Sentas wilde Träume

Joachim Lange, Wiener Zeitung (20.01.2009)

Der fliegende Holländer, 18.01.2009, Basel

Philipp Stölzl inszeniert in Basel einen opulenten "Fliegenden Holländer"

Am Anfang fällt Philipp Stölzls "Fliegender Holländer" vor allem aus dem Rahmen. Weil er sich auf eine scheinbar anachronistische Weise an ein Entstehungszeitambiente hält. Und ganz wortwörtlich.

Mit einer jungen Senta, die sich in der gut bestückten Bibliothek des Vaters in eine Holländer-Schwarte hinein träumt. Und bei dem dann der riesige Ölschinken mit dem Seestück zu leben beginnt. Erst mit Dalands Kahn und seinen Leuten. Dann mit dem Bug des Holländerschiffes, das direkt vom Meeresgrund zu kommen scheint. Der Holländer beginnt in dem Sessel seinen Monolog, in dem Daland Platz genommen hatte. Erst Frau Mary und ihre Putzfrauen wecken Senta aus ihren Träumereien.

Dieser neue Basler "Holländer" wirkt lange wie eine ironiefreie, mitunter unfreiwillig komische, optische Rücknahme jeder Ambition zugunsten von Opulenz.

Er stellt mit dem staubwedelnden Frauenchor zur Spinnradmusik und der Illustration von Eriks Traum durch eine Caspar David Friedrich Bebilderung die Klischees geradezu aus.

Wenn Daland aber nicht etwa mit dem markant düsteren Holländer daheim auftaucht, sondern mit einem alten Pfeffersack, an den er seine Tochter längst verschachert hat, dann wird die Traumgeschichte vom geheimnisumwobenen Seefahrer für Senta zur puren Überlebensstrategie. Und für den Abend zum Wendepunkt.

Eine junge Senta

Während der alte Holländer paffend im Sessel sitzt, doppelt sich die Bibliothek im Bilderrahmen dahinter. Dort sieht man die junge Senta mit ihrem (singenden) Holländer-Idol. Vorn, in ihrer Wirklichkeit, singt und bewegt sich Senta aber ganz allein. Und als der Chor der Seeleute als johlende Hochzeitsgesellschaft, die vor lauter Verzweiflung die betrunkene Braut verhöhnt, schlägt sie nicht nur ihren Buchhalter Erik nieder, sondern erschlägt den ihr zugedachten Holländer mit der Flasche und bringt sich selbst in einem Akt verzweifelt gewaltsamer Rebellion um. Eine militante Schwester Toni Buddenbrooks sozusagen.

Insgesamt verblüfft die Konsequenz, mit der Stölzl die Geschichte aus der Perspektive Sentas hier erzählt. Sie rechtfertigt den gewaltigen Aufwand an historisierender Bilderopulenz am Ende dann doch.

Musikalisch hat Friedemann Layer das Orchestersteuer beherzt in der Hand, kann aber nicht jede Klippe sicher umschiffen. Auch der Chor blieb diesmal unter seinen Möglichkeiten. Liang Lis stimmgewaltiger Daland und Alfred Walkers markanter Holländer überzeugten da schon eher und Kirsi Tiihonens etwas reif wirkende Senta ragte vor allem mit ihrer Höhe heraus.