Heilsversprechen in Farbe

Maria Künzli, Berner Zeitung (08.12.2008)

L'Elisir d'amore, 06.12.2008, Bern

Bunt und plump fällt die Berner Inszenierung von Donizettis Oper «L’Elisir d’amore» aus: Aron Stiehl setzt auf unterhaltende, aber sich totlaufende Effekte – und wird damit weder der Musik noch dem Ensemble gerecht.

Eine bunte Comicwelt wird dem Publikum da entgegengeschleudert: Es leuchtet und strahlt in den wildesten Farben. Die Bühne erinnert zwischendurch an ein TV-Studio der Sechzigerjahre, das die Zuschauer von den Vorzügen des Farbfernsehens überzeugen soll. Mitten in dieser Pracht – zwischen Revuegirls, Federboas und Badegelegenheiten – sitzt Nemorino (Alexey Kudrya), eigentlich ein armer Bauer, hier ein mittelloser Mechaniker. Er ist ein romantischer, naiver Kerl, der den Frauen nichts bieten kann ausser Liebe. also keine Option für Damen von Welt wie Adina (Hélène Le Corre), eine schöne, reiche und (ein-)gebildete Gutsbesitzerin. Doch ausgerechnet in sie ist Nemorino unsterblich verliebt.

Keimfreier Trash

Der deutsche Regisseur Aron Stiehl hat Gaetano Donizettis komische Oper «L’Elisir d’amore» für das Stadttheater Bern inszeniert. Er setzt dabei auf Humor, der alle unterhält und niemandem wehtut, und ein bisschen auf keimfreien Trash.

Das ländliche Ambiente weicht hier einer urbaneren Umgebung der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Das (Bauern-)Volk steckt in karierten Kostümen (Bühne/Kostüme: Jürgen Kirner) und Belcore, der heldenhafte Sergeant (Robin Adams) lässt sich als Rambo-Verschnitt effektvoll von einem Helikopter abseilen. Begleitet wird er von Kaugummi kauenden Soldatinnen, die ihm die Schuhe polieren und das Händchen massieren.

Den buntesten Auftritt erhält der umtriebige Quacksalber Dulcamara, der dem verzweifelten Nemorino eine Flasche Bordeaux als Liebeselixier verkauft. Umgarnt von knapp bekleideten Revuegirls steigt Dulcamara, selbstverliebt und ganz in Orange gehüllt, eine Showtreppe hinunter und besingt die Heilkraft seiner Mittelchen. Carlos Esquivel verleiht dieser Prachtrolle mit intonationssicherem Bass eine zusätzliche Leichtigkeit.

Oberflächlicher Leerlauf

Das ist alles ja ganz lustig, und man fühlt sich im ersten Akt mit einem Kampf in Zeitlupe und extravaganten Posen gut unterhalten. Dann werden die Schwächen von Stiehls Inszenierung aber offensichtlich: Die Effekte wiederholen und verheddern sich im oberflächlichen Leerlauf. Dass Donizettis Kompositionen mehr als Jux und Tollerei bereithalten, merkt man der Inszenierung nicht an. Die leidenschaftlich-ernsten Aspekte der Musik stehen in krassem Gegensatz zur plakativen Bildsprache. Nemorinos bekannte Arie «Una furtiva lagrima» («Eine verstohlene Träne») beispielsweise ist eine subtile Vermischung von Ironie und Ernst und zeigt Nemorino als gereiften Mann. Auf der Berner Bühne ist das nicht zu sehen, zum Glück aber zu hören: Alexey Kudrya gestaltet die Arie nicht als grosse Geste, sondern wohltuend intim und persönlich.

Auch Adinas Wandlung von der ruhmsüchtigen Zicke zur wahrhaft Eifersüchtigen – sie erkennt am Ende den Wert von Nemorinos Zuneigung – wird in der Inszenierung kaum nachvollzogen. Hélène Le Corre, die kurzfristig für die erkrankte Anne-Florence Marbot einsprang, bleibt darstellerisch steril, auch gesanglich verleiht sie Adina nur wenig Kontur. Robin Adams hingegen schöpft seine Möglichkeiten als Sergeant Belcore voll aus: Stimmgewaltig, facettenreich ausmalend und darstellerisch überzeugend gibt er den eitlen Macho.

Überzeugendes Ensemble

Das Berner Symphonieorchester spielt unter der Leitung von Dorian Keilhack temporeich und immer wieder fein ausgestaltend. Manchmal wünscht man sich allerdings ein bisschen mehr Feingefühl im Umgang mit den Stärken und Schwächen des im Ganzen überzeugenden Ensembles.