Eine verworrene Geschichte schnörkellos erzählt

Stefan Degen, Neue Luzerner Zeitung (13.01.2009)

Simon Boccanegra, 11.01.2009, Zürich

Giancarlo del Monaco inszeniert «Simon Boccanegra» in grandioser Architektur. Dies verstärkt die Wirkung des schwierigen Werks.

Den nahen Tod durch Gift vor Augen schreitet Simon Boccanegra vom Dogenpalast in Genua hinaus zum Meer. Dieses ist in Bewegung, das Wasser kräuselt sich, die weissen Wolken am Himmel ziehen dahin. Eine Theaterillusion, die die Schlussszene der Oper zur Apotheose erhöht. Ein starkes Bild.

Das Meer im Mittelpunkt

Regisseur Giancarlo del Monaco rückt das Meer als Quelle der Lebenskraft wie auch als kühles Grab ins Zentrum seiner Inszenierung am Opernhaus Zürich. Ein Symbol für Frieden und Erlösung, um die es in Giuseppe Verdis «Simon Boccanegra» in vielfältiger Weise geht. Das Melodrama in einem Prolog und drei Akten fiel bei der Uraufführung 1857 in Venedig kläglich durch. 24 Jahre später hat Verdi das Werk entscheidend umgestaltet und dessen dramatische Wirkung verstärkt. Das Opernhaus zeigt denn auch die Mailänder Fassung von 1881.

Übergrosse Prachtbauten

Del Monaco inszenierte das diffizile Werk in monumentaler Architektur, kreiert vom Bühnenbildner Carlo Centolavigna. Er liess sich von italienischen neoklassizistischen Prachtbauten zwischen 1880 und 1930 inspirieren. Die Wirkung dieser übergrossen Bauten auf den Betrachter ist verblüffend. Sie lassen viel Raum für die Personenführung. Die Titelfigur ist zugleich harter Diktator und liebender Vater. Eine Konstellation, die Verdis Intentionen für ein Drama entgegenkam. Patriotismus, Vaterliebe und tragisches Herrscherschicksal sind einige seiner Lieblingsmotive.

Grundstimmung düster

Auf den Plot, der vom Librettisten Francesco Maria Piave in der Erstfassung gezimmert wurde, hat Verdi bei der Überarbeitung für die Scala grossen Einfluss genommen. Die Grundstimmung des Werkes (tinta musicale) ist düster und melancholisch. Lichte Momente gibt es darin kaum. Die musikalische Form des Werkes ist sehr geschlossen und äusserst subtil instrumentiert. Die Figuren sind allesamt sehr bühnenwirksam charakterisiert. Del Monaco erzählt die verworrene Geschichte gradlinig und schnörkellos ­ ganz im Sinne des Komponisten
.
Facettenreiche Titelrolle

Dirigent Carlo Rizzi erweist sich als sensibler Anwalt von Verdis filigraner Musik. Das Orchester der Oper Zürich folgt ihm willig und trumpft mit satten Klangfarben und zupackender Dramatik auf. Der Chor ist sehr präsent. Den Sängern ist Rizzi eine zuverlässige Stütze. In der Titelrolle als Simon Boccanegra zeigt Leo Nucci alle Facetten der vielschichtigen Figur: streng und bestimmt als Herrscher, zärtlich und einfühlsam als Vater. Sein Bariton ist noch immer biegsam und weich, seine Interpretation packend. Der 66-jährige Italiener wurde zu Recht bejubelt. Ebenfalls mit stilechtem Verdi-Gesang aufwarten kann der Tenor Fabio Sartori als Gabriele Adorno. Seine Stimme strömt warm und besticht durch Kraft ebenso wie durch Schmelz.

Sopranpartie fehlbesetzt

Ein eindrückliches Rollenporträt liefert auch Massimo Cavalletti als Verräter Paolo Albiani mit seinem heldisch gefärbten Bariton. Roberto Scandiuzzi singt den Jacopo Fiesco mit sonorem Bass und verleiht der Figur die nötige Tragik. Als problematisch erweist sich die Besetzung der Sopranpartie der Amelia Grimaldi mit Isabel Rey. In ihrem Rollendebüt ist die gebürtige Spanierin überfordert. Ihre Stimme klingt soubrettenhaft, es fehlt ihr die dramatische Durchschlagskraft für diese Partie. Das Premierenpublikum feierte am Sonntagabend das Produktionsteam und die Sänger ausgiebig.