Der Triumph der Liebenden - und der Routine

Susanne Kübler , Tages-Anzeiger (08.09.2008)

Der Graf von Luxemburg, 05.09.2008, Winterthur

Das Zürcher Opernhaus zeigt Franz Léhars «Der Graf von Luxemburg» im Theater Winterthur. Traditionsgemäss.

Am Ende triumphiert die Liebe, wie es sich gehört in einer Operette. Die Liebenden haben es verdient: Johan Weigel, der als Graf von Luxemburg eine ihm völlig unbekannte Angèle heiratet, weil der Check des Basil Basilowitsch lockt. Und Christiane Kohl als Angèle, die sich mit der Schein-Ehe einen Grafentitel ergattert, den sie nach der geplanten Scheidung an eben diesen steinreichen, aber leider nicht adligen Basilowitsch weitergeben soll. Die beiden sehen sich, so die Übungsanlage, beim zweckmässigen Ja-Wort nicht - und machen mit ihren Stimmen dennoch rasch klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie sich echt verlieben. Sympathisch treten sie auf, mit sehr hellem und doch auch etwas wehmütigem Sopran sie, draufgängerisch und trotz gelegentlicher Intonationsprobleme überaus gewinnend er.
Es liegt nicht an ihnen, sondern am Genre Operette, wenn im Theater Winterthur mehr noch als die Liebenden die Peinlichen triumphieren. Jedenfalls ernten sie bei der Gastpremiere, mit der das Zürcher Opernhaus wie jedes Jahr die Saison eröffnet, den grössten Applaus. Da ist einerseits Peter Straka, Zürcher Ensemble-Mitglied wie alle ausser dem Grafen, als Russenmafioso Basilowitsch: Man muss ihn hören, wie er vor Verliebtheit in ein dämlich falsettierendes La-La-La-La kippt, man muss ihn sehen, wie er als Tiger von einst über die Hocker hüpft (mit Unterstützung, der Rücken will nicht mehr so recht). Und da ist, andererseits, die Fürstin Stasa Kokozow, die zur Begeisterung der Liebenden aus dem Nichts auftaucht und sich den Basilowitsch als Gatten schnappt. Liuba Chuchrova gibt sie mit Gusto, der Ruf nach Wodka klingt glaubwürdig und ihr Loblied auf die Oligarchen wunderbar dekadent.
Alle, die Liebenden wie die Peinlichen, geben damit das, was FranzLéhars Erfolgsstück «Der Graf von Luxemburg» verlangt: Stimmschmelz und sehnsüchtige Blicke die einen, vokale und schauspielerische Karikatur die anderen. Das Musikkollegium Winterthur unter dem einstigen Opernhaus-Chefdirigenten Ralf Weikert begleitet schwungvoll und klangstark, wenn auch in den ersten Nummern mit teilweise etwas anderen Tempovorstellungen als die Sänger. Dass Léhar nichts hielt von «Possenmusik», dass ihm eine subtile Instrumentation und atmosphärische Abwechslung trotz beinahe durchgehendem Dreivierteltakt etwas wert waren, kommt deutlich zur Geltung.

Tanzende Pflanzenarrangements

So läuft die unwahrscheinliche Geschichte wie am Schnürchen, und Regisseur Helmuth Lohner, wie Weikert ein alter Hase im Geschäft, stellt ihr keinerlei böse Pointen in den Weg. Auch er gibt der Operette zusammen mit William Orlandi (Bühne) und Beate Vollack (Choreografie), was ihr traditionsgemäss gebührt: pittoreske Kulissen, viele Champagnergläser, pralle Massenszenen und knappe Kleidchen für die Tänzerinnen. Es gibt hübsche Einfälle in dieser Regie - wenn etwa im Hotelfoyer des letzten Akts selbst die Pflanzenarrangements zu tanzen beginnen. Und sie ermöglicht wirklich erfreuliche Sängerauftritte - auch jene von Rebeca Olvera und Andreas Winkler als zweites, gleichermassen stilsicheres wie impulsives Liebespaar gehören dazu.
Dass szenisch dennoch vor allem die Routine triumphiert, mag man bedauern. Aber letztlich gehört es zu dieser Art von Operettenaufführung wie der Paillettenregen zum Happy End.