im Vordergrund Mastro Trabuco, der auf einem seiner Sättel hockt. Zwei Bauernpaare und die Schankmagd mit einem Maultiertreiber tanzen die Seguidilla. Auf einem anderen Tisch stehen Weinflaschen. Gläser, Karaffen, eine Flasche Aquavit

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Holà, holà, holà!
Sei willkommen, Maultiertreiber,
und ruhe aus zur Nacht.
Holà, holà, holà,
Hier musst du du beim Glase
deine Kräfte aufrichten!
Holà, holà!
Sei willkommen, Maultiertreiber,
du musst ruhen zur Nacht.

Bäuerinnen und Maultiertreiber tanzen

Nr. 7 - Szene

Die Wirtin stellt eine grosse Suppenschüssel auf den Tisch

ALKALDE
setzt sich zu Tisch
Das Essen ist fertig...

MAULTIERTREIBER, BAUERN
setzen sich um den Tisch
Zu Tisch, zu Tisch.

STUDENT
(Vergeblich suche ich die Schwester und ihren Verführer...
Die Ehrvergessenen!)

MAULTIERTREIBER, BAUERN
zum Alkalden
Ihr sprecht das Tischgebet.

ALKALDE
Das kann der Student tun.

STUDENT
Sehr gern.
In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti.

MAULTIERTREIBER, BAUERN
sich setzend
Amen.

LEONORA
in Männerkleidung, erscheint furchtsam in der Tür des Zimmers rechts; die Tür bleibt angelehnt
(Was sehe ich! Mein Bruder!)
Sie zieht sich zurück

ALKALDE
probiert
Gut.

STUDENT
essend
Ausgezeichnet.

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Als ob es sagte: Iss mich,

STUDENT
zur Wirtin
Tu das epulis accumbere Divum.

ALKALDE
Sie kann kein Latein, aber sie kocht gut.

STUDENT
Es lebe die Wirtin!

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Sie lebe hoch!

STUDENT
Kommt Mastro Trabuco nicht zu uns?

TRABUCO
Es ist Freitag.

STUDENT
Fastet Ihr?

TRABUCO
Genau'

STUDENT
Und dieses Persönchen, das mit Euch gekommen ist?


ZWEITE SZENE

Nr. 8 - Rezitativ und Kanzone

PREZIOSILLA
kommt tänzelnd herein
Es lebe der Krieg!

STUDENT, AEKALDE, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Preziosilla!

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Bravo!

STUDENT, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Komm, setz dich zu uns.

MAULTIERTREIBER, BAUER
Du kannst uns
die Zukunft lesen.

PREZIOSILLA
Wer will sein Glück machen?

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Das wollen wir alle.

PREZIOSILLA
Dann lauft zu den Soldaten
nach Italien, Wo ein Krieg ausgebrochen ist
gegen die Deutschen.

STUDENT, ALKALDE, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Tod den Deutschen!

PREZIOSILLA
Der ewigen Geissel Italiens
und seiner Söhne.

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Wir gehen alle hin.

PREZIOSILLA
Und ich gehe mit euch.

STUDENT, ALKALDE, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Hurra!

PREZIOSILLA
Beim Rühren der Trommel,
beim Feuer des Rosses,
beim blauen Gewölk
der donnernden Kanone,
beim Lärrn des Schlachtfeldes
wachsen dem Mut Flügel!
Schön ist der Krieg!
Es lebe der Krieg!

STUDENT, ALKALDE, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Schön ist der Krieg!
Es lebe der Krieg!

PREZIOSILLA
Vergessen wird nur
wer als Feigling stirbt;
dem tapferen Soldaten,
dem wahrhaft Tüchtigen
ist die Krone
des Ruhmes, der Ehre gewiss!
Schön ist der Krieg!
Es lebe der Krieg!

STUDENT, ALKALDE, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Schön ist der Krieg! usw.

PREZIOSILLA
sich dem einen oder anderen zuwendend
Wenn du mitkommst, Bruder,
wirst du Korporal,
und du wirst Oberst
und du General.
Gott in seinem Übermut
zieht vom ewigen Himmelsgewölbe herab
tief seinen Hut
vor dem tüchtigen Offizier.
Schön ist der Krieg!

ALLE
Es lebe der Krieg!

STUDENT
streckt Preziosilla seine Hand hin
Und was bleibt übrig
für den Studenten?

PREZIOSILLA
betrachtet die Hand
Oh, Furchtbares
wirst du erleben!

STUDENT
Was meinst du'?

PREZIOSILLA
blickt ihn an
Niemals
lügt mein Mund.
mit gedämpfter Stimme
Aber dir, Teuerster,
glaube ich nicht.
Du bist kein Student.
Ich will nichts sagen,
aber mich führt keiner hinters Licht!
Tra la la la!

ALLE
Schön ist der Krieg! usw.


DRITTE SZENE

Nr 9 - Gebet

Draussen ziehen Pilger vorbei

PILGER
weit entfernt
Vater, Gott in Ewigkeit, erbarme dich unser.

STUDENT, MAULTIERTREIBER, BAUERN
erheben sich und entblössen ihr Haupt
Wer sind die?

ALKALDE
Pilger, die zum Fest ziehen.

LEONORA
erscheint in höchsterAufregung wieder in der Tür
(Könnte ich doch fliehen!)

STUDENT, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Warten wir, bis sie vorbeigezogen sind.

ALKALDE
Beten wir mit ihnen, beten wir.

STUDENT, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Lasst uns beten.

Alle verlassen den Tisch und knien nieder

PILGER
näherkommend
Herr Jesus, Gottes Sohn, erbarme dich unser.
Gott, Heiliger Geist, erbarme dich unset.
Vater in Ewigkeit, erbarme dich.
Einziger und dreifaltiger Gott, erbarme dich.

PREZIOSILLA, TRABUCO, ALKALDE, STUDENT, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Über uns, die wir knien und flehen,
halte, Herr, deine Hand;
von dem Übel der HölIe
errette uns deine Güte.
Herr, erbarme dich'.

LEONORA
(Errette mich von dem Bruder,
der nach meinem Blut verlangt.
Wenn du es nicht willst, grosser Gott,
wird niemand mich retten!
Nein, niemand wird mich retten!
Herr, erbarme dich!)
geht in ihr Zimmer zurück und schliesst die Tür

Nr. 10 - Szene

Alle nehmen ihre Plätze wieder ein. Sie lassen eine Flasche kreisen

STUDENT
Ein Prosit auf die gesellige Runde!

PREZIOSILLA, ALKALDE, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Prosit!

STUDENT
hebt das Glas
Auf unser Wohl auf Erden und das ewige Heil danach.

PREZIOSILLA, ALKALDE, MAULTIERTREIBER, BAUERN
folgen seinem Beispiel
So sei es.

STUDENT
Schon bei den Engeln, Trabuco?

TRABUCO
Wie das, in dieser Hölle!

STUDENT
Und dieses Persönchen in Eurer Begleitung,
kam das auch zum Fest?

TRABUCO
Weiss ich nicht.

STUDENT
Übrigens, ist es Hahn oder Henne?

TRABUCO
Bei den Reisenden interessiert mich nur das Geld.

STUDENT
Sehr klug!
wendet sich zum Alkalden
Und Ihr, Ihr habt ihn doch kommen sehen.
Warurn kommt er wohl nicht zum Essen?

ALKALDE
Keine Ahnung.

STUDENT
Er soll Wasser und Essig verlangt haben.
Ha! ha! Um sich zu erfrischen.

ALKALDE
Mag sein.

STUDENT
Stimmt es, dass er zierlich ist und ohne Bart?

ALKALDE
Ist mir nicht bekannt.

STUDENT
(Er will nicht reden!)
zu Trabuco
Noch einmal zu Euch:
ritt er auf dem Maultier
im Damen- oder im Herrensitz?

TRABUCO
wird ungeduldig
Ihr seid mir lästig!

STUDENT
Wo kam er her?

TRABUCO
steht auf
Ich weiss nur, dass ich über kurz oder lang im Paradies bin.

STUDENT
Warum?

TRABUCO
Weil ich durch Euch
bereits im Fegefeuer büsse.

STUDENT
Wo geht Ihr jetzt hin?

TRABUCO
In den Stall,
um bei meinen Maultieren zu schlafen,
die kein Latein können
und nicht nach akademischen Ehren streben.
nimmt seinen Sattel und geht

PREZIOSILLA, ALKALDE, STUDENT, MAULTIERTREIBER, BAUERN
Ha, ha! Er flüchtet!


VIERTE SZENE

Nr. 11 - Szene und Ballade

STUDENT
Da der Unbekannte bartlos ist, wollen wir ihm
einen schwarzen Schnurrbart malen,
damit wir morgen etwas zu lachen haben.

EINIGE
Bravo! Bravo!

ALKALDE
Es ist meine Pflicht, die Reisenden zu schützen; ich lasse das nicht zu.
Ihr tätet besser daran uns zu sagen, woher Ihr kommt,
wohin Ihr geht und wer Ihr seid.

STUDENT
Wollt Ihr das wissen? Hier ist meine Geschichte.
Ich bin Pereda, reich an Ehren,
Bakkalaureus der Universität Salamanca,
demnächst Doktor beider Rechte,
deren Studium ich fast vollendet habe.
Vor einem Jahr holte Vargas mich aus dem Semester
und nahm mich mit nach Sevilla.
Pereda liess sich durch keinen Schaden zurückhalten,
sein Herz schlug für den Freund.

Der Geliebte seiner Schwester, ein Fremder,
hatte deren Vater getötet,
und der Sohn, als ein Mann von Ehre,
hatte Rache geschworen.
Wir verfolgten sie bis an die Küste von Cádiz,
aber das Mörderpaar war nicht zu finden.
Pereda litt mit dem Freund,
denn sein Herz schlug für ihn.

Wohin wir auch kamen, überall erzählte man dasselbe;
dass die Verführte mit dem Vater umgekommen war
und dass nach einem Kampf zwischen Dienern und Mördern
der schändliche Verführer allein entkam.
Ich trennte mich dann von Vargas;
er schwor, den Mörder weiter zu verfolgen.
Nach Amerika stach er in See,
und Pereda kehrte zu seinen Studien zurück.

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Eine blutige Geschichte hat Pereda uns da erzählt!
Er hat ein grossmütiges Herz bewiesen'

Nr. 12 - Szene, Chor und Wiederholung des Tanzes

ALKALDE
Es ist gut.

PREZIOSILLA
Ermordet wurde dieser Marchese?

STUDENT
Ja, und?

PREZIOSILLA
Der Mörder entführte seine Tochter?

STUDENT
Ja.

PREZIOSILLA
Und Ihr, der treue, ritterliche Freund,
gingt bis nach Cádiz und vorher nach Sevilla?
Ah! Mich führt keiner hinters Licht,
tra la la la.

ALKALDE
steht auf; mit einem Blick auf die Uhr
Meine Freunde, es ist spät; wir haben zu Abend gegessen,
nun lasst uns Gott danken und nach Hause gehen.

PREZIOSILLA
Gehen wir.

STUDENT
Gehen wir.

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Gehen wir.

STUDENT
Gute Nacht.

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Gute Nacht.

PREZIOSILLA
Gute Nacht.

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Holà! holà!
Es ist Zeit zurn Schlafen,
Im Hintergrund beginnt der Tanz aufs neue
Munter, ihr Maultiertreiber!
Holà, usw.

STUDENT
Ich bin Pereda, reich an Ehren, usw.

ALKALDE
Es ist gut, ja, es ist gut.

PREZIOSILLA
Ah, tra la la la;
mich führt keiner hinters Licht.

STUDENT
Gute Nacht.

MAULTIERTREIBER, BAUERN
Gute Nacht.

PREZIOSILLA
Gute Nacht.

ALLE
Gehen wir.
Sie gehen


VERWANDLUNG

FÜNFTE SZENE
Ein kleines Plateau am Abhang eines steilen Gebirges. Rechts Schluchten und Felsen; gegenüber dem Zuschauer die Vorderseite der Kirche »Heilige Jungfrau von den Engeln«; links die Pforte des Klosters mit einem Fensterchen; daneben die Glockenschnur. Über der Pforte ein kleines vorspringendes Dach. Jenseits der Kirche ragen hohe Berge empor, in deren Mitte das Dorf Hornachuelos liegt. Auf einer vierstufigen Erhöhung ein grob gemeisseltes, verwittertes Steinkreuz. Helles Mondlicht

Nr. 13 - Arie

Leonora, in Männerkleidern, kommt erschöpft von rechts herauf

LEONORA
Ich bin am Ziel! Dank dir, o Gott!
Dies ist meine letzte Zuflucht! Ich bin am Ziel!
Ich zittre! Meine furchtbare Geschichte ist bekannt
in jenem Wirtshaus, mein Bruder hat sie ja erzählt!
Wenn er mich entdeckt hätte! Himmel! Er sagte,
Don Alvaro habe sich nach Westen eingeschifft!
Er starb also nicht in jener Nacht, als ich,
vom Blut meines Vaters gerötet,
ihm folgte und ihn aus den Augen verlor!
Und jetzt verlässt er mich, er flieht mich!
Ach, nein, ich ertrage diese Qualen nicht!
Sie sinkt auf die Knie
Mutter, barmherzige Jungfrau,
vergib mir meine Sünde,
hilf mir, diesen Treulosen
aus meinem Herzen zu verbannen.
In dieser Einsamkeit
will ich den Fehltritt büssen.
Herr, erbarme dich mein,
verlass mich nicht!

Die Orgel begleitet das Morgengebet der Mönche

MÖNCHE
in der Kirche
Venite, adoremus et procedamus ante Deum,
Ploremus coram Domino, qui fecit nos.

LEONORA
erhebt sich
Dieser erhabene Gesang,
die Klänge der Orgel,
die wie Weihrauch emporsteigen
zu Gottes Firmament,
hauchen auch meiner Seele
Glauben, Trost und Frieden ein!
Ich will zum heiligen Orte eilen.
kommt näher
Und darf ich es zu dieser Stunde wagen?
bleibt stehen
Es könnte mich jemand entdecken!
Elende Leonora, zitterst du?
Der fromme Mönch kann mir die Aufnahme nicht,
er kann sie nicht verweigern.
Verlass mich nicht, hilf mir,
erbarme dich, mein Gott, erbarme dich!
Nein, lass mich nicht allein,
mein Gott, erbarme dich mein.

MÖNCHE
in der Kirche
Ploremus coram Domino, qui fecit nos.


SECHSTE SZENE

Nr. 14 - Szene

Leonora geht zur Pforte und läutet die Einlassglocke des Klosters. Das Fensterchen in der Pforte wird geöffnet, und das herausfallende Licht erhellt die Züge Leonoras, die erschrocken stehenbleibt. Bruder Melitone spricht hinter der Pforte

MELITONE
Wer seid Ihr?

LEONORA
Ich möchte zum Prior.

MELITONE
Die Kirche wird um fünf geöffnet,
falls Ihr zum Fest wollt.

LEONORA
Den Prior,
ich ersuche Euch!

MELITONE
Welch ein Ersuchen zu dieser Stunde!

LEONORA
Pater Clytus schickt mich.

MELITONE
Der fromme Heilige? Und der Grund?

LEONORA
Ist dringend.

MELITONE
Wieso?

LEONORA
Ein Unglücklicher…

MELITONE
Die Sache ist faul!
Aber ich öffne und lasse Euch herein.

LEONORA
Ich kann nicht.

MELITONE
Nein? Seid Ihr exkommuniziert?
Seltsam genug, unter freiem Himmel warten zu wollen.
Ich melde Euch, und wenn ich nicht zurückkomme: Gute Nacht...
Er schliesst das Fensterchen


SIEBENTE SZENE

LEONORA
Wenn er mich nun zurückweist!
Es heisst, er sei milde.
Er wird mich aufnehmen.
Heilige Jungfrau, steh mir bei.


ACHTE SZENE

Nr. 15 - Szene und Duett

Pater Guardian und Melitone kommen heraus

GUARDIAN
Wer will mich sprechen?

LEONORA
Ich.

GUARDIAN
Sprecht.

LEONORA
Ein Geheimnis...

GUARDIAN
Geht, Melitone.

MELITONE
im Abgehen
(Immer Geheimnisse!
Und nur diese Heiligen dürfen sie erfahren!
Wir sind solche Kohlköpfe.)

GUARDIAN
Bruder, was murmelt Ihr?

MELITONE
O je, ich sage nur,
dass die Pforte schwer geht und Lärm macht.

GUARDIAN
Gehorcht!

MELITONE
(Immer von oben herab!)
geht in das Kloster zurück und lehnt die Tür an


NEUNTE SZENE

GUARDIAN
Jetzt sind wir allein.

LEONORA
Ich bin eine Frau.

GUARDIAN
Eine Frau um diese Zeit! Grosser Gott!

LEONORA
Unglücklich, betrogen, verstossen,
verflucht von Erde und Himmel,
bittet Euch um Errettung von der Hölle,
die unter Tränen Euch zu Füssen liegt.

GUARDIAN
Wie soll ein armer Mönch das können?

LEONORA
Hat Pater Clytus Euch einen Brief geschrieben?

GUARDIAN
Er schickt Euch her?

LEONORA
Ja.

GUARDIAN
bestürzt
Ihr also seid
Leonora di Vargas!

LEONORA
Ihr seid entsetzt?

GUARDIAN
Nein... Kommt gläubig zum Kreuz,
dort wird des Himmels Stimme Euch erleuchten.

Leonora kniet bei dem Kreuz nieder und küsst es, dann kommt sie weniger erregt zu Pater Guardian zurück

LEONORA
Ruhiger ist meine Seele,
seit ich auf diesem Boden stehe;
die furchtbaren Schreckensbilder
fühle ich nicht mehr auf mich eindringen.
Nicht länger steigt blutig
der Schatten meines Vaters drohend vor mir auf,
noch tönt länger sein Fluch
entsetzlich in den Ohren der Tochter.

GUARDIAN
Satans Wüten gegen diesen Ort
war immer vergeblich.

LEONORA
Darum wünsche ich hier ein Grab,
inmitten der Felsen, wo schon eine andere lebte.

GUARDIAN
Wie! Ihr wisst?

LEONORA
Clytus sagte es mir.

GUARDIAN
Und Ihr wollt?

LEONORA
Mich Gott weihen.

GUARDIAN
Wehe dem, der sich blenden lässt
vom Fieber eines Augenblicks!
Für Euch, die Ihr so jung seid,
wäre die Reue um so schwerer.

LEONORA
Ah, ruhig ist meine Seele,
seit ich auf diesem Boden stehe; usw.

GUARDIAN
Wehe dem, der sich blenden lässt!
Wer kann in der Zukunft lesen,
wer Euer Herz vor dein Wandel bewahren?
Und der Geliebte?

LEONORA
Ohne es zu wollen,
tötete er meinen Vater.

GUARDIAN
Und der Bruder'?

LEONORA
Er hat mir den Tod
von seiner Hand geschworen.

GUARDIAN
Besser wäre es, ein Kloster
schlösse die heiligen Pforten hinter Euch.

LEONORA
Ein Kloster? Nein!
Wenn Ihr diese reuige Sünderin von Euch jagt,
ziehe ich hilferufend durch diese Wildnis,
suche Schutz im Gebirge, Speise in den Wäldern,
bis die wilden Tiere sich meiner erbarmen.
Ja, vom Himmel hörte ich hier die Stimme:
Rette dich in den Schatten dieses Kreuzes.
Stosst Ihr mich von Euch?
läuft zum Kreuz und umklammert es mit den Armen
Hier ist mein Hafen;
wer wird mir diese Zuflucht rauben?

GUARDIAN
(Dir sei die Ehre, o gütiger Gott,
allmächtiger Vater der Elenden,
dem die Sphären als Schemel dienen!
Dein Wille geschehe!)

LEONORA
Hier hörte ich die Stimme vom Himmel:
Rette dich in den Schatten dieses Kreuzes.
Hier ist mein Hafen;
wer wird mir diese Zuflucht rauben?

GUARDIAN
Euer Wille steht fest?

LEONORA
Er steht fest.

GUARDIAN
So nehme Gott Euch auf.

LEONORA
In seiner Gnade!

GUARDIAN
Nur ich weiss, wer Ihr seid.
In den Felsen ist eine Klause;
dort werdet Ihr wohnen.
Bei einer Quelle werde ich selbst
Euch jeden siebten Tag
ein karges Mahl abstellen.

LEONORA
Gehen wir hin.

GUARDIAN
zur Pforte gewandt
Melitone?
zu Bruder Melitone, der hinzukommt
Alle Brüder sollen sich
mit brennenden Kerzen am Hochaltar
im Tempel des Herrn einfinden.

Bruder Melitone geht in das Kloster zurück

Bei Sonnenaufgang werdet Ihr den Schritt
allein zur Einsiedelei lenken;
doch zuvor wird das Heilige Sakrament
Eurer Seele Trost spenden.
Geht und legt das Mönchskleid an,
und stark sei Euer Herz.
Der Herr wird Euch helfen,
wenn Ihr den neuen Weg beschreitet.

Er geht in das Kloster und kommt gleich darauf mit einer Franziskanerkutte zurück, die er Leonora übergibt

LEONORA
Deine Gnade, o Gott, leuchtet der Verworfenen!
Ungewohnte Freude!
Ich fühle wieder Gottes Segen!
Mein Herz ist wiedergeboren
zu neuem Leben...
Jubelt, ihr Engelschöre,
der Herr hat mir vergeben.

GUARDIAN
Geht und legt das Mönchskleid an, usw.

LEONORA
Jubelt, ihr Engelschöre, usw.

Sie gehen in die Kammer neben der Pforte


ZEHNTE SZENE
Das grosse Kirchentor öffnet sich. Im Hintergrund der erleuchtete Hochaltar. Orgelmusik

Nr. 16 - Finale des Zweiten Aktes

Von beiden Seiten des Chores treten die Mönche in zwei langen Reihen, mit brennenden Kerzen, nach vorn. Bald darauf erscheint Pater Guardian, hinter ihm Leonora im Mönchsgewand; er führt sie nach draussen vor die Kirche: die Mönche stellen sich ringsum auf. Leonora kniet vor Pater Guardian nieder

GUARDIAN
legt ihr feierlich die Hände auf
Der geheiligte Name Gottes des Herrn,
er sei gelobt.

MELITONE, MÖNCHE
Er sei gelobt.

GUARDIAN
Ein Mensch kommt, die Sünde zu büssen,
in diesen Felsen sucht er Zuflucht.
Die geweihte Klause öffnen wir ihm.
Kennt ihr den Ort?

MELITONE, MÖNCHE
Wir kennen ihn.

GUARDIAN
Diesem heiligen Asyl darf ungestraft
niemand sich nähern.

MELITONE, MÖNCHE
Wir gehorchen.

GUARDIAN
Wer diesen Bezirk der Demut betritt,
bricht ein Gebot.

MELITONE, MÖNCHE
Wir werden ihn nicht betreten.

GUARDIAN
Wer das Verbot zu übertreten wagt
oder versucht, Namen und Geheimnis
dieses Menschen zu entdecken, er sei verflucht!

GUARDIAN, MELITONE, MÖNCHE
Er sei verflucht! Er sei verflucht!
Des Himmels Blitze sollen den ruchlosen Sterblichen
erschlagen und verbrennen, der solches wagt;
alle Elemente sollen über ihn hereinbrechen,
der Wind wehe seine sündige Asche hinweg.

GUARDIAN
zu Leonora
Erhebt Euch und geht. Keine Menschenseele
werdet Ihr je wiedersehen. Eine Glocke bei der Klause
soll uns warnen, wenn Euch Gefahr droht
oder wenn Eure letzte Stunde gekommen ist.
Dann werden wir herbeieilen,
um Euch die Seele zu erleichtern,
bevor sie zu Gott zurückkehrt.

GUARDIAN, MELITONE, MÖNCHE, LEONORA
Die Jungfrau von den Engeln
bedecke Euch (mich) mit ihrem Mantel,
und der heilige Engel Gottes
schütze und bewahre Euch (mich).

Leonora geht allein der Einsiedelei zu. Pater Guardian hebt die Hände und segnet sie

DRITTER AUFZUG
Italien, Gegend bei Velletri

ERSTE SZENE
Ein Wald. Tiefe Nacht

Nr. 17 - Szene und Romanze

Don Alvaro in der Uniform eines Hauptmanns der spanischen Grenadiere. Rechts im Hintergrund hört man Stimmen

SOLDATEN
im Hintergrund
Passt auf beim Spiel...

ERSTER SOLDAT
Ein As auf der Rechten.

ZWEITER SOLDAT
Ich habe gewonnen.

SOLDATEN
Passt auf beim Spiel ...

ERSTER SOLDAT
Eine Drei auf der Rechten...

ZWEITER SOLDAT
Fünf auf der Linken.

ERSTER SOLDAT
Ich habe verloren.

SOLDATEN
Passt auf, passt auf.

ALVARO
Das Leben ist dem Unglücklichen eine Hölle!
Vergeblich suche ich den Tod! Sevilla! Leonora!
Ach, Erinnerung! O Nacht,
die du mein Alles mir raubtest!
ich bin verurteilt, in Ewigkeit zu leiden.
Mein Vater wollte das Joch der Fremdherrschaft sprengen,
das sein Heimatland niederdrückte,
und als er der Letzten der Inkas sich vermählte,
glaubte er auch, deren Krone zu gewinnen.
Vergeblicher Versuch!
In einem Kerker wurde ich geboren;
mich erzog die Wildnis; ich lebe nur,
weil niemand meine königliche Herkunft kennt!
Meine Eltern träumten von einem Thron,
und sie erweckte das Beil des Henkers!
Wann wird mein Unglück ein Erde finden?

Die du emporstiegst zu den Engeln,
rein auf ewig,
schön und unberührt
vom Hauch des Todes,
vergiss nicht,
den Blick auf mich Elenden zu lenken,
der ich ohne Namen und Heimat,
entzweit mit dem Geschick,
nichts anderes ersehne in meinem Leid,
als den Tod zu finden.
Meine Leonora, hilf mir,
habe Mitleid mit meiner Qual.

Nr. 18 - Szene und Duettino

CARLOS
im Hintergrund
Falsches Spiel!

STIMMEN
im Hintergrund
Er muss sterben...

ALVARO
Was soll das Schreien!

CARLOS
Hilfe...

ALVARO
Ich helfe!

STIMMEN
Er muss sterben!

Don Alvaro läuft in die Richtung, aus der die Schreie kommen. Man hört Degengeklirr; einige Offiziere laufen in ungeordneter Flucht vorbei


ZWEITE SZENE
Don Alvaro kommt mit Don Carlos zurück

ALVARO
Ihr flieht! Seid Ihr verwundet?

CARLOS
Nein. Ich verdanke Euch mein Leben.

ALVARO
Wer bedrohte Euch?

CARLOS
Mörder.

ALVARO
So nahe am Lager?

CARLOS
Ich will offen reden:
es war ein Streit beim Spiel…

ALVARO
Ich verstehe, dort drüben rechts?

CARLOS
Ja.

ALVARO
Aber wie konntet Ihr,
ein Edelmann,
Euch mit solchen Spielern einlassen?

CARLOS
Ich bin neu.
Ich kam erst gestern mit Befehlen des Generals
hierher. Ohne Euch wäre ich jetzt tot.
Sagt mir, wem verdanke ich mein Leben?

ALVARO
Dem Zufall ...

CARLOS
Zuerst stelle ich mich vor
(er muss nicht meinen wahren Namen wissen):
Don Felice de Bornos,
Adjutant des Herzogs...

ALVARO
Ich bin Don Federico Herreros,
Hauptmann der Grenadiere.

CARLOS
Der Stolz der Armee!

ALVARO
Mein Herr...

CARLOS
Ich begehre Eure Freundschaft,
ich wünsche und erhoffe sie.

ALVARO
Und ich werde auf die Eure stolz sein.

Sie reichen sich die Hände

ALVARO, CARLOS
Als Freunde im Leben, im Tod
wird die Welt uns sehen.
Vereint im Leben und im Tod
wird sie uns finden.

Nr. 19 - Szene und Schlacht

SOLDATEN
im Hintergrund
Zu den Waffen!

ALVARO, CARLOS
Vorwärts! Zu den Waffen!

CARLOS
Mit Euch eile ich zum Feld der Ehre,
Eurem Beispiel will ich nacheifern.

ALVARO
Ich werde Zeuge Eurer Tapferkeit sein
und deren Beweise bewundern.

SOLDATEN
Zu den Waffen!

ALVARO, CARLOS
Zu den Waffen!
Sie laufen nach links


VERWANDLUNG

DRITTE SZENE
Es ist Morgen. Salon in der Wohnung eines höheren Offiziers der spanischen Armee in Italien, nicht weit von Velletri. Die hintere Wand hat zwei Türen: die linke führt in ein Schlafzimmer die andere ist der Haupteingang. In der linken Seitenwand, nahe dem Proszenium ein Fenster

Ein Militärarzt und einige Ordonnanzen kommen durch den Haupteingang herein und eilen zum Fenster.

ORDONNANZEN
Die Schlacht tobt!

CHIRURG
blickt durch das Fernrohr
Tüchtig, diese Grenadiere!

ORDONNANZEN
Sie werden von Herreros geführt...

CHIRURG
blickt durch das Fernrohr
Himmel! Verwundet!
Er ist gefallen! Sie weichen zurück!
Der Adjutant sammelt sie wieder, er führt sie zum Angriff!
Die Feinde sind schon auf der Flucht. Wir haben gewonnen!

SOLDATEN
Ein Hoch auf Spanien!
Es lebe Italien!
Sieg'.

CHIRURG
Sie bringen den Hauptmann her, er ist verwundet.


VIERTE SZENE

Nr. 20 - Szene und Duettino

Der verwundete Alvaro wird, ohnmächtig auf einer Trage liegend, von vier Grenadieren hereingebracht. Neben ihm der Chirurg und Don Carlos, staubbedeckt und sehr bedrückt. Ein Soldat stellt eine Tasche auf einen Tisch

CARLOS
Vorsicht… stellt ihn hierher… macht mein Bett für ihn fertig.

CHIRURG
Leise ...

CARLOS
Ist es ernst?

CHIRURG
Die Kugel in der Brust macht mir Sorge.

CARLOS
Ihr müsst ihn retten.

ALVARO
kommt zu sich
Wo bin ich`

CARLOS
Bei Eurem Freund.

ALVARO
Lasst mich sterben.

CARLOS
Unsere Fürsorge wird Euch retten.
Als Auszeichnung erhaltet Ihr den Orden von Calatrava.

ALVARO
zuckt zusammen
Von Calatrava! Nein, niemals...

CARLOS
(Wie! Er erschrak beim Namen Calatrava!)

ALVARO
Mein Freund...

CHIRURG
Wenn Ihr sprecht...

ALVARO
Nur ein Wort...

CARLOS
zum Chirurgen
Bitte, verlasst uns.

Der Chirurg zieht sich zurück

ALVARO
bedeutet Carlos, näherzukommen
In dieser ernsten Stunde müsst Ihr schwören,
mir ein Gelübde zu erfüllen.

CARLOS
Ich schwöre es.

ALVARO
Sucht auf meinem Herzen...

CARLOS
sucht und.findet einen Schlüssel
Ein Schlüssel!

ALVARO
zeigt auf die Tasche
Damit öffnet, und holt
ein geheimes versiegeltes Päckchen heraus...
ich vertraue es Eurer Ehre an ...
es enthält ein Geheimnis, das mit mir sterben soll.
Verbrennt es, wenn ich tot bin...

CARLOS
Ich schwöre, es wird geschehen.

ALVARO
Jetzt sterbe ich ruhig. Ich drücke Euch an mein Herz.

CARLOS
umarmt ihn tiefbewegt
Mein Freund, vertraut auf Gott. Lebt wohl.

ALVARO
Lebt wohl.

Der Chirurg und die Ordonnanzen tragen den Verwundeten in das Schlafzimmer


FÜNFTE SZENE

Nr. 21 - Szene und Arie

CARLOS
Sterben! Es ist furchtbar!
So mutig, so tapfer,
und er soll sterben! Ein ungewöhnlicher Mann!
Er erschrak, als er den Namen Calatrava hörte!
Vielleicht ist ihm die Schande nicht verborgen? Himmel!
Welcher Gedanke! Wenn er der Verführer wäre?
Er in meiner Hand… und lebend!
Wenn ich mich irrte?
Dieser Schlüssel soll Klarheit schaffen!

Er öffnet mit nervösem Zittern die Tasche und holt ein versiegeltes Päckchen heraus
Da sind die Papiere!
will das Päckchen öffnen
Was tue ich!
hält inne
Und der Eid, den ich schwur? Und das Leben,
das ich seiner Tapferkeit danke?
Doch auch ich habe ihn gerettet!
Wenn er dieser verfluchte Indianer ist,
der mein Blut schändete!
entschlossen
Ich breche das Siegel,
will es tun
niemand sieht es
hält inne
Nein? Aber ich sehe mich selbst.
Er wirft das Päckchen fort und entfernt sich schaudernd

Verhängnisvolle Urne, die mein Schicksal enthält,
fort, hinweg von mir, du versuchst mich umsonst.
Unsre Ehre reinzuwaschen, kam ich hierher,
und ich werde sie nicht töricht mit neuer Schande beflecken.
Ein Eid ist heilig für einen Mann von Ehre.
Diese Papiere sollen ihr Geheimnis bewahren...
der böse Gedanke vergehe,
der mich zu unwürdiger Tat antrieb.

Und wenn ich andere Beweise finden könnte?
Ich will nachsehen.
Er kommt zurück, durchsucht die Tasche und findet ein Futteral
Hier ist ein Bild.
es prüfend
Es hat kein Siegel… er sagte nichts davon…
ich habe nichts versprochen… ich darf es öffnen…
Himmel! Leonora!
aufgeregt
Der Verwundete ist Don Alvaro!
Jetzt muss er leben,
um dann von meiner Hand zu sterben.

CHIRURG
erscheint freudig in der Zimmertür
Gute Nachricht: er ist gerettet.
kehrt in das Zimmer zurück

CARLOS
Er ist gerettet! O Freude!
Ah! Er ist gerettet' O unermessliche Freude,
ich fühle, wie du mir das Herz erfüllst!
Endlich kann ich die Untat
an dem Ruchlosen rächen.
Leonora, wo versteckst du dich?
Sag: bist du dem Mann unter die Fahnen gefolgt,
der mit dem Blut deines Vaters
dir die Schamröte ins Gesicht trieb?
Ah, mein Glück wäre vollkommen,
wenn mein Schwert
alle beide auf einen Streich
dem Fürsten der Hölle weihen könnte!
Er ist gerettet! usw.
Er stürzt nach rechts davon


SECHSTE SZENE
Biwak in der Nähe von Velletri. Vorne links der Stand eines Trödlers. Die Sonne geht auf

Nr. 22 - Chor und Lieder

Mit Trommelwirbel und Trompetensignalen wird der Weckruf gegeben. Nach und nach belebt sich die Szene. Spanische und italienische Soldaten aller Ränge kommen aus den Zelten hervor und richten ihre Gewehre, Säbel, Uniformen usw. her. Junge Rekruten spielen Würfel auf den Trommeln. Marketenderinnen verkaufen Liköre, Obst, Brot usw. Preziosilla wahrsagt vom Dach einer Bude herab. Die Szene ist äusserst lebendig

MARKETENDERINNEN, SOLDATEN
Wenn es auch scheint, dass Pfeifen und Trommeln
die Welt betäuben,
sind wir doch froh, dass der Krieg
dem Soldaten Freude und Leben bringt.

ANDERE SOLDATEN
kommen plötzlich aus den Zelten und eilen .frohgestimmt zu den anderen hinüber
Buntes, bewegtes Leben,
wo das Morgen und das Gestern nichts gelten
für den, der all seine Gedanke
lieber ganz auf das Heute richtet.

MARKETENDERINNEN, SOLDATEN
Wenn es auch scheint, dass Pfeifen, usw.

PREZIOSILLA
zu den Frauen
Kommt zur Wahrsagerin,
sie kommt von weither
und kann euch die dunkle
Zukunft enthüllen.
zu den Soldaten
Kommt schnell heran,
zeigt ihr die Hand,
und ihr werdet erfahren, ob eure Liebsten
euch treu geblieben sind.
Ah!

MARKETENDERINNEN
Geht zur Wahrsagerin,
zeigt ihr die Hand.
und ihr werdet erfahren, ob eure Schönen
euch treu geblieben sind.

SOLDATEN
Gehen wir zur Wahrsagerin,
zeigen wir ihr die Hand,
und wir können hören, ob unsere Schönen
uns treu geblieben sind.

PREZIOSILLA
Wer das Paradies will,
der entflamme seinen Mut
und rüste zum Sieg
über den barbarischen Eindringling.
Herbei, herbei, herbei,
ich weide euch weissagen,
welchen Ruhm ihr
in der Schlacht ernten werdet.
Ah!

MRKETENDERINNEN
Herbei, herbei. herbei,
sie wird euch weissagen,
welchen Ruhm ihr
in der Schlacht ernten werdet.

SOLDATEN
Herbei, herbei, herbei,
sie wird uns weissagen,
welchen Ruhm wir
in der Schlacht ernten werden.

PREZIOSILLA
Herbei!

Nr. 23 - Szene und Arietta

SOLDATEN
Hierher, Marketenderinnen, einen Schluck!

Die Marketenderinnen giessen ihnen ein

ERSTER SOLDAT
Auf unsere Gesundheit!

ALLE
trinken
Zum Wohl!

ZWEITER SOLDAT
Auf die Verbündeten Spanien und Italien!

ALLE
Sie sollen leben!

PREZIOSILLA
Auf unseren Helden
Don Federico Herreros.

ALLE
Er lebe! Er lebe!

DRITTER SOLDAT
Und auf seinen edlen Freund
Don Felice de Bornos.

ALLE
Er lebe! Er lebe!


SIEBENTE SZENE
Die Aufmerksamkeit wendet sich dem Händler Trabuco zu, der aus einer der Verkaufsbuden links hervorkommt und auf einem Bauchladen minderwertigen Trödel anbietet

TRABUCO
Preisgünstige Gelegenheiten für Interessenten
von Scheren, Nadeln, feinster Seife.
Man sammelt sich um ihn.
Ich verkaufe und kaufe jedes Objekt,
ich erledige prompt jede Art von Geschäft.

ZWEITER SOLDAT
Ich habe hier Schmuck, wieviel gibst du mir?
zeigt ihn vor

DRITTER SOLDAT
Siehst du diese Halskette? Ich kann sie dir verkaufen.
zeigt sie vor

ERSTER SOLDAT
Bezahlst du mir diese Ohrringe?
zeigt sie vor

SOLDATEN
halten Uhren, Ringe usw. hin
Wir wollen verkaufen...

TRABUCO
Aber soweit ich sehe,
ist das alles Plunder, billiger Plunder.

SOLDATEN
Jetzt zeigst du dein wahres Gesicht, du Lump.

TRABUCO
Wir werden uns schon einig.
Für jedes Stück gebe ich dreissig Soldi.

SOLDATEN
wild durcheinander
Du bist ein Gauner!

TRABUCO
Pfui, warum so aufgebracht!
Wir verstehen uns doch,
ich lege noch ein paar Soldi drauf.
Nun gebt schon her.

SOLDATEN
Nur wenn sofort
in klingender Münze bezahlt wird.

TRABUCO
Erst die Ware… hier… auf gütliche Weise.

SOLDATEN
geben ihm die Gegenstände
Nimm.

TRABUCO
Nimm du.
nimmt die Sachen an sich und zahlt

ANDERE SOLDATEN
Nimm.

TRABUCO
Nimm du, nimm du. Sehr gut!

SOLDATEN
Nimm, nimm,
jagen ihn fort
Ja, ja, aber mach, dass du wegkommst.

TRABUCO
(Ein gutes Geschäft!)
Er wendet sich einem anderen Teil des Lagers zu
Preisgünstige Gelegenheiten für Interessenten...


ACHTE SZENE

Nr. 24 - Chor

Bettelnde Bauern mit Kindern an der Hand treten auf

BAUERN
Brot, Brot, um Gottes willen!
Der Krieg hat unsere Häuser und Felder
verwüstet und uns ausgehungert!
Wir suchen Brot, um Christi Barmherzigkeit willen!


NEUNTE SZENE
Einige weinende Rekruten kommen unter Eskorte vorbei

REKRUTEN
Mit roher Gewalt wurden wir gezwungen,
unsere armen Mütter in ihrem Leid allein zu lassen.
Dem Glück der Liebe wurden wir entrissen,
wir wollen zurück nach Hause.

MARKETENDERINNEN
gehen.fröhlich zu den Rekruten und bieten ihnen zu trinken anJunge Leute, weint nicht
um eure Mütter und eure Schönen;
wir werden euch wie Schwestern lieben,
wir werden euch zu trösten wissen.
Wir sind bestimmt keine Teufelinnen;
trocknet eure Tränen,
glaubt nur, es ist nutzlos,
jetzt an die Vergangenheit zu denken.

PREZIOSILLA
tritt unter die Rekruten, nimmt einige beim Arm
Schämt euch! Auf, Kopf hoch!
Ihr Muttersöhnchen, seid ihr verrückt geworden?
Wenn ihr weint wie die Kinder,
macht ihr euch lächerlich.
Werft doch einmal einen Blick in die Runde,
und ich wette, ich werde recht behalten:
da ist mehr als ein süsses Gesicht,
das euch zu trösten wissen wird.

MARKETENDERINNEN
Wir werden euch wie Schwestern lieben, usw.

PREZIOSILLA
Schämt euch! usw.


ZEHNTE SZENE

Nr. 25 - Chor und Tarantella

Die Marketenderinnen nehmen die Rekruten ungezwungen beim Arm, und es beginnt ein äusserst lebhafter allgemeiner Tanz. Trubel und Lärm gelangen schnell auf den Höhepunkt

PREZIOSILLA, MARKETENDERINNEN, REKRUTEN, SOLDATEN
Im Krieg muss der Übermut
das Lager aufheitern,
hoch, hoch lebe die Ausgelassenheit,
die hier allein regieren darf!
Hoch, hoch lebe die Ausgelassenheit!

Nr. 26 - Predigt

Bruder Melitone tritt auf, der, in den Wirbel des Tanzes hineingezogen, eine Weile gezwungen ist, mit den Marketenderinnen zu tanzen

MELITONE
es gelingt ihm auszubrechen
Oh, oh! Die Welt ist ein Tollhaus! Sind das Zeiten!
Das geht ja hoch her! ... Ich bin auch dabei!...
Ich komme aus Spanien, um Wunden zu heilen
und für das Heil der Seelen zu sorgen.
Was muss ich sehen!
Ist dies ein Lager von Christen, oder seid ihr Türken?
Wo hat man erlebt, dass der heilige Sonntag so verspottet wurde? ...
Ihr kümmert euch weit mehr um den Krug als um den Krieg!
Und statt in Sack und Asche zu büssen,
liegt ihr Venus und Bacchus zu Füssen!
Die ganze Welt ist ein Klagehaus; alle Klöster sind ausgenommene Nester!
Die Bistümer sind verwandelt in Wüsttümer;
die Abteien und die Stifter sind nun Raubteien und Diebesklüfter.
Alles geht drunter und drüber... und der Grund?
Pro peccata vestra, wegen eurer Sünden.

ITALIENISCHE SOLDATEN
Ach, Bruder, Bruder!

MELITONE
Ihr tretet die Feiertage mit Füssen,
ihr plündert, ihr lästert Gott...

ITALIENISCHE SOLDATEN
Du Sünder in der Mönchskutte!

SPANISCHE SOLDATEN
Mach nur weiter, Mönchlein.

MELITONE
Wie die Glieder, so auch das Haupt...
weiss doch niemand, an wen der glaubt.
Alle, alle steckt ihr im Pfuhl der Sünde,
euer Treiben macht die Welt zum Freudenhaus,
doch treibt ihr damit den Frieden hinaus.
Bei solchen Freuden ist kein Frieden...

ITALIENISCHE SOLDATEN
bedrängen ihn von allen Seiten
Zeigt es ihm, zeigt es ihm ...

SPANISCHE SOLDATEN
nehmen ihn in Schutz
Lauf weg, lauf weg...

Die italienischen Soldaten wollen Bruder Melitone verprügeln, aber er entwischt ihnen unter fortwährendem Predigen

Nr. 27 - Rataplan

PREZIOSILLA
zu den Soldaten, die hinter Melitone herlaufen
Lasst ihn doch laufen...
Sich mit einem Kapuziner anzulegen! Diese Helden!
Hören sie mich nicht?
Dann muss die Trommel ihm zu Hilfe kommen.
Sie nimmt eine Trommel und schlägt sie; eine kleinere Trommel antwortet. Die Soldaten eilen sofort herbei und umringen sie, und bald ist die ganze Menge versammelt
Rataplan, rataplan, rataplan.

MARKETENDERINNEN, SOLDATEN, REKRUTEN
noch im Hintergrund
Rataplan, rataplan, rataplan
Alle kommen nach vorn gelaufen
Rataplan, plan, plan, plan, plan.
Rataplan, plan, pim, pum, pum.

PREZIOSILLA
Rataplan, rataplan, das entfacht
den Kampfgeist des Soldaten,
rataplan, rataplan, dieser Klang
ist das Vorzeichen des Sieges!

Rataplan, rataplan, jetzt sammeln sich
die Scharen und werden in den Kampf geführt!
Rataplan, rataplan, schon sinken
die Fahnen des Feindes!

Rataplan, plan, pim, pum, pum. Setzt jedem nach,
der den Rücken zur Flucht wandte...
Die ehrenhaften Wunden
hat das Schicksal mit Triumph gekrönt.

Rataplan, rataplan, der Sieg
lacht den tapferen Söhnen des Vaterlandes.
Rataplan, rataplan, der Sieg
lässt den Soldaten jedes Herz erobern.

Alle tun, als feuerten sie mit dem Gewehr, und laufen auseinander


ELFTE SZENE

Nr. 28 - Szene und Duett

Don Alvaro und Don Carlos treten in angeregter Unterhaltung nach vorne

ALVARO
Wie kann ich Euch all die Fürsorge vergelten?

CARLOS
Seid Ihr wieder ganz genesen?

ALVARO
Ja.

CARLOS
Seid Ihr bei Kräften?

ALVARO
Wie früher.

CARLOS
Würdet Ihr ein Duell austragen?

ALVARO
Mit wem?

CARLOS
Habt Ihr keine Feinde?

ALVARO
Jeder hat welche... aber
ich verstehe nicht ganz...

CARLOS
Nein? So hat der Indianer Don Alvaro
Euch keine Nachricht geschickt?

ALVARO
Verrat!
Betrüger! Ihr habt also das Geheimnis verletzt?

CARLOS
Der Umschlag blieb unberührt, das Bild hat alles verraten;
macht Euch gefasst, ich bin Don Carlos di Vargas.

ALVARO
Ich habe keine Angst vor solch frechen Drohungen.

CARLOS
Gehen wir sofort, einer muss sterben ...

ALVARO
Ich verachte den Tod, aber es schmerzt mich,
gegen den Mann zu kämpfen,
der mir als erster Freundschaft anbot.

CARLOS
Nein, nein, dieses Wort darf nicht entwürdigt werden.

ALVARO
Nicht ich, das Schicksal war es, das Euren Vater tötete;
ich habe ihn nicht verführt, diesen Engel der Liebe.
Beide sehen uns, und vom Paradies herab
sprechen sie zu Eurem Herzen, dass ich schuldlos bin.

CARLOS
Aber was geschah mit ihr?

ALVARO
In jener verhängnisvollen Nacht
fiel ich, von zweifacher tödlicher Wunde getroffen;
ich genas, und ein Jahr lang suchte ich ihre Spur.
Ach, ich erfuhr, dass Leonora tot ist.

CARLOS
Lüge! Lüge! Vergeblich sucht ihr,
den Zorn meines Herzens zu beruhigen.
O Vater, aus dem Himmel höre ich deinen Aufschrei:
»Rache, Rache! Die Ehre verlangt danach!«
Eine alte Verwandte nahm die Schwester bei sich auf;
ich kam dorthin, jedoch zu spät...

ALVARO
Und sie?

CARLOS
War geflohen.

ALVARO
Sie lebt! Grosser Gott, sie lebt!

CARLOS
Ja, sie lebt.

ALVARO
Don Carlos, Freund, die Erregung,
die mich in allen Fasern erschüttert,
muss Euch beweisen, dass diese Seele
nicht unedel sein kann.
Dieser Engel lebt, grosser Gott! Er lebt!

CARLOS
Aber bald wird sie sterben.
Sie lebt, aber bald wird sie sterben.

ALVARO
Nein, die Hoffnung auf Hochzeit
soll auch das Band um uns fester schlingen;
wenn sie lebt, wollen wir gemeinsam
herausfinden, wohin sie floh.

CARLOS
Narr!

ALVARO
Ich schwöre, dass edle Herkunft
mich Euch gleichstellt
und dass mein Wappen leuchtet
wie das Licht des Tages.
Wenn sie lebt, wollen wir gemeinsam
herausfinden, wohin sie floh.

CARLOS
Narr! Zwischen uns öffnet sich
ein blutbesudeltes Grab.
Wie kann ich Bruder nennen
den, der mir alles raubte?
Ob edler oder niederer Herkunft,
ich muss Euch töten
und nach Euch die Unwürdige,
die ihr Blut verriet.

ALVARO
Was sagt Ihr?

CARLOS
Sie wird sterben.

ALVARO
Schweigt.

CARLOS
Ich schwöre zu Gott, die Ruchlose wird sterben.

ALVARO
Vorher fallt Ihr im tödlichen Streit.

CARLOS
Tod! Solange ich nicht falle,
werde ich Leonora erreichen.
Von Eurem Blut noch gerötet,
wird diese Klinge sie durchbohren.

ALVARO
Tod, ja! Mit meinern Schwert
töte ich einen Mörder!
Eure Gedanken richtet auf Gott,
Eure letzte Stunde hat nun geschlagen.

CARLOS
Von Eurem Blut noch gerötet, usw.

ALVARO
Tod! Tod! Tod!
Jetzt richtet Eure Gedanken auf Gott.

ALVARO, CARLOS
Vorwärts, dem Tod entgegen, dem Tod!

Sie ziehen die Degen und fechten wutentbrannt


ZWÖLFTE SZENE

Nr. 29 - Szene und Arie

Man hört einige Schläge, und Don Alvaro kehrt in tiefer Beklemmung alleine zurück

ALVARO
Welches Blut habe ich vergossen! Entsetzlich!
Eine eiserne Faust umklammert mein Herz!
Ich habe ihn getötet und ich liebte ihn!
Welch grausamer Schlag erwartet dich, Leonora!
Ein Meer von Blut
trennt uns jetzt für immer!
Er war mir wie ein Bruder, ach! Ich habe ihn getötet!
Wehe mir, der Engel Gottes mit dem Flammenschwert
folgt mir, bedrängt mich, wirft mich nieder.
Wie Kain bin ich verflucht auf Erden.
Erbarme dich mein, vergib, vergib, mein Gott,
schenk deine Gnade solcher Verfehlung.

GRENADIERE
hinter der Bühne
Zu den Waffen! Die Deutschen kommen.
Einige Grenadiere kommen von links gelaufen.
Das königliche Zelt brennt. Kommt, Hauptmann,
Sieg oder Tod.
Sie laufen nach rechts ab

ALVARO
Ich eile dem Tod entgegen,
und sollte das Schicksal mich
noch immer zum Leiden verurteilen,
so schwöre ich beim ewigen Gott zu sterben.
Ich stelle mich dem Tod,
das Schicksal sei erfüllt.
Vorwärts, vorwärts!

Er folgt den Grenadieren

VIERTER AUFZUG
In der Nähe von Hornachuelos

ERSTE SZENE
Das Innere des Klosters »Heilige Jungfrau von den Engeln«. Ein halb verfallener Säulengang umschliesst einen kleinen Hof Links vom Zuschauer ist eine Tür, die auf den draussen vorbeiführenden Weg geht. Rechts eine weitere Tür, darüber die Inschrift »Klausur«.

Nr. 30 - Chor und Buffo-Arie

Pater Guardian geht mit schweren Schritten auf und ob und liest das Brevier. Von links kommen Bettler .jeden Alters und beiderlei Geschlechts herein, mit plumpen Näpfen, Töpfen oder Tellern in der Hand

BETTLER
Seid barmherzig,
seit einer Stunde warten wir!
Wir müssen gehen,
seid barmherzig.


ZWEITE SZENE
Von rechts kommt Melitone, vor dem Bauch eine grosse weisse Schürze, und trägt, mit einem Laienbruder, einen grossen Kessel herein, den sie in der Mitte des Hofes absetzen: der Laienbruder verschwindet

MELITONE
Was? Seid ihr im Wirtshaus? Langsam
Er fängt an, mit einer Kelle die Suppe auszuteilen.

BETTLER
sich gegenseitig stossend
Hier, gib mir schnell.

MELITONE
Langsam, langsam.

EINIGE BETTLER
Wieviel Portionen kriegen die?

ANDERE
Alle wollen ihren Teil.

BETTLER
Maria hatte schon dreimal!

EINE BETTLERIN
zu Bruder Melitone
Vier Portionen für mich...

BETTLER
Vier für sie!

EINE BETTLERIN
Ja, weil ich sechs kleine Kinder habe...

MELITONE
Warum ausgerechnet sechs?

EINE BETTLERIN
Gott hat sie mir geschickt...

MELITONE
Ja, immer Gott, Gott!
Ihr hättet sie nicht, wenn ihr euch, wie ich,
den Rücken geisseln würdet
mit harter Disziplin
und häufiger die ganze Nacht
mit Rosenkranz- und Miserere-Beten zubringen würdet!

GUARDIAN
Bruder!

MELITONE
Aber diese Bettler
sind wirklich
von furchterregender Fruchtbarkeit.

GUARDIAN
Habt doch ein Herz.

EIN BETTLER
Gebt uns noch etwas
vom Bodensatz.

MELITONE
Diese Gottesgabe nennt ihr Bodensatz,
ihr Schurken?

BETTLER
halten ihre Näpfe hin
Für mich. Pater, für mich…

MELITONE
Ach, geht doch zum Teufel,
oder ich schlage euch sofort
den Kessel über den Kopf'!
Mir reisst die Geduld!

GUARDIAN
Habt ein Herz.

BETTLERINNEN
Mehr Herz
hatte der Pater Raphael!

MELITONE
Ja, ja, aber nach acht Tagen,
als er genug hatte
von den Armen und der Suppe,
blieb er in seiner Zelle
und lud die Bürde
auf den Rücken Melitones ab...
Und jetzt soll ich an solche Kanaillen
meine Gutmütigkeit verschwenden?

GUARDIAN
Die Armen haben sehr zu leiden ...
Barmherzigkeit ist eine Pflicht.

MELITONE
Ein Herz für solches Gesindel,
die das als Beruf ausüben?
Die glücklich wären, mit ihren Fäusten
einen Kirchturm zu zertrümmern?
Die die Gabe Gottes als Bodensatz bezeichnen?
Schurken!

BETTLER
Oh, der Pater Raphael!
Der war ein Engel! Ein Heiliger!

MELITONE
Macht mich nicht verrückt.
Er verteilt schnell den Rest
Hier habt ihr euren Rest, nehmt euch,
ich will kein Wort mehr hören.
versetzt dem Kessel einen Tritt
Raus hier, lasst mich in Ruhe, ja, raus, fort, hinaus!
Bettler, schlimmer als Lazarus,
Schmeissfliegen…
Raus, raus, ihr Schurken, zum Teufel mit euch,
macht, dass ihr rauskommt.
Er vertreibt sie, indem er mit der Schürze auf sie einschlägt

BETTLER
Oh, der Pater Raphael! usw


DRITTE SZENE

Nr. 31 - Szene und Duett

MELITONE
trocknet sich den Schweiss mit einem Taschentutch, das er aus einem Ärmel hervorgeholt hat
Uff! Es gibt keine Geduld, die da ausreichte!.

GUARDIAN
Allzu viel hat Euch der Herr nicht geschenkt.
Mildtätig sein heisst, eine Pflicht erfüllen,
deren ein Engel sich rühmen dürfte...

MELITONE
nimmt eine Prise Schnupftabak
Der auf meinem Posten
nach drei Tagen dabei enden würde,
statt der Suppe Ohrfeigen auszuteilen ...

GUARDIAN
Schweigt, seid demütig, Melitone, und nicht eifersüchtig,
wenn Ihr seht, dass Raphael bevorzugt wird.

MELITONE
Ich? Nein, ich bin sein Freund, aber er macht gewisse Bewegungen…
Er redet mit sich selbst, manchmal ist etwas in seinem Blick…

GUARDIAN
Das liegt am Beten, am Fasten...

MELITONE
Gestern bei der Arbeit im Garten
war er so geistesabwesend,
dass ich, um ihn zu necken, sagte:
Pater, Ihr seht aus wie ein Mulatte...
Er starrte mich wild an, ballte die Faust und...

GUARDIAN
Nun?

MELITONE
Als der Blitz im Kirchturm einschlug
und er in das Unwetter hinausging,
schrie ich ihm nach:
»Ihr kommt mir vor wie ein wilder Indianer!«
Er stiess ein Geheul aus,
dass ich zu Eis erstarrte.

GUARDIAN
Und was hat er gesagt?

MELITONE
Nichts, aber ich sehe ihn an und denke bei mir,
Ihr habt einmal erzählt, dass der Teufel
hier eine Zeitlang in Mönchskleidern…
Vielleicht ist Pater Raphael ein Verwandter von ihm?

GUARDIAN
Eine kühne Vermutung, es stimmt, was ich sagte.
Aber es war der damalige Prior,
dem sich dies offenbarte, nicht ich.

MELITONE
Das ist wahr! Aber der Pater ist sehr merkwürdig!
Ich frage mich, warum?

GUARDIAN
Die Enttäuschungen der Welt,
die ausdauernde Busse,
das Wachen, die Enthaltsamkeit
haben diese Seele erschüttert.

MELITONE
Die Enttäuschungen werden es schon gewesen sein,
die ausdauernde Busse,
das Wachen, die Enthaltsamkeit,
die ihm den Kopf verdreht haben!


VIERTE SZENE

Nr. 32 - Szene

Die Glocke an der Pforte wird heftig geläutet

GUARDIAN
zu Melitone
Da ist jemand, öffnet...
geht ab

CARLOS
in einen grossen Mantel gehüllt, tritt ohne Umschweife ein
Seid Ihr der Pförtner?

MELITONE
(Der ist schwer von Begriff!)
Wahrscheinlich, wenn ich Euch geöffnet habe...

CARLOS
Den Pater Raphael!

MELITONE
(Schon wieder einer!) Wir haben zwei;
einen aus Porcuna, dick, stocktaub;
der andere ist hager, dunkel, hat Augen...
(Himmel, was für Augen!)
Welchen wollt Ihr?

CARLOS
Den aus der Hölle.

MELITONE
(Das ist er!)
Und wen soll ich ihm melden'?

CARLOS
Einen Cavaliere...

MELITONE
(Diese Aufgeblasenheit! Ein unangenehmer Kerl!)


FÜNFTE SZENE

Nr. 33 - Szene und Duett

CARLOS
(Du hältst mich für tot, Alvaro, doch ich lebe noch,
und die Ehre verlangt nach Rache.)

ALVARO
Bruder ...

CARLOS
Sieh mich an.

ALVARO
Don Carlos! Ihr lebt!

CARLOS
Seit fünf Jahren folge ich deiner Spur,
endlich habe ich dich gefunden!
Und würde ich auch
von deiner Hand fallen,
so würde Gott an meiner Stelle
die Rache doch vollenden.

Nur mit Blut
sind Schmach und Verbrechen zu löschen;
dass dich durch mich die Strafe trifft,
steht im Buch des Schicksals geschrieben.

ALVARO
Ich habe in der Welt gelebt, ich verstehe;
diese Kleidung, das Kloster
sagen Euch jetzt, dass ich meine Sünden büsse,
dass mein Herz bereit.
Lasst mich allein.

CARLOS
Weder diese Kutte
noch die Einsamkeit,
du Feigling, können dich schützen ...

ALVARO
aufbrausend
Feigling! Eine solche Behauptung...
mässigt sich
(Nein! Nein! Gott, steh mir bei!)
Eure Drohungen und wilden Beschuldigungen
soll der Wind mit sich forttragen.
Vergebt mir, habt Mitleid,
o Bruder, Mitleid, Mitleid.
Warum den so schwer beleidigen,
der nur Opfer eines Unglücks war?
Neigen wir das Haupt vor dem Geschick,
o Bruder, Mitleid, Mitleid.

CARLOS
Du missbrauchst dieses Wort.
Eine Schwester liessest du mir,
die du verraten
und der Schmach und Schande ausgeliefert hast.

ALVARO
Nein, sie wurde nicht entehrt,
ich schwöre es Euch als Priester;
auf Erden habe ich sie angebetet,
so wie man nur im Himmel einander lieben kann.
Ich liebe sie noch immer, und sollte sie mich lieben,
begehrt dieses Herz nichts mehr.

CARLOS
Mein Zorn lässt sich nicht durch lügnerisches
und erbärmliches Geschwätz besänftigen.
Greif zur Waffe und komm zum Kampf
mit mir, du Verräter!

ALVARO
Wenn meine Reue, meine Tränen noch immer nicht
für mich sprechen,
so seht, was noch nie jemand mich tun sah:
Ich werfe mich Euch zu Füssen.
Er wirft sich vor Carlos zu Boden

CARLOS
Ah! Die Schande deines Wappens
hast du jetzt mit dieser Tat bewiesen!

ALVARO
springt wütend auf
Es erstrahlt reiner als Edelstein.

CARLOS
Es ist gefärbt von Mulattenblut.

ALVARO
kann sich nicht länger zurückhalten
Das ist eine unverschämte Lüge! Einen Degen, einen Degen!
Er reisst ihm die Waffe aus der Hand
Zum Kampf!

CARLOS
will vorausgehen
Endlich!

ALVARO
gewinnt die Fassung zurück
Nein, die Hölle soll nicht triumphieren.
Geh, entferne dich!
Er wirft den Degen hin

CARLOS
Du treibst also deinen Spott mit mir!

ALVARO
Geh!

CARLOS
Wenn du jetzt immer noch keinen Mut hast, Feigling,
dich mit mir zu messen,
überantworte ich dich der Ehrlosigkeit.
Er schlägt ihm ins Gesicht

ALVARO
rasend
Ah, du hast dein Schicksal besiegelt!
rafft den Degen auf

CARLOS
Tod, uns beiden Tod!

ALVARO, CARLOS
Tod, ja Tod!
Komm, dem Tod, dem Tod entgegen, gehen wir!
Sie stürzen zur linken Tür hinaus


SZENENWECHSEL

SECHSTE SZENE
Tal zwischen unwegsamen Felsen, durch das ein Bach fliesst. Im Hintergrund links eine Klause mit praktikabler Tür, darüber eine Glocke, die von innen geläutet werden kann. Sonnenuntergang. Es wird langsam dunkel; der Mond geht strahlend auf

Nr. 34 - Melodie

Donna Leonora, bleich und verhärmt, kommt in grosser Aufregung aus der Klause

LEONORA
Frieden, Frieden, mein Gott!
kommt nach vorn
Ein grausames Unglück
zwingt mich, ach, zum Leiden;
wie an jenem Tag vor so vielen Jahren
fühle ich noch heute den tiefen Schmerz.
Frieden, Frieden, mein Gott!
Ich liebte ihn, es ist wahr! Aber Gott verlieh ihm
so viel Schönheit und Tapferkeit,
dass ich ihn noch immer liebe und sein Bild
nie aus meinem Herzen werde reissen können.
Verhängnis! Verhängnis! Ein Verbrechen
hat uns auseinandergerissen auf dieser Welt!
Alvaro, ich liebe dich,
doch droben im Himmel steht es geschrieben:
ich werde dich nie wiedersehen!
Gott, o Gott, lass mich sterben; denn Ruhe
kann nur der Tod mir geben.
Umsonst sucht meine Seele hier den Frieden,
sie war mir eine Beute heftigen Schmerzes.
Sie geht zu einem Stein, wo Pater Guardian einige Vorräte für sie niedergelegt hat
Armseliges Brot, du bist nur da,
mein trostloses Leben zu verlängern.
Doch wer kommt da?
Wer wagt es, den heiligen Ort zu entweihen?
Er soll verflucht sein!

Sie läuft zurück in die Klause und schliesst die Tür hinter sieh


SIEBENTE SZENE
Ein sturmverhangener Himmel. Es dunkelt

Nr. 35 - Szene und Finale des letzten Aktes

Auf einer felsigen Klippe werden Don Alvaro und Don Carlos mit gezogenen Schwertern sichtbar

ALVARO
Wer diesen Ort betritt, ist verflucht!
Doch heute ist der Tag der Verbrechen!
Hier wollen wir bleiben!

Sie kämpfen wild. Don Carlos wird tödlich getroffen

CARLOS
Ich sterbe! Mein Gott, ich will beichten!
Rettet meine Seele...

ALVARO
(Auch dies ist das Blut eines Vargas!)

CARLOS
Pater!
Ich will beichten!

ALVARO
Ich bin verflucht; doch in der Nähe wohnt ein Eremit.

CARLOS
Um Gottes willen, schnell.

ALVARO
Er läuft zur Höhle und schlägt an die Tür
Kommt schnell,
einem Sterbenden Trost zu spenden

LEONORA
Das kann ich nicht.

ALVARO
Bruder, im Namen des Herrn...

LEONORA
Ich kann es nicht.

ALVARO
noch stärker an die Tür schlagend
Es ist dringend.

LEONORA
die Glocke läutend
Hilfe! Hilfe!

ALVARO
So kommt doch!


ACHTE SZENE

LEONORA
aus der Tür tretend
Ihr Vermessenen, flieht den Zorn des Himmels!

ALVARO
Himmel! Eine Frau!
Welche Stimme! Leonora!

LEONORA
Grosser Gott! Don Alvaro!

LEONORA, ALVARO
So nahe also warst du mir, rnein(e) Geliebte(r)!
Diese Stunde soll in einem Augenblick die Leiden auslöschen!

CARLOS
(So waren sie zusammen!)
mit Anstrengung
Schwester?

LEONORA
Was höre ich?

CARLOS
Der Letzte deines Blutes spricht zu dir.

LEONORA
Den Carlos, ich drücke dich an mein Herz!
Leonora umarmt ihn, doch Don Carlos ersticht sie
Ah!
Sie stürzt zu Boden

CARLOS
Jetzt bin ich gerächt'!
Er stirbt

ALVARO
zu Don Carlos
Was hast du getan'? Entsetzlich!

LEONORA
Ich vergebe dir, Bruder...
zu Alvaro
Erkenne das Schicksal! Ich sterbe! ...
Ach, ich lasse dich zurück! Alvaro, ich liebe dich ...
im Himmel, im Himmel ... sehen wir uns wieder ...
Sie stirbt

ALVARO
Leonora! Endlich habe ich dich gefunden!
Ja, ja, ich habe dich gefunden: tot!


LETZTE SZENE
Der Donner rollt lauter als zuvor, und immer häufiger schlagen Blitze ein. Man hört das »Miserere« der Mönche, die, von Pater Guardian angeführt, mit brennenden Kerzen in den Händen auftreten. Alle sind erstaunt. Don Alvaro steigt auf einen Felsen

MELITONE, MÖNCHE
Miserere mei Deus... Secundum
magnam misericordiam tuam,
miserere...

GUARDIAN
Grosser Gott! Blut! Leichen!
Die Büsserin!

MELITONE, MÖNCHE
Eine Frau! Himmel!

GUARDIAN
Pater Raphael ...

ALVARO
hoch auf dem Felsen
Der Narr, er sucht den Pater Raphael...
Ein Gesandter der Hölle bin ich.

MELITONE
Das habe ich immer gesagt.

ALVARO
Öffne dich, Erde, die Hölle soll mich verschlingen,
der Himmel einstürzen,
die ganze Menschheit untergehen!
Er klettert noch höher und stürzt sich in die Schlucht

GUARDIAN, MELITONE, MÖNCHE
Entsetzen! Entsetzen!
Sie knien nieder
Erbarme dich! Erbarme dich!