Libretto: Orphée aux Enfers

from Jacques Offenbach


Orpheus in der Unterwelt


Personen:
ARISTEUS (Bass)
EURYDICE (Sopran)
PLUTO (Bass)
DIANA (Sopran)
JUPITER (Bariton)
DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG (Alt)
ORPHEUS (Tenor)
JUNO Mezzosopran)
HANS STYX (Bass)
VENUS (Sopran)
MERKUR (Tenor)
CUPIDO (Sopran)
BACCHUS (Bass)
MINERVA (Sopran)
MARS (Bariton)

CHOR
Götter, Göttinnen usw.

ERSTER AKT

ERSTES BILD
Der Tod der Eurydice

Gefilde in der Umgegend von Theben. Im Hintergrund ein Getreidefeld. Links die Hütte des Aristeus, mit der Inschrift über der Türe: "Aristeus, Honigfabrikant engros und endetail. Depôt im Berge Hymettus." Rechts die Hütte des Orpheus, mit der Inschrift: "Orpheus, Direktor des Konservatoriums zu Theben; gibt auch Musikstunden."

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Wer ich bin? - Den Chor der Alten
Ersetz' ich Euch mit viel Geschick.
Ich bin die öffentliche Meinung;
Symbolisch nur in der Erscheinung,
Ueb' ich mit Strenge die Kritik.
Der Chor, der einst erscheinen musste,
Macht' Alles in dem Drama klar,
Was jeder schon im Voraus wusste,
Der nicht zu sehr vernagelt war.
Ich tu' noch mehr, - mit den Akteuren
Tret' ich aus der Kuliss' heraus,
Und teile laut, um zu belehren,
Bald Beifall und bald Tadel aus.
Die Gattin mag vor mir erbeben,
Die in der Treue schlecht besteht;
Doch auch der Gatte, der im Leben
Bisweilen Seitenpfade geht.
Ich spreche nur zu den Personen
Des Stücks, - die Andren muss ich schonen.
Da kommt Eurydice; - ich gehe,
Doch bin ich plötzlich wieder da,
Wenn ich was Tadelnswertes sehe,
Wie ein Deus ex Machina.

EURYDICE
sie pflückt Blumen ab und bildet eine Guirlande daraus

Nr. 1 - Couplets

1.

Ein Weib, das Lieb' und Sehnsucht plagen,
Erquickt der Schlummer nicht.
Sie muss dem weichen Pfühl entsagen
Beim ersten Morgenlicht.
Wie blühen dann vor ihren Blicken
Die Blumen all' so schön,
Sie senden duftendes Erquicken!
Und wisst Ihr wohl, für wen?
Sagt nur davon nichts meinem Mann!
s' ist für den Schäfer nebenan!

Sie nähert sich voll Unruhe der Hütte des Aristeus und hängt die Guirlande an seine Tür

2.

Tagtäglich schleich' ich her und pflücke
Die schönsten Blüten mir,
Und zart verschling' ich sie und schmücke
Damit des Schäfers Tür.
Voll Neubegier, voll Angst und Zagen,
Ob er den Schmuck wird sehn,
Fühl' ich das Herz viel heisser schlagen -
Und wisst Ihr wohl, für wen?
Sagt nur davon nichts meinem Mann!
's ist für den Schäfer nebenan!

Sie öffnet vorsichtig die Hüttentür und blickt einen Augenblick hinein. Währenddessen erscheint Orpheus, mit der Violine in der Hand, von der linken Seite

EURYDICE
Er ist ausgegangen. - Ich will ihm eine kleine Ueberraschung bereiten. Er soll, wenn er zurückkehrt, auf Lavendel, Myrt' und Thymian wandeln.

Sie nimmt die Blumen, die sie in ihrem Kleide hält, und wirft sie vor der Hütte hin

ORPHEUS
Was seh' ich? - Ist das nicht Chloé, die Nymphe mit den schmachtenden Vergissmeinnichts- Augen, mit dem Purpurmund, mit denPerlenzähnen? Ist sie's nicht, die Nymphe meines Herzens? - Und allein! - Ich will ihre Lieblingsmelodie spielen, damit sie aufs Angenehmste von meiner Gegenwart überrascht wird.

Er spielt eine leidenschaftliche Melodie auf der Violine

EURYDICE
Himmel, mein Mann!

ORPHEUS
Hölle, mein Weib! - Ich muss die Offensive ergreifen, bevor sie mir selbst den Krieg erklärt. Ha, bist du endlich entlarvt? Wem warfst du diese Blüten zu?

EURYDICE
Dem Zephyr!

ORPHEUS
Wind! Wind!

EURYDICE
Wem aber galten die feurigen Seufzer deiner Geige?

ORPHEUS
Der keuschen Luna.

EURYDICE
Ich kenne deine mondsüchtigen Schwächen. Doch wozu viel Worte! Du liebst eine andere, als mich; ich liebe einen anderen, als dich. Geh du deine Wege, und lass mich die meinen gehen!

ORPHEUS
Zeus, welch' emanzipierte Grundsätze!

EURYDICE
Es muss endlich heraus! Orpheus, ich bin deiner müde. Als ich die Deine ward, glaubte ich, einen Künstler zu heiraten, der fähig wäre, die zarten Saiten meines Herzens zu süsser Harmonie zu stimmen. Aber wie hab' ich mich getäuscht! Orpheus, du bist eine gewöhnliche Geigernatur!

ORPHEUS
Weib, dein Urteil ist bitter.

EURYDICE
Wie das Los, das du mir bereitet hast. - Doch genug! Entzücke die gemeinen Bauernschenken mit deinen Gassenhauern. Ich sage mich los von dir. Ich bin von angesehener Familie.Mein Vater war ein respektabler Halbgott; meine Mutter war eine geistreiche Nymphe, und ich sehe gar nicht ein, warum ich mein Leben in dem trostlosesten Joche verseufzen soll.

ORPHEUS
Mit solchen Ansichten geht man weit.

EURYDICE
Der Weg, der mich von dir führt, wird mir nie zu weit scheinen. Und dann will ich dir auch gestehen, ich liebe Aristeus. Orpheus. Er handelt mit Honig; er wird dir ein süsses Dasein bereiten. Ha! ha! ha!

EURYDICE
Dein Witz riecht nach Kolophonium. - Kurz und gut, Aristeus hat mein Herz, und du hast - meine Verachtung.

ORPHEUS
Da fragt sich's noch, wer beneidenswerter ist, ich oder Aristeus.

EURYDICE
Nichts soll mich von ihm trennen.

Nr. 2 - Duett

ORPHEUS
So ist's gemeint?

EURYDICE.
Ja, ja, mein Freund!

ORPHEUS
Mir als Gatten bist du so feind?

EURYDICE
Ja, ja, mein Freund!

ORPHEUS
Du hassest mich auch als Artisten?

EURYDICE
Ja, ja, mein Freund!

ORPHEUS
Du liebst nicht den Violinisten?

EURYDICE
Nein, nein, mein Freund!
Zuwider ist mir der Violinist;
Das verwünschte Spiel
Ward mir längst zu viel.
Denn weder Rast noch Ruhe gönnt
Mir das fatale Instrument.

ORPHEUS
Du wagst es, so zu sprechen?
Dafür werd' ich mich rächen!

EURYDICE
Doch wie? doch wie?

ORPHEUS
Zur Strafe sollst du hören
Mein neuestes Konzert;
Es ist, das kann ich schwören,
Von unschätzbarem Wert!

EURYDICE
Gnade, Gnade! O schone mein!

ORPHEUS
Nein, nein, so muss es sein!
Ich schrieb es in E-dur;
Es währt zwei Stündchen nur.

EURYDICE
Zwei Stunden! Ach, wer hält das aus?

ORPHEUS
Fürwahr, ein schöner Ohrenschmaus!

EURYDICE
Ich höre dir nicht zu!

ORPHEUS
Ja hör', ich lass dir keine Ruh'.

Orpheus spielt auf der Violine; Eurydice hält sich voll Verzweiflung die Ohren zu

EURYDICE
Das klingt abscheulich
Und ganz entsetzlich!

ORPHEUS
Das klingt erfreulich
Und sehr ergötzlich!

EURYDICE
Welch' tolles Spiel!
Es ist zu viel!

ORPHEUS
Welch' reizend Spiel!
Und welch' Gefühl!

EURYDICE
O welch' ein Graus!
Ich halt's nicht aus!

ORPHEUS.
Die Melodie
Schuf mein Genie!
O höre nur noch dies Motiv,
Wie sanft, wie weich, wie klassisch tief!

EURYDICE
Soll die Qual länger noch währen?

ORPHEUS
Ja, du musst's zu Ende hören!
Dieses glissato,
Und dies legato,
Nun pizzicato,
Accelerando,
Ritardando,
Presto, presto,
Animato,
Agitato!

Er spielt fort Eurydice singt

EURYDICE
Vor Verdruss möcht' ich vergehen,
Nein, ich hör's nicht länger an!
Hör', o Venus, hör' mein Flehen,
Befreie mich von diesem Mann!

O Venus, holde Göttin mit dem süssen Lächeln, befreie mich von Orpheus und ich will dir zehn milchweisse Lämmer opfern.

ORPHEUS
O Zeus, gewaltiger Donnergott mit der weltbeherrschenden Augenwimper, befreie mich von Eurydice und ich will die schönsten Hymnen zu deinem Lobe singen. - Weib, dein Herz ist weiter als dein Verstand, und dein Gewissen weiter als dein Herz.

EURYDICE
Nun, was folgt daraus?

ORPHEUS
Daraus folgt, meine süsse Ehehälfte, dass ich mir keine Illusionen mache. Meine Stirne ist bestimmt, einen Lorbeerkranz zu tragen, aber nicht den Schmuck, den dein Leichtsinn mir anlegen will.

EURYDICE
Nun gut, so wollen wir uns trennen.

ORPHEUS
Schon der blosse Gedanke an diese Trennung erfüllt mich mit unaussprechlichem - Entzücken; allein -

EURYDICE
Dieses "Allein" gibt mir einen Stich ins Herz.

ORPHEUS
Allein ich muss die öffentliche Meinung schonen. Ich komme in sehr anständige Familienhäuser, wo man einen andern Begriff von der Ehe hat, als wir. Man liebt dort die Eheleute nicht, die in getrennter Verbindung leben.

EURYDICE
Lächerlich!

ORPHEUS
Das mag sein; aber ich darf meine Zukunft nicht kompromittieren.

EURYDICE
Alle schlechten Musikanten sprechen jetzt von der Zukunft. O wie sehr zuwider sind mir diese Zukunftsmusikanten!

ORPHEUS
Weil du keine Idee von der Zukunftsmusik hast.

EURYDICE
Weil die Zukunftsmusik keine Idee hat. - Die Zukunftsmusik ist eine Musik, von der die Gegenwart mit Recht behauptet, dass sie keine Vergangenheit haben wird.

ORPHEUS
Sehr geistreich! - Doch genug der Worte! Ich habe mir fest vorgenommen, diesem Liebeshandel ein Ende zu machen, und jeden deiner Anbeter ohne weiteres abzumurksen.

EURYDICE
Mit deinem Fiedelbogen?

ORPHEUS
Das wird sich finden! - Doch er mag sich hüten, künftig in diesem Getreidefeld herumzuschleichen.

EURYDICE
Und wer wird ihn daran hindern?

ORPHEUS
Ein gewisses Etwas, das ich goldenen Aehren gestreut.

EURYDICE
Was soll das heissen?

ORPHEUS
Punktum! Streusand drüber! - Ich gehe jetzt ins Konservatorium, meine neue Sinfonie in C-dur meinen Schülern einzustudieren. - Adieu, mein Püppchen! Denk' an das "gewisse Etwas" im Aehrenfeld! Verstehst du mich?

EURYDICE
Was will er mit dem "gewissen Etwas" sagen. - Dieser Mensch ist in seiner Eifersucht zu allem fähig. - Aristeus nimmt immer den Weg durch dieses Getreide, wenn er mit mir plaudern will. - Hm! - hat er meinem holden Schäfer vielleicht eine Schlinge gelegt? - Ich muss doch den Geliebten meines Herzens warnen! - Welch' ein Unglück ist es, einen Mann zum Gatten zu haben, den man nicht liebt, und zugleich einen Mann zu lieben, den man nicht zum Gatten hat! - Aber lieb' ich Orpheus deshalb nicht, weil ich seine Gattin bin, und lieb' ich vielleicht Aristeus deshalb, weil er nicht mein Gatte ist? - Ist die Liebe ein Hindernis in der Ehe? Ist die Ehe ein Hindernis in der Liebe? - Ach, wer vermag es, diese verwickelten Fragen zu beantworten! -

Sie geht links ab. In diesem Augenblick erscheint Aristeus auf dem Hügel im Hintergrunde

Nr. 3 - Hirtengesang

ARISTEUS
Ich - ich bin Aristeus, der seine Lämmer weidet,
Ein Honigfabrikant, der selbst die Waben schneidet,
Ein Mensch, der keinen Wunsch und keine Freude kennt,
Als Jovis Huld dem Hirtenvolk vergönnt.

1.

Seh' ich Eos' gold'ne Rosen
Auf den Hügeln glühn;
Seh' ich dort an jedem Morgen
Neu den Tag erblühn;
Seh' ich meine Bienen schwärmen
Auf dem grünen Plan
Und den süssen Honig saugen
Aus dem Thymian: -
Dann preis' ich dankbar mein Geschick
Und wünsche mir kein schön'res Glück!

2.

Seh' ich meine Lämmer grasen
An des Baches Rand
Und sich in dem Busch verbergen
Bei der Sonne Brand;
Seh' ich, wie die Hirtin schlummert,
Lässig hingestreckt,
Und sie dann ihr Schäfer findet
Und sie küssend weckt: -
Dann preis' ich dankbar mein Geschick
Und wünsche mir kein schön'res Glück!

Vorsichtig umhergehend

So lyrisch-fromm, so idyllisch-harmlos, so naiv-naturschwelgerisch, so rhythmisch-blühend sprech' ich immer, wenn ich mich den Leuten gegenüber befinde; denn solche Gessnerische Redensarten, solche blumenduftige Phrasen gewinnen das Vertrauen der Welt, die sich von jeher durch Phrasen und Redensarten hat bestechen lassen. Aber wüsstet Ihr, mit welchen infernalischen Anschlägen und Entwürfen ich mich herumtrage! - Gelingt der Plan, den ich dem Orpheus eingeflösst, so werde ich heute einen Meisterstreich ausführen. - Ach, da kommt die blondlockige, blauäugige, warmfühlende Eurydice. Ich will tun, als ob ich nicht durch das Getreide gekommen wäre.

EURYDICE
Ueberall such' ich seine teure Spur - umsonst! - Bei den Grazien, da ist er! - Aristeus, holdseliger Hirte! Vorsicht ist die Mutter der Weisheit.

ARISTEUS
Was kümmert mich dieses Familienverhältnis?

EURYDICE
Nimm dich in acht!

ARISTEUS
Warum?

EURYDICE
Pst! Sprich nicht so laut!

ARISTEUS
Wir müssen uns doch aber verstehen. Ich komme -

Er stellt sich, als wolle er durch das Getreide gehen

EURYDICE
Wenn dir dein Leben, wenn dir mein Leben lieb ist, rühre dich nicht von der Stelle!

ARISTEUS
Da ich meine Füsse, da ich meine Zunge fesseln soll, so werde ich wohl zur Mimik meine Zuflucht nehmen müssen.

Er geht einen Schritt gegen das Getreide

EURYDICE
Aristeus, holdseliger Schäfer, ich bitte, ich beschwöre dich - keinen Schritt weiter!

ARISTEUS
Was soll das heissen? Woher diese Furcht? diese Angst? Eurydice. Mein Gatte, der Barbar, weiss alles. Er hat dir eine Falle gelegt zwischen diesen goldenen Aehren, den keuschen Zeugen unserer Liebe.

ARISTEUS
Papperlapapp!

EURYDICE
Welch' süsser Naturlaut! - O lass dich warnen, holdseliger Schäfer; die Schlinge liegt bereit, dich zu verderben. Ich weiss es.

ARISTEUS
Welch' ein Einfaltspinsel! Er will mich fangen und lässt mich warnen! - Doch ich muss diese Ungeschicklichkeit wieder gut machen. Mein süsses Kätzchen, weisst du, was ich davon halte? -

EURYDICE
Nun?

ARISTEUS
Ich halte deine Furcht für eine grosse Albernheit.

EURYDICE
Albernheit! Er war wütend und hat geschworen, dass--

ARISTEUS
Ha! hat ha!-Sieh', welche Furcht mir seine Schlingen einflossen!

Er springt im Getreide auf und ab

EURYDICE
Aristeus, holdseliger Hirte, du rennst in den Tod.

ARISTEUS
Das hat keine Not, - und wenn auch, was würde man nicht wagen, um zu dir zu gelangen?

EURYDICE
Wohlan, so will ich mit dir sterben!

Musik im Orchester

ARISTEUS
Endlich!

Sie gehen in das Getreide, um sich zu begegnen. Eurydice bleibt plötzlich stehen

EURYDICE
O weh!

ARISTEUS
Sie sitzt fest!

EURYDICE
Ich bin gefangen!

ARISTEUS
Und schlimmer, als du glaubst!

EURYDICE
O Himmel! Was geht mit mir vor?

ARISTEUS
Pluto, werde wieder du selbst! - Eins, zwei, drei! Sein Hirtenkleid fällt ab, und er erscheint als Höllengott. Und jetzt wollen wir die Elemente ein wenig durcheinander schütteln.
Er winkt mit seinem Zweizack. Donner; es wird finstere Nacht. Nach dem Gewitter
So geht man bei uns mit den Elementen um.

EURYDICE
Mächtiger Gott! Werde ich denn sterben?

ARISTEUS
Mausetot! Lasciate ogni speranza.
Er schlägt ein gellendes Gelächter auf

EURYDICE
Aber ich fühle gar keinen Schmerz!

ARISTEUS
Ich werde dir später erklären, warum?

Nr. 4 - Couplets

EURYDICE
1.
Der Tod will mir als Freund erscheinen,
Mit wahrer Lust begrüss' ich ihn;
Ich lächle nur, anstatt zu weinen,
So komm', o Tod, und nimm mich hin!

2.
Du machst mein Herz vor Freude beben,
Nicht fühl' ich deine kalte Hand,
Es scheint, mir ward ein neues Leben,
Statt, dass ich heut mein Ende fand. -
Leb' wohl, leb' wohl!

Sie sinkt leblos auf die Rasenbank

ARISTEUS
Plumps, da liegt sie! Eine Träne - eine Träne! Und dann fort! Doch bevor wir gehen, wollen wir dem Herrn Gemahl noch eins versetzen!

Musik.

Er magnetisirt Eurydice. Diese erwacht und richtet sich, wie gezwungen, empor. - Pluto gibt ihr seinen Zweizack und zeigt auf die Hütte des Orpheus
Da ist eine Feder und alles, was du zum Schreiben brauchst!
Schreibt auf die Tür folgende vier Verse, die unter ihrer Hand in feurigen Buchstaben erscheinen

EURYDICE
Verlassen muss ich diese Schwelle,
Denn ich bin tot ohn' allen Zweifel,
Aristeus war der Gott der Hölle,
Und jetzt holt mich der Teufel.

Pluto ergreift Eurydice

ARISTEUS
Die Reime sind nicht glänzend! Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. - Und jetzt hinab zu den dunkeln Gestaden!

Sie verschwinden Beide durch eine Versenkung

ORPHEUS
Jeder Stand hat seine Plage,
Jeder Stand hat seine Not.
Aber eine grössere Plage, als den Lehrerstand, gibt's nicht. - Nachdem ich ein halbes Dutzend Lektionen gegeben, wirbelt's mir so toll im Kopf, als säss' ein Hufschmied darin. - Aber was zum Henker ist denn mit unserer Erde vorgegangen? Ich verlasse um 3 Uhr meine Lektionen und komme bei dunkler Nacht nach Hause.

Wie erklärt Ihr, Oerindur,
Diesen Zwiespalt der Natur?

Ich habe noch nicht zu Mittag gespeist, und schon ist die Zeit zum Abendessen da. Auch gut! So halt' ich statt zwei Mahlzeiten nur eine. Es wird dabei immer etwas gespart. Bei'm Jupiter, was bedeutet das? Die Handschrift meiner Frau?

Verlassen muss ich diese Schwelle,
Denn ich bin tot ohn' allen Zweifel,
Aristeus war der Gott der Hölle,
Und jetzt holt mich der Teufel.

Wie! Sie ist tot? - Es ist nicht möglich! - Und doch! - sie muss tot sein - sie sagt es ja selbst! Dank, o Dank dir, Wolkensammler! Ist jemand da? - Nein, keine Seele! Ich kann mich also ungestört meiner Freude überlassen! Ich danke dir, Eurydice, für die freudige Ueberraschung, die du mir bereitet hast. Welch' ein beglückender Verlust! Wie selig ist der Mann, der sagen kann: Meine selige Frau. Schnell zu meiner holden Nymphe, um ihr mein Wonnegefühl mitzuteilen.

Musik. Blitz und Donner.

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Zurück!

ORPHEUS
Ha, die öffentliche Meinung, die mich schon verfolgt!

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Ja, die öffentliche Meinung, die dich deiner unschicklichen Freude entreissen wird, um sie dich hart büssen zu lassen.

ORPHEUS
Was soll das heissen?

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Du wirst mir auf der Stelle nach dem Olymp folgen und dort zu den Füssen Jupiters von ihm die verlorene Gattin zurückfordern.

ORPHEUS
Grausame, was sprichst du! - Ich soll Eurydice zurückfordern? Ich soll mich entwittwern? Tät' ich diesen Schritt, so wär' ich wahrhaftig nicht wert, meine Frau verloren zu haben.

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Du musst diesen Schritt tun zur Erbauung der Nachwelt, damit diese wenigstens einen Gatten nenne, der seine Frau, die unter der Erde war, wieder auf der Erde sehen wollte. Gewöhnlich ist das Umgekehrte der Fall. Dafür versprech' ich dir aber auch, dass dein Name im Konversations-Lexikon prangen wird.

ORPHEUS
Aber ich liebe sie ja nicht.

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Sancta Simplicitas! - Wenn du sie liebtest, braucht' ich wahrhaftig nicht erst mit Geissel und Fackel zu kommen, um dich zu dem oben erwähnten Schritte zu zwingen.

ORPHEUS
Aber ich verabscheue sie.

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Desto rühmlicher wird das Beispiel für dich sein. - Wäre die Tugend angenehm, so würde es ja kein Verdienst sein, sie zu lieben. Also spute dich!

ORPHEUS
Ich will nicht!

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Du willst nicht? Du ziehst es vor, meiner Rache anheimzufallen? Wohlan! Die Welt soll erfahren, wer die Falle gelegt, in welcher Eurydice sich verfing. Die Welt soll dein Verhältnis mit der Nymphe Chloé erfahren. Was wird die Folge sein? - Alles wird mit Fingern auf dich zeigen.

ORPHEUS
Schrecklich!

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Du wirst deine Lektionen verlieren!

ORPHEUS
Entsetzlich!

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Du wirst aus dem Kasino gestossen werden.

ORPHEUS
Fürchterlich!

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Darum komm'!

Nr. 5 - Duett

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Komm, die Ehre soll dich leiten,
Sie geht der Liebe stets voran,
Als Führer werd' ich dich begleiten
Hin und zurück auf deiner Bahn.

ORPHEUS
Komm!-Mich soll die Ehre leiten!
Wie wenig, ach! liegt mir daran!
Ich muss gezwungen sie begleiten,
Ich unglücksel'ger Ehemann!
ZWEITES BILD

Der Olymp, Wolken

Nr. 6 - Ensemble

CHOR
O Seligkeit, im Schlaf zu liegen!
Ach, würd' er niemals uns gestört!
's ist ja das einzige Vergnügen,
Das im Olymp man uns gewährt!

CUPID
Cupido bin ich - alles Glück
Entsteht aus dem nur, was ich lehre.
Beim Morgenrot kehr' ich zurück
Von einem Ausflug nach Cythere.
Doch, warum ich komme, weiss ich allein.
Da hier alles schläft, schlaf' ich auch mit ein!

Er schläft auf Wolken ein

VENUS
Die Venus bin ich - alles Glück
Entsteht aus dem nur, was ich lehre.
Beim Morgenrot kehr' ich zurück
Von einem Ausflug nach Cythere.
Doch, warum ich komme, weiss ich allein.
Da hier alles schläft, schlaf' ich auch mit ein!

Sie legt sich auf die Wolken rechts und schläft ein. Jagdmusik von ferne, die nach und nach näher kommt

JUPITER
Beim Saturn! Was geht denn hier vor?
Welch' ein Lärmen betäubt unser Ohr?
Es ist unsere Tochter Diana,
Deren Horn so lustig ertönt.
Ihr Schläfer, auf und nicht gegähnt!

Alle erheben sich gähnend. Die Wolken verschwinden. Ansicht des Olymps

Dass der Schlaf endlich euch vergeht,
Kommt und begrüsst, statt so zu gähnen,
Die Göttin laut mit Jubeltönen,
Wie's im Reglement geschrieben steht.

ALLE
Heil dir, Diana, keusche Göttin;
Wir freuen uns, dich wohl zu sehn!

VENUS
So betrübt? - Was ist geschehn?

DIANA
Vor Gram und Schmerz muss ich vergehn!

Couplet

1.

Wenn ich den grünen Wald durchjage,
Tralarum, tra, la la la,
Such' ich Actäon immer dort,
Tralarum, tra, la la la,
Und finde sicher alle Tage
Tralarum, tra, la la la,
Ihn am bestimmten stillen Ort.
Tralarum, tra, la la la.

2.

Auch heute mit dem früh'sten Tage
Tralarum, tra, la la la,
Erschein' ich wieder an dem Ort,
Tralarum, tra, la la la,
Ich lausche, rufe, wein' und klage,
Tralarum, tra, la la la,
Doch ach, Actäon war nicht dort.
Tralarum, tra, la la la.

DIANA
Armer Actäon! liebenswürdiger Jüngling, was ist aus dir geworden?

JUPITER
Was aus ihm geworden? Das will ich dir gleich sagen! Du hast dem ebenso talentvollen, wie wissbegierigen jungen Mann so viel Konzessionen gemacht, dass ich genötigt war, ihn in einen Hirsch zu verwandeln. Ich habe dann die leichtgläubigen Sterblichen glauben machen, besagte Verhirschung sei von dir veranlasst worden.

DIANA
Welche Uebereilung!

JUPITER
Ich hab' es getan, um wenigstens den Schein zu retten. - Ich sag' euch, Kinder, die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Wir Olympier geniessen auf der Erde nicht mehr das alte Ansehen. Man beobachtet uns; man erspäht unsere schwachen Seiten; man bestreitet unsere Rechte; man fängt sogar an, unsere ganze Stellung in Frage zu ziehen. Wir müssen daher auf unserer Hut sein und durch ein moralisches Betragen uns auszuzeichnen suchen.

DIANA
Du gehst uns mit gutem Beispiel voran!

JUNO
Hat er wieder einen tollen Streich ausgeführt?

JUPITER
Beruhige dich, weissarmige Gattin! Alles, was gegen mich gesagt wird, ist nichts als boshafte Erfindung. Es sind Zeitungs-Enten, von elenden Journalisten ersonnen, um mich herabzusetzen. Doch genug davon! Ich muss mich mit den inneren Angelegenheiten des Olymps beschäftigen. Klagen, nichts als Klagen! - He, Mars!

MARS
Hier!

JUPITER
Man verzeiht dem Militär zwar sehr viel; aber was zu arg ist, das ist zu arg. Der Vulkan speit Feuer und Flammen und beschwert sich darüber, dass du seine Stellung als Ehemann fast un haltbar gemacht.

MARS
Blitz, Bomben und Granaten! - Vulkan ist ein Lügenschmied!

JUPITER
Und die Geschichte mit dem goldenen Netz, die uns Homer erzählt?

MARS
Homer ist ein erbärmlicher Federfuchser - Blitz, Bomben und Granaten!

JUPITER
Geh' nicht so verschwenderisch mit deinen Projektilen um! - Im Grunde sind mir eure Herzensangelegenheiten sehr gleichgültig; aber ich will, dass der Schein gerettet werde, und daher bitte ich auch in eurem eigenen Interesse, den äusseren Anstand so viel wie möglich zu beobachten.

VENUS
Welch' ein Jesuit!

JUPITER
Cupido! - Wo ist der kleine Schelm?

CUPIDO
Hier!

JUPITER
Lass das Kellnermädchen in Ruh', Gassenbub'! Warum bleibst du nicht ruhig, he?

CUPIDO
Du hast mir Flügel gegeben und wunderst dich, dass ich flatterhaft bin?

JUPITER
Ich habe dir Flügel gegeben, damit du eifrig deinen Dienst versehest; aber du bist unzuverlässig, fahrlässig, nachlässig. Du stellst dich bald zu früh, bald zu spät ein. Man findet dich immer, wo man dich nicht sucht, und wo man dich sucht, findet man dich niemals. Nimm dich in acht, kleiner Taugenichts, oder, bei Mir! es geht dir schlimm.

CUPIDO
Alter Brummbär!

JUPITER
Gehe jetzt jeder an seine Geschäfte. Beim Frühstück sehen wir uns wieder. Aber stellt euch pünktlich ein, damit die Ambrosia nicht kalt werde. Wer murrt da? Bin ich nicht mehr der Welterschütterer Zeus, dass man meine Reden wie in einer Deputiertenkammer durch ein Gemurmel unterbricht? Bei Mir! Noch herrsch' ich mit meinem Donnerkeil und bin keiner Konstitution unterworfen; hütet euch vor meinem Donnerkeil und verduftet!

CUPIDO
Liebe Mama, je älter Zeus wird, desto tyrannischer wird er.

VENUS
Und desto langweiliger!

DIANA
Dieser Olymp mit seinem ew'gen Berlinerblau wird mir unausstehlich, und ich gäbe das schönste Stück Wildpret darum, wenn es einmal regnete.

VENUS
Wenn wir uns aufwiegelten? Was denkt ihr?

JUPITER
Ein unziemliches Gemurmel dringt aus der Ecke in mein Ohr. Hat man mich nicht verstanden? Verlasst den Salon, oder, bei Mir! -

Die Götter entfernen sich murrend

JUPITER
Ei sieh, meine holde Gattin! Welch' ein Hauskreuz! Was gibt's, mein Kind?

JUNO
Was es gibt? Allzu scharf macht schartig. Der Krug geht solange zu Wasser, bis sein Henkel bricht. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Was ein Häkchen werden will, krümmt sich früh. Stille Wasser gehen tief. Es sind nicht alle Köche, die lange Messer tragen. Und -

JUPITER
Ich denke, mit einem Halbdutzend Sprichwörter könntest du dich einstweilen begnügen. Was willst du?

JUNO
Das Dasein, das du mir bereitest, ist -

JUPITER
Unerträglich! - Immer die alte Leier. Kannst du nicht einmal andere Saiten aufspannen?

JUNO
Ist es denn für einen Gatten so schwer, seiner Gattin treu zu bleiben?

JUPITER
Das hängt von den Umständen ab. - Doch was hast du schon wieder?

JUNO
Eine schöne Sterbliche ist plötzlich von der Erde verschwunden. Ein Gott hat sie entführt.Die Entführte nennt sich Eurydice; der Entführer heisst - Jupiter.

JUPITER
Du quälst dich umsonst und wirst bald beschämt einsehen, wie ungerecht du mich beschuldigst. Die Entführung Eurydices ist mir bekannt, und ich habe Merkur mit der Mission ausgeschickt, die genauesten Details einzuziehen. Ist mein Verdacht begründet, wie ich von meiner Allwissenheit erwarten darf, so wird die Rache den Entführer gewiss ereilen.

JUNO
Du lügst wie gedruckt.

JUPITER
Bei Mir! ich sage die Wahrheit. - Doch ich höre die Flügel Merkurs rauschen. - Höre seinen Bericht und lass' dich eines Bessern belehren.

MERKUR
Hochdonnerer! Wolkensammler! Aegiserschütterer! Mächtigster! -

JUPITER
Keine offiziellen Schmeicheleien, wenn ich bitten darf. -Warum bist du so lange ausgeblieben?

MERKUR
Ich habe mir unterwegs an dem Gipfel einer Eiche den linken Flügel verstaucht.

JUPITER
Die sterblichen Menschen kommen jetzt schneller fort, als die unsterblichen Götter!

MERKUR
Sie sind tätig. Sie haben Eisenbahnen; sie haben Dampfschiffe.

JUPITER
Ja, seit sie die Dampfkraft benutzen, teilen sie ihre Macht mit uns.

MERKUR
Aber wie teilen sie! Sie haben die Kraft, und wir haben den Dampf.

JUPITER
Erfasst sie denn der Schwindel nicht, wenn sie so schnell davonfliegen?

MERKUR
Sie lieben den Schwindel. Der Schwindel hat deine Macht verdrängt. Er ist allgewaltig auf Erden.

JUPITER
Ich versteh' dich nicht. -

MERKUR
Weil die Handelswelt dir verschlossen ist. Ich aber, der Gott des Handels -

JUPITER
Und der Spitzbüberei -

MERKUR
Einerlei! - Ich habe einen tiefern Blick in die irdischen Dinge getan, und ich kann, ohne die Bescheidenheit zu verletzen, dreist behaupten, dass ich von allen olympischen Göttern der einzige Gott bin, der auf Erden wirklich verehrt wird. Dein Name wird niemals erwähnt, während der meinige sich einer grossen Popularität erfreut. In Schwaben zum Beispiel führt mich jeder Bauer im Munde.

JUPITER
In Schwaben?

MERKUR
Ja, dort verbreit' ich als "Schwäbischer Merkur" die politische Aufklärung. Siehst du?

Zeigt ihm ein Exemplar des "Schwäbischen Merkur"

JUPITER
Ein Stück Papier!

MERKUR
"Du sprichst ein gro&Mac223;es Wort gelassen aus!"

JUPITER
Ich versteh' dich nicht. - Doch hast du deinen Auftrag erfüllt?

MERKUR
Ich komme schnurstracks aus der Unterwelt. Es geht dort lustig zu. Die abgeschiedenen Seelen sind seelenvergnügt.

JUPITER
Und Pluto?

MERKUR
War ausgegangen.

JUPITER
Seit wann?

MERKUR
Seit vierzehn Tagen.

JUPITER
Du hast ihn also nicht gesehen?

MERKU
Doch! - Er ist eine Stunde vor meiner Abreise in der Unterwelt angekommen.

JUPITER
Woher?

MERKUR
Von der Erde.

JUPITER
Allein?

MERKUR
Mit einer bildschönen Frau, die er ihrem Gatten entführt hat.

JUPITER
Ihr Name?

MERKUR
Eurydice!

JUPITER
Was sagst du nun?

JUNO
Bitte tausendmal um Entschuldigung. Die Nachricht tut mir wohl.

JUPITER
Nicht mir! Dieser Pluto ist ein wahrer Don Juan! - Wird er kommen?

MERKUR
Auf der Stelle! - Ich hab' ihm gesagt, da&Mac223; du ihn erwartest. - Ich höre schon das Gerassel seiner Equipage.

Musik

Herr, da kommt er!

PLUTO
Heil dem allgewaltigen Beherrscher des Olymps! Heil dem allmächtigen Kroniden! Heil -

JUPITER
Nur keine weihrauch-duftenden Phrasen.

PLUTO
Sohn meines Vaters, dein Wunsch ist mir Befehl! Was macht deine Frau?

JUPITER
Das geht dich nichts an! - Man sieht's ihm an, sein Gewissen drückt ihn.

PLUTO
Man sieht's ihm an, er hat was auf dem Herzen. Sollte er Lunte gerochen haben? Er behauptet zwar, da&Mac223; er die Schmeicheleien nicht liebe; aber ich weiss, was von dieser Behauptung zu halten ist. Ich will ihm in gebundener Rede schmeicheln, das wird ihm wohltun.

Wie herrlich ist es hier, und wie erquickend
Umwehet mich des Aethers frischer Hauch!
Mit welcher Wollust saugt mein Atem ein
Die süssen Düfte dieser Götterhalle!
Ich fühle meine Brust erweitert, die,
Vom Schwefel und vom Pech der Unterwelt
Beengt, beklommen und bedrückt ist.
Hier ist es schon! hier freuet jeder sich;
Da unten aber ist es fürchterlich -

JUPITER
Und der Mensch versuche die Götter nicht. - Bist du mit deinen hinkenden Jamben noch nicht zu Ende?

PLUTO
Welch' Zauber-Töne klingen in mein Ohr!
Der Turteltauben sehnsuchtsvolles Girren;
Cupidos Pfeile, die vom Bogen schwirren;
Apollos Sang, und der Gesang der Musen;
Das alles füllt mit Wonne mir den Busen. -
Hier ist es schön! hier freuet jeder sich;
Da unten aber ist es fürchterlich -

JUPITER
Und der Mensch versuche die Götter nicht. - Wenn du glaubst, mich mit deinen schlechten Reimen hinters Licht zu führen, so bist du auf dem Holzweg.

PLUTO
Hab' ich nicht die Wahrheit gesagt? Man kann euer Glück nicht genug rühmen!

JUPITER
Unser Glück? Und du? Lebst du nicht wie Gott in Frankreich?

PLUTO
Mein Reich hat lauter Schattenseiten.

JUPITER
Keine schlechten Wortspiele! - Was treibst du seit vierzehn Tagen?

PLUTO
Was ich gewöhnlich treibe. Ich schlafe, oder ich gehe am Ufer des Cocytus auf und ab, und wenn ich gerade einen frisch angekommenen interessanten Schatten kennen lerne, lasse ich mir von ihm seinen irdischen Lebenswandel erzählen.

JUPITER
Täusche mich nicht durch diesen Schatten kühler Denkungsart! - Es ist dir keine Hütte in der Umgegend von Theben bekannt?

PLUTO
Theben? Wo liegt denn das? Ich glaub' im Böotischen; doch will ich nicht darauf schwören. Ich bin auf der Oberwelt so wenig bewandert.

JUPITER
Du hast deine unterweltliche Macht missbraucht und einem Gatten seine bessere Hälfte durch den Tod entführt.

PLUTO
Ich, Herr?

JUPITER
Du, Herr!

PLUTO
Wer untersteht sich, meinen guten Leumund zu beflecken? Wer hat es gewagt, mich bei dir zu verleumden?

JUPITER
Ein Narr fragt mehr als zehn gescheite Leute beantworten können! Verstelle dich nicht; ich weiss alles.

PLUTO
Mich soll ein Kreuzhimmeldonnerwetter -

JUPITER
Schweige, oder, bei Mir!

PLUTO
Herr!

JUPITER
Ich bin nicht gewohnt, Widerspruch zu hören. - Was ist das?

PLUTO
Weiss ich's? - 's ist etwas faul im Staate Dänemark!

Nr. 7 - Chor

Zum Kampf, ihr Götter,
Kommt herbei!
Es ist nicht länger zu ertragen!
Schüttelt ab die Tyrannei!

JUPITER
Eine Revolte! das ist doch kurios!

PLUTO
Eine Revolte! Eben recht!
So komm' ich vom Verhöre los!

CUPIDO
Der Nektar kann uns nicht behagen!

DIANA
Der fade Trank!
Er macht uns krank!

VENUS
Und die Ambrosia schwächt den Magen!

PLUTO
Sie haben recht! Wer kann solch' Zeug verdauen!
Seht her! Da ist etwas Solideres zu kauen!

Er wirft sich auf die Speisen, welche die Dämonen tragen. Einige Götter folgen seinem Beispiele

CHOR
Zum Kampf, ihr Götter!
Kommt herbei! usw.

JUPITER
Ein Aufstand! Man verweigert mir den Gehorsam.

ALLE
Ja! Ja!

JUPITER
Wie? Ihr wollt keine Ambrosia mehr essen, keinen Nektar mehr trinken?

ALLE
Nein! Nein! Keinen Nektar mehr! Keine Ambrosia mehr!

VENUS
Wir werden zu lauter Konfekt!

CUPIDO
Wir haben nichts als Sirup in den Adern!

PLUTO
Sie haben recht! Sie haben recht!

JUPITER
Also ein völliger Aufruhr! - Und ihr schämt euch nicht, eine Schreckensgestalt, wie dieser hier ist, an eure Spitze zu stellen?

ALLE
Eine Schreckensgestalt!

PLUTO
Bruder Olympier!

JUPITER
Schweig', Elender, der du deine Stellung missbrauchst, um den sterblichen Erdenbewohnern ihre Weiber zu entführen!

ALLE
Oh - erzähl' uns das!

PLUTO
Es ist nicht wahr!

JUPITER
Soll ich euch Namen nennen?

PLUTO
Nenne! Nenne! Nenne!

JUPITER
Nun, wir werden nennen, nennen, nennen! Er hat dem Musikanten Orpheus seine Frau Eurydice geraubt!

PLUTO
Es ist eine Lüge!

VENUS
Ei nun, derartige Fälle sind nicht so ausserordentlich.

JUPITER
Nicht ausserordentlich? Und die Moral? Und die Meinungen der Sterblichen?

PLUTO
Ueber die Moral wäre vieles zu sagen! Du hast noch ganz andere Streiche ausgeführt, mein Bruder Donnerer!

JUNO
Da haben wir's! Was hab' ich gesagt?

JUPITER
Ich sag' euch -

PLUTO
Du hast solche Taten verübt, dass keine rechtschaffene Hausfrau ihren Töchtern jemals erlauben wird, deine Biographie zu lesen.

DIANA
Wäre ich nicht die Götten der Keuschheit, so könnte ich manches davon erzählen!

VENUS
Hielten mich nicht Familienrücksichten ab, so würd' ich meiner Zunge freien Lauf lassen.

CUPIDO
Was würd' ich erst erzählen können!

ALLE
Und wir alle!

CUPIDO
Wir haben sogar ein Lied darauf gemacht.

JUPITER
Kinder - ich muss fort! Ich muss auf mehrere Länder regnen lassen - und habe noch das nötige Wasser nicht vorrätig. Lasst mich!

PLUTO
Nein, du musst es hören!

ALLE
Ja, du musst es hören!

JUNO
Das soll deine Strafe sein!

Nr. 8 - Couplets

MINERVA
1.
Um einst Alkmenen zu betören,
Bist du ihr als ihr Mann genaht.
Bei mancher Frau - ich wollt's beschwören -
Wär' dieses Mittel nicht probat.
Ha, ha, ha!
Nun schaue nicht so fromm darein!
Wir kennen dich, Jupiterlein!

CHOR
Ha, ha, ha!
Nun schaue nicht so fromm darein,
Wir kennen dich, Jupiterlein!

DIANA
2.
Da es nicht stets dir wollte glücken,
Kamst du zuweilen auch als Tier;
Prinzess Europa zu berücken,
Erschienst du ihr sogar als Stier.
Ha, ha, ha!
u.s.w.

CHOR
Ha, ha, ha!
u.s.w.

CUPIDO
3.
Zur Danae kamst du als Regen,
Zu werben dort um Minnesold;
Das Fräulein hatte nichts dagegen,
Denn jener Regen war von Gold.
Ha, ha, ha!
u.s.w.

CHOR
Ha, ha, ha!
u.s.w.

VENUS
4.
Von Leda's Schönheit angezogen,
Schwammst du zu ihr als Silberschwan;
So ward das arme Kind betrogen
Von dir, du sauberer Galan!
Ha, ha, ha!
u.s.w.

CHOR
Ha, ha, ha!
u.s.w.

PLUTO
5.
Warum so viel Metamorphosen,
So oft es zu verführen galt? -
Weil dich kein Weib je wird liebkosen
In deiner wirklichen Gestalt.
Ha, ha, ha!
u.s.w.

CHOR
Ha, ha, ha!
u.s.w.

JUNO
Das geht über meine Kräfte! Ha, Verräter? Meineidiger! - Fort von mir! - Ich verabscheue dich! - Ich trage auf Scheidung an!

Sie fällt mit einem Schrei in Pluto's Arme

JUPITER
Ihr gewöhnlicher Nervenanfall! Wo ist der Aeskulap? Er soll ihr ein paar Hoffmann'sche Tropfen geben.

PLUTO
Nimm mir doch deine Frau ab!

JUPITER
Es sind ja lauter Klatschereien! Ich habe nie eine Andere geliebt, als dich. Du bist ein Ver leumder, ein Ehrabschneider, ein Lästerer!

PLUTO
Kein Wort weiter! - Aber nimm mir doch deine Frau ab.

MERKUR
Herr!

JUPITER
Nun - was gibt es denn schon wieder?

MERKUR
Es sind zwei Fremde da, die um eine Audienz bitten.

JUPITER
Ihre Namen?

MERKUR
Orpheus!

Juno erhebt sich mit Heftigkeit und bringt ihre Toilette in Ordnung

PLUTO
Was! Orpheus hier? Aber so nimm mir doch deine Frau ab! Ach so! - Ich habe sie nicht mehr!

JUPITER
Orpheus! Der soll Licht in die Sache bringen!

MERKUR
Und ein Weib, das sich die öffentliche Meinung nennt.

JUPITER
Die öffentliche Meinung! - Die Sterblichen! Meine Kinder, lasst jetzt unsere unsterblichen Streitigkeiten einen Augenblick ruhen.

PLUTO
Nimm sie nicht an!

ALLE
Lass sie kommen.

JUPITER
Ich werde sie empfangen! Ich bin Jupiter, und Jedermann Gerechtigkeit schuldig!

PLUTO
Ich? - Ich zittere niemals! Sie mögen kommen!

JUPITER
Du gibst Befehle in meinem eignen Hause? - Sie mögen kommen! - Und nun - und nun, ihr lieben Götter und Göttinnen, nehmt Euch zusammen und lasst uns nicht die olympische Wäsche vor den Augen der Sterblichen waschen! Die öffentliche Meinung lässt sich nicht ungestraft verachten, selbst von den Unsterblichen nicht. - Holt mir meinen rotsammtnen Tron mit den vergoldeten Troddeln und meinen Donnerkeil - meinen Sonntagsdonnerkeil -, versteht Ihr mich! Und bringt mir auch den langen Scepter mit dem elfenbeinernen Kuckuck darauf. - Ich will heut in meinem grössten Glanz erscheinen!
Alles läuft durcheinander. Man bringt Thron, Donnerkeil und Scepter.
Welch' Durcheinander! Es geht hier zu, wie auf einem polnischen Reichstag. Venus, mein Kind, umgürte dich mit dem Gürtel der Grazien, lächle dein lieblichstes Lächeln und stelle dich an meine rechte Seite. - Diana, meine Tochter, dein Kleid fängt erst nach den Schultern an, und ohne den Halbmond auf dem Kopfe würde man dich für eine Göttin der Halbwelt halten. Häng' dir einen Shal um die Schultern und stelle dich zu meiner Linken. So!

PLUTO
Und ich?

JUPITER
Du wirst dich da unten auf die Bank der Angeklagten setzen.

JUNO
Und ich?

JUPITER
Tritt neben Mars; da wirst du noch heroischer erscheinen. - Habt ihr alle Eure Attribute?

ALLE
Ja!

JUPITER
Gruppiert Euch malerisch! Seid ihr malerisch gruppiert?

ALLE
Ja!

JUPITER
Da ihr Alle malerisch gruppiert seid, kann's losgehen. - Merkur, lass' die Irdischen eintreten! Sitz' ruhig, Bub', oder ich geb' dir einen Schlag mit dem Donnerkeil, dass dir Hören und Sehen vergeht!

Merkur kehrt mit Orpheus und der öffentlichen Meinung zurück

Nr. 9 - Finale

PLUTO
Ach, er kommt sich zu beklagen;
Der Betrogene steht hier.
Die Geschicht', das muss ich sagen -
Sehr verdriesslich wird sie mir.

JUPITER
Ja, er kommt, sich zu beklagen!
Ja, er ist's! Schon steht er hier!
Er mag dreist mir Alles sagen,
Hilfe findet er bei mir.

ORPHEUS
Wider Willen muss ich klagen,
Nur gezwungen steh' ich hier.
Gerne wollt ich ihr entsagen,
Bliebe sie nur fern von mir.

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Frisch voran! Du musst es wagen!
Fasse Mut, gehorche mir!
Säumest du, dich zu beklagen,
Rächt die Nachwelt sich an dir.

CHOR
Er ist da, was wird er sagen?
Neugier regt sich schon in mir.
Jupiter hört seine Klagen,
Denn als Richter ist er hier.
Warten wir!
Lauschen wir!
Sehen wir!
Hören wir!

JUPITER
Was willst du mir, du Erdensohn?

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Beginne jetzt mit Klage-Ton
Als Gatte, schwer und tief gekränket
Und fleh' zerknirscht zu Jovis Macht,
Dass er dir aus dem Reich der Nacht
Die liebe Gattin wieder schenket.

ORPHEUS
Du willst es also?

DIE ÖFFENTLICH MEINUNG
Fang' an!

ORPHEUS
Ach, ich habe sie verloren!

CUPIDO UND VENUS
All' sein Glück ist nun dahin!

DIANA
Ach, sein Jammer tötet ihn!

ORPHEUS
Und der sie geraubet -

JUPITER
Nun?

ORPHEUS
Pluto ist's!

ALLE
Pluto ist's!

JUPITER
Weil stets Gerechtigkeit mein Sinnen und mein Streben, so verurteil' ich dich, sie ihm wieder zu geben!

ORPHEUS
O weh, er gibt sie mir!

PLUTO
O weh, er nimmt sie mir!

JUPITER
Damit ich sehe, ob man sich gehorsam wird zeigen,
Will ich heut' noch zur Unterwelt steigen.

DIANA, VENUS UND CHOR
O nimm uns Alle mit, wir bitten dich recht schön!

CUPIDO
Ach, Papa, nimm mich auch mit.

JUPITER.
Wohlan, mein ganzer Hof soll heute mit mir gehn!

CHOR
O lasst uns hohen Dank ihm weih'n,
Ihm, dessen Herz so mild und weich!
Er geht mit uns, und nicht allein,
In jenes dunkle Schattenreich.
Die Wonne wird zuletzt zur Pein, -
Man wird ein wenig sich zerstreu'n.
Dank, Jupiter, für dieses Glück!

ORPHEUS UND PLUTO
Ich bin auf's höchste indigniert!
Das gute Recht hat triumphiert.
Leb' wohl auf ewig, du mein Glück!

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Ich bin auf's Innigste gerührt!
Das gute Recht hat triumphiert.
Dank, Jupiter, für dieses Glück!

JUPITER
Nehmt Eure Attribute mit,
Und fort in feierlichem Schritt!

Sie bilden Alle einen grossen Zug und defilieren über die Bühne

ZWEITER AKT

DRITTES BILD
Ein Prinz von Arkadien. Das Theater stellt das Boudoir Pluto's vor

Nr. 10 - Entreakt

EURYDICE
Himmel, welche Höllenpein! - Ich habe mich auf der Erde oft genug gelangweilt, besonders wenn Orpheus, mein Mann, mir Gesellschaft leistete, oder wenn er mir ein Stück Zukunftsmusik vorgeigte. Aber dieser Aufenthalt ist doch noch viel, viel langweiliger. Ich habe schon alle Scheiben gezählt und das kleine und das grosse Einmaleins fünfmal rezitiert. Umsonst! Die Zeit wächst mir über den Kopf, und es gelingt mir nicht, sie tot zu schlagen. Und dennoch bin ich viel lieber allein, als in Gesellschaft jenes sentimentalen Einfaltspinsels, den man zu meinem Gefängniswärter gemacht; denn dieser Mensch ist noch langweiliger, als die Langeweile. O Pluto! Pluto! Wenn das deine Liebe zu mir ist, so werd' ich endlich in der Verzweiflung meines Herzens mich an die Seite meines Gatten zurückwünschen. - Wer naht? - Schon wieder der unausstehliche Mensch!

HANS STYX
Wenn mir nicht die Kurage fehlte, so hätte ich vielleicht den Mut, ihr zu sagen, wie reizend sie ist.

EURYDICE
Warum kommst du? Was willst du?

HANS STYX
Gnädige Frau!

EURYDICE
Nun?

HANS STYX
Haben die gnädige Frau nicht geklingelt?

EURYDICE
Nein!

HANS STYX
Wehe mir!

EURYDICE
Warum diese Stossseufzer?

HANS STYX
Hätten die gnädige Frau geklingelt, so würde mir das bewiesen haben, dass die gnädige Frau etwas wünschten. Da aber die gnädige Frau nicht geklingelt haben, so ist dies ein deutlicher Beweis, dass die gnädige Frau nichts nötig haben. Bei den Olympischen, sie ist schön, herrlich, anbetungswürdig! Werden die gnädige Frau bald klingeln?

EURYDICE
Weiss ich's? Weshalb fragst du?

HANS STYX
Wenn die gnädige Frau klingelten, würde ich in grösster Eile kommen. - Ach, gnädige Frau, ich bin sehr, sehr unglücklich.

EURYDICE
Das ist mir gleichgültig.

HANS STYX
Die warme Teilnahme, welche die gnädige Frau für mich zu empfinden scheinen, ermuntert mich, meinem Inneren Luft zu machen. Es muss heraus! Mein Herz ist willig, aber mein Kopf ist schwach.

EURYDICE
Was geht das mich an?

HANS STYX
Die Frau, die mich liebte, würde sehr glücklich sein --

EURYDICE
Er ist wahnsinnig! - Am Ende erzählt er mir noch gar seine Liebesgeschichten!

HANS STYX
Ich habe nur einen einzigen Fehler und will ihn lieber gleich gestehen, damit mir die gnädige Frau später keinen Vorwurf machen können. - Ich trinke immer, wenn ich Durst habe und - ich habe immer Durst.

EURYDICE
Der arme Mensch! - Er ist nicht wahnsinnig, er ist betrunken.

HANS STYX
Nun, da ich meinen inneren Menschen vor der gnädigen Frau entfaltet -

EURYDICE
Komm' nicht näher, Unglückseliger! Welch' ein Scheusal!

HANS STYX
Nach einem solch' aufrichtigen Geständnis stossen mich die gnädige Frau mit Begeisterung von sich! Und warum? - Weil ich Bedienter bin! -- Weiber! Weiber! - Aber es ist mir nicht an der Wiege vorgesungen worden, dass ich einst nach meinem Tode ein solches Leben führen würde. Wozu soll ich's noch länger verheimlichen? Als ich noch auf Erden wandelte, war ich Prinz von Arkadien.

EURYDICE
Arkadien! Auch eine schöne Gegend!

Nr.11 - Couplets

HANS STYX
Als ich einst Prinz war von Arkadien,
Lebt' ich in Reichtum, Glanz und Pracht.
Das Alles ging sogleich zum Henker,
Als mich der Tod hat umgebracht.
Doch wäre dies leicht zu verschmerzen;
Nur eines geht mir gar zu nah,
Dass ich in jenen Lebensstadien,
Dass ich dich, Holde, niemals sah,
Als ich noch Prinz war von Arkadien.
Wär' ich der Prinz noch von Arkadien,
Du teiltest mit mir meine Macht;
Doch bin ich leider nur ein Schatten,
Dieweil der Tod mich umgebracht.
Ein armer Schatten kann nichts spenden,
Als was ihm selber übrig blieb;
Drum wolle du ihn hoch begnad'gen
Und nimm's gefüllt mit heisser Lieb' -
Das Herz des Prinzen von Arkadien.

EURYDICE
Hinweg! Du duftest nach Bacchus.

HANS STYX
Gnädige Frau, ich errate, was sie sagen wollen, aber sie irren sich! Sie missdeuten die Worte, die ich vorhin in Bezug auf meinen Durst habe fallen lassen. Ich trinke niemals Wein, sondern Wasser, nichts als Wasser.

EURYDICE
Wie?

HANS STYX
Ich trinke beständig Lethe, um meine jetzige höchst bedauernswerte Lage zu vergessen.

EURYDICE
Welch' ein drolliger Einfall!

HANS STYX
Gnädige Frau, das ist die beste Wasserkur. Erinnere ich mich, dass ich einst vierspännig fuhr - so nehm' ich gleich einen Schluck Lethe; fällt mir ein, dass ich einst auf weichen Polstern ruhte und durch einen Wink ein Dutzend Bediente in Bewegung setzte - so trink' ich einen halben Schoppen Lethe; drängt sich mir die Erinnerung an irgend ein früher erlebtes Glück, an eine früher empfundene Freude auf - so trink ich Lethe, Lethe, Lethe. - Schade nur, dass dieses köstliche Getränk so schnell verdunstet und dass man so oft davon nachgiessen muss, um sich das Gedächtnis zu vertreiben. - Freilich vergess' ich auch zuweilen einen Befehl meines Herrn und muss dann zur Strafe zwei Flaschen Apfelwein verschlucken;aber - Eines werd ich nie vergessen, und tränk' ich auch den ganzen Lethe-Fluss aus - das Bild nämlich der anbetungswürdigen Frau, deren Bewachung der Herr der Unterwelt mir seit achtundvierzig Stunden übertragen hat.

EURYDICE
Unverschämter!

HANS STYX
Wär' ich nicht ein Domestik im Schattenreich, ich würde - O weh, das ist mein Prinzipal.

EURYDICE
Was bedeutet dieser Lärm?

HANS STYX
Nichts, nichts, gnädige Frau! Sie müssen hineingehen!

EURYDICE
Ich will nicht!

HANS STYX
Es ist der Befehl meines Herrn. Er würde mich mit dem Ohr an die Tür nageln lassen, wenn er Sie hier fände.

EURYDICE
Aber wie lange wird denn diese Geschichte noch dauern?

HANS STYX
Später wird sich alles aufklären! Jetzt - nur hinein!

EURYDICE
O Pluto! Pluto! Deine Tücke soll dir teuer zu stehen kommen!

HANS STYX
Schnell, Schnell! Es war die höchste Zeit!

PLUTO
Sie ist nicht da! - Er hat Zeit gewonnen, sie in ihr Gemach einzusperren. Ah! ich lebe wieder auf!

JUPITER
Eine sonderbare Art, die Honneurs in seinem Hause zu machen! Wenn man Lebensart hat, lässt man die Leute eintreten und folgt ihnen nach. Man muss die Höflichkeit nicht so weit treiben, dass man sich stösst und drängt - Wo sind wir hier?

PLUTO
In meinen kleinen Appartements, oder wie die Spanier sagen, in meinem buen retiro.

JUPITER
Ich bin überzeugt, sie ist irgendwo versteckt.

PLUTO
Du suchst etwas, wie ich sehe; hast du hier etwas verloren, Bruder Olympier?

JUPITER.
Ich betrachte nur die Tapeten und die Gemälde. - Von wem ist dieses Bild?

PLUTO
Es ist ein Höllen-Breughel.

JUPITER
Schön! Sehr schön! Ueberhaupt finde ich es hier allerliebst, - so heimlich! Ich will mir im Olymp auch ein solches Kabinet einrichten lassen. Es ist so günstig für -- nicht wahr?

PLUTO
Ich bin keiner von den leidenschaftlichen Göttern, die ihre hohe Würde durch profane Liebeshändel kompromittieren. Ich habe in der Unterwelt andere Dinge zu tun, als Schäferstündchen zu feiern.

JUPITER
Jeder Zoll an dir ist ein Tartüffe! Was machst du da? Intriguen hinter meinem Rücken?

PLUTO
Welch' finsterer Verdacht! Ich machte bloss -

JUPITER
Du machtest Jemand Zeichen. Was ist das?

PLUTO
Was? Wer?

JUPITER
Diese Stange Siegellack!

PLUTO
Hans Styx, mein Faktotum - ein braver, ehrlicher Junge. Ich vertraue ihm -

JUPITER
Deine Geheimnisse? Wo ist sie?

PLUTO
Wer? Sie?

JUPITER
Eurydice, bei meinem Donnerkeil!

PLUTO
Wie, Eurydice! - Trotz allem, was ich dir gesagt habe, glaubst du immer noch, dass ich die Kleine entführt habe?

JUPITER
Wohl glaub' ich es! Und ich werde schon dahinter kommen. Nichts! - Doch halt! ein Schloss, wie es scheint! Sie ist gewiss da drinnen!

PLUTO
Nun?

JUPITER
Nichts! Du hast Recht! Bei meiner Unsterblichkeit, ich, der ich so mancherlei Gestalten angenommen habe, um den Frauen zu gefallen, - ich werde doch hier noch eine passende erfinden. Unter welcher Form es immer sei, - ich muss da hinein kommen!

PLUTO
Nun komm'! Lass uns zu den Göttern zurückkehren, die uns bei dem Fest erwarten. Ich habe ein grosses Zweck-Essen zur Feier deiner Ankunft veranstaltet. Du sollst eine Probe meiner Höllenküche haben.

JUPITER
Gut, gut! Mein Bruder in der Unterwelt, ich schenke dir meine Achtung wieder. Da habe ich einen Gedanken! - Ich werde ihr meine Karte hier lassen, damit sie wisse, dass ich hier bin und in ein paar Augenblicken durch das Schlüsselloch zurückkehren in der feinsten und verführerischsten Gestalt! - Mehr sag' ich nicht!

PLUTO
Lass ihn nicht aus den Augen, - er ist schlau und könnte heimlich zurückkommen. Ich gehe hinter ihm, du hinter mir! - Ich stehe zu Diensten, mein mächtiger Herr Bruder!

EURYDICE
Ich glaubte, Stimmen zu hören. - Niemand hier! Was bedeutet diese Karte mit der angebogenen Ecke? Wer schickt sie mir? "Zeus von Donnersmark"! Sollte Jemand an mich denken? - Mein Leben für den, der mich aus meinem Gefängnis befreit!

JUPITER
Das ist doch gewiss fein! - In diesem Kostüm schlüpft man überall durch. - Da ist sie! Wie schön sie ist! - Jupiter, zeige jetzt Deine alte Praxis!

Er flattert um Eurydice herum und berührt sie ganz leicht an der Schulter rechts und links

Nr. 12 - Duett

EURYDICE
Ich glaubte hier etwas zu fühlen,
Als wehte ein Lüftchen mich an.

JUPITER
Nun gilt's meine Rolle zu spielen
Als listiger, zarter Galan.
Drum fang' ich zu summen an.

Er bewegt sich um Eurydice herum und summt wie eine Fliege

EURYDICE
Ach, die hübsche Fliege!
Und sie summt so schön!

JUPITER
Dass du ihr gefallest,
Tön', o Liedlein, tön'!

EURYDICE
O sag', du goldgeflügelt Wesen,
Willst du hier mein Gefährte sein?
Zum Opfer hat man mich erlesen,
Und deshalb schloss man hier mich ein. -
O bleib', wie will ich hier dich hegen,
Viel Zuckersaft bereit' ich dir;
Ich will dich lieben, will dich pflegen,
O bleibe hier, o bleibe hier!

JUPITER
Soll die Lieb' nicht flüchtig sein,
Lässt man sich erst bitten fein.

EURYDICE
Bei den Flügeln fass ich sie!

JUPITER
Ei, das wäre viel zu früh!

EURYDICE
Du garstig Tier! Es soll gelingen;
Nicht immer wirst du mir entgehn.
Ich muss zuletzt den Sieg erringen,
Und dich in meinen Händen sehn.

JUPITER
Mein schönes Kind, ich habe Schwingen,
Und könnte dir sehr leicht entgehn.
Allmählich nur soll dir's gelingen,
In deinen Schlingen mich zu sehn!

EURYDICE
Damit ich sie nur nicht verletze,
Mach' ich den Schleier hier zum Netze, -
Behutsam greif' ich sie!

JUPITER
O, freue dich nicht allzu früh.

EURYDICE
So ist's gelungen! Ha, sie ist gefangen!

JUPITER
O juble nur! - Du selber bist ins Netz gegangen!

EURYDICE UND JUPITER
Ich habe sie! ich habe sie!

EURYDICE
O, ich wusste wohl, dass ich dich erhaschen würde, mein artiges, geflügeltes Schätzchen! Du magst dich sträuben, wie du willst, - ich lasse dich nicht mehr los. Du sollst der Trost der armen Gefangenen sein. Aber seht doch, wie niedlich sie ist! Welche schöne Farben! - Und welche feine Taille! - Und diese goldenen Flügel! - Halt! - ich muss dich umarmen!

JUPITER
Nun sieh! Dies alles ist dein, wenn du es willst, angebetete Sterbliche!

EURYDICE
Götter! Sie spricht! Zu Hilfe!

JUPITER
O Kind! Schreie nicht! - Ich bin ja eigentlich gar keine Fliege; ich habe die Gestalt bloss angenommen, um die Augen eines einfältigen Tyrannen zu täuschen, der dich nur quälen will.

EURYDICE
Ist es möglich? - Wer bist du denn?

JUPITER
Ich - Die Wahrheit muss heraus! Ich bin dein Anbeter Zeus, der Kronide, der Wolkensammler, der Hochdonnerer und so weiter.

EURYDICE
Also du warst es, der vorhin diese Karte -

JUPITER
Durch das Schlüsselloch gesteckt hat - ja, ich, der König der Götter - nicht mehr und nicht weniger.

EURYDICE
Ach!

JUPITER
Und wenn ich dich früher gekannt hätte, so hätten sich die Dinge ganz anders gestaltet. Pluto hätte dich nicht in die Unterwelt hinabgezogen; ich hätte dich zum Olymp emporgehoben. Du wärest nicht gesunken, du wärest gestiegen.

EURYDICE
Nach dem Olymp? - O schnell! Komm', lass uns fliehen! Führe mich fort!

JUPITER
Wir haben nur ein Mittel, um keinen Verdacht zu erregen. Ich muss zu dem Diner, das Pluto mir zu Ehren veranstaltet hat. Komm' unter irgend einer Verkleidung dahin, - und am Schluss, wenn die erlauchten Gottheiten fortgehen, führe ich dich in dem Gedränge mit weg.

EURYDICE
Was ein Gott verspricht, wird er gewiss halten! - Adieu, Zeus! Dein for ever!

JUPITER
In einer Stunde! - Oh - was bin ich für ein glückliches Insekt!

Er wendet sich rechts, lustig summend. Hans tritt im Hintergrund ein, sein Fläschchen mit Lethe in der Hand

HANS STYX
Fliege! Fliege! "Wär ich der Prinz noch von Arkadien!"

PLUTO
Wo ist sie? - die Fliege? - Wo ist sie? - Ach, Hans! Hast du die Fliege gesehen?

HANS STYX
Die Fliege? Welche Fliege?

PLUTO
Jupiter mein' ich, den der kleine Schelm Cupido unter der Gestalt einer Fliege erkannt hat!

HANS STYX
Jupiter? "Als ich einst Prinz war von Arkadien"...

PLUTO
Was hast du mit Eurydice gemacht?

HANS STYX
"Lebt' ich in Reichtum, Glanz und Pracht"...

PLUTO
So sieh' mich doch nur an, Bursche! Ach, der Unglückliche! Er hat schon wieder Lethe-Wasser getrunken! Und während der Zeit hat er ihn hereingelassen. Höre doch, Hans, mein treuer Hans! Ich bin es, Pluto, dein guter Herr! - Hundeseele! - Im Namen deiner Asche! Im Namen deiner irdischen Ueberreste! Wirst du dich endlich erinnern? Gib' mir wenigstens den Schlüssel zum Gartengitter! - Den Schlüssel!

HANS STYX
"Doch alles ging sogleich zum Henker"...

PLUTO
Lass sehen! Wenn ich in einer andern Sprache mit ihm spräche, als die er vergessen hat, vielleicht käme ihm das Gedächtnis wieder. Souviens- toi! - Ricordati! - Acuerdate! - Memento! - Remember!

HANS STYX
Remember! "Als mich der Tod hat umgebracht!"...

PLUTO
Nichts! Nichts! Es ist um den Verstand zu verlieren!

Nr. 13

EURYDICE
O sag', du goldgeflügelt Wesen! usw.

PLUTO
Ha, diese Stimme! - Es ist Eurydice! - Sie ist also noch nicht fort! Nun schnell! He, Cerberus! Charon! Verdoppelt euere Wachsamkeit! Man schliesse alle Ausgänge! Und du komm', Hans! -Hans! - Der Kerl rührt sich nicht von der Stelle.

HANS STYX
"Wär ich der Prinz noch von Arkadien"- usw.

PLUTO
Schon wieder! Das ist kein Mensch, das ist ein zweibeiniger Leierkasten! - Geh' zum Henker!

VIERTES BILD
Die Hölle. Im Hintergrunde der Styx

Nr. 14 - Chor

ALLE
Hoch lebe Pluto und sein Wein!
Wer nicht ein Schelm ist, stimmt mit ein!
Die Götterschaft von oben
Muss dieses Weinchen loben;
Die Gläser aufgehoben!
Vivat der wack're Wirt!
Nur er versteht zu leben
Und solch ein Fest zu geben,
Bloss dahin geht sein Streben,
Dass Glas an Glas erklirrt!

JUPITER
Wohlan, reizende Bacchantin!
Die selbst sich mit Venus messen kann;
Stimm' mit deiner süssen Kehle
Jetzt die Hymn' auf Bacchus an!

ALLE
Singe, singe, schöne Bacchantin!

Nr. 14

EURYDICE.
1.
Ich sah Gott Bacchus einstens auf dem Weinfasse thronen,
Er gab seinen Treuen die heiterste Lehr';
Die Nymphe und der Faun, so die Haine bewohnen,
Sie sangen um ihn her:
Evohe! Dein heilig Feuer erglüht in mir!
Dir will ich dienen! Heil, Bacchus, dir!

CHOR
Evohe! Dein heilig Feuer erglüht in mir!
Dir will ich dienen! Heil, Bacchus, dir!

EURYDICE
2.
Die Sterblichen, sprach er, lasst mit Sorgen sich quälen,
Mit düsterem Gram, der sie jeder Freude beraubt.
Ihr mögt der Rebe Laub und die Rosen erwählen und flechten um das Haupt!
Evohe! Dein heilig Feuer usw.

JUPITER
Dieweil mein Schritt so leicht, mein Fuss so klein und nett,
So tanz' ich jetzt mit euch die neu'ste Menuett.
Pluto hat dich nicht erkannt; nach dem Tanze machen wir uns aus dem Staube.

PLUTO
Jupiter glaubt, ich habe die Bacchantin nicht erkannt. Aber ich werde sie nicht aus den Augen lassen.

Nr. 15

Menuett, getanzt von Pluto mit Venus und Jupiter mit Eurydice. Dann allgemeiner Galopp

CHOR
Vater Jupiter so vor uns tanzen sehn, -
Ist im Anblick gar zu schön!
Welch ein Hochgenuss! O seht, wie leicht er schwebt,
Wie graziös den Fuss er hebt!
Diese hohe Grazie
Entzückt Jedermann,
So, dass selbst Terpsichore
Ihn beneiden kann.
Galopp schliesst nun den Ball,
Wie bei dem Karneval
Fast jederzeit der Fall. -
Hopp! hopp!
Es lebe der Galopp!

EURYDICE
Und jetzt - lass uns fliehen!

JUPITER
Ja, fliehen wir! Benutzen wir das bisschen Atem, das uns der Tanz übrig gelassen.

PLUTO
Wohin!

EURYDICE
O weh!

JUPITER
Was will dieser Tollkühne?

PLUTO
Glaubst du, ich habe in dieser Bacchantin nicht das Weib erkannt, -

JUPITER
Die du nicht entführt hast, wie du sagtest?

PLUTO
Nun ja, ich habe sie entführt, - aber zum Henker! ich habe es schon hundertmal bereut!

EURYDICE
Was sagt er?

PLUTO
Ich sage, dass du mit mir umgingst, wie mit deinem Gatten, - dass du in meiner Hölle alles drunter und drüber gebracht hast.

JUPITER
Er weiss alles!

PLUTO
Lache nur! Wer zuletzt lacht, lacht am besten! Die Geschichte ist zu Ende! Du wirst sie nicht nach dem Olymp mitnehmen!

JUPITER
Wer würde mich daran hindern, wenn ich wollte?

PLUTO
Du selbst, und ihr Gatte.

EURYDICE
Ach, mein Gatte - den hatte ich vergessen!

PLUTO
Ja, das geschieht wohl zuweilen! Und du - hast auch vergessen, was du ihm versprochen! - O, ich werde gerächt werden! Nicht mir wirst du Eurydice zurückgeben, sondern ihm, dem Geiger der Zukunft.

JUPITER
O ich Tor! Warum gab ich auch ein solches Versprechen!

Man hört von Weitem auf der Violine spielen.

Nr. 15 - Violin-Solo

PLUTO
Die Situation wird jetzt erhaben. Die schlichte Prosa tut's nicht mehr. Wir müssen in Versen sprechen!
O Weib! Erkennst du wohl der fernen Geige Ton?

EURYDICE
Es ist mein Mann! Sein Spiel verwünscht' ich lange schon.

PLUTO
Er stieg zu uns herab, und holt dich nach der Erde, -
Ein artiges Geschenk, das ich ihr geben werde!

EURYDICE
O Jupiter!

JUPITER
Sei still! ich habe meinen Plan! -
Die Sach' ist, glaub' es mir, so leicht nicht abgetan!

Eine Barke erscheint im Hintergrunde. Die öffentliche Meinung rudert, Orpheus sitzt neben ihr, auf der Violine spielend

Auf eure Plätze jetzt und Haltung angenommen!
Die Barke, die ihn trägt, kommt dort schon angeschwommen!

Alle Götter grruppieren sich um Jupiter und Pluto - Eurydice mitten unter ihnen, so dass man sie nicht sieht

ORPHEUS
Du hast mich überzeugt! Zwar war sie sehr vermessen;
Allein sie ist mein Weib, - ich muss die Schuld vergessen!
Beherrscher des Olymps! - o sieh' -

JUPITER
Erspare dir das Wort, ich kenne die Geschicht'!
Was Zeus dir zugesagt, wird Jupiter dir halten.
Du nimmst dein Weib zurück und dann - bleibt es beim alten.
Geh'!

ORPHEUS
Fügen muss ich mich dem Götterspruch - es sei!

JUPITER
Geduld! Doch setze ich noch die Bedingung bei,
Die ich mir ausgedacht, nur für dein Wohl beflissen,
Allein den Grund, warum? den brauchst du nicht zu wissen!
Du wirst mit deinem Weib zum Styx die Strasse geh'n,
Sie hinter dir, doch darfst du niemals rückwärts seh'n,
Sonst für die Ewigkeit verschwände sie vor dir.

PLUTO
So war's nicht ausgemacht!

Allgemeines Murren

JUPITER
Heda! wer murret hier?

Das Murren verstummt. Alle verneigen sich

Nun fort! - Eurydice wird hinter Orpheus gehen!
Doch dreh' er sich nicht um! - Jetzt marsch! - Auf Wiedersehen!

Nr. 16 - Finale

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Du darfst den Blick nicht rückwärts lenken,
Nur vorwärts schaue immerfort!
An die Erde magst du denken,
Man erwartet uns beide dort!

Dar Marsch beginnt, die öffentliche Meinung an der Spitze. Dann folgt Orpheus, hierauf Eurydice, von Hans Styx geführt

DIE GÖTTER
Nun gebt wohl Acht, was wird geschehen!
Hat er die Kraft, sich auch nicht einmal umzusehen?

JUPITER
So hätt' ich mich getäuscht?
Er sollte ohne Neugier sein?

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Bald ist's geschehen! Der Sieg ist dein!

JUPITER
Er hat sich noch nicht umgewandt!
Nun wart'! Den Blitz hab' ich hier bei der Hand.

Er nimmt den Blitz in die Rechte, schwingt ihn und, anstatt sich desselben zu bedienen, schleudert er ihn in die Luft und versetzt Orpheus einen kräftigen elektrischen Schlag, der in der Gestalt eines Funkens über die Bühne fliegt. Orpheus wendet sich rasch um, als ob er getroffen wäre

DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG
Wehe dir! Du hast zurückgesehen!

ORPHEUS
Selbst weiss ich nicht, wie mir geschehen!

Er ist zur öffentlichen Meinung in die Barke gestiegen. Diese setzt sich in Bewegung. Eurydice kehrt wieder auf die Bühne zurück

PLUTO
Verloren ist sie ewig dir!
So bleibt sie dennoch mir!

JUPITER
Nicht dir, nicht mir!

PLUTO
Wieso?

JUPITER
Nein, eine Bacchantin mach' ich jetzt aus ihr.

PLUTO
Aber das steht ja nicht in der Mythologie!

JUPITER
Nun, so soll unsere Hofbuchdruckerei eine veränderte Ausgabe davon machen!

EURYDICE
Bacchus, da ich von der Erde
Nun verbannet werde,
Will ich mich allein
Ewig deinem Dienste weihn.
Gern, o gern flieh' ich den Gatten,
Willst du, Bacchus, nur gestatten,
Deine treue Priesterin zu sein!

CHOR
La, la, la, la!

Bacchus erscheint im Hintergrunde auf einem mit Weinlaub geschmückten Trone, der von vier Faunen getragen wird. Eurydice steigt bis zu ihm hinauf auf den Armen der Götter, die sich ihm entgegen drängen. Die Bühne erglänzt im bengalischen Feuer