Libretto: Orfeo ed Euridice

from Christoph Willibald Gluck


ERSTER AUFZUG

Ouvertüre

Ein Hain mit dem Grabmal der Eurydike

ERSTE SZENE
Orpheus, Chor

Nr. 1 - Chor

CHOR
O wenn in diesen dunklen Hainen,
Eurydike, noch dein Schatten
um dein ödes Grabmal schwebt -

ORPHEUS
Eurydike!

CHOR
Ach, so höre diese Klagen,
sieh die Tränen,
die wir trauernd vergiessen für dicht

ORPHEUS
Eurydike!

CHOR
Sieh deinen Gatten, den Verlass'nen, weinen,
rührt sein Klagen dich nicht?

ORPHEUS
Eurydike!

CHOR
Du Entfloh'ne, kehr ihm wieder!
Bange Trauer beugt tief ihn nieder,
komm, Teure, banne den tötenden Gram!

Nr. 2 - Rezitativ

ORPHEUS
O Freunde, dieses Klagen vermehrt nur meine Leiden!
Den heiligen Manen Eurydikens
bringt nun das letzte Totenopfer,
und streuet Blumen auf ihr Grab.

Nr. 3 - Pantomime

Während der Pantomime bekränzen die Gefährten das Grabmal der Eurydike, die Nymphen streuen Blumen.

Nr. 4 - Chor

CHOR
O wenn in diesen dunklen Hainen,
Eurydike, noch dein Schatten
um dein ödes Grabmal schwebt,
ach, so höre diese Klagen,
sieh die Tränen,
die wir trauernd vergiessen für dich

Während des Nachspiels entfernt sich langsam der Chor.

Nr. 5 - Rezitativ

ORPHEUS
Lasst mich allein!
Dies Grab ist meinem Schmerze heilig,
und keiner sei mit mir
als nur mein Kummer.

Nr. 6 - Ritornell


ZWEITE SZENE
Orpheus allein.

Nr. 7 - Arie

ORPHEUS
So klag' ich ihren Tod
dem frühen Morgenrot,
dem Abendschimmer;
doch sie, des Orkus Raub,
bei meinem Rufen taub,
antwortet nimmer.

Nr. 8 - Rezitativ

ORPHEUS
Eurydike, Eurydike!
Teurer Schatten! Ach, wie weit bist du?
Dein Gemahl, tief in Trauer versenkt
und gefoltert vom Schmerz,
ruft dich immer,
fordert von den Göttern dich wieder.
Die Winde, ach, entführen seine Klagen.

Nr. 9 - Arie

ORPHEUS
Wehklagend irr ich so,
dort, wo sie mir entfloh,
am Ufer nieder;
des süssen Namens Schall
tönt dann der Widerhall
mitleidig wieder.

Nr. 10 - Rezitativ

ORPHEUS
Eurydike, Eurydikel
Dein süsser Name tönt überall.
Der Hain hat ihn oft von mir gehört,
jedes Tal kennet ihn;
in entlaubte Stämme,
in die Rinde junger Eichen
grub meine Hand ihn zitternd.
Eurydike ist nicht mehr,
ach! und ich lebe noch!
Götter, gebt Leben ihr wieder
oder gebt auch mir den Tod!

Nr. 11 - Arie

ORPHEUS
Weinend gedenk ich dein,
früh, wenn der Tag erscheint,
spät, wenn er schwindet.
Voll Mitleid mit meiner Qual,
murmelt der Fluss im Tal,
wer nur gibt Antwort mir.

Nr. 12 - Rezitativ

ORPHEUS
Grausame Götter Acherons,
des Reichs der Schatten,
ihr, die ihr herrschet mit Schrecken,
dienstbar Plutos Machtgebote,
die ihr begierig seine Befehle erfüllt,
die nichts erweicht und rührt,
nicht die Jugend, nicht die Schönheit;
ihr habt mir geraubt die zärtlich treue Gattin,
o welch' hartes Geschick!
Nicht sie, im Zauber holder Jugend,
verschonte eure Hand voll Mord und Raubbegier?
Unerbittliche Tyrannen!
Ich ford're sie zurück!

Ja, ich steige hinab zu des Orkus Gestaden;
meine Klagen, meine Tränen sollen beugen euren Grimm;
kühn mit eurer Wut mich zu messen,
fühl ich Kraft, fühl ich Mut genug!


DRITTE SZENE
Orpheus. Amor

AMOR
Gott Amor kommt zum Trost dem verzweifelnden Gatten.
Vertraue mir, denn Zeus hat dein Schicksal gerührt.
Zum Reich des Orkus darfst du gehen;
dort siehst du Eurydike im stillen Reich der Schatten.

Nr. 13 - Arie

AMOR
Deines Harfenspiels Harmonien
stimme dort an mit milder Glut;
bezähmst du der Tyrannen entsetzliche Wut,
wirst du aus jenem Reich mit ihr in Frieden ziehen.

ORPHEUS
Wie, ich soll sie wiedersehn?

AMOR
Deines Harfenspiels Harmonien
stimme dort an mit milder Glut;
bezähmst du der Tyrannen entsetzliche Wut,
wirst du aus jenem Reich mit ihr in Frieden ziehen.

Nr. 14 - Rezitativ

ORPHEUS
Wie, ich soll sie wiedersehn?

AMOR
Ja; doch vernimm' vorher,
was dir nach der Götter Geheiss
auferlegt zu tun und zu dulden.

ORPHEUS
O kein Befehl schreckt mich zurück,
für sie besteh' ich jede Prüfung.

AMOR
So höre, was dir Zeus befiehlt:
Eh du die Erde erreichest,
hüte dich, einen Blick auf die Gattin zu tun,
sonst verwirkst du ihr Leben und verlierst sie auf ewig.
So lautet das Gebot, so verlangt es Zeus!.
Seiner Gnade bezeig dich wert!

Nr. 15 - Arie

AMOR
Mit Freuden den Willen
der Götter erfüllen,
vor ihnen sich beugen,
und dulden und schweigen,
beglücket den Mann.

Soll süsses Entzücken
dich wieder beglücken,
so hemme die Klage,
die seligsten Tage
erwarten dich dann.


VIERTE SZENE
Orpheus allein.

Nr. 16 - Rezitativ

ORPHEUS
Was hör' ich? Ist es wahr?
Eurydike werde ich sehn,
meine Eurydike?
Doch doppelt Leiden wird mich erfüllen
in jener Stunde,
wenn ich, berauschet vor Wonne,
auf sie nicht dürfte blicken,
nicht drücken sie ans Herz!

O du Geliebte,
Beute wirst du tödlichem Schmerz!
Schon seh' ich keine Wahl!
Mich foltert dies Schreckensbild;
ach, schon bei dem Gedanken
fühl ich in den Adern erstarren mein Blut.

Tragen will ich's, ich will es mutig vollenden!
Mein Unglück, nicht länger ist's zu tragen,
und lieber will ich erliegen den Gefahren,
als ohne sie leben!
Götter, leiht mir euren Schutz,
ich werde gehorchen!


ZWEITER AKT

Eingang zur Unterwelt mit dem Styx

ERSTE SZENE
Chor der Furien und Geister der Unterwelt. Später Orpheus.

Nr. 18 - Furientanz

Orpheus lässt seine Leier erklingen

Nr. 19 - Harfenspiel, Chor

CHOR
Wer ist der Sterbliche,
der dieser Finsternis zu nahen sich erkühnt
der diesem Schreckensort: so frevelnd trotzt?

Nr. 20 - Furientanz

Nr. 21 - Chor

CHOR
Wer ist der Sterbliche,
der dieser Finsternis zu nahen sich erkühnt,
der diesem Schreckensort so frevelnd trotzt?
Tödlicher Schrecken, Entsetzen ergreife ihn,
wenn ihm mit schrecklichem Drohen
den Eingang der Zerberus wehrt.

Nr. 22 - Solo mit Chor

ORPHEUS
Ach, erbarmet, erbarmet euch mein l
Furien!

CHOR
Nein!

ORPHEUS
Larven!

CHOR
Nein!

ORPHEUS
Furchtbare Schatten!

CHOR
Nein!

ORPHEUS
In eure Seelen dringe meines Herzens tiefe Pein!i

CHOR
Nein, nein, nein!

Nr. 23 - Chor

CHOR
Jammernder Sterblicher,
was willst, was suchst du hier?
Dunkel und Mitternacht,
Ächzen und Winseln wohnt
in diesen schrecklichen, traurigen Kreisen!
Was willst, was suchst du hier,
jammernder Sterblicher? Was?

Hier ist der Aufenthalt
furchtbarer Todesangst,
hier tönt nur Klaggeschrei,
hier herrscht nur Qual.

Nr. 24 - Arie

ORPHEUS
Tausend Qualen, drohende Schatten,
sind wie euch auch mir beschieden;
die Hölle selbst tobt in mir,
ihr Feuer glüht durch meine Brust.

Nr. 25 - Chor

CHOR
Welch ungewohnter Trieb,
zärtlich und mitleidvoll,
hemmt unsern Widerstand,
flösst uns Erbarmen ein,
schmilzt uns das Herz?

Nr. 26 - Arie

ORPHEUS
Todesgötter, höret gnädig
meinen Jammer, meine Klagen!
Ja, habt Mitleid für mein Leiden
und verlass'ner Liebe Schmerz!
Heget Mitleid für mein Leiden
und verlor'ner Liebe Quall

Nr. 27 - Chor

CHOR
Sein sanftes Trauerlied,
sein banger Klaggesang
weckt unser Mitgefühl,
stimmet uns mild für ihn,
hat uns besiegt.

Öffnet, ihr ewigen,
ehernen Pforten, euch!
Lasst in die Unterwelt
ruhig den Helden ziehn,
der uns bezwang!

Nr. 28 - Furientanz

Die Furien sind allmählich verschwunden, ihr Gesang verklingt in einem undeutlichen Gemurmel. Nachdem sich die Bühne geleert hat, schreitet Orpheus der Unterwelt zu.


Verwandlung
Gefilde der Seligen

ZWEITE SZENE

Nr. 29 - Ballett

Nr. 30 - Ballett
Eurydike, Chor der seligen Geister

Nr. 32 - Arie mit Chor

EURYDIKE, CHOR
Diese Auen sind seligem Frieden
und der Ruhe nur geweiht,
hier lacht den Geistern, vorn Leben geschieden,
nur Seligkeit.

Hier versiegen ewig des Grames Tränen,
hier quält das Herz kein irdisch Sehnen,
nur Freud und Wonne atmet die Brust;
hier, wo nie des Kummers Klagen tönen,
herrscht nur Entzücken und Lust.


DRITTE SZENE
Orpheus

Nr. 33 - Arie

ORPHEUS
Welch reiner Himmel deckt diesen Ort!
Ein sanft'res Licht strahlt meinem Blick;
und welch harmonischer Gesang
der zart beflügelten Sänger
ertönt in diesem Hain!
Das Säuseln milder Luft,
der klaren Bäche Murmeln,
o alles ladet hier zu ew'ger Ruhe ein!

Doch die Ruhe, die hier alles atmet,
bringet nicht mir mein Glück zurück!
Nur du, du allein, Eurydike,
vermagst den Gram
aus meiner Seele zu verscheuchen!

Nur der Ton deiner süssen Stimme,
nur dein liebender Blick,
dein holdes Lächeln
geben mir Freud und Wonne wieder.


VIERTE SZENE
Orpheus und Chor der seligen Geister

Nr. 34 - Chor

CHOR
Komm ins Reich beglückter Schatten,
du, der treuste liebender Gatten,
komm, und sei wie wir beglückt!

Amor lohnt dir Treu und Lieder;
Eurydike kehret wieder,
mit des Himmels Reiz geschmückt.

Nr. 36 - Rezitativ und Chor

ORPHEUS
O sel'ge, beglückte Schatten,
gebt sie, um die ich klage,
o gebt sie mir zurück!
Könntet ihr je empfinden,
welch Feuer mich verzehret,
welch liebevolles Sehnen
mir die Brust durchglüht,
längst wär sie wieder mein,
die Geliebte, die Holde;
gebt sie mir, gebt sie mir zurücki

CHOR
Nun wohlan! sie sei wieder dein!


FÜNFTE SZENE
Orpheus und Chor der seligen Geister

Nr. 37 - Chor

CHOR
Aus dem Reich beglückter Schatten
komm zurück zu deinem Gatten,
lass ihn deines Blicks sich freu'n!

Seligkeit wird dir aufs neue;
seine Liebe, seine Treue
wird dein zweiter Himmel sein.


Eurydike wird von einer Schar seliger Geister Orpheus zugeführt. Ohne sie anzusehen, ergreift er hastig ihre Hand und führt sie rasch hinweg.


DRITTER AKT

Eine finstere Höhle, im Innern ein Labyrinth von herabgestürzten Felsblöcken und Trümmern, der Boden bedeckt von wildem Strauchwerk und Pflanzen.

ERSTE SZENE
Orpheus. Eurydike.

Nr. 38 - Rezitativ

ORPHEUS
So komm, Eurydike, folge mir,
du ewig treu Geliebte,
für die ich alles wagte.

EURYDIKE
Bist du's? Seh ich dich?
Orpheus! Ist's Täuschung, ist's Wahrheit?

ORPHEUS
Ja, du siehst deinen Orpheus,
ihn selbst, und lebend noch.
Aus dem Reiche des Todes
kam ich dich zu befrei'n;
gerührt durch meine heissen Tränen,
gaben dich die Götter mir wieder.

EURYDIKE
Wie, ich leb, ich bin dein?
Grosse Götter, welch ein Glückl

ORPHEUS
Folge mir, Eurydikei Lass uns eilen,
so lang der Götter Gunst uns bleibet;
lass fliehen uns den Ort des Todes!
Nicht mehr bist du ein Schatten,
und Amor will uns vereinen
zu ewig währendem Glück.

EURYDIKE
Was hör ich? So wär's kein Traum?
O seliges Entzücken!
Mein Orpheus, ewig bleiben wir treu vereint
durch Amors zarte Bande?

ORPHEUS
Ja; nur beeile deinen Schritt!

EURYDIKE
Doch deine Hand umschliesst
nicht mehr die meine!
Wie? Du fliehst meinen Blick,
den du so sehr geliebt?
Dein Herz ... so kalt,
so fühllos beim ersten Wiedersehn?
Ist mein Antlitz verblüht,
all mein Reiz so schnell entflohen?

ORPHEUS
Weh mir, grausame Götter!
Eurydike, säume nicht,
Verzög'rung bringt Gefahr;
eile weiterf ach, wie gern
gäb ich dir Beweise meiner Liebe!
Ich darf es nicht,
o schreckliches Gebot.

EURYDIKE
Nur einen Blick der Liebe!

ORPHEUS
Ach, du lässt mich erstarren!

EURYDIKE
Du Verräter!
also dies sind die Freuden,
die dein Herz mir bereitet?
Dies ist der Lohn für meiner Liebe Glut?
O welch grausames Schicksal!
Selbst einen Blick
kannst du mir jetzt versagen,
kannst nicht teilen die Wonne
der liebevollsten Gattin!

ORPHEUS
Vertraue mir,
gib keinem Argwohn Raum.

EURYDIKE
Führtest du nur zur Qual
ins Leben mich zurück?
Götter, gern will euer
Geschenk ich verschmähen!
Geh, entferne dich, Ungetreuer!

Nr. 39 - Duett

ORPHEUS
Komm, und vertrau meiner Treue!

EURYDIKE
Nein, ich bleib! lieber will aufs neue
ich tot und entfernt von dir sein.

ORPHEUS
Sieh mein Leiden!

EURYDIKE
Lass mich verweilen!

ORPHEUS
Ach, zur Erde lass uns enteilen,
dann bin ich auf ewig wieder dein!

EURYDIKE
Rede, gib Antwort, hör mein Flehen!

ORPHEUS
Und sollt' ich vor Gram vergehen,
werd' ich verschwiegen doch sein.

BEIDE
Süss, ihr Götter, ist die Hoffnung,
die ihr mir huldreich habt bereitet;
doch der Schmerz, der sie begleitet
wird mich bald dem Tode weihn.

Nr. 40 - Rezitativ

EURYDIKE
Ach, warum bleibet er
in diesem starren Schweigen?
welch Geheimnis birgt sein Herz?
Hätt' er nur mich entführt
aus der friedlichen Ruh,
dass ich erfuhr,
wie kalt er ist, wie fühllos?
O welch grausames Los!
Schon schwinden meine Kräfte,
und meinem trüben Blick
verdunkelt sich das Licht!

Ich erbeb, seufze schwer;
banges Schaudern erfasst mich;
mir wird kalt ... des Herzens Schläge
ertönen von Angstbedrängnis;
mächtig greift midi des Todes Wahn ...
ich unterliege meinem Schmerz.

Nr. 41 - Arie und Duett

EURYDIKE
Welch grausame Wandlung,
vom Frieden des Todes
hinüber ins Leben
voll Qualen zu gehn!

BEIDE
Rings war ich von Wonne
der Sel'gen umgeben,
ich war zufrieden,
und glaubte, das Elend
nie wiederzusehn.

Wie erhöht meine Qual
ihr schrecklicher Verdacht!
Was sag' ich? was tu ich?
Ach, mich erfasst Verzweiflung!
Find' ich nirgends Trost
für ihr gebrochnes Herz?

Ich erbebe, ich wanke
Wie bin ich zu beklagen!
Nicht mehr kann ich's ertragen!

EURYDIKE
Welch grausame Wandlung,
vom Frieden des Todes
hinüber ins Leben
voll Qualen zu gehn!

Nr. 42 - Rezitativ

ORPHEUS
Ach, nun erneut sich mein Jammer!

EURYDIKE
Mein teurer Orpheus,
bleibst du ferne?
Fleht dich vergebens
deine trostlose Gattin an,
erbarmungsvoll ihr beizustehn?
Ihr Götter,
so erbarmet ihr euch mein!
Soll ich mein Leben enden
ohn' einen Blick von meinem Orpheus?

ORPHEUS
Nicht kann ich mich länger beherrschen;
bebend erliegt mein Herz,
all meine Kräfte schwinden;
nicht acht' ich des Verbotes,
nicht der Gattin, nicht mein selber.

EURYDIKE
Ach, erbarme dich, ich fühle schon den Tod.

ORPHEUS
Erhole dich, du sollst es wissen ...
vernimm ... was tu ich ...
O ihr Götter, erlöst ihr mich nicht
von diesen Qualen?

EURYDIKE
Lebe wohlt deiner Eurydike erinnre dich!
Lebe wohl!

ORPHEUS
Wo bin ich?
Ihr Kummer zerreisst mir das Herz.
Nein, nicht fordern die Götter
ein so grausames Opfer!
O geliebte Eurydike ...
wendet sich zu ihr

EURYDIKE
Mein Orpheus! Ich sink, ich sterbe ...

ORPHEUS
Ach, was hab ich getan?
Wozu trieb mich die Liebe,
wohin riss mich ihr herbes Leid?
Teure Gattin! Eurydike! Holde Gattin!
Ach, sie hört mich nicht mehr;
ach, sie kehrt nicht zurück!
Und ich, ja ich, ich selbst gab ihr den Tod;
die Verzweiflung verwirrt den Sinn mir,
mein Schmerz ist ohne Grenzen!
In dieser Schreckensstunde
bleibt mir nichts mehr,
als nur der Tod, der alles endet.

Nr. 43 - Arie

ORPHEUS
Ach, ich habe sie verloren,
all mein Glück ist nun dahin!
Wär, o wär ich nie geboren,
weh, dass ich auf Erden bin!

Eurydike, gib Antwort
o vernimm mich!
O hör'meine Stimme,
die dich ruft zurück!

Ach, vergebens!
Ruh und Hoffnung,
Trost des Lebens
ist nun nirgends
mehr für mich l

Nr. 44 - Rezitativ

ORPHEUS
So mag der tiefe Schmerz
mit meinem Leben enden!
Nicht überleb' ich ihn,
den letzten Schlag des Schicksals.
Noch ist der Pfad der Unterwelt
mir offen, und führt mich bald zu dir,
meine holde Eurydike.

Ja, nur nach dir, treues Weib,
verlange ich;
o verweil, erwarte mich!
Nie mehr sollst du geraubt mir werden,
denn auf ewig verein'
der Tod mich nun mit dir.


ZWEITE SZENE
Amor erscheint und entreisst ihm den Dolch

AMOR
Halt ein! was tust du?

ORPHEUS
Nein, halt nicht auf diesen Arm,
dass er ende mein Leid,
spende Ruh' meiner Seelei

AMOR
Zähme deine Wut, du Betörter!
Halt ein und sieh in mir den Gott,
der über deine Wege wachet!

ORPHEUS
Sag, was begehrest du?

AMOR
Genug hat deine Treu
sich erprobt und bewährt;
darum soll nun dein Leiden sich enden.

Eurydike! erwache!
Der so innig dich liebt,
ihm gib der Treue Lohn.

ORPHEUS
Ach, Eurydike!

EURYDIKE
Mein Orpheus!

ORPHEUS
Allgüt'ge Götter,
wie sollen wir euch würdig danken'

AMOR
So zweifelt nie an meiner Macht!
Kommt mit zur Oberwelt
aus diesem Ort der Nacht
und geniesst dort auf ewig
der Liebe Seligkeit.


Verwandlung
Ein prächtiger Tempel, dem Eros geweiht

DRITTER AUFTRITT
Amor. Orpheus. Eurydike.
Sie werden umgeben von einer Schar Hirten und Hirtinnen, die Eurydikes Wiederkehr feiern.


Nr. 45 - Chor und Soli

ORPHEUS, CHOR
Triumph sei Amor,
und alles, was da lebet,
schmück' der Schönheit Götteraltar;
ja, wen sie beglücket,
wen sie entzücket,
bringet zum Opfer
gern sein Herz ihr dar.

AMOR
Wund durch Launen, durch sprödes Zürnen
seufzet oft schwer ein liebend Herz;
doch kehrt süsse Eintracht wieder,
wandelt in Wonne sich jeglicher Schmerz.

CHOR
Triumph sei Amor,
und alles, was da lebet,
schmück' der Schönheit Götteraltar;
ja, wen sie beglücket,
wen sie entzücket,
bringet zum Opfer
gern sein Herz ihr dar.

EURYDIKE
Eifersucht schlägt oft herbe Wunden,
doch zur Treu führt stets sie zurück;
Argwohn, den das Herz hat empfunden,
mehrt, entfliehend, der Liebe Glück.

CHOR
Triumph sei Amor,
und alles, was da lebet,
schmück' der Schönheit Götteraltar;
ja, wen sie beglücket,
wen sie entzücket,
bringet zum Opfer
gern sein Herz ihr dar.