Auf harmlosen blauen Dunst folgt Erbschleicherei

Bruno Rauch, Neue Luzerner Zeitung (12.09.2006)

Il segreto di Susanna, 09.09.2006, Zürich

Zum 75. Geburtstag von Maestro Nello Santi eröffnet das Opernhaus Zürich die Spielzeit mit zwei Operneinaktern.

Gegeben werden Ermanno Wolf-Ferraris «Segreto di Susanna» und Giacomo Puccinis «Gianni Schicchi». Dabei passt die Reihenfolge gut: Erst kommt das Leichte, dann folgt das Gehaltvollere.
Zuerst also das 1909 in München uraufgeführte Intermezzo des Deutsch-Italieners Wolf-Ferrari (1876 1948). In einem hübsch verspielten Jugendstil-Salon vollzieht sich das Geplänkel des frisch vermählten Paars um Susannens Geheimnis. Worin dieses besteht, deutet eine zeittypische Affiche von Alphonse Mucha an, die zu Beginn die Bühne verdeckt und gleichzeitig die Entstehungszeit des Werks heraufbeschwört: eine Liberty-Lady, die dem blauen Dunst huldigt. Klar, dass der eifersüchtige Gatte Gil hinter dem Zigarettengestank einen Nebenbuhler wittert. Und entsprechend ausrastet, bis Susanna ihr lasterhaftes Geheimnis lüftet und beide gemeinsam paffen.

Leichtfüssige Eleganz

Maestro Santi und das Orchester der Zürcher Oper treffen den leichtfüssigen Buffoton vor allem auch in der quirligen Ouvertüre vortrefflich. Mit transparentem Klang und eloquenter Artikulation unterstützen sie die beiden Sänger: Paolo Rumetz mit ständig hochgezogenen Schultern und entsprechend unflexiblem Bariton, Adriana Marfisi mit hellem, scharf timbriertem Sopran. Für ein paar heitere Momente sorgt Timo Schlüssel als stummer Diener in dieser harmlosen Inszenierung, die, um im Bild zu bleiben, durchaus etwas stärkeren Tobak vertragen hätte.

Dass Regisseur Grischa Asagaroff und sein Ausstatter Luigi Perego auch anders können, beweisen sie in Puccinis (1858?1924) witzig-ironischem Einakter «Gianni Schicchi» (1918). Der Vordergrund zeigt das miefige Sterbezimmer des Buoso Donati mit Paravent und Bettstatt. Dahinter ein Panorama in südlichen Giotto- Farben: die Kuppeln und Türme von Florenz unter dem blauen «cielo divino». Eine ansprechende, adäquate Szenerie für die Erbschleicherei des schlitzohrigen Schicchi, der die gesamte Verwandtschaft austrickst, indem er sich anstelle des Verstorbenen gleich selbst ins Bett legt und das Testament dem Notar neu in die Feder diktiert. Zu seinen Gunsten, selbstverständlich.

Musikalische Schlitzohren

Zwar sieht die Faktur der am Deklamatorischen orientierten Partitur mit wenigen Ausnahmen kaum grosse lyrische Melodiebögen vor. Dennoch hat das treffliche Ensemble da und dort Gelegenheit zu vokalen Exploits, seis in den heuchlerischen Lamenti, seis im gehässigen Zank ums Erbe.

Komödiantisches Profil entwickelt vor allem Cornelia Kallisch als Base Zita, während Fabio Sartori als ihr Neffe Rinuccio auf tenorales Metall und larmoyante Schluchzer setzt. Leo Nucci, in feschem Cannotier und gestreiftem Jackett, leiht dem angejahrten Schwerenöter Schicchi seine stimmliche Souveränität und sein komisches Talent.

Mit «O mio babbino caro» überreicht Lauretta, wiederum Adriana Marfisi, ihrem Vater, Nello Santi, sozusagen einen vokalen, fein abgetönten Geburtstagsstrauss. An seinem eigentlichen Geburtstag, dem 22. September, wird er dasselbe Programm leiten.

Dann dürfte der Applaus wohl um einiges enthusiastischer aufbranden als anlässlich der Premiere. Denn schliesslich ist Santi, der seit 1958 ununterbrochen am Haus dirigiert, so etwas wie ein Garant der musikalischen Tradition, der italienischen natürlich!