Zwischenfall am Stadttheater Bern

(TA), Tages-Anzeiger (26.03.2008)

Wozzeck, 22.03.2008, Bern

Kann Musik Lärm sein? An der Berner Premiere der Oper «Wozzeck» verliess der Dirigent nach 10 Minuten die Bühne.

Die letzten Opernskandale drehten sich noch ganz konventionell um Inhalte - so zum Beispiel bei der Empörung um «Idomeneo». Mozarts Oper musste im Herbst 2006 in Berlin unter Polizeischutz gespielt werden, weil darin ein geköpfter Prophet Mohammed vorkam und deswegen islamistische Gruppen mit Gewalt drohten.

Das Berner Premierenpublikum am Stadttheater war am Wochenende hingegen mit einer ganz handfesten Meinungsverschiedenheit konfrontiert, die vor seinen Augen öffentlich ausgetragen wurde. Wie die «Berner Zeitung» in ihrer gestrigen Ausgabe ausführlich berichtet, verliess der Dirigent Roman Brogli-Sacher nach zehn Minuten entnervt die laufende Vorstellung der Oper «Wozzeck» von Alban Berg. Als Grund wurden später «musikalische Differenzen» angegeben. Der Streit entbrannte zwischen dem Dirigenten und den Musikern des Berner Symphonie-Orchesters (BSO) um die Lautstärke der Musik.

Improvisierter Schallschutz

Das Orchester spielte leiser als abgemacht und geprobt, um die Ohren der Musiker zu schonen. In Orchestergräben kann die Lautstärke bis zu 120 Dezibel Schallpegel erreichen. Der kritischen Situation durchaus bewusst, baute man für die «Wozzeck»-Vorstellungen ein Vordach als improvisierten Schallschutz. Dieser hätte sich bei anderen Aufführungen schon bewährt, heisst es. Brogli-Sacher hat offenbar erst kurz vor der Aufführung erfahren, dass die Musiker die Vorstellung «boykottieren» wollen, wie die BZ den Dirigenten zitiert.

Nach einer Unterbrechung von 15 Minuten erschien der Intendant des Theaters und Regisseur der Oper, Marc Adam, auf der Bühne und entschuldigte sich im Namen des Orchesters für die ungewöhnliche Zwangspause. Roman Brogli-Sacher zückte wieder den Taktstock und begann den «Wozzeck» nochmals von vorne. Dieses Mal in «richtiger» Lautstärke.