Eine Diva auf den Spuren einer Vorgängerin

Oliver Schneider, DrehPunktKultur (25.05.2008)

Clari, 23.05.2008, Zürich

Maria Malibran (1808-1836) gilt als einer der ersten weiblichen "Opernstars" – ihr widmeten Cecilia Bartoli und ihre Musik-Stiftung ein umfassendes Projekt, das nun mit der Opernrarität "Clari" von Jacques Fromental Halévy in Zürich abgeschlossen wurde.

Eine CD wurde produziert. Es gab eine Konzerttournee, begleitet von einem fahrenden Malibran-Museums-Truck mit 35 Stationen in acht Ländern seit Herbst vergangenen Jahres. Schließlich eine Feier zum 200. Geburtstag der Malibran in der Pariser Salle Pleyel und zum Abschluss in Zürich die Aufführung einer vergessenen Oper, die der Komponist von "La Juive" der gefeierten Mezzosopranistin der Rossini-Ära in die Kehle komponiert hat.
Ein Herzog hat dem Bauernmädchen Clari die Ehe versprochen und sie auf sein Schloss geholt. Da ist von einer Hochzeit keine Rede mehr. Ein Schauspiel zu ihrem Geburtstag hält ihr den Spiegel vor Augen, so dass Clari in ihr Heimatdorf flieht. Bevor der sich entehrt fühlende Vater sie jedoch verstossen kann, kehrt der Herzog von Gewissensbissen geplagt zu ihr zurück, und es kommt doch noch zur Hochzeit.
Ende gut alles gut. "Clari" ist ein Märchen für Erwachsene, und genauso inszeniert das belgisch-französische Duo Moshe Leiser und Patrice Caurier den gefälligen Zeitvertreib. Die Beiden haben die Handlung in die Gegenwart versetzt. Der Herzog Melvilla lebt in einer chicen Designerwohnung mit expressionistischen Gemälden und modernen Plastiken. Edel-bunt wie seine Sofas und der Fussboden ist auch die überkandidelte Geburtstagsgesellschaft in ihren verschwenderischen Kostümen von Agostino Cavalca.
In diesem Rahmen betonen Leiser und Caurier durch detailverliebte Überzeichnung das Traumhafte und das Komische der Geschichte. Besonders witzig gelingt die Einstudierung des die Stimmung des Geburtstagsfests kippenden Theaterstücks des Dieners Germano (spielfreudig Oliver Widmer).
Für den zweiten Akt hat Christian Fenouillat den Warteraum eines Krankenhauses geschaffen, in das Clari nach ihrem Zusammenbruch auf dem Fest als Notfall eingeliefert wird. Heimlich schleicht sie sich aber davon und kehrt in ihre heimatlichen Berge zu ihren Eltern zurück. Während der Chor ein Hoch auf das Landleben singt, klagt Vater Alberto (Carlos Chausson) mit sonorer Kraft in seiner ärmlichen Behausung über die Schmach, die Clari ihm angetan hat. Ein Funken Gesellschaftskritik blitzt hier noch durch. Zum Glück bietet ein Fussballspiel im Fernsehen ihm etwas Abwechslung, doch just in dem Moment, als Clari vor der Türe steht, flimmert es nur noch.
Cecilia Bartoli spielt das bescheidene, aber willensstarke Bauernmädchen mit innerem Feuer, als ob es um ihr eigenes Schicksal ginge. Ohne Mühen bewältigt sie die drei Oktaven umfassende Partie und beweist ihre Vielseitigkeit mit funkelnden Koloraturen und auf Linie. Wunderbare Kantilenen gelingen ihr im zweiten Akt in einer von der Harfe begleiteten Einlagearie aus Rossinis "Otello". Schliesslich fehlt ihr auch im zweiten Akt nicht die dramatische Kraft für das Streitduett mit dem Herzog, den John Osborn mit Geschmeidigkeit und eleganter Phrasierung ausstattet. Eva Liebau bezaubert als Bedienstete Bettina mit ihrem lieblich grundierten Sopran. Begleitet werden das mit Begeisterung agierende Ensemble und der ebenso aktive Chor vom auf Originalinstrumenten spielenden Orchestra "La Scintilla".
Adam Fischer am Pult sorgt dafür, dass auf den ersten Blick oberflächliche Musik dank der grazilen Instrumentierung und transparenten Musizierens nicht vorschnell verurteilt wird. Ein im wahrsten Sinne des Worts schöner Opernabend, aber wohl auch in Zukunft kein Repertoirerenner.