Mit dem Trotzköpfchen durch die Wand

Kai Luehrs-Kaiser, SonntagsZeitung (25.05.2008)

Clari, 23.05.2008, Zürich

Cecilia Bartoli sorgt in Halévys wieder entdeckter Oper «Clari» am Opernhaus Zürich für ein volles Haus

In Gummistiefeln sieht sie noch besser aus. Cecilia Bartoli, die schönste Zwitscherdrossel am Belcanto-Himmel, will in ihrer neuen Rolle als Bauernmädchen Clari von Kuhstall und Melkschemel nichts mehr wissen. Im Internet wird sie Datingopfer eines Herzogs, der auf Partnersuche ist. In seinem Haus blamiert sie sich. Aus der psychiatrischen Abteilung verflüchtigt sie sich. Bleibt noch die Rückkehr in ihre Kuh-Heimat – und zu den Gummistiefeln.

Darüber trägt sie am Ende ein weinrotes Kleid, in dem Cecilia fast so volkstümlich wirkt wie ihre Filmvorgängerin Anna Magnani. Tut nichts: In Stallschuhwerk ist Cecilia Bartoli an dieser Premiere glaubwürdiger denn je.

Tatsächlich ist in den vergangenen Jahren mit Cecilia Bartoli eine erstaunliche Wandlung vor sich gegangen. Aus der drallen Römerin, die mit Zopf und kurzen Hosen zum Interview kam, entwickelte sich die elegante, juwelenbehangene Diva, die schon zu früher Stunde ein festliches Make-up auflegt.

Neuerdings vollführt sie eine elegante Rolle rückwärts. In «Wetten, dass …» wollte sie kürzlich die massenkompatible Wettkönigin geben. Doch bei der Einlösung der Wette, als sie Trompete spielen sollte (was sie einmal gelernt hat), gingen mit ihr die Nerven durch. Sie alberte und lachte fassungslos vor sich hin. Der peinliche Auftritt wurde gnädig abgekürzt.

Cecilia Bartolis neuste Opernentdeckung

Hinsichtlich ihres Entdeckerdrangs ist sich La Bartoli indes treu geblieben – und das mit fast gleich bleibendem Erfolg. Die Oper «Clari» war 1828 am Pariser Théatre Italien der erste Erfolg, durch den Jacques Fromental Halévy als Komponist bekannt wurde – sieben Jahre vor seiner Grosstat «La Juive». «Clari», eine Personality-Oper für die junge Maria Malibran (die in diesem Jahr 200 Jahre alt geworden wäre), steht noch ganz im Bann von Rossini. Eingängige Arien gibt es kaum. Stattdessen kommt der Star zweieinhalb Stunden lang kaum von der Bühne.

Ein Bühnenbild mit dekorativen Blickfängen

Mit dem Regieteam Moshe Leiser und Patrice Caurier (die in London Rossini-Triumphe mit Bartoli und mit Vesselina Kasarova gefeiert haben) engagierte der Zürcher Opernintendant Alexander Pereira zwei Innenarchitekten der Szene.

Sie tauchen den hanebüchenen Plot in ein bonbonfarbenes Art déco. Sehr dekorativ. Sehr effektiv ist auch ein knallroter Gorillakopf nach dem Motto «King Kong und die Kreische-Frau» (Bühne: Christian Fenouillat) – und die Kostüme samt Gummischuhen von Agostino Cavalca.

Sogar ihren eigenen, privaten Freund wollte Cecilia Bartoli endlich einmal an ihrer Seite haben. (Was Anna Netrebko kann, kann sie schon lange ...) Also singt Oliver Widmer hier die patente Schloss-Charge Germano. Mehr Eindruck noch machen die (seit Jahren herrliche, immer noch unterschätzte) Eva Liebau und John Osborn als höhenharter Herzog. «Clari», ein Zuckerbrot für die Diva, wird trotz dieser verdienstreichen Wiederausgrabung aber kaum überleben.

Es mangelt dieser Oper schlicht an Melodien. Dass es trotzdem zu einer so hochkarätigen Aufführung kommt, ist nur dem hartnäckigen Vorstoss der Bartoli zu danken – und der grossen Entdeckungslust des Opernhauses Zürich. Bartoli geht mit dem Trotzköpfchen hier buchstäblich durch die Wand. Doch sie ist es ja auch, die bei dieser Aufführung für ein volles Haus sorgt.