Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (20.01.2009)
Intelligentes, mitreissendes Musiktheater zeigte das Theater Basel am Sonntag mit der Premiere von Wagners «Fliegendem Holländer». Sowohl Regisseur Philipp Stölzl als auch Dirigent Friedemann Layer hatten wesentlich Anteil am Gelingen.
Ein bürgerlicher Salon des 19. Jahrhunderts mit Bibliothek und einem gigantischen Gemälde einer stürmischen Meerlandschaft: Hier wächst die kleine Senta auf, vertieft sich in die romanhafte Welt der Sagen und Märchen, die sie spätnachts noch bei Kerzenschein liest. Mehr und mehr steigert sich die junge Frau in die fantastischen Geschichten hinein, träumt und schwärmt vom Holländer und davon, selber die Erlöserin dieses Verdammten zu werden, der einst zum ewigen Befahren der Meere verflucht wurde und nur alle sieben Jahre an Land gehen darf, um eine Frau zu finden, die - treu ihm bis zum Tod - Erlösung bringen kann.
Angst und Schrecken auf dem Boot
Sentas Scheinwelt wird so stark, dass sie die Realität verdrängt: Auf dem stürmischen Bild wird ihr Vater zum Kapitän eines Schiffs, das dem Fantomschiff des Holländers mit den blutroten Segeln begegnet. Die Geistermatrosen entsteigen leibhaftig dem Boot, verbreiten Angst und Schrecken unter den Mägden und Gästen des Hauses. Jedenfalls sieht das Senta so. Und als ihr Vater ihr tatsächlich aus Geldgier einen alten Sack als Ehemann vorstellt, träumt sie sich ihn als ihren geisterhaften Schwarm zurecht, gegen den auch die verzweifelten Appelle ihres heimlichen Verlobten Erik nicht mehr ankommen.
«Fluch der Karibik» auf der Opernbühne des Theaters Basel? Funktioniert wunderbar, wenn ein Könner mit Ideen, Fantasie und Intelligenz wie Philipp Stölzl Regie führt und sich zugleich auch die mehrfach verschachtelte Bühne dazu ausdenken kann, in der sich der Salon mit Sentas Imaginationswelten bildkräftig kreuzt. Eine Inszenierung, die wunderschön zeigt, wie bezwingend und mitreissend eine dezidiert eigene, moderne Inszenierungsidee sich vereinbaren lässt mit dramatischem, packendem, unterhaltsamem Musiktheater.
Versierter Opernfuchs am Pult
Auch die musikalische Seite von Stölzls «Fliegendem Höllander» überzeugte am Sonntag bei der Basler Premiere: Mit Friedemann Layer drückte ein versierter Opernfuchs dieser Premiere seinen Stempel auf und holte aus dem Sinfonieorchester Basel dramatische, mit Stimmungen, Farben und Emotionen angereicherte Klänge heraus, die der Partitur in jeder Hinsicht gerecht wurden. Ein «Holländer»-Dirigat, das die hochromantische Tonsprache suchte und fand, das sich Anleihen holte bei der Artikulation der Originalklang- Ensembles und in den Tempi und im Gestus stets das Unruhige, das Unterschwellig und Unheimliche dieser romantischen Gespensteroper von Richard Wagner durchscheinen liess.
Dass Layer sich im mitreissenden Auftürmen dramatischer Wellen nicht zurückhalten musste, verdankte er auch einer Besetzung, die mindestens in Bezug auf das stimmliche Volumen kaum Grenzen kannte. Kirsi Tiihonen brachte mit dem letzten Satz «Hier steh ich, treu dir bis zum Tod!» das Haus wahrhaft zum Erzittern. Auch sonst war ihre Senta von bemerkenswertem Format, nicht immer ganz souverän im Ausformen der Feinheiten, aber das Schwärmerische, Hysterische, Überdrehte, das diese Inszenierung von ihr verlangte, brachte sie mit beeindruckender Ausdauer und gestalterischer Kraft über die Bühne.
Nicht ganz so begeisternd sang der schwarze Amerikaner Alfred Walker die Titelpartie. Zwar ebenfalls präsent und stimmlich potent, aber mit einigen schmerzlichen Abstrichen in der Geschmeidigkeit seines Singens, fast ohne farbliche Nuancen und sprachlich mit einigen Schwierigkeiten. Keine Wünsche blieben hingegen beim souveränen Daland von Liang Li offen, ebenso wenig wie beim beeindruckend schön singenden Erik von Thomas Piffka. Und auch die Chöre steigerten sich nach einigen Unsicherheiten zu Beginn zu beeindruckendem Format.