Die Narren spielen, und schön singen sie dazu

Susanne Kübler, Tages-Anzeiger (11.09.2006)

Il segreto di Susanna, 09.09.2006, Zürich

Heimspiel: Nello Santi und Grischa Asagaroff brachten am Samstag zwei Kurzopern von Ermanno Wolf-Ferrari und Giacomo Puccini ins Opernhaus.

Er spüre den Wunsch, «den Narren zu spielen», schrieb Giacomo Puccini 1918 zu seiner einzigen Buffo-Oper «Gianni Schicchi». Die Sängerinnen und Sänger im Zürcher Opernhaus spielen sichtlich gern mit. Lesen mit unisono gereckten Hälsen das skandalöse Testament des Buoso Donati, das sie alle enterbt. Betrachten fiebrig die gewagten Fotos, die der liebe Verstorbene unter der Matratze versteckt hatte. Und versuchen dann vor Luigi Peregos perfekt schwanktauglichem Paravent zischelnd jenenGianni Schicchi zu bestechen, der ihnen als falscher Buoso doch noch die erhofften Reichtümer verschaffen soll.

Leo Nucci gibt diesen Schicchi, der sie am Ende alle hereinlegt: die stimmlich und darstellerisch wunderbar rässe alte Tante Cornelia Kallisch, den trötzelnden Peter Keller, den ganzen hingebungsvoll heuchelnden Clan mit Margaret Chalker, Giuseppe Scorsin, Stefania Kaluza und weiteren Pfeilern des Zürcher Ensembles. Es ist ein virtuoser Auftritt, in jeder Hinsicht. Nucci quäkt und droht, flötet und karikiert, dass es eine Freude ist, und dass er die Filme des legendären italienischen Komikers Totò kennt, ist nicht zu übersehen.

Komödien zum Geburtstag

Eine Freude ist auch, was dazu aus dem Orchestergraben kommt. Nello Santi präsentiert in seiner 86. Zürcher Premiere und zu seinem 75. Geburtstag eine Partitur, die seiner vitalen, spritzigen Art in jedem Takt entgegenkommt. Er kennt die Effekte, er beherrscht die Tempi und weiss auch, wann Perfektion nicht das Wichtigste ist. Das Orchester der Oper seufzt unter seiner Leitung herzhaft und differenziert über den Toten und das verlorene Geld, es beherrscht den Ton des falschen Pathos ebenso wie jenen der echten Schlaumeierei.

Von diesem theatralischen Impetus profitiert auch der andere Einakter, der den Abend zuvor eröffnet hatte: Ermanno Wolf-Ferraris «Il segreto di Susanna» von 1911. Auch hier wird mit allen möglichen Tonfällen und Stilen gespielt, mit Fugen, Tänzen und charakteristischen Soli - weniger fulminant als bei Puccini, aber mit einem ganz eigenen lyrischen Humor. Selbst eine grosse Liebesarie gibt es, nur gilt diese Liebe für einmal der Zigarette: Susanna frönt heimlich dem Laster des Tabaks, ihr Mann erschnuppert einen vermeintlichen Geliebten, und die Missverständnisse werden nach dem Vorbild barocker Intermezzi und mit Hilfe eines stummen Dieners eine Stunde lang aufrechterhalten.

Der Zürcher Hausregisseur Grischa Asagaroff setzt auch hier auf die direkte, präzis getimte, mit keinerlei Tiefsinn überfrachtete Komödie. Das luxuriöse Art-déco-Interieur ist ebenso stimmig wie bei «Gianni Schicchi» die im Hintergrund aufgefaltete Florentiner Kulisse, und die Gags werden nicht ausgewalzt, sondern wirklich musikalisch gesetzt. Der Diener etwa bedient den Staubwedel nur einen Moment lang ganz nach Santis Dirigat, und das Mitleid des Gatten mit dem Porzellanleoparden, den er bei seinem Eifersuchtsanfall dann doch nicht zerschmettern mag, sorgt im Publikum für herzliche Lacher.

Rauchen und jubeln

Am Ende gewinnt in beiden Kurzopern die Liebe, und beide Male heisst die Glückliche Adriana Marfisi. Bei Wolf-Ferrari raucht sie als Susanna, ganz gelangweilte Noblesse der 1920er-Jahre, die Versöhnungszigarette mit einem demonstrativ biederen, sonor polternden Paolo Rumetz; bei Puccini fällt sie dem mit viel tenoralem Schmelz um sie werbenden Fabio Sartori als kindlich jubelnde Landschönheit um den Hals. Sie tut beides mit leichtem, wenn auch zuweilen spitzem und nicht besonders wandlungsfähigem Sopran und wirkt damit eher blasser als der Rest des ausgesprochen farbig agierenden Ensembles. Aber auch das gehört ins Genre, das hier so genüsslich zelebriert wird: Echte Liebende haben es in Komödien dieses Kalibers stets ein bisschen schwer.