„Intermezzo“ – ein Ehedrama

Oliver Schneider, DrehPunktKultur (19.03.2008)

Intermezzo, 09.03.2008, Zürich

Das Zürcher Opernhaus verbucht einen weiteren Premierenerfolg mit der Spielplanrarität von Richard Strauss.

Ein falscher Adressat auf einem vertraulichen Briefchen, und schon bricht eine Ehekrise aus. Mag sich die Angelegenheit auch als Missverständnis herausstellen und Christine Storch ihrem Ehemann wieder liebevoll den Tisch für das Nachtmahl decken: Nichts ist mehr wie vorher, denn Christine ist mit ihrem Entschluss zur Scheidung nicht nur äußerlich aus seinem Schatten getreten. Die langhaarige Frau Hofkapellmeister mutiert zur kurzhaarigen Frau Storch im schwarzen Hosenanzug. Parallelen zu Ibsens Nora drängen sich auf.

Eine alltägliche Geschichte – Strauss titulierte sie als bürgerliche Komödie -, die zwischen der „Frau ohne Schatten“ und der „Ägyptischen Helena“ entstand. Den Text verfasste der Komponist selbst, nachdem Hofmannsthal und Bahr abgelehnt hatten, das biographische Ereignis aus Strauss Ehe für ein Libretto zu verarbeiten.
Dank des biographischen Bezugs stieß das Werk zunächst auf Interesse beim Publikum, verschwand aber recht schnell wieder von den Spielplänen.

Umso begrüßenswerter ist die Zürcher Neuinszenierung, in der Regisseur Jens-Daniel Herzog die biographischen Anspielungen ausblendet und sich ganz auf das menschliche Schicksal von Christine Storch konzentriert. Eine zickige Ehefrau, so der erste Eindruck. Doch der täuscht. Ihr Verhalten ist nur die Folge ihrer Unzufriedenheit mit der Rolle als brave Ehefrau an der Seite des berühmten Hofkapellmeisters Storch und „Bilderbuch-Ehemanns“ alter Schule. Da ist es nur verständlich, dass sie dem charmanten Baron Lummer aufsitzt, der es auf materielle Unterstützung abgesehen hat. Erst als Mieze Maiers kompromittierendes Schreiben an den Ehemann, den sie eigentlich seinem Kollegen Stroh schicken wollte, auftaucht, entschlüpft Christine wie eine Raupe ihrem Kokon. Dass sie schließlich auch noch zu einer neuzeitlichen Medea wird und versucht, ihren Sohn mit dem Kopfkissen zu ersticken, weil er den Vater nicht verlassen will, lässt die Geschichte aber zu stark ins Tragödienhafte rutschen.

Viel szenischer Aufwand ist für dieses Kammerspiel nicht nötig. Die von Mathis Neidhardt gestaltete zylinderförmige, weisse Spielfläche mit einer verschiebbaren Wand erlaubt filmisch rasche Szenenwechsel. Die kühle Eleganz des Raums, die wenigen Versatzstücke und die zeitlosen Kostüme widerspiegeln das bürgerliche Ambiente.

Es spricht für das Zürcher Opernhaus, dass alle Partien adäquat mit Ensemblemitgliedern besetzt werden können. Die Anforderungen sind beträchtlich, stellt „Intermezzo“ doch eine Station auf Strauss’ Weg bis zu seinem Konversationsstück „Capriccio“ dar. Strauss hat alle möglichen Arten der Textbehandlung von gesprochenem Dialog über das Rezitativ bis zu ariosen Gesang verwendet. Die Textverständlichkeit ist entscheidend, womit alle Protagonisten punkten können. Der typischen Strausssche Jubelgesang bleibt auf die beiden Schlussszenen beschränkt und erlebt ansonsten seine orchestrale Ausformung in den Zwischenspielen.

Mit der Rolle der Kapellmeistergattin empfiehlt sich Christiane Kohl für weitere Herausforderungen im lyrischen Fach. Bisher hat sie sich vor allem in kleineren Rollen im Haus und auch bei den Salzburger Festspielen bewährt. Sie überzeugt mit einer gut sitzenden, nuancenreichen Stimme und darstellerischer Präsenz in Jens-Daniel Herzogs Personenführung. Ihren Ehemann gibt Rod Gilfry, dessen angespannte Tonproduktion und Höhenunsicherheit sich aber aufgrund einer Indisposition nur beschränkt beurteilen lässt. Aus den kleineren Partien stechen Roberto Saccà als Baron Lummer und Martina Welschenbach als Christines Zofe Anna hervor. Die musikalische Leitung liegt beim Strauss erfahrenen Peter Schneider in den besten Händen. Genauso aufmerksam wie er die Sänger begleitet, lässt er in den zwölf Zwischenspielen, aber auch im Walzer beim Après-Ski in der Disco den Orchesterklang funkeln.