Rot wie die Rache

Verena Naegele, Basler Zeitung (17.09.2008)

Lucia di Lammermoor, 14.09.2008, Zürich

Das Schauerdrama von Gaetano Donizetti wird am Zürcher Opernhaus auf Klischees reduziert.

Die Welt der Ashtons und Ravenswoods ist aus den Fugen, und blutrot ist Rache und Verderben. So einfach sind die dramaturgischen Botschaften von Regisseur Damiano Michieletto und Bühnenbildner Paolo Fantin in Donizettis «Lucia di Lammermoor». Ein schiefer, halb zerstörter Glasturm steht für die Versehrtheit dieser Welt, die Farbe Rot – von der Rose über den verwunschenen Ziehbrunnen bis hin zur glutrot beleuchteten Bühne in der Wahnsinnsarie – für das Fatum.

Die Information ist simpel, die Wirkung nicht berauschend, aber sie lenkt das rabenschwarze Stück in gangbare Bahnen. Hier spielen sich die typischen Opernthemen des italienischen Belcanto von der hoffnungslosen Liebe und dem Rachedurst der Macht ab, in diesem Raum prallen der in einen weinroten Ledermantel gekleidete Dandy Lord Enrico und der bildschöne wilde Edgardo mit schwarzer Lockenpracht aufeinander. Ausweglos zwischen Liebe und Macht zerrissen die Frau, Lucia, natürlich im weissen Brautkleid.

süffig. Der Klischees sind viele, und doch schafft das Regieteam den Spagat. Einzig die «weisse Frau», die als Fantasma den Weg Lucias begleitet, wirkt aufgesetzt. Es ist eine Inszenierung im Sinne von Maestro Nello Santi, über den man an diesem Abend staunte, so süffig, romantisch dirigierte er «seinen» Donizetti. Da war zwar (allzu) viel verwackelt, stimmte die Koordination zwischen Orchester und Bühne nicht, und doch ergab sich ein tiefsinniger Ausdruck des Seelischen.
Elena Mosuc ist keine spektakulär kolorierende Lucia, aber sie hat Wärme, Klarheit und Ausdruck in der Stimme, ihrer glaubt man, dass sie am Schluss vom Turm springt und aktiv in den Tod geht. Lord Enrico Ashton ist bei Massimo Cavalletti mit kernigem Bariton in guten Händen, er wirkt aber monochrom und szenisch einförmig. Vittorio Grigolo als Edgardo wirkt frisch und lebendig. Merkwürdig ist nur sein aus der Bruststimme geführter Tenore leggero im Ansatz, da hört man kaum ein Legato, sondern eine Überdramatisierung einzelner Töne. Musikalisch am dichtesten sind die Ensembles, etwa im grossartigen Sextett. Es ist keine «Lucia» der Primadonnen, sondern eine Schau der Gefühle.