Kammerspiel mit Mozart

N.N., Basler Zeitung (10.09.2008)

Don Giovanni, 07.09.2008, Luzern

Der junge Basler Tobias Hächler singt in Luzern in Mozarts «Don Giovanni»

Ensemble. Denn der Regisseur hat intensiv mit den Sängern des Hausensembles gearbeitet. Exemplarisch passen Darsteller und Rollen überein, sind die Figuren auf die Sänger und ihre Musik zugeschnitten. Weil Oper eben Theater ist und kein Konzert im Kostüm, hilft das dem Stück mehr als jedes Starsänger-Aufgebot.

Was hat man nicht schon alles in Don Giovanni gesehen und interpretiert! Stephan Müllers Inszenierung, die am Sonntag Premiere hatte, findet keine neue Sicht, überzeugt aber durch die minuziöse Genauigkeit ihrer Personenzeichnung. Egal, ob jemand gerade singt oder nicht: Die Figuren stimmen. Im kleinen Luzerner Theater zeigt sich, wie viel Oper damit gewinnt. Es braucht dafür kaum Requisiten, subtil differenzierte, heutige Strassenkostüme (Mechthild Feuerstein) und ein schmuckloser Verschalungsbretter-Guckkasten (Werner Hutterli, der die Idee fast 1:1 von Müllers Zürcher Artaud-Inszenierung von Juni übernommen hat) genügen, die altbekannte Geschichte so zu erzählen, dass sie in ihrem Detailreichtum packt.

Da ist der in seiner hölzernen Art anrührende Masetto von Boris Petronje (er singt auch den Komtur), dessen Beziehung zur quecksilbrigen Zerlina von Sumi Kittelberger hier mit viel Wärme nachgezeichnet ist. Ein wenig bösartig, wie Müller Don Ottavio (Tomasz Zagorski, charmant altmodisch und mit klug geführtem Tenor) als gealterten Gentleman zeigt. Madelaine Wibom vermag das Schwanken Donna Elviras zwischen Anziehung und Hass zu Don Giovanni eindrücklich darzustellen und ist die klar stärkere Figur als Simone Stocks wenig konturierte, in der Höhe flackernde Donna Anna.

Buffa. Bei Don Giovanni und seinem Diener Leporello führt Müller die Oper zurück in die Nähe der Opera Buffa. Marc-Olivier Oetterli bringt feine Komödiantik ein und ist seinem Herrn Zuflucht in der Not. Denn nicht immer kann sich Giovanni hinter seinem Haarvorhang verstecken. Tobias Hächler, eben noch im Opernstudio seiner Heimatstadt Basel, versieht ihn mit metallischem Bariton und einer jugendlichen Überheblichkeit, hinter der immer mehr Verzweiflung und Unsicherheit spürbar werden – die rhythmische allerdings war wohl eher Premierennervosität als Gestaltungsmittel.

Musikalisch bemüht sich Luzerns Chefdirigent John Axelrod um schlanke Konturen und unterstützt seine Sänger nach Kräften (auch mit fantasievoller Rezitativbegleitung). Wie in der im Finale plötzlich konventionellen Inszenierung bleiben die unheimlichen Aspekte auch in der Musik etwas unterbelichtet. Trotzdem: Besinnung auf die Stärken führt diesen Don Giovanni zum Erfolg.