Die Moral ersäuft im Champagner

Frank Gerber, Blick (31.03.2008)

Die Fledermaus, 29.03.2008, Zürich

Wow! So muss eine Operette beginnen. Diese Ouvertüre ist grosse Kunst. Die folgende Inszenierung ist bodenständig nett.

Was der Dirigent Franz Welser-Möst aus der Ouvertüre rausholt, hat gar nichts mit plattem Operettengedudel zu tun. Mit rasanten Tempowechseln wird alles ausgelotet, was in den doppelbödigen Melodien des Griesgrams Johann Strauss drinsteckt. Volle Beschleunigung, und nach ein paar Takten wird die Handbremse hochgerissen. Der Österreicher Welser-Möst hat genügend Mut und Humor, die Walzer so übertrieben schleppen zu lassen, dass es wie eine Parodie auf die Wiener Weinseligkeit wirkt.

Der Vorhang geht auf, und da steht eine Hausfassade. Sogleich beginnt die bürgerliche Fassade zu bröckeln. Auf dem Balkon raucht das Dienstmädchen und lauscht einem Minnesänger. Sein Ständchen gilt allerdings der gnädigen Frau in der Bel Etage einen Stock tiefer. Wie gut trifft es sich doch, dass der Hausherr gerade heute ins Gefängnis muss. Die Bude also sturmfrei ist. Darüber schwebt Dr. Falke als Dracula, der Drahtzieher der folgenden Verwicklungen.

Allerdings ist damit die Fantasie des Regisseurs Michael Sturminger erschöpft. Was folgt ist solide arrangiert, nicht schlüssig oder gar sprühend inszeniert.

Doch die Paradeoperette «Fledermaus» ist stark und trägt - dank toller Sänger/Darsteller - auch ohne grosse Regie. Besonders der zweite Akt, wo in schäumender Champagnerlaune alle mit allen, aber alle unter falschem Namen, miteinander, äh, flirten.