Diva mit Ravioli

Hans Uli von Erlach, Blick (26.05.2008)

Clari, 23.05.2008, Zürich

Sie singt, jauchzt, betört, schmachtet, weint, schreit und säuselt. Sowas kann heute kein anderer Opernstar mehr. Und das volle drei Stunden lang.

Eigentlich war die Produktion «Clari» zu Ehren der Sängerin Maria Malibran (1808-1836) gedacht, der ersten grossen Diva der Operngeschichte. Aber natürlich wurde es zum umjubelten Abend für einen Superstar von heute. Für Cecilia Bartoli (41), die das Werk eigenhändig wiederentdeckt hat.

An der Premierenfeier plaudert sie nochmals eine gute Stunde, schwatzt, lacht, erklärt in fünf Sprachen, mampft zwischendurch ein paar Ravioli, die ihr die stets mitreisende Mamma Silvana immer wieder neu auf den Teller füllt, weil die vorige Portion über all dem Parlieren kalt wurde.

Noch um Mitternacht ereifert sich Bartoli. Die Augen rollen, der Busen bebt, die Hände gestikulieren, wenn sie strahlt. «Für mich ging ein Traum in Erfüllung!». Und sie erzählt mit Enthusiasmus das Ganze von vorn. Dass sie die Ausnahmesängerin Maria Malibran damit ehre, deren 200. Geburtstag just am Tag nach der Premiere sei. Wie sie «wie ein Bücherwurm» nach ihr geforscht habe und in der Nationalbibliothek Paris diese Oper des Franzosen Fromental Halévy (1799-1826, bekannt durch seine Oper «La Juive») gefunden habe. Er hatte «Clari» für die Sensationsstimme der Malibran komponiert. Sie wolle dieses Werk wieder ans Licht holen. Es wurde seit der Premiere 1828 nie mehr gespielt.

Na ja, kein Wunder. «Clari» ist ein typisches Genrestück jener Zeit. Eine triefend romantische Story: Bauernmädchen wird von Fürst aufs Schloss geholt, wieder verstossen und - Happy End sei Dank! - dann doch geheiratet. Dazu virtuose, eingängige Durchschnittsmusik à la romantisches Belcanto.

Aber das sagt am Premierenabend keiner zur Bartoli. Wer will schon ihre Begeisterung trüben. Mit ansteckender Überzeugung hat sie sich in die Sache gestürzt, Opernhausdirektor Alexander Pereira diese zweite Uraufführung nach 180 Jahren angedreht. «Es musste Zürich sein!» begeistert sie sich. «Hier hat man mich schon zu Beginn meiner Karriere unterstützt - darum gebe ich dem Haus all meine Energie und Unterstützung.»

Natürlich hat Bartoli «Clari» auch für sich selbst ausgegraben. Die halsbrecherischen Koloraturen, die irre Anforderung der Rolle über fast drei Oktaven, die Wechselbäder zwischen zu Tode betrübt und himmelhoch jauchzend meistert sie schlicht umwerfend. Ohne eine solche Protagonistin wäre das Stück kaum mehr geniessbar. Auch nicht ohne die witzig ironische Regie voll respektloser Einfälle im poppigmodernen Bühnenbild.

Fazit: Eine der ausgefallensten Leistungen dieser Saison.