Prachtvoll dekorierte Routine im Opernhaus

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (13.01.2009)

Simon Boccanegra, 11.01.2009, Zürich

Monumentale Bühnenarchitektur, statische Massenszenen, keine Personenführung - das ist die Handschrift des italienischen Opernregisseurs Giancarlo del Monaco. Am Sonntag feierte er in Zürich mit Verdis «Simon Boccanegra» Premiere.

Wenn man Statisten und Choristen auf der Opernbühne Schwerter in die Hand gibt, dann ist das nicht unbedingt eine Gefahr für deren Leben, aber ein Alarmzeichen für eine Inszenierung. Es muss schon ein sehr guter Regisseur ziemlich eingehend mit den Leuten arbeiten, damit kollektive Schwertkämpfe gut aussehen. Dass sie allerdings so unbeholfen sein können wie in diesem Zürcher «Simon Boccanegra», überrascht doch sehr.

Nicht mehr als ein Opernkonzert

Regisseur Giancarlo del Monaco scheint völlig damit beschäftigt gewesen zu sein, die tableaux morts zu arrangieren, die er Szene für Szene auf die Bühne stellte und dann so lange es ging dort auch Wurzeln schlagen liess. Wir erlebten also einen «Simon Boccanegra», der bis auf unbestimmt historisierende Kostüme, Schwerter, Fackeln und erdrückende Bühnenbilder nicht mehr als ein Opernkonzert war. Wobei das nicht ganz gerecht ist gegenüber einem Konzert: Dort kann man sich in der Regel auf die Musik konzentrieren, ohne sich über unbeholfene Ansätze undurchdachter Personenführung zu wundern.

Lohnendes Bühnenbild

Da ziehen weisse Schäfchenwölkchen über den azurblauen Videohimmel. Hübsch. In der Morgendämmerung sind die Wölkchen rosa. Auch hübsch. Kurz darauf geht die Sonne unter. Nicht ganz logisch, aber auch schön. Das Meer plätschert friedlich dazu. Der Bühnenbildner Carlo Centolavigna hat zweifellos gearbeitet für sein Geld. Das Geld für den Regisseur hingegen hätte man sich sparen können. Warum nur wird Giancarlo del Monaco immer wieder nach Zürich eingeladen? Das ist nach «Francesca da Rimini», «Trovatore» und «Turandot» nun seine dritte absolut nichts sagende, szenisch peinliche Produktion in den letzten Jahren. Dafür waren die Sänger hingegen wieder ihre Gage wert - zumindest was die Lautstärke betraf. Das Zürcher Opernhaus könnte viermal so gross sein, sie hätten es noch immer genauso mit vibrierendem Fortissimo gefüllt.

So ist italienische Operntradition nun mal, und sie hat auch einen gewissen Reiz: Es ist schon schön, einen Tenor aus voller Kehle seine Spitzentöne erklimmen zu hören, wie es Fabio Sartori immer wieder mit bewundernswerter Strahlkraft und beeindruckendem Klangvolumen zelebrierte. Nur: Irgendwann reicht es dann auch, und man freut sich auf differenziertere Gestalter wie Roberto Scandiuzzi als Fiesco oder den unverwüstlichen Leo Nucci in der Titelrolle. Er mag stilistisch gewisse Marotten kultivieren, aber was er mit seinen bald 67 Jahren sängerisch noch auf die Bühne bringt, lässt die Bariton-Jugend ziemlich alt aussehen.

Unterschiedlich schlugen sich derweil die zwei Rollendebütanten: Massimo Cavaletti gab der düsteren Figur des Paolo viel aufgewühlte Emotionalität und stilsicheren Verdi-Gesang. Isabel Rey hingegen präsentierte ihre Amelia recht limitiert in den Klangfarben.

Kein hörbares Bemühen

Carlo Rizzi dirigierte ganz auf der Linie seiner Sänger. Diese trug er auf Händen, übernahm ihren Rhythmus, gestaltete ihnen weich fliessende Linien und organische Übergänge. Sonst hatte das Orchester für ihn nur sekundäre Bedeutung. Kein hörbares Bemühen, aus Verdis reifem Orchesterstil etwas mehr als die üblichen Begleitfloskeln herauszuarbeiten. Die zweite Fassung von 1881 hat Verdi in vielen Szenen völlig neu konzipiert, und manches davon hat absolut «Otello»-Format, was Rizzi aber weitgehend verschenkte. Kein Dirigat also, das auf Delikatesse, Differenzierung, Klangfarbenreichtum oder überraschende Hörweisen aus war.