Verena Naegele, Basler Zeitung (12.11.2008)
«The Greek Passion» von Bohuslav Martinu am Opernhaus Zürich
Als Initialzündung zu Martinus 50. Todestag 2009 bringt das Opernhaus Zürich seine Oper «The Greek Passion» heraus. Ein disparates Werk in einer stimmigen Inszenierung.
Martinus Förderer Paul Sacher besorgte 1961 die Uraufführung von «The Greek Passion» in Zürich. Der Komponist hatte die Oper nach einer Vorlage des «Alexis-Sorbas»-Autors Nikos Katzanzakis verfasst. So ist «The Greek Passion» eine Literaturoper von epischer Breite, ein typisches Kind der Nachkriegszeit mit nervend übermoralischem Gestus, und doch ein Werk, das mit instrumentaler Farbigkeit und formaler Dichte das Ohr fesselt.
Erzählt wird die Geschichte der Dorfbewohner von Lycovrissi, denen Priester Grigoris an Ostern mitteilt, dass in einem Jahr das Passionsspiel aufgeführt werde. Die dafür ausgewählten Dorfbewohner, insbesondere der Schäfer Manolios als Christus und die Hure Katerina als Maria Magdalena, identifizieren sich mit ihren Rollen. Dreh- und Angelpunkt des Stückes sind von Priester Fotis angeführte griechische Flüchtlinge, die in Lycovrissi um Land bitten.
inbrunst. Doch die Besitzenden wollen nicht teilen, die Besitzlosen «verrecken» langsam, und Manolios-Christus, der Gegensteuer geben will, bezahlt sein selbstloses Tun mit der Kreuzigung. Die zentrale Rolle der Chöre, deren inbrünstige Gesänge an die Liturgie der orthodoxen Kirche erinnern, unterstreicht den oratorischen Charakter des Werks, den auch Regisseur Nicolas Brieger in den Vordergrund rückt. Atmosphärische Bilder prägen den Abend.
Hans-Dieter Schaal hat dafür eine schief stehende Wand kreiert, die Assoziationen weckt an eine mit Ikonen geschmückte aufgeschlagene Bibel. Dreht sich die Bühne, wird auf der Rückseite ein Stangengewirr sichtbar, in dem sich die Menschen in den intimeren Szenen bildhaft verheddern. Hier spielt sich auch der Traum von Manolios ab, die Katharsis des Stückes in schillernder Tonfarbenpracht mit Quartett und Chor. Roberto Saccà gibt einen rührend unschlüssigen Schafhirten mit lyrischem Tenor, der sich zum «Retter» durchringt.
Hingabe. Ihm zur Seite zwei Frauen unterschiedlicher Provenienz: seine Verlobte Lenio, die Stefanie C. Braun mit luftigem Sopran, aber etlichen Mühen in der Höhe singt, und die Verführerin Katerina, bei der Emily Magee stimmlich wie szenisch eine wunderbar plausible Wandlung vom kraftvollen Weib zur hingebungsvollen Maria Magdalena gelingt. Die Priester Alfred Muff als Grigoris und Pavel Daniluk als Fotis haben schwierige Aufgaben zu bewältigen, starr in ihrer Haltung singen sie dafür mit mächtig tragendem Bass.
Demut. Schillernd ist der Orchesterpart, der zwischen sparsam durchsichtigen Passagen und auftrumpfendem Tutti changiert und so die moralisierende Handlung aufbricht. Das Orchester unter Elvind Gullberg Jensen begleitet trotz einigen Unsauberkeiten farbenreich und stilsicher von griechischer Folklore bis zum tschechischen Idiom. Ihre grossen Partien bewältigen die Chöre in schönem Zusammenklingen von A-cappella-Passagen bis zur grossartigen Schlusssteigerung nach der Ermordung Manolios. Hier scheut sich Brieger nicht vor direktem Zitieren von Kreuzigung und demütiger Maria Magdalena, ohne pathetisch-kitschig zu werden.
Dem Martinu-Projekt schliessen sich die Theater in Biel, Genf, Bern und Luzern an, nicht aber das Theater Basel. Die einzige wegen dem Sacher-Bezug für Basel interessante Oper, «The Greek Passion», war laut Opernchef Dietmar Schwarz schon an Zürich vergeben, das einmal mehr den PR-Führungsauftritt für sich beansprucht.