Naiv gezeichnet

Verena Naegele, Basler Zeitung (03.07.2006)

Tiefland, 01.07.2006, Zürich

«Tiefland» von Eugen d’Albert am Opernhaus Zürich

Pedro ist ein Naturbursche, hoch in den Pyrenäen, Sebastiano ist ein Mühlenbesitzer, tief im Tal. Und Sebastiano befielt seinen Vasallen ins Tiefland, um Marta, seine Geliebte, zu heiraten - alles unter Zwang, versteht sich. Aber am Schluss siegt natürlich die Liebe und Naturhaftigkeit. Welch banales Libretto ist doch dieses 1903 kreierte «Tiefland» von Eugen d’Albert. «Tiefland» wird zum Verismo gerechnet, doch wo Tosca den Quälgeist Scarpia ersticht, da lässt sich Marta zuerst verheiraten und dann zu ihrem Liebesglück bekehren. Bei Regisseur Matthias Hartmann ist Marta ein richtig deutsches Mädel. Überhaupt siedelt Hartmann das Stück im Vorfeld der Blut-und-Boden-Ideologie an und betont damit, dass Leni Riefenstahl den Plot einst auf Zelluloid bannte. Damit erweist er d’Albert freilich einen Bärendienst, oder er zeigt auf geradezu zynische Art auf, wohin er das Werk wünscht: ins Pfefferland. Jedenfalls geht sein Bemühen, die Plakativität von Berg und Tal zu brechen gründlich in die Binsen.

VERGEIGT. Im Prolog wird Pedro als eine im Labor gezüchtete Imagination Sebastianos gezeichnet, der per Video in die Bergwelt gebeamt wird. Allerdings bleibt Ausstatter Volker Hintermeier in Atmosphäre und Technik in den 1930er Jahren, weshalb die «Laborglocken» an Filme wie «Metropolis» erinnern und Staffage bleiben. Gerade damit wird auch die Musik teilweise der Lächerlichkeit preisgegeben. D’Albert, der mit spanischem Kolorit arbeitet, ist in deutschem Ambiente auf verlorenem Posten. Da wird die von Peter Seifert grandios vorgetragene Wolfserzählung im Habanera-Rhythmus buchstäblich vergeigt. Dabei hat diese Musik durchaus ihren Reiz. Da blühen die Farben im reichhaltig besetzten Orchester, von Franz Welser-Möst mit Verve und Sinn für Kulinarik ausgekostet.

Einen schweren Stand haben die Protagonisten neben Seifert. Petra Maria Schnitzers blasser, eindimensionaler Sopran blüht hörbar auf, wenn sie einmal dramatischere Töne anschlagen darf. Zwiespältig ist der Eindruck von Matthias Goerne als Sebastiano, der extrem zwischen dem lyrischen Liedinterpreten und dem dramatisch-pulvernden Operndespoten schwankt. Entschädigt wurde man dafür durch Eva Liebau, die mit lieblichem Sopran die Nuri sang: Eine naive Magd in einem (zu) naiv gezeichneten Stück.