Express-Legende

Frank Gerber, Blick (18.03.2008)

Paul Bunyan, 16.03.2008, Luzern

Vom Urwald zum Düsenjet in zweieinhalb Stunden: «Paul Bunyan» in Luzern ist aussergewöhnliches Musiktheater.

Aus den Fussabdrücken des Holzfällerriesen Paul Bunyan sollen die Seen Minnesotas entstanden sein. Er hat den Urwald gerodet und der Zivilisation den Weg geebnet.

Dieser Mythos liegt dem Musiktheater «Paul Bunyan» von 1941 zugrunde. Wobei der Titelheld so riesig ist, dass er gar nicht auftreten kann. Er ist nur über Lautsprecher zu hören.

Für Benjamin Britten (Musik) und Wystan Hugh Auden (Text) ist der Ur-Holzfäller eine Art Messias. Am Anfang singen die alten Bäume noch vom Paradies (gr. Bild). Bis Bunyan den Menschen die Selbsterkenntnis, aber auch die Arbeit bringt. Sie also aus dem Paradies ver- und in die Zivilisation hineintreibt. Die philosophische Schwere wird aufgelockert durch zahlreiche komische Szenen. Etwa der Aufstand der Holzfäller, weil der eine Koch nur Suppe und der andere nur Bohnen kochen kann.

Trotzdem: «Paul Bunyan» ist keine Operette, auch wenn der Untertitel das verspricht. Dazu fehlt der Collage eine durchgehende Handlung. Aber die Koproduktion des Luzerner Theaters mit den Bregenzer Festspielen und der Volksoper Wien ist ein Fest für Aug und Ohr. Die Inszenierung besticht durch doppelbödigen Humor: Wildgänse etwa werden als Stewardessen übersetzt. Die Musik ist eine Mischung aus italienischer Oper, deutschem Kabarett und amerikanischem Blues.

Wer dahinter keine verständliche Geschichte sucht, erlebt einen anspruchsvollen und sehr ansprechenden Abend.