Richard Straussens "Intermezzo"

Frieder Reininghaus, Deutschlandfunk (10.03.2008)

Intermezzo, 09.03.2008, Zürich

In Zürich deuten Peter Schneider und Jens-Daniel Herzog Strauss-Oper aus dem Jahr 1924

Richard Strauss selbst bekannte sich neben der Musik noch zu zwei anderen Leidenschaften: das Skatspiel und seine Frau. Dabei hatte die Sängerin Pauline Strauss keinen guten Ruf. Richard Strauss hat 1924 in seinem "Intermezzo" kurzerhand eine seiner eigenen Ehekrisen zu einem Libretto umgearbeitet. In Zürich ist diese Oper nun wieder aus der Versenkung aufgetaucht.

Ein Abschied in Liebe: Er findet in einem sich öffnenden großen Zylinder und wohlhabend-schlichtestem Ambiente statt. Große Leere also im vollständig schmucklosen, unmöblierten Raum des Beziehungs-Clinches. Der berühmte Tondichter und Dirigent Robert Storch, dem der große schlanke Rod Gilfry neben dem distinguierten Aussehen eine markant-seriöse Stimme verleiht, bricht zu einer zweimonatigen Konzertreise auf. Seine Frau Christine - unschwer als Verarbeitung der Strauss-Gattin Pauline erkennbar - inszeniert sich einen großen Auftritt.

Sie beanstandet, dass er noch nicht gefrühstückt habe und schikaniert das Personal. Er bekommt die vielen Partituren nicht in den Koffer gequetscht. Sie schwankt zwischen der Besorgnis, er könnte auf der Reise einem Herzschlag, Raubmord oder Eisenbahnunglück zum Opfer fallen, und der sehr viel dominanteren Beleidigtheit angesichts der ihr fehlenden öffentlichen und privaten Anerkennung beziehungsweise Verwöhnung. Sie mokiert sich also über seine "ruhige Überlegenheit" und "Bauernpfiffigkeit" - überhaupt über das elende Luxusleben in einem goldenen Käfig irgendwo weitab der großstädtischen Vergnügungen. Im Gegenzug ist er tatsächlich nur mit sich, seiner künstlerischen Berufung und Sendung beschäftigt, schätzt ihren Anteil an der gemeinsamen Haushaltung tatsächlich gering.

Richard Strauss komponierte, durchaus mit Freudianischen Wassern gewaschen, eine Studie über Hysterie. So passt die zunächst befremdlich scharf klingende Stimme der Sopranistin Christiane Kohl nicht schlecht für diese Rolle, die sie auch mit robustem Körpermandat ausstattet. Man zankt sich über dieses und jenes und versichert dabei beständig, dass doch der Streit vermieden werden solle. Und so ist auch der Hörer und die Zuschauerin froh, wenn Herr Storch-Strauss endlich im Schlitten sitzt, der ihn zur Bahnstation bringt. Und sie stürzt sich ins Rodel-Vergnügen, wo sie sich auch umgehend einen feschen, jungen und geldbedürftigen Baron anlächelt. Und der ist bei der Züricher Neuproduktion des "Intermezzos" von Richard Strauss mit Roberto Saccà durchaus standesgemäß besetzt.

Die Dirigentengattin des "Intermezzos" gerät völlig aus den Fugen, als sie einen an den Gatten adressierten Brief öffnet und aus diesem entnimmt, dass es da eine Mizie Meyer gibt, die gewisse Forderungen stellt und das nächste Rendezvous in Aussicht stellt. Also: Wüten, wüten gegen die Männer, "die ja immer so sind": Wüten ohne weitere Klärung des Sachverhalts - und der Gang zum Notar, der die Scheidung in die Wege leiten soll. Doch dann klärt sich der Irrtum doch noch rechtzeitig auf: das abgefangene Billet galt dem Kapellmeister Stroh, der vielleicht ein bisserl hochgestapelt hatte.

Jens-Daniel Herzog inszeniert die bürgerliche Komödie unprätentiös und mit der gebotenen Zügigkeit, auch Zugigkeit, in dem immer wieder sich schließenden und öffnenden großen Zylinder. Und einmal ahnt man, wie nah die spießige Wohlbürgerlichkeit sich am Rand des Abgrunds bewegt: Wenn die sich betrogen wähnende Gattin in ihrem Rasen den gerade ins schulpflichtige Alter gekommenen gemeinsamen Sohn beinahe mit dem Kopfkissen erstickt.

Ansonsten wird auch das unerträglich penetrante Wiedergutmachungsfinale so brav nacherzählt wie die ganze vorangegangene Verwechslungstragikomödie. Im wesentlichen korrekt verläuft auch das Dirigat von Peter Schneider. Sensation hat, zum Erstaunen des freimütigen Komponisten, das Stück schon 1924 nicht gemacht. Was diese Zeitseifenoper im Jahr 2008 auf der Bühne soll, vermochte er so wenig zu demonstrieren wie der Regisseur. Ein netter Abend also, noch nicht einmal geeignet als Toscana-Therapie für alternde Mittelstandspaare. Kann man schnell vergessen.