Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (02.02.2009)
Das Theater St. Gallen hat am Samstag Tschaikowskys Oper «Pique Dame» auf die Bühne gebracht. Die Inszenierung von Christof Loy stammt vom Theater Bremen und überzeugte - wie auch die Besetzung der Hauptrollen - nicht ganz.
Es ist eine lockere Garnison, wo Hermann Dienst tut. Jedenfalls entspricht die Haarlänge nicht derjenigen der Schweizer Armee. Und auch sonst beherrschen Frauen und vor allem das Glücksspiel die Gedanken dieser Soldaten. Vor allem Hermann ist besessen von den Karten. Zwar sitzt er nur dabei am Spieltisch, weil ihm das Geld zum Verlieren fehlt. Aber da er sich in die Adelige Lisa verliebt hat, die eigentlich standesgemäss dem Fürsten Jeletzky versprochen ist, reift die Idee, am Spieltisch reich zu werden, um Lisa zu gewinnen.
Helfen sollen Hermann drei magische Karten, ein Geheimnis, das die alte Gräfin in den goldenen Jahren ihrer Jugend und Schönheit für eine Liebesnacht dem geheimnisvollen Grafen von St. Germain abgeluchst hat. Sie stirbt vor Schreck, als er in der Nacht versucht, ihr Geheimnis zu ergründen, aber später erscheint sie ihm in den Träumen und verrät ihm die magische Kombination: Drei, Sieben, Ass. Besessen von der Idee ihrer Macht kann Hermann nichts mehr bremsen, nicht einmal Lisas Liebe und ihr Tod. Zweimal gewinnt er mit der Drei und der Sieben, aber das Ass wird gestochen - von der Pik Dame.
Tschaikowski im Schaffensrausch
Am Samstag feierte «Pique Dame» im Theater St. Gallen Premiere. Der Roman, welcher der Oper zugrunde liegt, stammt aus der Feder von Alexander Puschkin, wie fast jeder gute russische Opernstoff. Das Libretto verfasste Modest Tschaikowsky, der jüngere Bruder von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky. Der Komponist schrieb diese überaus dramatische, aufwühlende Oper mit ihrem romantischen Mix aus Liebe, Tod, Sucht und Spuk nach anfänglichem Zögern 1890 in einem einzigen Schaffensrausch von 43 Tagen.
Im Schatten der Bremer Aufführung
Christof Loy brachte «Pique Dame» bereits 2001 in der Hansestadt Bremen auf die Bühne. Die insgesamt herausragend konzipierte und auf vielen Ebenen intelligent angesiedelte Inszenierung besticht durch die sinn- und fantasievolle Führung viel-er Nebenfiguren. Auch wurde auf alles Geisterbahn-Brimborium verzichtet, das ganz in Hermanns Hirn angesiedelt wurde. Allerdings schafften es Loy, respektive Freo Mayer, der die Einstudierungsarbeit leistete, in St. Gallen nicht, Hermanns Wahnvorstellungen szenisch plausibel zu machen. Dafür ist die Inszenierung dann doch zu nüchtern und Juremir Vieira in der Rolle des Hermann ein zu wenig begabter Schauspieler.
Ebenso wenig gelang es der Regie, Lisa - die von der moldawischen Sopranistin Inna Los gespielt wird - die nervösen Verlegenheitsgesten abzugewöhnen, womit viele Szenen an Eindringlichkeit verlieren.
Zudem missglückte auch sängerisch einiges: Vieira war der Partie nie gewachsen. Vor allem fehlten ihm die glühenden Farben des Liebeswerbers, aber auch die Ausdruckspalette des aufkeimenden Irrsinns, manchmal auch einfach schlicht das Volumen, um über das Orchester zu kommen; was nicht der Fehler des Dirigenten Andriy Yurkevych war. Er fand eine passende Mischung aus lyrischer Wärme und orchestralem Schmelz sowie kantig-knappen Blechbläserakkorden und der farbenreichen Durchdringung des schlanken Orchestersatzes.
Los zeigt überzeugende Leistung
Sängerisch immerhin überzeugte Inna Los mit berückend schönem Sopran und stilsicherer, in der feinen Linienführung beeindruckender Gestaltung sowohl in den lyrischen wie dramatischen Phasen ihrer anforderungsreichen Rolle. Und mit Roman Ialcic als Tomsky, David Maze als Jeletzky und Katja Starke als Polina hatte die St. Galler Produktion noch ein paar weitere Trumpf-Asse im Ärmel.