Ohne angehängte Bleigewichte

Torbjörn Bergflödt, Aargauer Zeitung (11.09.2006)

Gianni Schicchi, 09.09.2006, Zürich

Zwei Opern von Ermanno Wolf-Ferrari und Giacomo Puccini sind zu Ehren von Nello Santis 75. Geburtstag neu produziert worden.

Ein Fast-Nichts an Handlung. Und doch: Poesie, Charme, Wärme stecken in dem einaktigen Intermezzo «Il segreto di Susanna». Das Opernhaus hat die liebenswürdige Eifersuchtskomödie, komponiert vor bald 100 Jahren von Ermanno Wolf-Ferrari, zusammen mit Puccinis «Gianni Schicchi» zu einem Doppelopernabend gefügt. Susannas Geheimnis - das ist die Lust der Titelfigur, heimlich eine Zigarette zu rauchen. Was den Herrn Gemahl narrt, denn er missdeutet den Tabaksgeruch bei der Frau als Signal für einen Geliebten. Als der Irrtum auffliegt, verfliegen auch sofort die Wolken über der Ehe.

Regisseur Grischa Asagaroff und sein Ausstatter Luigi Perego haben das Stück in die Belle Epoque gestellt. Leichtfüssig kommt die Inszenierung daher, freundlich und witzig, ohne dass dem Werklein Bleigewichte angehängt würden. Der Salon in Gils Haus und die Kleider der beiden singenden Figuren und des stummen Dieners sind in warmen Farbakkorden gehalten. Im Stil einer Boulevardkomödie setzt Asagaroff wirkungssichere Pointen.

Flüssig-schlüssig zieht auch die einaktige Erbschleicherkomödie «Gianni Schicchi» vorbei, ein Ensemblestück par excellence, dessen fünfzehn handelnde Figuren in Asagaroffs Regie sowohl als Kollektiv wie auch in Einzelaktionen Farbe bekommen. Wie zu einem Leporello erscheint in der Ausstattung von Perego die Stadt Florenz als Bilderbuchkulisse aufgeblättert, während davor Vorhänge das Sterbezimmer des Buoso Donati abgrenzen. Die zur Groteske hinüberspielenden Kostüme entstellen Menschen zur Kenntlichkeit, denen Krokodilstränen vor einer frischen Leiche doch noch zu wirklichen Tränen werden: Wenn sie nämlich erfahren, dass Donati seinen Reichtum dem Kloster vermacht hat.

Der musikalische Leiter Nello Santi, der seit 1958/59 Saison für Saison in Zürich dirigiert, macht sich mit dem Abend gewissermassen selbst ein Präsent zu seinem 75. Geburtstag am kommenden 22. September. Speziell ist im Zusammenhang mit dieser Jubiläumsproduktion auch, dass Santis Tochter Adriana Marfisi beide weiblichen Hauptrollen bestreitet: Marfisi durchwärmte mit ihrer Darstellung schön sowohl die Rolle der Gräfin Susanna wie auch von Schicchis Tochter Lauretta, wobei allerdings nicht nur reines Gold im Stimmtimbre dieser Sopranis-tin steckte. Mit singdarstellerischer Konturenschärfe bei nach wie vor erstaunlich klangmächtiger Baritonstimme interpretierte Leo Nucci, den Gesichts erker markant aufgepflästert, den Part des betrügerischen Schicchi. Prägnant der Auftritt von Paolo Rumetz als Gil, raumfüllend das Organ des Tenors Fabio Sartori, der Laurettas Geliebten Rinuccio gab.

Santi und das Hausorches-ter zogen einen bei Wolf-Ferrari mit einer quirlig-sonnigen Vivacissimo-Ouvertüre in den Abend und präsentierten sich mit einem spannungsreichen, farbigen und elastisch atmenden Vortrag auch in der Folge in guter Spiellaune.