Libretto: Un giorno di regno / Il finto Stanislao

from Giuseppe Verdi


Nr. 1 - Ouvertüre

ERSTER AKT

Nr. 2 - Einleitung

ERSTE SZENE
Eine Galerie
Diener und Vasallen des Barons.


CHOR
Niemals lächelte ein schönerer Tag
über dem Haus Kelbar.
Ein Herrscher nahm hier Quartier,
zwei Hochzeiten sind auszurichten …
Wieviel Feste, wieviel Ehre,
was für Trinkgelder für die Dienerschaft!
Welch prächtige Bankette,
was für lärmende Feste!
Ein schönerer Tag könnte nicht leuchten
über dein Haus Kelbar.

Nr. 3 - Duett

Der Baron und der Schatzmeister kommen herein.

BARON
Hochverehrter Schatzmeister,
eine Perle ist nun Euer,
das edelste Reis
eines grossen Heldengeschlechtes.
Und ich bin sicher, wenn ich sie Euch gebe,
Ihm werdet es nicht bereuen müssen.

SCHATZMEISTER
Ja, Baron, glücklich und glanzvoll
soll unsere Verbindung sein,
und bewunderte und berühmte Nachkommen
sollt Ihr bald aufwachsen sehn,
auf dass unsere beiden Familien
zu Meer und zu Land gerühmt werden.

BARON
Braver Schwiegersohn!

SCHATZMEISTER
Edler Schwiegervater!

BARON
Ich bin sehr zufrieden.

BARON und SCHATZMEISTER
Diese glückverheissende Heirat
hat schon viel Aufsehen erregt;
als Zeuge wird kommen
der Monarch von Polen.

CHOR
Wieviel Feste, wieviel Ehre, etc.

BARON und SCHATZMEISTER
Und auf güldenem Pergament
werden wir den Bund besiegeln.


Nr. 4 - Szene und Kavatine

Delmonte kommt hinzu.

DELMONTE
Edle Herrn, Seine Majestät
ist aufgestanden und auf den, Weg hierhin;
er kommt, unseren Gastgeber
zu begrüssen.

CHOR
Der Name des hohen Gastes
erschalle ringsum;
diese schlichte Wohnung
erlangt durch ihn erst Glanz.

Der Chevalier tritt ein.

CHEVALIER
Macht nicht soviel Umstände,
meine Herren, ich danke euch.
Die übliche Etikette
langweilt und verdriesst mich.

Mit Eurem Empfang,
Baron, bin ich zufrieden!
Heute noch schreibe ich an den Hof,
von Euch wird die Rede sein.
Und wenn ich wieder in Polen bin,
werde ich wissen, was ich zu tun habe!

BARON
Hoheit, was sagt Ihr da!
Ich bin belohnt genug.

ALLE
Ein solcher Besuch
ist Auszeichnung genug.

CHEVALIER
für sich
(Gefährten von Paris,
die ihr für verrückt mich hieltet,
kommt hierhin und urteilt,
ob man gewitzter sein kann als ich.
Der leichtsinnigste Offizier
des ganzen Regiments
gibt sich zugleich
als Philosoph und als König aus.)
laut
Solange ich bei euch bin,
ihr Edlen, wiederhole ich,
dass ihr mich als Bürger
und als Freund behandeln sollt.

Allzubald wird kommen der Tag
ernster und schwerer Gedanken,
und das Zepter der Ahnen
wird mich niederbeugen.

DIE ANDEREN
Hoheit, alle ringsum hier
freuen sich über Eure Anwesenheit;
in Eurem erhabenen Antlitz
spiegelt sich eine grosse Seele.


Nr. 5 - Rezitativ

BARON
Werdet Ihr hei der Doppelhochzeit
am morgigen Tag im Kastell
zugegen sein, Hoheit?

CHEVALIER
Und wer sind die Verlobten?

BARON
Meine Tochter
mit dem Schatzmeister; und meine Nichte,
die Marquise von Poggio.

CHEVALIER
Sie! (Was hör' ich!)

BARON
Sie kennen sie?

CHEVALIER
Vorn Hörensagen … recht gut.
Nun bitte ich Euch, mich allein zu lassen.

BARON
Langweilen wir also Eure Majestät nicht länger

Er geht mit dem Schatzmeister und dem Chor ab.

CHEVALIER
Keine Zeit ist zu verlieren … Schreiben wir
sofort an den Hof ... Ich bin entdeckt,
wenn die Marquise kommt.
Er schreibt.
"Die geplante Unternehmung
hat wahrscheinlich Erfolg gehabt,
und zu dieser Stunde
ist der wirkliche Stanislaus vermutlich schon
in Warschau angekommen
und der Gunst des Parlaments sicher.
Hoheit, ich beschwöre Euch,
mich augenblicklich von der Königsbürde zu befreien;
wenn ich weiterhin Regent sein muss,
verliere ich die Geliebte."


Nr. 6 - Rezitativ, Szene und Duett

Edoardo tritt ein.

EDOARDO
Hoheit, aus Verzweiflung komme ich,
mich vor Euch auf die Knie zu werfen.

CHEVALIER
Nun ... Ihr seid der Geliebte
der Tochter des Barons,
und der Onkel ist Euer Rivale.
Was kann ich, junger Freund, für Euch tun?

EDOARDO
Nur gestatten, dass ich Euch
nach Polen folge. Ach! Erlaubt,
dass ich Euch begleite, wohin es auch sei,
um für Euch dies unnütze Leben zu opfern.

Ich werde zeigen, dass ich der Gnade
würdig bin, um die ich bitte,
ich werde für Euch kämpfen
und dadurch zeigen, dass ich kein Unwürdiger bin.

CHEVALIER
Wackerer Krieger, Vaterland und Königsthron
werden Euch auf ewig dankbar sein;
so trotzten stets
tapfere Seelen dem Schicksal.

EDOARDO
Dann billigt Ihr also
mein Begehren?

CHEVALIER
Ja, an meiner Seite werdet Ihr streiten,
wenn ich je kämpfen muss.

EDOARDO
wirft sich nieder
Ich schulde Euch Dankbarkeit.

CHEVALIER
hebt ihn auf
Nein, Freundschaft und Vertrauen.
Als mein Schildknappe seid Ihr
von nun an bei mir.

EDOARDO
(O Freude!) Und hier
darf ich bleiben und sie sehn?

CHEVALIER
Weshalb nicht? Es braucht Mut,
und Ihr müsst Euch bezähmen.

EDOARDO
Majestät, mir fehlen die Worte,
Euch zu danken.
Ein freundliches Geschick lohne
einen so edelmütigen Herrscher,
es verwirre und vereitle
die Verschwörung der Feinde!

CHEVALIER
(Mag auch der Hof untergehn,
ihm werde Hilfe zuteil.
Wegen dieses überspannten Alten
werde ich noch einen Tag regieren.)

EDOARDO
Von Kampfeslust entflammt
werde ich den Pfad des Ruhms beschreiten.
Gern werde ich mit Euch
Todesgefahren teilen.

CHEVALIER
Ja, junger Freund und Krieger,
mit mir seid Ihr auf gefahrvollen Pfaden!
Der Siegeslorbeer der Helden
wird Eure Stirn bald schmücken.

Sie gehen.


Nr. 7 - Szene und Kavatine

Die Marquise tritt ein und betrachtet den verschwindenden Chevalier.

MARQUISE
Ach, man hat mich nicht belogen! Er ist es, er!
Unbeobachtet kam ich, und hier werde ich
das Geheimnis lüften. Herz und Hand
dem alten Kommandanten geben zu wollen,
täuschte ich vor …
Ob sich nun der Geliebte offenbart?

Schwer wird's dem verliebten Herzen,
die heisse Glut zu zügeln!
Schlecht verbirgt die Brust
das Klopfen des Herzens.
Mein Onkel wird verzeihn,
dass Liebe mich hierher führte;
es ist mir nicht möglich,
für einen andren als ihn zu leben.

Wenn die Witwe schon fallen muss,
falle sie nicht in schlimmere Verstrickung;
ich verachte den unnützen Prunk
und kann nicht in Hochmut leben;
ich suche bloss Liebe,
Liebe und Jugend;
aber wenn Belfiore untreu ist,
gibt es für mich keine Liebe mehr.


ZWEITE SZENE
Garten.
Bauernmädchen und Dienerinnen bringen Früchte und Blumen.
Giulietta sitzt auf einer Bank; sie ist traurig.



Nr. 8 - Chor und Kavatine

CHOR
Ein so festlicher Morgen
ist Freude für jedes Herz.
Nehmt, Fräulein,
diese Früchte und Blumen.
O glücklicher Sterblicher,
dem bald eine keusche Lilie,
eine bezaubernde Schönheit sich schenkt.

GIULIETTA
erhebt sich
Liebe Mädchen, eure Zuneigung
tut dem Herzen wohl.
(Sie wissen nicht, welch
tödliche Schmerzen ich leide.
Komm, Edoardo, Geliebter,
oder ich sterbe aus Liebe zu dir!)

CHOR
Weshalb verdunkeln Schatten
Euer engelgleiches Antlitz?

GIULIETTA
Erstaunt Euch meine Traurigkeit?
Freundinnen, ich gestehe es euch.

Ich will diesen Alten nicht - bin doch nicht toll!
Für einen andern erbebt mein Herz.
Einen mutigen Jüngling ersehnt meine Seele,
o käme er schnell, wie schön wäre das!
Und mit der Freude kehrt' auch die Liebe zurück.

CHOR
Der Himmel befreie Euch von jeglicher Qual
und verwandle Eure Schmerzen in Freude!

Dienerinnen und Bauernmädchen ab.

Nr. 9 - Rezitativ

Der Baron und der Schatzmeister treten auf.

BARON
Aber liebe Giulietta,
wenn du dem König vorgestellt werden sollst
und dein Verlobter bei dir ist,
scheint es dir dann angebracht,
dich im Garten zu verstecken?

GIULIETTA
Vater, Ihr wisst es:
ich neige zur Melancholie.

SCHATZMEISTER
Ach, kleine Schelmin,
man weiss doch, weshalb
ein schönes, unschuldiges Mädchen so traurig ist;
morgen schon werdet Ihr fröhlich sein!

Der Chevalier und Edoardo kommen.

CHEVALIER
Vorwärts, geht nur, ich bringe
Euch zu Eurem Onkel.

SCHATZMEISTER
(Wen sehe ich da?)

GIULIETTA
(Edoardo! ach Gott!)

CHEVALIER
Schatzmeister, ich wollte Euch
eine Überraschung bereiten,
wenn ich Euch jetzt in Eurem Neffen
meinen Ersten Schildknappen präsentiere.

SCHATZMEISTER
Hoheit ... Euer Schildknappe! Neffe, ist es wahr?

EDOARDO
Ja, Onkel, der grossmütige König
hat mir diese Gnade gewährt.

CHEVALIER
Wo ich es auch finde - Talent schätze ich.
In der Tat empfinde ich
die grösste Sympathie für euch beide …
zum Baron und zum Schatzmeister
Ich schätze euch so sehr,
dass ich euch unbedingt zu einem Problem,
das der Erörterung bedarf, hören muss.
Ihr seid erfahren im Krieg, und Ihr in der Politik.

BARON
Hoheit, welche Gnade …

SCHATZMEISTER
Es ist ja kaum der Rede wert,
aber in bestimmten Angelegenheiten
habe ich viel Taktgefühl.

CHEVALIER
zu Edoardo
Was Euch betrifft,
geht ein wenig beiseite,
Ihr seid noch nicht imstande,
solche Schwierigkeiten zu meistern.
Ihr könntet der zukünftigen Tante
Gesellschaft leisten.

SCHATZMEISTER
missgestimmt
(Ihr nahe ... nein,
das möchte ich nicht ...)

CHEVALIER
Setzt euch hierhin.
Er nötigt sie, sich so auf die Bank zu setzen, dass sie Giulietta den Rücken zuwenden.
Seht auf die Karte und entscheidet,

Nachdem der Chevalier eine Landkarte ausgebreitet hat, sehen sich die beiden diese gespannt an. Edoardo und Giulietta sprechen miteinander. Der Chevalier lächelt zuweilen über die Verlegenheit des Schatzmeisters.


Nr. 10 - Sextett

EDOARDO
Liebste Giulia, endlich seh' ich dich!
Und sprechen darf ich mit dir!

GIULIETTA
Liebster Freund, kaum fasse ich
das Übermass der Freude.

BARON
Majestät, diese Stellung wird
von einer Kanone verteidigt.

CHEVALIER
beobachtet die Liebenden
Lieber Baron, ich muss annehmen,
dass der Feind ausserhalb der Reichweite ist.

GIULIETTA
zu Edoardo
Ich setze alle Hoffnung auf meine Kusine.

SCHATZMEISTER
(Oh, wie nahe sie sich sind!)

CHEVALIER
Schatzmeister, Ihr gebt nicht acht!

SCHATZMEISTER
Doch, doch, zweifelt nicht daran!

EDOARDO
zu Giulietta
Du machst mir Hoffnung.

SCHATZMEISTER
wütend
(Verräter, wie nahe er bei ihr ist!)

CHEVALIER
nötigt ihn, auf die Karte zu sehn
Aber nun gebt acht!

SCHATZMEISTER
Ich sehe und höre, Majestät.

BARON
immer mit der Karte beschäftigt
Der Feind überrumpelt …

SCHATZMEISTER
drauf und dran, zu Edoardo zu eilen
(Und vor unsern Augen tut er das!)

CHEVALIER und BARON
Aber nein, auf dieser Seite
kann die Artillerie eingreifen;
der Feind wird
von der zweiten Batterie beschossen:
nach wenigen Augenblicken entmutigt,
wird er sich zur Flucht wenden.

SCHATZMEISTER
Hoheit, das ist wahr.
(Wie er sich ereifert!)
Die Artillerie kann viel ausrichten …
(Ah! schurkischer Neffe!)
Sie rechneten nicht mit der Batterie
(Der Schuft kommt ihr immer näher,
für seine Kühnheit wird er büssen!)

GIULIETTA und EDOARDO
Das unverhoffte Zusammensein,
lange Zeit uns ganz vorenthalten,
stärkt mein verzagtes Herz,
gibt meiner Seele Frieden
und lässt mich, Geliebte(r),
auf das Ende der Leiden hoffen.

Der Chevalier steht auf, die Liebenden trennen sich.

CHEVALIER
Das genügt für jetzt: es wird notwendig sein,
noch einmal darauf zurückzukommen.

SCHATZMEISTER
(Ich atme auf!)

Ein Diener kommt.

DIENER
Die Marquise
kommt in diesem Moment.

GIULIETTA und BARON
Wir wollen ihr entgegen eilen.

CHEVALIER
(O Gott, sie darf mich nicht sehn!)

GIULIETTA
Da ist sie schon.

CHEVALIER
(Ich kann ihr nicht mehr ausweichen.)

Die Marquise tritt ein. Der Baron und Giulietta eilen ihr entgegen und umarmen sie; der Schatzmeister und Edoardo grüssen sie höflich. Der Chevalier steht etwas abseits und versucht, sein Gesicht zu verbergen.

BARON
Meine Nichte!

MARQUISE
Mein Onkel! Meine Kusine!
Lasst euch umarmen.
zum Baron
Mein Herr, Ihr seht,
dass ich Wort halte.
(Meine Giulietta, für dich allein
kam ich so schnell hierhin.)

BARON
Ruhig, ruhig, Voreilige!
Knie nieder vor dem König von Polen!

MARQUISE
Wie! Der König?!

BARON
Der König in Person.

GIULIETTA
Er wohnt in unserem Hause.

MARQUISE
zum Chevalier zugewendet, der sich mit dem Schatzmeister und Edoardo unterhält und bestrebt ist, sich nichts anmerken zu lassen.
Verzeiht die Missachtung,
es war keine Absicht, Majestät.
Ich konnte nicht wissen, dass eine
so hohe Persönlichkeit anwesend ist.

CHEVALIER
(Nur Mut!) Es ist bereits vergeben.

MARQUISE
(Himmel, ist's Trug oder Wahrheit?
Das ist doch
der Geliebte.
Wie mir das Herz klopft!
Vielleicht ergötzt sich
die Liebe daran,
mir überall das Bild
des treulosen Geliebten vorzugaukeln.)

GIULIETTA, EDOARDO, BARON und SCHATZMEISTER
(Ich verstehe ihr Erschrecken nicht.)

CHEVALIER
(Ich verstehe
ihr Erschrecken sehr gut.)

Werte Damen, mein Schildknappe
wird Euch Gesellschaft leisten.
Meine Herren, dringend
brauche ich euch.
(Wenn ich diesmal heil davonkomme,
ist es wahrhaftig ein Wunder.)

MARQUISE
(An der Stimme, an den Bewegungen
erkenne ich den schlimmen Chevalier;
aber mein Onkel verehrt ihn als König
und er gibt sich als solcher aus.
Für jetzt will ich schweigen
und sehen, was passiert.)


GIULIETTA und EDOARDO
(Der gute König tut uns einen grossen Gefallen,
ohne es zu wollen;
er begünstigt unsere Liebe
und weiss es nicht einmal.
Ohne diese Quälgeister
können wir ungehindert sprechen.)

BARON und SCHATZMEISTER
Berater eines Königs!
Welche Gunst! Welche Freude!
Uns überrascht, uns verwirrt
soviel Güte.
(Oh, wir sind zwei kluge Köpfe,
der König zeigt es uns deutlich.)

Der Chevalier geht mit dem Baron und dem Schatzmeister ab.


Nr. 11 - Rezitativ

Die beiden Liebenden wenden sich aufgeregt der Marquise zu.
Sie geht in Gedanken auf und ab.


GIULIETTA
Ich setze meine Hoffnung auf dich, Kusine.

EDOARDO
Mein Schicksal liegt
in Euren Händen.

GIULIETTA
So antworte doch!

MARQUISE
aufschreckend
Sachte, sachte!!
Nichte, ist das
wirklich Stanislaus?

GIULIETTA
Das ist eine Frage!
Aber denk doch an mich!

MARQUISE
zerstreut
Ich habe schon daran gedacht.

GIULIETTA
Ach! Wirklich? Dann sag mir,
was du denkst!

MARQUISE
(Undankbarer Chevalier!
Er weiss nicht, wie sehr ich leide.)

EDOARDO
Ich bin bereit, mich so zu verhalten,
wie Ihr es wollt.

GIULIETTA
Aber antworte doch, Grausame!

MARQUISE
Ach, ihr quält mich.

Kurse Pause.
Die Marquise ist wieder in Gedanken; die beiden Liebenden sehen sich betroffen an.



Nr. 12 - Terzett

GIULIETTA und EDOARDO
(O schöne Hoffnung!
Eine gute Fürsprecherin haben wir da!
Teure(r), wir sind verloren;
auch sie lässt uns im Stich.)

MARQUISE
(Ich weiss nicht, was ich erhoffe,
ich kann nicht sagen, was ich will,
weiss nur, dass ich ihn noch liebe
und dass er mich betrog.)

EDOARDO
Verzeiht, wenn wir Eure Geduld
über Gebühr beansprucht haben.

GIULIETTA
Dein Verhalten zeigt mir,
dass du mich nicht mehr lieb hast.

Sie wollen gehen.

MARQUISE
fasst sich und hält sie zurück
Halt! ... Entschuldigt …
ihr beschämt mich;
mir geht etwas durch den Kopf,
was mich ein wenig quält;
aber was ich versprochen habe,
ihr Lieben, werde ich halten!

GIULIETTA
erleichtert
Ah! Nun erkenn' ich dich wieder.

EDOARDO
Ach! Ich werde Euch dankbar sein.

GIULIETTA
Denk daran, dass dieser Alte …

MARQUISE
… gefoppt werden soll!

EDOARDO
Wenn ihr Vater kein Einsehen hat ...

MARQUISE
… wird an ihn überzeugen.
Vertraut euch ganz meiner Führung an,
auch ich kenne die Liebe.

MARQUISE, GIULIETTA und EDOARDO
Wir sind verliebt und jung,
wir haben Gefühl und Verstand;
ist das Schicksal auch gegen uns,
die Liebe ist auf unserer Seite.
Mit ihrer Hilfe kämpfen wir
siegreich selbst gegen das Schicksal.

Sie gehen.


DRITTE SZENE
Galerie, wie zuvor.
Der Chevalier und der Schatzmeister.


No. 13 - Rezitativ

CHEVALIER
Was Ihr sagtet, beweist grosse Begabung,
von der die Welt noch hören soll.

SCHATZMEISTER
Hoheit, von Natur aus bin ich bescheiden;
aber von Finanzen verstehe ich
wirklich etwas.

CHEVALIER
Ach! Wenn Ihr nicht dem Baron
verpflichtet wäret, würde ich zu Euch sagen:
"Schatzmeister, ich gebe ein Ministeramt
in Eure Hand, auch die Prinzessin Ineska,
und zugleich damit ein grosses Landgut,
das Euch nicht wenig einbringen wird."

SCHATZMEISTER
Ah, Hoheit! Sofort bin ich bereit,
mich von jeglicher Bindung zu lösen.

CHEVALIER
Wir verstehen uns.
geht ab

SCHATZMEISTER
Ach, alles verdanke ich meinem Verstand!

Nun muss ich mein Wort zurücknehmen.
Ein Vorwand muss her, für den Baron …
wer weiss, ob er den wahren Grund errät!
Oh! alle Wetter, ein Herrscher …
die Prinzessin Ineska ...
das Finanzministerium ...
das sind alles Verpflichtungen von solcher Bedeutung,
dass er am Ende Verständnis zeigen wird.


Nr. 14 - Komisches Duett

BARON
mit einem Schriftstück in der Hand
Lieber Schwiegersohn, damit komme ich zu Euch;
zufrieden und glücklich darf ich Euch mitteilen,
dass der Zeitpunkt der Hochzeit
von mir bereits bestimmt worden ist.
Mit Freude, Schwiegersohn. werdet Ihr es hier lesen.

SCHATZMEISTER
Hochgeschätzter Baron (da haben wir's!),
Eure Giulia ist eines Thrones würdig,
und ich wäre stolz darauf, mit ihr verheiratet zu sein,
so sehr, dass ich es nicht sagen kann …
aber ich muss Euch von einem grossen Ereignis berichten.

BARON
Für jetzt wollen wir das beiseite lassen:
setzt schnell die Brille auf …
das sind die Vereinbarungen zur Hochzeit:
"Ich, der Unterzeichnete Gaspare Antonio …"

SCHATZMEISTER
Baron, es hat keinen Sinn, lasst es.

BARON
Wenige Einzelheiten müssen noch geklart werden,
die Mitgift et cetera, Soll und Haben,
und dann kann der Kontrakt unterschrieben werden.

SCHATZMEISTER
Ich unterschreibe nicht ...

BARON
Ihr scherzet!

SCHATZMEISTER
Ich meine es ernst.

BARON
Unsinn, nehmt doch …

SCHATZMEISTER
Ich nehme nichts!

BARON
Was, seid Ihr toll?

SCHATZMEISTER
Baron, hört mich an! Dieser Kontrakt …

BARON
Was muss ich erdulden!

SCHATZMEISTER
Ich kann ihn nicht unterzeichnen.

BARON
Aus welchem Grund?

SCHATZMEISTER
Weil … weil …
(weh, es muss heraus!)

BARON
Ich höre!

SCHATZMEISTER
Ich will überhaupt nicht heiraten!

BARON
Was?! Meine Tochter weist Ihr zurück?

SCHATZMEISTER
Ich weise sie nicht zurück.

BARON
Dann nehmt sie!

SCHATZMEISTER
Nicht diese!

BARON
Erklärt Euch!

SCHATZMEISTER
Der König will mich zum Minister
und Fürsten ernennen.

BARON
(Was hör' ich? O edle Ahnen!
Solchen Affront muss ich dulden?!
Ich fühle, wie mir das Blut zu Kopf steigt,
die Hände zucken … ich töte ihn.)

SCHATZMEISTER
Einem Geschlecht von Halbgöttern
entstammt Ihr, Ihr als auch sie;
aber ein ganz unerwartetes Ereignis
verpflichtet und entschuldigt mich zugleich.


Nr. 15 - Finale I

BARON
Schatzmeister, ich will alles
als Scherz auffassen;
drohend
sonst ... !

SCHATZMEISTER
erschrocken
(O weh, welch heikle Lage!
Gleich geht er in die Luft!)

BARON
Antwortet! Oder ich schwöre bei Gott …

SCHATZMEISTER
ausweichend
lm Moment geht es nicht,
ich habe anderweitige Verpflichtungen.

BARON
hält ihn zurück
Haltet an! ... Heraus mit dem Schwert!

SCHATZMEISTER
Ich komme wieder, aber jetzt muss ich gehn.

BARON
Wortbrüchig und undankbar seid Ihr,
heimtückisch und verstellt.
Hier kämpfst du mit mir,
oder ich reiss' dir das Herz heraus!

Er will ihn greifen.

SCHATZMEISTER
völlig ausser Fassung
Ah! Hilfe! zu Hilfe!
O weh, er tötet mich!

Giulietta, die Marquise, Edoardo und die Diener eilen alle von verschiedenen Seiten herbei.

ALLE
Welch ein Lärmen!
Was war denn, was ist geschehn?
Von wo kam das Schreien?

SCHATZMEISTER
Ach, Neffe, ich bin verloren,
wenn du mich nicht verteidigst.

BARON
Eine gemeine Zurückweisung
für meinesgleichen!
Ich bring' dich um, Verräter!

MARQUISE
Hört doch …

GIULIETTA
O Gott, was tut ihr denn da?

EDOARDO
Sagt wenigstens, wie es gekommen ist!

BARON
Ihr werdet erschrecken, wenn ihr hört,
welche Machenschaften dieser Schurke plante.
Es fehlen mir die Worte …
er hat meine Tochter zurückgewiesen ...
er schlägt dich aus, meine Giulietta!

GIULIETTA
freudig
Er will mich nicht?!

BARON
Nein. Rache!

MARQUISE
Die beste Rache wäre,
sie sofort zu verheiraten
mit einem jungen Mann, den ich kenne.

GIULIETTA
Ja, Vater, wenn Ihr zustimmt,
nehme ich seinen Neffen!

EDOARDO
Mein Herr, beruhigt Euch,
ich werde den Irrtum wiedergutmachen.

BARON
Nein ... so weit ist es
mit dem Geschlecht Kelbar noch nicht gekommen;
das unwürdige Wechselspiel lehne ich ab.
Blut will ich ... Kampf!

ALLE
Haltet ein!

Der Chevalier kommt herein.

CHEVALIER
an der Tür
Ihr da, beruhigt euch doch!

ALLE
Der König!

CHEVALIER
gebieterisch
Was geschah?

Alle sind beschämt.
Unterdessen kommt der Chevalier langsam nach vorn und mustert einen nach dem anderen.


BARON
(In diesem Moment muss uns der König überraschen!
Ich wage nicht, den Kopf zu heben.
Streiten im Beisein des Königs
hiesse die Majestät beleidigen.)

SCHATZMEISTER
(Jetzt, wo der König eingreift,
habe ich Hoffnung, heil davonzukommen:
um der Ehre seines Finanzministers willen
wird er den Baron entwaffnen.)

MARQUISE
(Dieser glückliche Umstand
gebe euch neue Hoffnung.
Der König wird hier seine grosse Autorität
in die Waagschale werfen müssen.)

GIULIETTA und EDOARDO
(Dieser glückliche Umstand
gibt uns neue Hoffnung.
Der König wird hier seine grosse Autorität
in die Waagschale werfen müssen.)

CHOR
(In diesem Moment muss uns
der König überraschen!
Wir wagen nicht, den Kopf zu heben.)

BARON und CHOR
(Streiten im Beisein des Königs
hiesse die Majestät beleidigen!)

CHEVALIER
(Jene schlägt die Augen nieder,
dieser wagt sich nicht von der Stelle ...
nun verstehe ich: der Schatzmeister
hat alles rückgängig gemacht.)


Nr. 16

CHEVALIER
Erklärt mir doch, Baron,
was der Grund war für diesen Streit.

BARON
Hoheit, grosses Unrecht …

SCHATZMEISTER
Hoheit, ein Affront …

MARQUISE, GIULIETTA und EDOARDO
Hoheit, ein Wortstreit ohne Bedeutung.

BARON
Eine Zurückweisung …

SCHATZMEISTER
Eine Drohung …

BARON
Er hat mich beleidigt …

SCHATZMEISTER
Und er hat mich angegriffen …

MARQUISE, GIULIETTA und EDOARDO
Greift ein, Hoheit, verhindert …

CHEVALIER
mit Nachdruck
Ruhe! Beruhigt euch!
Ihr bringt mich zur Verzweiflung.
Einer nach dem andern erläutere
mit kühlem Kopf seine Grunde …

BARON
Hoheit, der Ruhm meines Hauses …

SCHATZMEISTER
Hoheit, der Streit hat so begonnen: …

BARON
Ich will volle Satisfaktion …

SCHATZMEISTER
Ich will, dass der Baron …

CHEVALIER
ungehalten
Schweigt doch!
Bezähmt eure Wut, geht auseinander!
Wer es wagt, den Streit erneut zu beginnen,
ehe geklärt ist, welche Gründe dazu führten,
lenkt den Zorn des Königs auf sich.

ALLE ANDEREN
Ach! Vergebt uns, Majestät.

CHEVALIER und ALLE ANDEREN
Vertraut auf die Gerechtigkeit des Königs,
überlassen wir ihm das Urteil in dieser Frage;
er soll Skandal und Streit beenden,
soll sagen, wer Recht und wer Unrecht hat;
er beseitige die Zwietracht
nach den Geboten des Rechts und der Gerechtigkeit.
Ich werde (Er wird) die frühere Eintracht wiederherstellen
und die alte Freundschaft erneuern.