Das Feuer loderte auch im Foyer

Christian Fluri, Mittelland-Zeitung (08.09.2008)

Carmina Burana, 06.09.2008, Basel

Theater Basel
Das Wetter hatte kein Einsehen. Statt als Spektakel in Augst war die «Carmina-Burana»-Premiere konzertant im Grossen Haus › und wurde doch ein Erfolg.

«Fortuna hielt das Rad an, und es stand auf Regen», sagte der Basler Theaterdirektor Georges Delnon zu den Premierengästen. Das Theater wollte den vielen Premierengästen, darunter die Regierungen beider Basel, Carl Orffs «Carmina Burana», die weltlichen Gesänge für Soli und Chor mit Begleitung von Instrumenten und in Bildern (1935›37 komponiert), als Spektakel im Römischen Theater in Augst zeigen. Ein uns berührendes Welttheater in zauberhaften Bildern soll «Carmina Burana», Orffs Vertonung von 24 Liedern der Sammlung mittelalterlicher Vagantenlyrik, werden. Doch der Wettergott wollte es anders.

Der Regen regierte: Die Premiere wurde ins Foyer des Grossen Hauses verlegt, die Aufführung erfolgte konzertant. Auf die Bilder, die Theater letztlich ausmachen, mussten wir verzichten. Dass die Premiere dennoch ein grosser Erfolg wurde, war den mehr als 200 Sängerinnen, Sängern, Musikerinnen und Musikern zu verdanken, die hier ihr Bestes gaben.

Ein grosses Lob gehört den vielen Laiensängerinnen und -sängern aus der ganzen Region, die unter der Führung des mit gewohnt hoher Stilkompetenz und mit viel Seele singenden professionellen Theaterchors Enormes leisteten. Der Theaterchor-Leiter Henryk Polus hat intensiv mit den Baselbieter Chören und seinem eigenen gearbeitet, sie zu einem Chor zusammengeschweisst. Gleiches Lob gilt der von Markus Teutschbein ebenso genau eingestimmten Knabenkantorei Basel. Den emotional aufgeladenen musikalischen Boden legte die basel sinfonietta, der man die Spielfreude ansah. Bartholomew Berzonsky, Kapellmeister am Theater Basel, dirigierte mit klaren Zeichen, er tat es auswendig, hatte so stets Blickkontakt mit Sängern und Musikern.

Explosiv ist der Beginn des Gesangs auf Fortuna, die mit den Menschen anstellt, was ihr gerade gefällt. Es folgen rhythmisierte, fast gebethafte Passagen. Schon hier erstaunte die genaue Klanggestaltung des riesigen Chors, dennoch war etwas Nervosität zu verspüren, vielleicht auch eine leise Enttäuschung, dass nicht in Augst gespielt werden konnte.
Bereits in den sich auf Gregorianik stützenden Lobgesängen auf den Frühling, der die Liebeslust im Menschen weckt, gewann die Aufführung immer mehr an Sicherheit und an gestalterischer Souplesse. Bariton Nikolay Borchev, der Basler Orfeo, sang ergreifend seine Hymne auf die Sonne.

Das innere Feuer in Sängern und Musikern, das loderte förmlich ab dem zweiten Teil «In Taberna». Das Abgründige in den Rausch- und Spielszenen fand hier adäquaten musikalischen Ausdruck. Packend der das Dunkle dieses Lebens in der als Mikrokosmos zu deutenden Taverne vermittelnde Gesang Borchevs. Hervorragend und mit boshaftem Witz gestaltete Tenor Karl-Heinz Brandt das Klagelied des auf dem Feuer schmorenden, nun schwarzen Schwans.

Die Lobgesänge auf die Liebe «Cour d’Amours» waren die grossen Momente der Knabenkantorei, der Sopranistin Maja Boog, die an der konzertanten Premiere für Emilie Pictet einsprang, und nochmals des Baritons Borchev. Mit sinnlichem Ausdruck besangen sie Liebeswerben und Liebesfreuden › bis das Rad der Fortuna mit ungewissem Ausgang weiterdrehte. Berzonsky, Chor und Orchester gaben dem ersten Fortuna-Gesang, der den Schluss setzt, mehr Intensität › wissend um das, was zwischen Anfang und Ende geschehen ist.

Die basel sinfonietta, die Chöre und Solisten «malten» Orffs szenische Kantate in ihrem ganzen Farbenreichtum › auch im Monumentalen um möglichste Klarheit besorgt. Prägnant die vorwärtstreibende Rhythmik in den Tänzen, gefühlvoll die langsameren Passagen. Gross war der Applaus an der Premiere. Die Bilder, die wir hier vermissten, haben wir gestern Abend doch noch sehen dürfen und berichten darüber.

Die Chöre mit den vielen Laien aus der ganzen Region leisteten Enormes.