Ausgepeitscht im Kitschlabor

Roger Cahn, Blick (03.07.2006)

Tiefland, 01.07.2006, Zürich

Starker Applaus für die letzte Premiere im Rahmen der Zürcher Festspiele: Sänger, Dirigent und Orchester wurden gefeiert, die Regie musste - wie meistens - einige heftige Buhrufe ertragen. Premiere war am Samstag.

«Tiefland» von Eugène d'Albert (1864-1932) - im Hitler-Europa eine oft aufgeführte Oper - tut sich auf den Nachkriegsspielplänen schwer. Das Motto «auf der Alm, da isch kei Sünd» vermischt mit etwas «Blut- und Boden»-Romantik hinterlässt auch in einer modernen Interpretation einen fahlen Nachgeschmack.

Die Story ist grausam: Sebastiano, ein vor dem Bankrott stehender Müller - ihm gehört im dekadenten Tiefland alles - verschachert seine junge Geliebte an einen Tölpel aus den Bergen. So glaubt er sich sicher, seine hübsche Marta zu behalten und gleichzeitig das Geld seiner zukünftigen Frau zur Sanierung seines Imperiums verwenden zu können.

Doch Marta entdeckt ihre Liebe zu Pedro und sieht darin einen Ausweg aus ihrem Gefängnis. Höhepunkt der Oper: das tödliche Duell der beiden Rivalen; Pedro bezwingt Sebastiano, wie er einst zum Schutz seiner Schafe den bösen Wolf erlegt hatte.

Die Musik ist genauso kitschig wie die Geschichte. D'Albert leiht sich in den dramatischen Momenten das Material bei Richard Wagner aus, in den eher fröhlichen Szenen bei Johann Strauss. Die Arien erinnern an seinen italienischen Zeitgenossen Puccini, und dazwischen tönt es auch mal ganz nett schrill - das sind dann wohl seine eigenen Beiträge.

Schauspielhausdirektor Matthias Hartmann (43) umgeht die Szenen in der heilen Bergwelt, indem er diese guten Menschen im Labor eines Wissenschaftlers herstellen und die Natur symbolisch auf einem grossen Screen erstehen lässt.

Der Abend verdankt seinen Erfolg der musikalischen Interpretation. Franz Welser-Möst (45) führt Sänger und Orchester feinfühlig durch die schwülstige Musik. Petra Maria Schnitzer zeichnet eine gefühlsstark leidende Marta, Matthias Goerne singt den Bösewicht Sebastiano überragend und Peter Seiffert wird als Gutmensch Pedro zum Star des Abends.

Fazit: Eine geballte Ladung Edelkitsch in grandioser Verpackung.