Libretto: La Gioconda

from Amilcare Ponchielli


Personen:
LA GIOCONDA, Sängerin (Sopran)
LAURA ADORNO, Genueserin (Mezzosopran), vermählt mit
ALVISE BADOERO, Haupt der Staatsinquisition (Bass)
DIE BLINDE, Mutter Giocondas (Alt)
ENZO GRIMALDI, Genuesischer Fürst (Tenor)
BARNABA, Spitzel und Strassensänger (Bariton)
ZUÀNE, Schiffer (Bass)
SÄNGER (Bass)
ISÈPO, öffentlicher Schreiber (Tenor)
LOTSE (Bass)
BARNABITE (Bass)
ZWEI STIMMEN aus der Ferne (Sopran)

CHOR
Kirchendiener, Werftarbeiter, Seeleute, Senatoren, Herren und Damen,
Masken, Mönche, Volk, Ritter, Sänger



ERSTER AUFZUG

Das Löwenmaul

Hof des Dogenpalastes festlich geschmückt. Im Hintergrunde die Riesentreppe und der Eingang zur Markuskirche. Links der Tisch eines öffentlichen Schreibers. An der Mauer ein steinerner Löwenkopf mit offnem Rachen und folgender Inschrift:
DENONTIE SECRETE PER VIA
D' INQVISITIONE CONTRA CADA
VNA PERSONA CON L'IMPVNITÀ
SECRETEZA ET BENEFITII
GIVSTO ALLE LEGI

Helle Mittagsbeleuchtung. Auf dem Platze bewegen sich Seeleute, Masken, Volk. Barnaba lehnt, eine Guitarre in der Hand, beobachtend an einer Säule

ERSTE SZENE
Schiffer, Volk und Barnaba

CHOR
Schiffer und Volk
Singet, trinket! Brot und Feste!
Lasst die Mächtigen
Für das Heil des Staates sorgen,
Lässt man uns, den Armen nur
Brot und Feste.
Fröhlichkeit trägt leichter der Ketten Last,
Lässt die Sonne heller glänzen.
Trinkt und singt,
Denn frei macht uns froher Sang;
Lacht und springt!
Die Fröhlichkeit macht tapfer.
Seht es leuchtet in heitern Farben
Der Lagunen Silberspiegel,
In des klaren Mondes Scheine,
In der Sonne gold'nem Glanze.
Glockengeläut und Trompetenrufe
Zu unsrer Festeslust
Tönt die Glocke von San Marco.
Hoch der Doge, die Lagunenstadt!

BARNABA
hervortretend
Hört, Freunde, hört, Trompeten
Verkünden die Regatta!

CHOR
Auf zur Regatta!
Kommt geschwind, fort, fort!

Das Volk entfernt sich


ZWEITE SZENE

BARNABA
nach den unterirdischen Gefängnissen deutend
Ein Tanz am offnen Grabe ...
Und der Tod blickt hin nach ihnen.
Zwischen Blutgerüst und heitern Festen
Knüpft ruhig Barnaba, der Strassensänger,
Mit sichrer Hand die Netze und seine Fäden:
Es sind die Saiten der kleinen Guitarre.
Geduldig auf dem Posten, stetig horchend,
Schnell erfassend, fang ich die bösen Wespen
Nur zum Heil des Staates;
Noch nie betrog mein feines Ohr!
Könnt ich doch fangen zum eignen Wohle
Noch heute jenes reizend schöne Vöglein.



DRITTE SZENE
Gioconda, Barnaba, die Mutter

Gioconda und ihre Mutter kommen von rechts. Die Mutter ist verschleiert. Gioconda führt die Mutter an der Hand langsam nach der Kirche zu

GIOCONDA
Komm, teure Mutter!

BARNABA
bemerkt Gioconda und zieht sich zurück
Sie ist da!

GIOCONDA
Folg' mir!

BARNABA
Jetzt Achtung!

DIE MUTTER
Leitest du auch den schwankenden Schritt,
Er führt mich doch zum Grabe,
Nicht quält mich diese Finsternis
Da ich zum Schutz dich habe.
Den Menschen mag dein Sang zur Freud' erklingen,
Zu Gott soll mein Gebet empor sich schwingen.
In Demut segn' ich mein Geschick,
Zufrieden wandle ich den Lebensweg.

BARNABA
Ich will mit kecker Hand
Nach ihr, der Holden langen,
Ich will, und werde sie
In meinem Netze fangen.

GIOCONDA
Komm, folg' auf sicherm Pfade mir,
Ich werde treu dich leiten.

BARNABA
Es lodert wild in mir der Liebe Flamme,
Es reisst mich hin zu ihr.

GIOCONDA
Komm! Es soll stille Heiterkeit
Durch mich sich labend über dir verbreiten.

BARNABA
Nur Vorsicht!

GIOCONDA
Folg' mir, ich bleibe stets bei dir.

DIE MUTTER
Du Teure! Du bleibest stets bei mir.

BARNABA
zu sich selbst
Lass nicht fliehn das scheue Vöglein.

GIOCONDA
Noch kam die Stunde nicht der heilgen Vesper;
Hier ruhe auf des Domes Stufen,
Indessen werd' ich suchen ihn,
Den Heissgeliebten. Ich hole Enzo.

BARNABA
Eitler Wahn!

DIE MUTTER
zieht einen Rosenkranz hervor
Der Himmel mag dich schützen.
Lebewohl, o Tochter!

Gioconda will abgehen

BARNABA
vertritt Gioconda den Weg
Bleibe!

GIOCONDA
Wie?

BARNABA
Du kennst die Liebe,
Die mich für dich entzündet.

GIOCONDA
Verlass mich, lass des Weg's mich ziehn.
heftig
Sagte ich dir nicht schon einmal:
Dein Anblick, dein finstres Aug'
Erregt mir Grauen.
im Abgehen

BARNABA
hält sie zurück
Bleibe!
ironisch
Enzo wartet gewiss.

GIOCONDA
Geh, lass mich, Verhasster!
weicht zurück

BARNABA
ihr folgend
Du sollst, du musst mich hören.

GIOCONDA
Hinweg, Verhasster!

BARNABA
Bleibe, ich lieb' dich, du göttergleiches Wesen!

GIOCONDA
Lass mich!

BARNABA
stürzt sich auf sie
Warum entfliehst du?

GIOCONDA
Du machst mir Grauen. Ah!
sie entflieht

DIE MUTTER
erhebt sich erschreckt
Welch Schreien, o Tochter!

BARNABA
für sich
Wart', ich fange dich doch noch!

DIE MUTTER
Es war ihr Ton! Gioconda, du Stern,
Du Licht meiner Augen, bist du hier?
Sag', wo bist du?
sie tastet sich zu den Stufen zurück

BARNABA
lachend für sich
Die Blinde jammert, was kümmert
Mich ihr Schrei'n!

DIE MUTTER
Wehe mir Armen!

BARNABA
die Blinde beobachtend
Doch könnte dieses Weib,
Das wie ein Schatten umherschleicht,
Mich vielleicht zum Ziele bringen.
überlegend
Sie in meiner Gewalt, und ich habe die Tochter.
Nimmermehr kann sie ihre Fesseln dann sprengen.
So helfe mir der Mutterliebe Engel:
Gewonnen ist Gioconda,
Ich schwör's bei der Hölle!

DIE MUTTER
Ave Maria, gratia plena,
Dominus tecum ...

CHOR
Heil sei dem Sieger!



VIERTE SZENE
Barnaba, die Mutter Isèpo, Zuàne, Chor. Später Gioconda, Enzo; noch später Laura, Alvise. Das Volk trägt im Triumph den Sieger der Regatta herein. Frauen, Schiffer, Kinder. Zuàne traurig bei Seite

CHOR
den Sieger umringend
Kämpftest so mächtig!
Siegtest so prächtig.
Mit starkem Arme,
Gewalt'ger Mann!
Heil sei dem Sieger,
Bringt ihm den Festschmuck.
gegen Zuàne
Hohn dem Besiegten!
Fröhliche Scharen
Zieht durch die Strassen
Mit frohem Sang.
Tragt auf den Armen,
Der bei der Wettfahrt
Den Sieg errang.

Sie tragen den Sieger an die Riesentreppe

BARNABA
Zuàne beobachtend, beiseite
Da ist er, den ich suchte,
Ja, er ist es!
laut zu Zuàne
Nun, Freund Zuàne,
Du hast wohl böse Laune?
Eben sagte man mir: bei der Regatta
Konntest du nichts erringen.

ZUÀNE
wütend
Mag Satan dich verschlingen!

BARNABA
Und wenn ich könnte den wahren Grund
Dir sagen deines Unglücks?

ZUÀNE
Ich weiss, zu breit und schwer
Ist meine Barke.

BARNABA
Torheit!

ZUÀNE
Und was wäre es?

BARNABA
geheimnisvoll
Komm nur näher, und höre:
leise
Deine Barke ist verzaubert!

ZUÀNE
erschrocken
Heilige Jungfrau!

BARNABA.
In einer Hexe Hände bist du gefallen.
Sieh dort, die blinde Alte.

HOR
an der Treppe
Jubelt und singet!
Jauchzet und springet!
Kommt, lasst uns spielen,
Herbei die Würfel!
Wem wird des Glückes Gunst
Am schönsten lächeln?
Zum Spiel herbei!

Sie spielen, die Frauen sehen zu

BARNABA
zu Zuàne, fortfahrend
Ich sah, wie die Alte am frühesten Morgen
Ein magisches Kraut in der Barke verborgen.

ZUÀNE
O Graun!

BARNABA
Deine Barke, sie wird dir zur Bahre.
Drum Vorsicht, mein Bruder!

CHOR
Sechs, fünfe, drei, Alle.
Ha! ha!

DIE MUTTER
Turris eburnea ...
Mystica rosa ...

BARNABA
Dabei sprach die Alte entsetzliche Dinge,
Verfluchte auch dich, dass dir nichts mehr gelinge.

ZUÀNE UND ISÈPO
gespannt zuhörend
O Gott!

CHOR
spielend
Achte! Sechs! Sieben! Alle!
Ha! ha!

DIE MUTTER
betend
Turris Davidica ...
Mater gloriosa ...

BARNABA
geheimnisvoll
Dort in der Giudecca,
Da hauset die Blinde,
Sie schleichet umher
In dunklem Kleide, dunkler Binde.
Ihr Aug' ist erloschen,
Doch wie mag's geschehen?
Sie kennet uns Alle:
Die Blinde kann sehen!

ISÈPO UND CHOR
Kann sehen?

ISÈPO UND ZUÀNE
O Entsetzen!

CHOR
Was gibt's denn?

ZUÀNE
Ha, die Hexe!

CHOR
Was flüstert sie?

ISÈPO, BARNABA, ZUÀNE
Die Blinde kann sehen!

CHOR
Auf Freunde! nehmt gefangen sie

ZUÀNE
Nun vorwärts ... doch ich fürchte ...

BARNABA
Bedenket die Zauberkraft
Könnt' leicht euch verderben.

CHOR
Verbrennet die Ketzerin!
Zum Holzstoss!

ZUÀNE
Ja, ja, deutlich seh' ich's,
Wie schrecklich ihr Auge glänzt.

BARNABA
scherzend
Die Blinde hat den bösen Blick.

ISÈPO
lachend
Die Blinde hat den bösen Blick.
Ha, ha, das ist köstlich!

ZUÀNE
lachend
Die Blinde hat den bösen Blick.

CHOR
lachend
Ha, ha! Das ist köstlich!

BARNABA
Der Himmel verdunkelt sich schon.

ZUÀNE
zu Isèpo
Was murmelt sie?

ISÈPO
Formeln.

ZUÀNE
Ergreifet die Hexe!

DIE MUTTER
Zu Hilfe! o Himmel,
Was tut ihr der Blinden?

Das Volk stürzt sich auf die Blinde

BARNABA
Der Felsblock im Rollen ist,
Ich geh' aus dem Wege.

CHOR
Zum Henker, die Höllenbrut!
Ein hübscher Schmuck ist sie für den Pranger.

DIE MUTTER
... zu Hilfe!

BARNABA
zu einer Schar Wachen
Ihr Wachen,
Führt sie zum Gefängnis hin.

CHOR
Das gibt ein Schauspiel.
Zum Holzstoss!

BARNABA
Wie sind sie so menschlich!

CHOR
Zum Holzstoss, zum Tode die Hexe,
Zur Folter, zur Hölle!

BARNABA
Mein Plan ist gelungen mir.
Ich geh aus dem Wege.

GIOCONDA
kommt mit Enzo zurück und eilt auf ihre Mutter zu
O Teure!

ENZO
als dalmatinischer Schiffer gekleidet, durchbricht die Menge
Halt, ihr Mörder! Bedenket ihr Alter,
Ihre Blindheit, oder fühlet meine Klinge!
Mit der einsamen Alten, der Blinden,
Ist's wahrhaftig ein würdiger Kampf.
Konnte unter dem Banner von San Marco
Solch Gesindel erstehen?
Lasset frei sie! fort, ihr Mörder!

CHOR
Nein!
Gott spricht durch die Stimme des Volkes!
Zum Tode die Hexe!
Nein, Erbarmen verdienet sie nicht.

GIOCONDA
Meine Mutter!

ENZO
Hört auf, sie zu quälen.
Lasst sie gehen, freche Mörder!

CHOR
Wir werden selbst sie richten.

ENZO
nach dem Hintergrunde rufend
Auf, ihr Freunde herbei!
Kommt hierher, kommt zum Kampfe.

DIE MUTTER
Ach, vor mir gähnet furchtbar ein Abgrund.

CHOR
Verschont sie nicht!

GIOCONDA
Teure!

LAURA
maskiert, kommt von der Riesentreppe, zwei Pagen tragen die Schleppe ihres Kleides
Gnade!



FÜNFTE SZENE
Die Mutter, Gioconda, Alvise, Laura, Barnaba, Chor, dann Enzo

ALVISE
mit Würde
Welcher Lärm! Wie, der freche Pöbel
Wagt es hier, im Palaste des Dogen,
Über Freiheit, über Leben richten zu wollen?
Rede, Gefang'ne! weshalb erfasste dich
Diese Rotte?

CHOR
Eine Hexe!

GIOCONDA
Meine Mutter!

LAURA
wie die Mutter den Kopf erhebt
Die Blinde, o teurer Herr,
Schenkt ihr das Leben.

ALVISE
leise
Barnaba! was tat dies Weib?

BARNABA
leise
Sie hat gezaubert.

GIOCONDA
zu Barnaba
Ich hörte dich, du lügest!

ALVISE
Der Richter entscheide!

GIOCONDA
wirft sich Alvise zu Füssen
O Herr! Erbarmen, ach hört mich!
Nein, ich darf hier länger nicht schweigen,
Vor ihm eröffne ich mein Herz.
Seit meiner früh'sten Kindheit Tagen
War sie mein Schutz. Ich war stets heiter,
Jetzt wein' ich. Ich nenne mich Gioconda,
Wir singen Beide;
Meine Lieder nur fröhliche Menschen erfreuen;
Doch sie pflegt frommen Sinn's Gott ihre Sänge zu weihen!

ENZO
kommt mit dalmatinischen Schiffern
Gerettet sei die Unschuld!

GIOCONDA
hält Enzo zurück
Nein, nein, verweile; dieser Mächt'ge
Wird sie befreien.

LAURA
Was seh' ich?

BARNABA
beobachtet Laura und Enzo
Wie sie so starr ihn anblickt!

GIOCONDA
Deine Worte können die Mutter retten.

BARNABA
Alvise in's Ohr
Eine Hexe! es sagt dies deutlich ihr Schweigen.

LAURA
zu Alvise
Sie trägt den Rosenkranz, keinen Teil
Hat die Hölle an der Frommen.

ENZO
auf Laura blickend
Die Stimme!

BARNABA UND CHOR
Tod ihr!

LAURA
bittend zu Alvise
Erettung!

ALVISE
Sie sei gerettet.

GIOCONDA
Wonne!

BARNABA
Ha, schändlich!

GIOCONDA
die Mutter umarmend
Du Teure!

DIE MUTTER
O, welcher Engel hat mich befreit
Aus dieser Tiger Klauen?
Ich Arme, ach, ich kann ja nicht
Sein Angesicht erschauen
Und dennoch geh' sie nicht von mir
Ohne der Blinden Dank, nein!
Sie nimmt den Rosenkranz vom Gürtel
Den Rosenkranz empfange,
Nimm ihn als Dankeszeichen.
Er, der mich stets begleitet hat,
Wird dir zum Glück gereichen.
Es bringe Heil und Frieden dir
Mein frommer Segensspruch.

GIOCONDA
O Mutter sieh, ein Engel
Beschützet deinen Pfad.

LAURA, ENZO
Es möge Gott erhören
Des Weibes fromm Gebet.

ISÈPO, ZUÀNE
Der Himmel nimmt die Blinde
In seinen mächt'gen Schutz.

ALVISE
Barnaba!

BARNABA
Gnäd'ger Herr!

ALVISE.
Hast heute gute Jagd du gemacht?

BARNABA
Einen Löwen hab heut' ich aufgebracht.

LAURA
nähert sich der Blinden und empfängt von ihr den Rosenkranz. Die Blinde streckt die Arme segnend nach ihr aus, Laura will niederknien, Alvise hält sie davon zurück

ALVISE
zu Laura
Halt ein, was tust du?
zu Gioconda
Und du, schöne Sängerin,
Nimm dieses Gold.

GIOCONDA
nimmt es mit einer Verbeugung
Wie gnädig!
zu Laura
In mein Gebet möcht' ich so gern dich schliessen,
Sag deinen Namen, du Retterin der Mutter.

LAURA
auf Enzo blickend
Laura!

ENZO
betroffen
Sie ist es!

ALVISE
zu Laura
Was ist dir? Folg' mir zur Kirche.

GIOCONDA
Mutter! mein teurer Enzo,
Du meine Wonne!

Alle gehen in die Kirche. Alvise und Laura zuerst, dann zwei Pagen. Ihnen folgt der Chor und Gioconda mit ihrer Mutter und Enzo. Am Portal bleibt Enzo in Gedanken versunken stehen. Barnaba beobachtet ihn, die Bühne wird leer



SECHSTE SZENE
Barnaba und Enzo

BARNABA
nähert sich Enzo
Enzo Grimaldo, Principe von Santafior,
Was sinnst du?

ENZO
für sich
Ich bin erkannt.

BARNABA
Was staun'st du, was macht dich so betroffen?
Denkst an Madonna Laura, die Gattin Badoeros?

ENZO
Und du?

BARNABA
Weiss Alles; ich kenne deine innersten Gedanken.
Dein Vaterland ist Genua.

ENZO
Ich bin kein Fürst; besitze
Ein kleines Schiff aus Dalmatien:
Enzo Giordan ...

BARNABA
kalt
Für Andre, doch nicht für mich.
Verbannet von Venedig
Kamst doch du zurück.
Dein heisses Sehnen liess dich
Den Tod nicht scheuen.
Ein holdes Mädchen liebtest du
In deinem Vaterlande;
Doch wurde sie entrissen dir
Durch fremde Ehebande.

ENZO
Lieb' und Treue schwur ich Gioconda.

BARNABA
lächelnd
Die Sängerin Gioconda,
Sie liebst du nur als Schwester,
Doch Laura als Geliebte.
Du wagtest nicht zu hoffen,
Je wieder sie zu sehen;
Da plötzlich erscheint sie dir
In voller Anmut Glanze
Und sie erkannte dich.

ENZO
O Seligkeit! o Laura!

BARNABA
Die Lieb' ist nicht zu täuschen.
Diese Nacht wird ihr Gatte
Im grossen Rate sitzen,
Hier im Palaste;
Laura dann wird bei dir erscheinen.

ENZO
Ha, welches Glück!

BARNABA
Ich komme deiner Lieb' zu Hilfe.

ENZO
O Laura mein!
Wie bebt in Wonne mir die Brust,
O Seligkeit des Himmels!
Ich soll dich Holde wiedersehn,
Dich meine höchste Lust.
Doch wer bist du, so finstern Blicks
Und doch mein Freund?

BARNABA
Ich hasse dich.
Ich bin ein Diener des grossen Rates
Der Zehn, siehe ...

Er zieht unter dem Mantel ein metallnes Zeichen hervor

ENZO
Ha, Schande!

BARNABA
Es war leicht mir, dich zu verderben;
Sei ruhig, Gioconda lieb' ich,
Doch sie hasst mich.
Deshalb schwur ich ihr Rache.
Dein Tod wär' zu wenig,
Sie muss dich treulos sehn.

ENZO
Ach, allmächtger Gott, beschütze sie,
Die Treue mir geschworen,
Die grausam mir entrissen ward,
Sie werde wieder mein.

BARNABA
Geh, zögre länger nicht,
Steure hinaus auf's Meer;
Dass mir mein Plan gelingt,
Les' ich in deinem Blick.
Und nun?

ENZO
In dunkler Nacht werd' ich
Laura's harren auf meinem Schiffe.

BARNABA
mit höhnischer Verbeugung
Mag dir's recht wohl gehen.

ENZO
Und dich mag Gott verderben.

Enzo geht ab



SIEBENTE SZENE
Barnaba, dann Isèpo, später Gioconda und die Mutter

BARNABA.
Du verfluchst mich ... ganz gut ...
Die Liebe blendet dich.
Das finstre Werk beginne.
Fluch sei Giocondas einst geliebtem Bilde;
Alles zertrümmre.
Er öffnet eine Türe im Hintergrunde neben den Gefängnissen
Isèpo!

ISÈPO
kommt hervor
Was begehrst du?

BARNABA
Du bist mit Leib und Seele
Der Hölle Mächte schon längst verfallen.
Leihe jetzt meinem Plan' deine Feder.
Schreibe!
Er führt ihn zum Tische, diktiert
"Dem hohen Haupt der Staatsinquisition."

GIOCONDA
kommt mit ihrer Mutter aus der Kirche
Halt, verbirg dich, s'ist Barnaba.

BARNABA
"Deine Gattin wird noch in dieser Nacht
Mit Enzo, dem Schiffer, von hier entfliehn
Auf dalmatischem Fahrzeug." Und unten:
"Der Rachen des Löwen."
Gut, gib her, schweige, geh!

Nimmt das Blatt, Isèpo geht



ACHTE SZENE

BARNABA
sich umsehend
Ihr mächt'gen Hallen,
Fürstlicher Wohnsitz der Dogen,
Nie wird es fallen
Das hehre Denkmal
Der stolzen Stadt San Marcos.
Furchtbar erhebt sich hier
Dieser blutgetränkte Porphyr.
In dem Grunde: Kerker,
Auf den Zinnen: Kerker.
Umheimlich flattern um dich
Der Tauben Scharen ...
Hier Marmor, dort Gold ...
Bald spendest Lust du,
Bald Graun, unheimlich wechselnd.
Hier ein Volk, das jauchzet,
Dort ein andres, das stirbt.
Da der Doge, ein abgelebter Greis
Mit der phrygischen Mütze,
Ueber ihm der Rat der Zehne,
Mächtig und furchtbar herrschend,
Und über dieser Macht,
Und noch mächtiger als Alle,
Ein Mann: der Späher.
Ihr mächt'gen Hallen,
Helft mir bei meiner Rache.
Am Löwenrachen
Erschliess den unheilvollen finstern Rachen,
Dass, wenn Blut fliessen sollte,
Er es verschlinge. Ich bin das Ohr,
Du bist der Mund, nun rede.

Wirft das Blatt in den Löwenrachen und geht ab



NEUNTE SZENE
Ein Maskenzug, umgeben von Singenden und Tanzenden, tritt auf. Später Gioconda und die Mutter

CHOR
Carneval, Bachanal!
Schmücket Euch mit bunten Kränzen,
Schlinget euch in muntern Tänzen.

Tanz

CHOR IM INNERN DER KIRCHE
Angele Dei ...

CHOR AUF DER BÜHNE
Preis sei dem Herrn!

EIN KIRCHENDIENER
von der Schwelle der Kirche
Die Sonne sank; vernehmt die Klänge
Der heil'gen Vesper; hört kniend sie an.

CHOR
Angele Dei
Qui custos es mei,
Me tibi commissum
Nocte illumina,
Rege et guberna ...

Gioconda und ihre Mutter durchschreiten das knieende Volk, Gioconda schwankend auf ihre Mutter gestützt

GIOCONDA
Verraten! Weh mir! Himmel,
Ich wanke, ich sterbe, es schwinden
Mir die Sinne, gib die Hand mir,
O Mutter, weh mir!
Ach mein Herz, Quell meiner Leiden,
O schlage nicht so mächtig,
Du kennst mein heisses Sehnen:
Gib Liebe oder Tod!
Nimm mich in deinen Arm,
O Mutter lass mich weinen,
Leg deine Hand, o Teure,
Mir auf's Herz.

DIE MUTTER
O komm! Am Mutterherzen
Weine dich aus,
Du meine Tochter
So löset sanft sich dein Schmerz.

Der Vorhang fällt langsam

ZWEITER AUFZUG

Der Rosenkranz

Das Ufer einer unbewohnten Insel in der Laguna von Fusina. Im Vordergrunde ein Marienaltar mit einer roten Lampe. Auf dem Wasser eine Brigantine mit dem Namen "HEKATE" bezeichnet. Auf dem Schiffe Matrosen mit Sprachrohren, Schiffsjungen

ERSTE SZENE

SCHIFFER
zum Teil mit Sprachrohren
Ho! he! ergreift die Ruder!
Haltet! zieht auf die Segel!
Ihr Rud'rer herbei,
Sagt, wo ihr weilt!
Stimmen aus dem Schiffsraum
Hier im Schiffsraum wir verweilen,
Hinter jenen festen Rippen,
Die nicht scheu'n des Sturmes Heulen,
Nicht des Meeres dräu'nde Klippen.

SCHIFFSJUNGEN
La, la!
Wir hängen im Takelwerk auf schwanken Tauen,
Ihr könnet unsrer Sicherheit vertrauen.
Die muntre Schaar
Sie klettert hin und her,
Sie harrt der lust'gen Fahrt
Auf weitem Meer.

BARNABA
von innen
Fischersmann, sei fröhlich heute,
Wirf die Netze, deiner harret
Frohe Heimkehr, reiche Beute.

Er tritt auf als Fischer gekleidet und ein Netz tragend. Mit ihm Isépo



ZWEITE SZENE
Chor, Barnaba, Isépo

EIN LOTSE
Wer ist da?

BARNABA
Mein Gesang hat dir's verkündet:
Ein Fischersmann, der auf die Ebbe wartet,
Am Gestade dort liegt meine Barke.
Wir haben morgen Fasten,
Da darf der Fischer heute schon nicht rasten;
Er bringt die Fische
Den Reichen auf die Tische.

CHOR
Ha, ha!

BARNABA
zu Isépo
Es geht schon; sie lachen.
Achtzig Köpfe zählt ihre Bemannung,
Nicht mehr als dreissig Ruder stehn zu Gebot,
Und zwei kleine Geschütze zur Verteid'gung.
Jetzt laufe, so schnell die Füsse dich tragen,
Und verteile die Wachen dort am Ufer,
Es decken sie die Büsche.
Ich bleibe da, und besorge hier das Meine,
Du dort das Deine.
Fischersmann sei fröhlich heute,
Wirf die Netze; deine harrt
Frohe Heimkehr, reiche Beute,
Wie sie dir verheissen ward.
Sanft erklinge, süss ertöne
Durcht die Nacht hin mein Gesang.
Eine reizende Sirene
Schlüpft in's Netz als guter Fang.

CHOR
Eine reizende Sirene
Schlüpft in's Netz als guter Fang.

BARNABA
für sich
Auf, lass umher die Späherblicke schweifen,
Hier werden heut' noch meine Pläne reifen.
Hier an des Eiland's düst'rem Strande
Nahet mir Freude, und ihr Schmach und Schande.
Doch Vorsicht, dass Keiner hier schöpfe Verdacht.
Ich lache, wache, singe, spähe.
Und nicht fern die holde Schöne
Lauschet träumend meinem Sang.

BARNABA UND CHOR.
Eine reizende Sirene
Schlüpft in's Netz als guter Fang.



DRITTE SZENE
Enzo, Schiffer, der Hochbootsmann

ENZO
kommt mit einer Laterne aus dem Schiffsraume
Ich grüsse euch, Schiffer, euch wackre Sänger.
Bald wir lichten die Anker.

CHOR
Schiffsjungen, Schiffer und Frauen
Hoch lebe unser tapfer Held!
Hoch unser Führer!

ENZO
nach dem Himmel blickend
Brise vom Lande; das ist günstig für uns.
zum Hochbootsmann
Bereite alles vor, Hochbootsmann,
Bald lichten wir die Anker.
Und du, mein wackrer Schiffer,
Lass an dem Borde der Brigantine
Dalmatiens Flagge wehn,
Die uns beschützte in mancherlei Gefahren;
Und hoch am Maste erglänze hell die Leuchte.
zu den Schiffsjungen
Dass alles sei bereit
In Tau und Segelwerk, so wie ich winke!

CHOR
Ho! Haltet!
Ergreift die Ruder!
Die Windsbraut naht!
Uns schrecken Blitze nicht,
Nicht Sturmes Sausen
Wir zagen niemals
Bei des Meeres Brausen.
Seht, wie die muntre Schar
Klettert umher,
Harret der lust'gen Fahrt
Auf weitem Meer.

ENZO
Nun geht hinab und legt euch zur Ruhe;
Ich bleibe allein hier, um über alle euch zu wachen.
Er blickt nach den Sternen
S'ist spät schon.

CHOR
Gute Wache.

ENZO
Geht zur Ruhe.

Der Chor geht ab



VIERTE SZENE

ENZO
das Meer beobachtend
Himmel und Meer!
Der reine Aether glänzt in voller Sternenpracht.
Steigst vom Himmel du hernieder?
Kommst du auf dem Meer gezogen?
Deiner harr ich; es wehet sanft
Der weichen Nachtluft süsser Hauch.
Deiner harrt in heissem Sehnen
Einsam hier dein geliebter Freund.
Tiefres Dunkel!
Alles schwindet; nah und ferne
In die Wellen tauchen Sterne.
Hierher eile, wo dein ich warte,
Heisses Sehnen in der Brust.
Komm, o Holde, hier lass uns träumen
Süsse Träume höchster Wonn' und Liebeslust.
Doch wer kommt?
Es täuschet mich mein Auge nicht:
Ja, eine Barke; schon vernahm ich die Ruder,
Sie kommt näher, immer näher.

BARNABA
von innen
Capitain, hab' Acht!

ENZO
leidenschaftlich
Nur vorwärts!
Himmel, kaum kann ich mich noch fassen,
Auf, ihr Schiffer, hierher steuert,
Hier zur Seite.
wirft ein Seil aus
Nehmt das Tau hier, ich halt'es.
Nur näher, ziehet stärker.



FÜNFTE SZENE
Laura und Enzo

ENZO
Sie nahet!

LAURA
in Enzos Armen
Enzo, du mein!

ENZO
Laura, du mein!

BARNABA
von ferne, unheimlich
Nehmt meinen Segen!

LAURA
O diese finstre Stimme!

ENZO
Doch schulden wir ihm Dank ...

LAURA
Durch Mark und Bein geht mir sein schrecklich Lachen.

ENZO
Er ist's, der uns das Paradies erschlossen.
Verbanne, Teure, die bangen Sorgen,
In meinen Armen bist du geborgen.
Lass Liebesschwüre uns zärtlich tauschen,
Der Himmel schenket uns unser höchstes Glück.

LAURA
An deiner Seite, in deinen Armen
Löst sich in Wonne mein Sehnen, mein Leiden.
Bin ich auch schuldig, wird Gott verzeih'n,
Zu dir zieht mich mein Geschick.

ENZO
Doch sag' Geliebte! wie konntest du
Den Freund erkennen?

LAURA
Im Seemannskleid' erkannt'ich Enzo.

ENZO
An dieser Stimme himmlischen Klang
Erkannte ich Laura.

LAURA
Enzo, Geliebter!
sich aufraffend
Die Zeit entflieht ... doch Vorsicht.

ENZO
O zittre nicht!
Auf dieser Insel hier, einsam und öde,
Belauschet niemand unsre Seligkeit.
Bald wird in's Meer des Mondes Scheibe tauchen;
Ist sie hinab, dann lichten wir die Anker
Zur glücklichen Fahrt.
Dann werden zu frohen, zu glücklichen Tagen
Die Wellen schmeichelnd uns tragen.

ENZO, LAURA
In weiter, in dunkelnder Ferne,
In zitternden Lichte der Sterne
Das rettende Meer unsrer harrt.
Auf Wellen, im Dunkel getragen,
Wir flehen, wir eilen, wir ziehen
Zum Heimatlande hin.
Es nahet der Mond schon den Wellen,
Von duftigem Schleier verhüllet,
gleichet der Braut am Altar.
Schon seh ich die Flut ihn erreichen,
Die glänzende Scheibe erbleichen;
Die leuchtende Fackel erlischt.

ENZO
Ich eile jetzt, alles fertig zu machen.
Du süsse Freundin, hier warte mein.

Steigt in den Schiffsraum



SECHSTE SZENE
Laura allein, dann Gioconda

LAURA
Mein Herz, wie schlägt es angsterfüllt.
Diese Lampe, ach! ein Madonnenbild.
Sie kniet vor dem Altare nieder; während ihres Gebetes kommt Gioconda mit einer Maske vor dem Gesicht aus einem Versteck hervor und nähert sich langsam
Königin gnadenreich! heilige Jungfrau!
In meinem Kummer hör' mein brünstiges Flehen;
Du kennst all meine Leiden, du kennst meine Liebe,
Erhör' mich! verzeih' mir dies Vergehen.
Mutter der Gnade, wolle mich bewahren
Vor Not und vor Gefahren!
Ich bete in Tränen!
Ach! Lass meine heissen Bitten dich bewegen,
Gib meiner Liebe, Madonna; deinen Segen,
Vergebung meiner Schuld.



SIEBENTE SZENE
Gioconda und Laura

GIOCONDA
Nicht Segen, Fluch dir!

LAURA
erschrocken
Ach, wer bist du?

GIOCONDA
Du sollst's erfahren.
Bin ein Schatten, der dein harret,
Und mein Name? ich heisse: ªRache,´
Und ich liebe den Mann, den du liebst.

LAURA
Gott!

GIOCONDA
mit verhaltenem Zorne nach dem Schiffe zeigend
Deiner harrt'ich, Wut im Herzen,
Gleich dem beutedurst'gen Tiger,
Treffen soll dich meine Rache,
Und mein Hass soll dich vernichten.
Du willst fliehen? in Liebe schwelgen?
Willst triumphieren?
Ja, dort naht die Flagge,
Die Verderben bringt. Sieh' hin! Geh!
sich furchtbar aufrichtend
Entfliehe!

LAURA
Ha, Megäre!

GIOCONDA
Mich kannst du fürchten?
Und du wagst es, ihn zu lieben, jenen Helden?

LAURA
Schlägt dir im Busen nicht ein Herz!

GIOCONDA
Du frevelst.

LAURA
Hör' mich!
Sieh', ich lieb ihn so zart und so innig
Wie die Rose den Zephyr umschwebet,
Gleich dem Traum, der die Nacht uns belebet,
Freud' und Seligkeit ahnen uns lässt.

GIOCONDA
Und mein Lieben, es gleicht dem des Löwen
Wenn er dürstet nach dem Blute der Beute,
Gleicht dem Rasen des Sturmes, dem Blitzstrahl,
Der herniederfährt mit furchtbarer Macht.

LAURA
Seines Kusses Entzücken
Lässt vergessen die drohende Todesgefahr.

GIOCONDA
Doch beherrsch' ich der Liebe Gewalt;
Mag sein Kuss dich entzücken!
hält Laura wüthend am Arme fest
Hier bei mir sollst du bleiben,
Komm, lass dein Antlitz sehen.
Knie nieder, keine Rettung gibt's mehr.
Sieh' dieses Eisen ...
Sie will Laura mit einem Dolche töten, hält aber inne
Doch nein! Dich soll zerschmettern
Ein schwereres Verhängnis,
lässt sie nach dem Meere sehen, wo eine Barke naht
Dort, siehe, dort.

LAURA
O Gott!

GIOCONDA
In jener dunkeln Barke dort sieh' deinen Gatten.

LAURA
Himmel, ich bin verloren.

GIOCONDA
Vollbracht ist meine Rache;
Jetzt kann kein Dämon, kann kein Heiliger
Dich befrei'n!

LAURA
erhebt den Rosenkranz
Hör' mich, o Jungfrau, höre mich!

GIOCONDA
erkennt den Rosenkranz, betroffen
Wie? Dieser Rosenkranz?
Sie nimmt ihre Maske ab und legt sie Laura vor das Gesicht
Nimm hier, fliehe, geschwind!
Diese Maske kann dich retten.

LAURA
Was tust du?

GIOCONDA
Ich rette dich.
Herbei! bringt meine Barke!

Zwei Schiffer bringen eine Barke

LAURA
Doch sag', wie ist dein Name?

GIOCONDA
Ich bin Gioconda.
Sie führt Laura ab



ACHTE SZENE
Barnaba und Gioconda

BARNABA
vom Ufer
Schändlich! Verrat!
Sie ist entflohn.
Er winkt nach dem Hintergrunde, wo man Alvise in seiner Barke kommen sieht
Herbei! im Canal Morto, dort! ...
Vorwärts, ihr Rudrer, vorwärts!

Er entfernt sich

GIOCONDA
kommt vom Hintergrunde
Gerettet! O meine Mutter,
Dir hab' ich alles geopfert!



NEUNTE SZENE
Gioconda und Enzo

ENZO
auf der Brücke des Schiffes
Laura, bist du da?

GIOCONDA
sich Enzo heftig nähernd
Sie ist verschwunden.

ENZO
Gioconda, o Gott, was tat'st du?

GIOCONDA
Vergebens ist nach ihr dein Verlangen,
Nie siehst du sie je wieder.

ENZO
Täusche mich nicht.

GIOCONDA
Nein, nicht mehr liebt sie dich,
Sieh' dort im Canal Morto
Einen Kahn sich rasch entfernen.
Dort entflieht sie.
Sie hat entsagt dir, sie gedachte ihrer Pflicht.
Hier bedrohte sie Verderben,
Ringsum lauerte hier Tod,
Und so floh sie, doch ich hier verweile.
Sage nun, wer von uns hat mehr dich geliebt?

ENZO
Schweige! dass du hierher gekommen,
Hat mir Unheil schon verkündet,
Sage nicht, dass du mich liebtest,
Hass nur war's, der dich getrieben.
Doch dem ungeliebten Gatten
Werde ich entreissen sie.
Dort winkt Leben.

GIOCONDA
Nein, Verderben!

ENZO
Was sagst du?

GIOCONDA
Blick hin auf's Meer.

CHOR
Die Galeere, geschwind entflieht!

GIOCONDA
Ein Ungeheuer hat dich Armen erkannt,
Dem grossen Rate deinen Namen genannt.
Zögre nicht länger, entfalte die Segel,
Sie können retten dich noch.

ENZO
Lass mich, nimmer kann deinen Worten ich trauen,
Mag Tod mir droh'n, ich fürcht ihn nicht.
Wohl seh' ich nahen die furchtbare Flagge,
Nichts kann mich retten, nicht kann ich entfliehn.

CHOR
Die Schiffer treten in Verwirrung auf
Entflieht! Keine Rettung giebt es mehr;
Ach! keine Rettung mehr.

ENZO
entreisst einem Schiffer die Fackel
Wohl so sei es.
Ja für den Feind bleibe nur Asche und Trümmer.
Er zündet das Schiff an
Vernichtung!

CHOR
Die Flammen furchtbar rasen,
Bringen Tod uns.

ENZO
lässt sich vom Schiffe hinab in's Meer
Leb' wohl, o Laura.

GIOCONDA
am Ufer
Und immer Laura!
So mag der Tod vereinen uns.

ENZO
Laura!

CHOR
Weh uns!

Das Schiff versinkt

DRITTER AUFZUG

Ca' d'oro

Ein Zimmer in der Ca' d'Oro. Von einer Lampe erhellt. An der Seite eine Dekoration von Waffen

ERSTE SZENE

ALVISE
in heftiger Aufregung
Ja, sie treffe der Tod!
Wer meine Ehre kränkte,
Nie durft' er bleiben ungestraft:
Und sie, die mich beschimpft,
Nie darf ich ihr verzeihn.
Wenn gestern auf der öden Insel
Du meiner Hand entgingst,
So wird die Strafe heut' nicht milder sein.
Gestern sollt' ein Dolch
Den Busen dir durchbohren,
Heute bedarf es nicht des Dolch's.
Es g'nügt ein Gifttrank,
Bald soll durch Lust und Fröhlichkeit
Durch glanzerfüllte Hallen
Verhängnisvoll der Klagelaut
Der Totenglocke schallen.
Nicht länger sollet ihr erröten,
Ihr meine Ahnen;
Der Tod kann alles sühnen,
Selbst solche Freveltat.
Dort wird Venedigs Adel bald
Zum Feste sich versammeln.
Hier der verrat'ne Gatte
Die treulose Gattin bestrafen,
Die ihn verriet.
Bald endet eure Festeslust,
Ihr sollt die Tote schauen!



ZWEITE SZENE
Laura und Alvise

LAURA
zum Feste geschmückt
Hierher sollt' ich kommen?

ALVISE
mit erzwungener Höflichkeit
Wenn's euch gefällig ...

LAURA
Mein Gemahl ...

ALVISE
Kommt, setzt Euch!
sie setzen sich, ironisch
So schön wie heut', Signora,
Hab' ich euch nie gesehen.
Doch glänzen Tränen im Auge euch.
O sagt, weshalb so schweigsam?
Redet! Welch süss Geheimnis
Erfüllet euer Herz?
Darf ich den Schleier lüften,
Der es vor mir verbirgt?

LAURA
Aus eurer Rede so ungewohnt,
Hör' bitt'ren Hohn ich klingen.
Ihr sprecht so freundlich, so liebevoll,
Doch eure Augen blitzen.
O mein Gemahl, ich bitte,
Was habt ihr mir zu sagen?

ALVISE
Wohl; so entreiss' die Mask' ich dir;
Gekommen ist die Stunde.

LAURA
Was sagt ihr?

ALVISE
So höre! Einem andern hast du,
Mich frech verachtend, dein Herz zugewandt.

LAURA
Einem andern? Was sagt Ihr?

ALVISE
Ja, Weib ohne Ehre!
Gestern hatt' ich beinah' dich gefangen.

LAURA
Himmel!

ALVISE
Doch du flohest, entgingst meiner Wut.

LAURA
Was hör' ich!

ALVISE
Aber heut' bist du mir nicht entgangen;
Nicht mehr fliehst du; es harret dein der Tod.

LAURA
Der Tod!
Wie trifft mich dies Wort so fürchterlich!
Wo ich so nahe dem höchsten Glück,
Soll mich mit grauser Finsternis
Umfangen des kalten Grabes Nacht!
Hör' mich! Der Jugend heisses Blut
Liess mich die Pflicht vergessen.
Wenn ich in Reue lebe,
Soll dann ich sterben auch?
O schenke mir das Leben,
Erbarm' dich mein!

ALVISE
Umsonst die Tränen, umsonst dein Hoffen!
Ich kann dir nicht verzeihn; nein!
Nur Tod kann sühnen, was du verbrochen.
Zum Sterben sei bereit.
Ich kenne dein Verlangen nach einem andern Gatten.
Ich kann dir helfen; komm! folg' mir und schaue!

Er zieht sie nach der verhängten Türe zu

LAURA
erschrocken
Was soll geschehen?

ALVISE
hebt den Vorhang auf; man erblickt einen Katafalk
Folg' mir!
Siehe; dort steht dein Brautbett.

CHOR
Serenade von ferne
Die heiteren Lieder
Von Liebe und Glück
Gibt Echo sanft wieder
In Seufzern zurück.

ALVISE
zieht eine Phiole hervor
Dieses Gift ist für dich; du bist ja mutig,
Wie deine kühnen Worte mir verkünden;
Mit diesen Lippen, die süsse Küsse tranken,
Trinke nun Tod dir.
Du bist verloren ... hörst du den Gesang?
Du stirbst gewiss,
Ehe er bis zu der letzten Note erklungen.

Er geht ab



DRITTE SZENE
Gioconda, Laura, Chor

GIOCONDA
tritt rasch ein, entreisst Laura die Phiole und gibt ihr eine andere
Gib her das Fläschchen;
Nimm dieses! trinke!

LAURA
Gioconda hier?

GIOCONDA
Voraus sah ich dein Schicksal.
Kam hieher, dich zu retten;
Schenk' mir Vertrauen.
Dieser Trank rettet dich:
Er lässt zum Scheintod dich erblassen.
Trinke! Es ist kurz nur der Kampf ...
Bald ist er überstanden.
Der Mond strahlet helle
In silbernem Glanze,
Es regt sich die Welle
Zum schimmernden Tanze.
Gebete erhebt euch
Zu himmlischen Fernen,
findet Erhörung
Dort über den Sternen.

LAURA
O Gott, wie fürcht' ich den Todeskampf.

GIOCONDA
Dein Gemahl wird dich töten.
Und es betet für dich in der Kapelle
Die blinde Mutter.
Meine Freunde sind nah, du hörst sie,
Ihr Singen.

CHOR
Gebete erhebt euch
Zu himmlischen Fernen,
Ihr findet Erhörung
Dort über den Sternen.

GIOCONDA
Trinke, sonst bist du verloren.
Du hörtest, was er sagte:
"Eh der Gesang bis zu der letzten Note erklungen"

LAURA
O Graun, schon endet ihr Gesang.
Gib mir;
sie trinkt
es ist geschehen!
Sie geht in das verhängte Zimmer

GIOCONDA
Gib her das Glas!
Sie giesst das Gift in das leere Glas, und stellt die Phiole Alvises auf den Tisch

CHOR
Die lieblichen Klänge
Sie rauschen daher,
Das Ruder begleitet
Das Lied auf dem Meer.
Zieh hin, Serenade,
Vom Zephyr getragen.

GIOCONDA
O Himmel!
Sie geht eilig ab

CHOR
Zum Meer vom Gestade.



VIERTE SZENE

ALVISE
tritt auf und sieht die leere Phiole
So ist es zu Ende.
Leer ist das Glas.
er geht in das verhängte Zimmer, zurückkommend
Ihr Leben ist erloschen.

Geht ab



FÜNFTE SZENE

GIOCONDA
kommt wieder hervor
O meine Mutter!
Auf jener öden Insel besiegte ich in mir
Der Rivalin Rachegedanken für dich.
Jetzt ist noch schwerer
Das Opfer, das ich bringe:
Jetzt, Mutter, rett' ich
Die Rivalin für ihn, den ich liebe.

Sie geht schnell ab



SECHSTE SZENE
Ein prächtiger, festlich geschmückter Saal. Im Hintergrunde drei Türen, von denen die eine mit einem Vorhange verschlossen, einen Eingang zu dem Zimmer bildet, in welches Laura vorher durch eine andere Türe gegangen ist.
Es treten Nobili, Damen, Masken - unter ihnen Gioconda - auf. Alvise mit Pagen empfängt die Gäste


ALVISE
Seid gegrüsst, Ihr Edeln!
Andrea Sagredo! Erizzo, Loredan!
Venier!
Wen seh' ich? Isepo Barbarigo,
Ihr kehrtet wieder aus dem fernen Oriente?
Und du, geliebter Neffe, mein Partecipazio!
Ihr alle geehrte Herren kommt näher,
Seid willkommen! Ihr edeln Freunde.
zu den Masken
Und du, wackre Schar, der Kunst geweiht,
Feire den Tag mit Tanz und Lustgesängen.

ALLGEMEINER CHOR
Begrüsset den Stolz des Vaterlands
Den tapfern Badoero.
Heil ihm, des Hauses Herrn!
Heil der Gebieterin!
Es schmücket den prächt'gen Saal
Der Lorbeer, geweiht der Tapferkeit
Und Myrte, der treuen Liebe Lohn.

ALVISE
Dank sei euch allen für so grosse Güte,
Ihr edeln Freunde.
Jetzt mag vor euch erscheinen
Ein heiteres Festspiel.
Sehet! Es erscheint ein Aufzug
Von reichgeschmückten Masken.
Geziert sind alle mit dem Reize der Jugend,
Sie zeigen euch den Lauf der Tagesstunden.
Es beginne der Aufzug!

Ballet
Die Stunden des Tages treten auf

CHOR
Wie herrlich! entzückend!

Tanz der Stunden des Tages, Die Stunden des Abends treten auf. Die Stunden der Nacht treten auf



SIEBENTE SZENE
Barnaba, die Mutter, Enzo und die obigen

BARNABA
die Mutter herbeiziehend
Folg' mir!

DIE MUTTER
Lasse mich! weh' mir!

GIOCONDA
herzueilend
O Mutter!

CHOR
Die Blinde!

ALVISE
zur Mutter
Was willst du hier?

BARNABA
In einsamer Kapelle fand ich die Alte,
Bedacht auf neue Untat.

DIE MUTTER
Ich weint' um ihren Tod.

CHOR
Ihren Tod? wessen Tod?

Man hört dumpfe Glockentöne

CHOR
Welch' dumpfe Töne!

ENZO
leise zu Barnaba
Die Totenglocke? für wen?

BARNABA
leise zu Enzo
Für Laura.

ENZO
Für Laura? Nein, nein!
Was bliebe mir, wenn sie, die Holde, starb?

ALVISE
heiter
Doch wie, ihr blickt so traurig?
Ist heiter Badoero,
Atmet alles hier Lust,
Wer möchte da trauern?

ENZO
hervortretend
Ich mehr als alle.

ALVISE
Du? und wer bist du?

ENZO
legt die Maske ab
Den du einst hast verbannt,
Enzo Grimaldo, erkenne ihn in mir.
Lieb und Vaterland hast du mir geraubt,
Vollende nun dein Verbrechen.

ALVISE
Verwegner!
Barnaba! mit deinem Kopfe haftest du,
Dass er mir nicht entflieht.

CHOR.
Verwegner!

ALLE
Furchtbar zieht durch dies Haus
Ein Dämon finstrer Nacht,
Verbreitend Schreck und Graus
In des Fest's heitre Pracht.
Todesahnung erfasst
Der Gäste bange Schar.
Seht! Jede Wang' erblasst,
Und es sträubt sich das Haar.

ENZO
Die so heiss ich geliebt,
Meine Wonne, mein Glück,
Hat der Tod mir geraubt.
Doch Geliebte, bald folg' ich dir.
Bleich und kalt sind ihre Wangen,
Nicht mehr strahlt ihr Auge mir,
Du gestorben, du gestorben,
Heissgeliebte, bald folg' ich dir.
Nun kann mich kein Tod mehr schrecken,
Und das Grab mag mir sich öffnen.
Durch des Todes herbe Leiden
Werd' ich dort mit ihr vereint.

GIOCONDA
Welch' furchtbare Qual!
Kaum erträgt sie mein Herz,
Solche Liebe;
Und für mich welch ein Schmerz!

DIE MUTTER
zu Barnaba
Verräter warst du!

BARNABA
Hör' meinen Eid:
Wenn gestern sie dich hat befreit,
Wirst du heute doch nicht der Rache entgehn.

ALVISE
finster auf Enzo blickend
Zu dem Feste kamst, kühner Jüngling,
Ungeladen du hierher.
Dich ereilt dein Geschick.

GIOCONDA
Meine Wangen netzt die Träne,
Doch verberg' ich meinen Schmerz.
Für sie wagt alles er,
Kaum ertrag' ich es noch.

DIE MUTTER
Deine Tränen, o Gioconda,
Lass sie fliessen an meinem Herzen.
zu Barnaba
Du warst's, der sie verriet;
Wenn ein Mord hier geschah:
Ich weiss, wer ihn vollbracht.

BARNABA
zu Gioconda
Hör' mich endlich! Wie ich mich räche,
Siehst du hier: sie musste sterben.
zur Mutter
Wardst du gestern befreit,
So entgehst du doch heut'
Meiner Hand nimmermehr.

ALVISE
Bald wird sich vor deinen Augen
Grauenvoll ein Bild enthüllen;
Du wirst sehen, wie ich bestrafe
Den, der meine Ehre kränkt.

CHOR
Rasch entschwand des Festes Freude,
Schrecken erfasst mich;
Entsetzliche Kühnheit,
Schrecken rings um mich her,
Es schwand alle Lust.

GIOCONDA
zu Barnaba
Wenn von hier du ihn befreist,
Hin zur nächsten Kirch' ihn bringst:
Dann will ich dir angehören;
Dann, Furchtbarer, bin ich dein.

BARNABA
zu Gioconda
Endlich hab' ich dich bezwungen,
Komme endlich doch zum Ziel;
Und wodurch es mir gelungen,
Kümmert mich nicht: du bist mein.

CHOR
Gleich dem Sturm, dem Ungewitter,
Bricht Verderben auf uns ein.

ALVISE
Kommt alle her!
Er beherrscht die Szene
Das Weib, das ich geliebt,
Durch schnöden Treubruch hat sie mich beschimpft.
Er hebt den Vorhang auf; man sieht Laura auf einem Bett liegen
Dort sehet sie!
Ich selbst gab ihr den Tod!

ENZO
stürzt sich mit einem Dolche auf Alvise; die Wachen ergreifen ihn
Ha Schändlicher!

ALLE
ohne Enzo und Alvise
O Graun!

VIERTER AUFZUG

La Giudecca

Der Canal Orfano. Die Bühne ist geteilt. Der grössere Teil links stellt die Vorhalle in einem verfallenen Palaste auf der Giudecca vor. Darin rechts ein Verschlag mit einem Bett. Im Hintergrunde ein grosses Portal, durch welches man die Aussicht auf die Lagune und die festlich erleuchtete Piazzetta hat. In der Halle steht ein Tisch, auf welchem sich eine Lampe und eine brennende Laterne, ein Fläschchen und ein Dolch befindet. Auf einem Sofa liegt Theaterschmuck. Den rechten kleineren Teil der Bühne bildet eine enge Gasse, von welcher eine Tür zur Halle führt

ERSTE SZENE
Gioconda allein, in Gedanken versunken. Aus der Gasse kommen zwei Männer, welche die in einen schwarzen Mantel gehüllte Laura tragen. Sie klopfen an die Tür. Gioconda öffnet

GIOCONDA
Es sah euch niemand?

EINER DER MÄNNER
Nein, nein!

GIOCONDA
Dort legt auf das Bett sie nieder.
Die Männer legen Laura auf das Bett
Und die Freunde, sie werden sicher kommen?

DIE MÄNNER
Ja.

GIOCONDA
Nehmt das Gold, das ich euch versprochen.

DIE MÄNNER
Nicht für Gold, als Freunde haben wir euch gedient.

GIOCONDA
Dank' euch, Freunde!
Doch muss von Neuem ich euch bitten,
Mir einen Wunsch zu erfüllen.
In vergangner Nacht
Ist meine arme blinde Mutter verschwunden;
Schon überall hab' ich gesucht sie:
Vergebens! Eilt und sucht
Auf den Strassen, den Plätzen,
Am Lido, ihre Spuren zu finden.
Mag Gott euch führen!
Und habt ihr sie gefunden ...
In Canareggio erwart' ich euch;
Ich werde die Giudecca bald für immer verlassen.

DIE MÄNNER
Vertraue uns.

Gioconda reicht den Männern die Hand, diese gehen ab



ZWEITE SZENE
Gioconda tritt an den Tisch und ergreift erst den Dolch, dann die Phiole

GIOCONDA
So sei es! In dieser furchtbaren Stunde
Was bleibt mir übrig
Als Tod durch eigne Hand?
Dann wird verstummen
Des Herzens Sehnen
Und dann wird enden
Mein Leiden, mein Schmerz.
Wie leicht und heiter
Flohn sonst die Tage ...
Die teure Mutter
Hab' ich verloren,
Ihn auch verlor' ich:
Und diese Schrecknisse
Sind überwunden
Doch alle Kräfte
Auch mir entschwunden.
Nah' meinem Ziele
Fleh' ich zu Gott:
Erbarm' dich meiner
Und lass im Grabe,
Mich finden Ruh!
betrachtet die Phiole
Hier ist das Gift für Laura,
Doch einer anderen
Ist's vorbehalten, ja mir selbst.
Wird Enzo diese Nacht hier erscheinen,
Werd' ich nicht seh'n, wie sie in Wonne schwelgen.
Doch wer soll ihre Flucht beschützen?
sie wirft die Phiole auf den Tisch
Versucher weich von mir,
Hebe dich weg!
Madonna gib du mir Kraft
Das Rechte zu vollbringen.
Laura ist dort, auf dem Lager ...
Lebend? starb sie? Nein, nein!
mit wilder Freude
Wär' sie gestorben! ich wollte sie retten;
Mein Gott, du weisst es.
Doch wäre tot sie?! ein leiser
Hoffnungsschimmer macht erzittern mein Herz ...
Lass sehn ... nur Fassung!
sie nimmt die Laterne und geht nach dem Bett, bleibt aber stehen
Nein, nein, ich will es nicht wissen:
Es mag die Ungewissheit mir noch bleiben.
Doch wenn sie lebte ...
Sie ist in meiner Hand ... wir sind allein ...
Niemand könnte jemals die Tat erfahren,
Denn tief ist die Lagune.

EINE STIMME VON FERNE
He, Gondoliere, was bringst du für Nachricht?

EINE ANDERE STIMME
Im Canal Orfano fand man eine Leiche.

GIOCONDA
O Graun! Entsetzen! o Schreckenskunde!
Im hellen Glanze strahlet,
Zum heitern Fest geschmückt, Venedig.
Es kämpfen in mir wieder
Hass und Lieb' in vollem Aufruhr,
Unendlich, furchtbar rasend.
O Liebe, o Qual, Enzo erbarm' dich mein!

Sie setzt sich weinend an den Tisch



DRITTE SZENE
Enzo tritt ein

ENZO
Gioconda!

GIOCONDA
erhebt sich, wie erwachend
Enzo, bist du's?

ENZO
finster
In dunkeln Kerkers Mauern
Gelöst hast du meine Fesseln,
Bewaffnet, frei ward ich durch dich ...
Sag', was begehrst du?

GIOCONDA
Was ich begehre? Ich Arme!
Dem Tageslicht, dem Leben,
Will ich dich wiedergeben.
Du sollst in Freiheit ziehen,
Geniessen des Lebens Lust,
Das seligste Entzücken,
Die Wonne des Paradieses.
für sich
O Himmel, gib mir den Tod!

ENZO
Mädchen, dein wildes Schwärmen
Verspottet meine Schmerzen:
Für mich entschwand
Des Lebens süsser Reiz,
Der Liebe Wonne! Ich scheide!

GIOCONDA
Wohin?

ENZO
Nicht frage mich!

GIOCONDA
ihn haltend
Bleibe und hör' mich!

ENZO
Ende!

GIOCONDA
O hör' mich.
Du willst für Laura sterben.

ENZO
Ja, doch noch einmal im Grabe
Will ich die Geliebte sehen,
Die bleichen Lippen küssen.

GIOCONDA
höhnend
Wohlan!
Eile zur Gruft hin, du Held,
Du treuer Freund.
Im Grab suchst du sie vergebens.

ENZO
O Himmel!

GIOCONDA
Ich liess sie rauben.

ENZO
Nein, Täuschung!

GIOCONDA
streckt die Hand nach dem Kreuze an der Wand aus
Wahrlich! Hier bei dem Kreuze schwör' ich's.

ENZO
Nein! so furchtbaren Frevel
Konntest du nie begehen;
Du willst mich täuschen

GIOCONDA
wild
Nein!
Was ich sagte, ist wahr!

ENZO
Du hast gleich der Hyäne
Das Grab selbst nicht verschonet,
Grausamer als die Furien
Ihr Todesruh missgönnnet.
Sag', wo hast verborgen du sie,
Die mir der Tod entrissen?
Rede, sonst werde ich fürchterlich
Den Grabesraub bestrafen.
er zieht den Dolch
Siehe! es blitzt in meiner Hand
Drohend dies Eisen.

GIOCONDA
für sich
O Wonne! er tötet mich.

ENZO
Schnell sag', wo hast du sie? Rede!

GIOCONDA
Nein!

ENZO
Wohlan, Verruchte, stirb denn!



VIERTE SZENE
Laura, Gioconda, Enzo

LAURA
Enzo, mein Geliebter!

GIOCONDA
erschrocken
O Himmel!

ENZO
O Gott! Wie?

LAURA
tritt ein
Mein Herz, es schlägt von Neuem.

ENZO
Ist es Täuschung?

LAURA
Das Leben kehret wieder, Enzo,
Teurer, ich lebe, komm du Geliebter.

ENZO
Du ... lebest? Laura!

GIOCONDA
Ich mag ihr Glück nicht sehen.

Sie verhüllt sich mit ihrem Mantel

LAURA
erblickt Gioconda
Weh mir! Der Schatten,
Der dunkle Schatten ist Alvise.
Fliehe!

ENZO
Nein, die Verwirrung täuscht dich.

LAURA
erkennt Gioconda, die den Mantel fallen lässt
Bist du's, die dort rettete
Das Leben mir?

ENZO
Du edles Mädchen.

ENZO UND LAURA
Ich beuge mich vor dir.

CHOR
von ferne
Zieh hin, Serenade,
Vom Zephyr getragen
Vom Meer zum Gestade.

GIOCONDA
Kennst du es wieder, dieses Lied,
O Laura?
Du hörtest es in banger Stund' erklingen.

CHOR
Die lieblichen Klänge
Sie rauschen daher;
Das Ruder begleitet
Das Lied auf dem Meer.

GIOCONDA
Ihr Gesang ist für uns. Sie nahen,
Meine Gefährten, um euch in sichrer Barke
Fortzubringen diese Nacht.

CHOR
Gebete erhebt euch
Zu himmlischen Fernen,
Ihr findet Erhörung
Dort über den Sternen.

GIOCONDA
Jede Vorsicht hab' ich getroffen.

LAURA UND ENZO
O sei gesegnet.

CHOR
Es tönt durch die Nacht
In lieblichen Klängen
Das Lied auf dem Meer.

GIOCONDA
Die Barke kommt schon näher.
Noch eh' der Morgen graut,
Bringen euch meine Gefährten
Nach dem Lido Tre Porti,
Und von da nehmt euren Weg
Nach Aquileja.
Bald leuchtet euch Illyriens Sonne,
Dort seid ihr frei,
Geniesst der Liebe Wonne.
Sie erblickt die Barke mit den Sängern
Da ist die Barke. Nun eilet,
Lebt wohl!
Die Barke legt an; Gioconda hüllt Laura in ihren Mantel
Es schütze dich mein Mantel.
Sie erblickt den Rosenkranz
Was seh' ich da? den Rosenkranz?
Allmächt'ger Himmel! so klang
Der teuren Mutter Wort prophetisch:
"Den Rosenkranz empfange,
Nimm ihn als Dankeszeichen;
Er, der mich stets begleitet hat,
Wird dir zum Glück gereichen.
Es bringe Heil und Frieden dir
Mein frommer Segensspruch."
Und so gescheh' es!
Empfangt meinen Segen,
Zieht hin in Frieden,
Und lasst zum Abschied
Die Stirne euch küssen.
Und wenn euch hold des Lebens Sonne lächelt,
Dann denkt Giocondas, der Armen.
Der Liebe Glück, es blüh' euch ewig!

LAURA UND ENZO
Es künden diese Tränen dir,
Wie deine Güte so tief mich beweget.
Vergessen werd' ich nimmermehr
Die schwere Abschiedsstunde,
Ich werde dein gedenken stets
Mit dankerfülltem Herzen.
Es segne dich der Engel Schar.
Leb' wohl, Gott lohne dir.

GIOCONDA
Lebet glücklich in treuer Liebe;
Lebt wohl, Gott leite euch.

Laura und Enzo auf der Barke ab



FÜNFTE SZENE
Gioconda allein, dann Barnaba

GIOCONDA
ergreift die Phiole
Jetzt ist alles vollbracht;
Nun kann ich sterben.
Ah nein, die Mutter!
Erhör' mich, Madonna,
Du auf dem Himmelsthron.
Zu bittre Schmerzen foltern meine Seele.
Nun hab' ich nur die Mutter noch zu suchen.
O Mutter!
plötzlich von einem Gedanken erfasst
Doch wehe mir!
Mein unheilvoll Versprechen ...
Ha! welch' Entsetzen!
Es macht mein Blut erstarren.
Ihn wiedersehn, sein fürchterliches Antlitz.
Sie eilt zu dem Madonnenbilde und wirft sich vor ihm nieder
Heilige Jungfrau, halte fern
Den Versucher.

BARNABA
kommt aus der Gasse und lauscht an der Türe
Der Mond verbirgt sich.
Betend? Sie ahnt noch nicht,
Dass ich gekommen, ihr Gebet belausche.

GIOCONDA
erhebt sich
Doch wie, warum bin ich so mutlos?
Was zaudr' ich?
Die Flucht nur kann mich erretten.

Sie eilt der Türe zu

BARNABA
Ha! sie will fliehn.

Er reisst die Tür auf und tritt Gioconda entgegen



LETZTE SZENE
Gioconda und Barnaba

BARNABA
furchtbar
Hältst du so dein Versprechen?

GIOCONDA
anfangs erschrocken, dann mit wachsender Entschlossenheit
Ja mein Wort werd' ich halten.
Ich habe geschworen; Gioconda
Wird niemals brechen ihren Eid.
Mag Gott mir verzeihn,
Was zu meiner Rettung ich vollbringen will.

BARNABA
beiseite
O Wonne, Entzücken!
Mein heisses Verlangen,
Mein glühend Begehren
Wird endlich gestillt.

GIOCONDA
zu Barnaba, der sich ihr naht
Verweile und zügle
Dein heisses Verlangen.
Ich will erst mich schmücken.

BARNABA
Entzücken!

GIOCONDA
Für dich soll schöner noch prangen
Die Fülle der Locken in Purpur und Gold.
Mit all jenem Flitter,
sich schmückend
Dem funkelnden, bunten Geschmeide,
Der tollen, der fröhlichen Bühne geziert.
Nur hör' den Gesang,
Der so lieblich berauschet.
Mein Wort werd' ich halten,
Ich täusche dich nicht.
Dich lockten meine Reize,
Du schändlicher Dämon,
So nimm sie denn hin. -

Sie ersticht sich mit einem Dolche, den sie in den Kleidern verborgen hatte

BARNABA
Was tust du? Halte! Raserei!
Nun gut; jetzt höre und
Stirb in Verzweiflung.
Er wirft sich auf Gioconda und ruft ihr in das Ohr
Rache traf deine Mutter,
Das Meer verschlang sie.
Sie hört nicht mehr. Ah!

Er stürzt mit einem Wutschrei fort