Nur bei den Knastbrüdern kribbelts

Roger Cahn, Blick (07.10.2008)

Fidelio, 05.10.2008, Zürich

Hohe Erwartungen am Zürcher Opernhaus: Schauspielerin Katharina Thalbach inszeniert «Fidelio», Beethovens einzige Oper. Die Musik ist vom Feinsten. Die Regie: altbacken und bieder.

Freiheitsdrama im Geiste der Französischen Revolution oder eine mutige Frau rettet ihren Ehemann, der als politischer Gefangener im tiefen Kerker schmachtet: Das ist «Fidelio», eine Oper, an der sich bereits der Komponist schwer tat und an der viele Regisseure scheitern. Aktualisieren sie Text und Handlung, begeben sie sich aufs Glatteis. Spielen sie vom Blatt, erzeugen sie Langeweile.

Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach hatte im Vorfeld viel von Utopie, Freiheit und Kunst gesprochen. Ihre Inszenierung jedoch kommt brav, bieder und altbacken über die Bretter. In einem Realismus, der heute fast peinlich anmutet.

Zwei Beispiele: Als sich Leonore im Western-Look (Ausstattung: Ezio Toffolutti) in der Kerkerszene schützend vor ihren Ehemann Florestan stellt, öffnet sie die Bluse, wie um dem Rächer Don Pizarro zu beweisen, dass sie tatsächlich eine Frau ist. Und am Ende der Oper sollen Ratten andeuten, wie brüchig die eben erst gewonnene Freiheit für die jubelnde Gesellschaft sei.

Unter die Haut geht die Inszenierung nur beim Auftritt der Gefangenen: Entmenschlicht und fratzenhaft beklagen sie ihr Schicksal. Thalbachs Vater Benno Besson und dessen legendäre Brecht-Inszenierungen lassen grüssen.

Die Sänger kämpfen bei ihren Rollendebüts mit den Tücken der Partitur und retten sich mit häufigem Rampestehen über die Runden. Sowohl Melanie Diener (Leonore) wie Roberto Sacca (Florestan) verfügen über schöne, lyrische Stimmen. Beethovensche Dramatik jedoch dringt nur selten durch.

Diese kommt dafür umso überzeugender aus dem Orchestergraben. Haitink liefert den schlagenden Beweis, dass Beethovens Stärke eindeutig im Sinfonischen liegt.

Fazit: Der Anspruch der Regisseurin, einen packenden «Fidelio» auf die Bühne zu bringen, bleibt Utopie.