Ich singe am Fernsehen, also bin ich

Frank Gerber, Blick (16.02.2009)

The Rake's Progress, 14.02.2009, Zürich

Stell dir vor: Ein paar Nackte bumsen auf der Bühne. Und kein Zuschauer läuft raus.

Die kunstfeindlichen Randparteien können einem fast leid tun. Da versucht ein EVP-Politiker, eine Opern-Inszenierung zu skandalisieren, weil nackte Statisten auftreten. Er findet sogar ein Gratisblatt, das seine protestantische Empörung abdruckt. Und dann das: An der Premiere von Strawinskys «The Rake's Progress» gibts gerade mal ein einziges Buh. Das einfach nur Gelächter erntet.

Der Sprengstoff liegt woanders. Regisseur Martin Kusej (im BLICK) rechnet ab mit den B-Promi-TV-Formaten à la «Glanz & Gloria».

Im Musikmärchen gewährt der Teufel drei Wünsche. Und was wünscht sich der moderne Kleinbürger? Natürlich: berühmt werden. Oder wenigstens pseudo-berühmt. Mit einem TV-Auftritt. Die Seele, die er dafür hergibt, ist seine Würde. Aber er will seine fünf Minuten Bekanntheit. Dem EVP-Politiker reichen dafür ein Stürmchen im Wasserglas und ein paar Zeilen in der Pendlerzeitung. Das Publikum geniesst derweil eine der intelligentesten Oper-Aktualisierungen der letzten Jahre.