Eine wahre musikalische Delikatesse

Hanspeter Renggli, Mittelland-Zeitung (03.03.2009)

Un Ballo in Maschera, 01.03.2009, Bern

Verdis «Ballo in maschera» als sängerisch beeindruckende und insgesamt musikalisch bewunderns-werte Produktion in düster-zufälligem Ambiente am Stadttheater Bern.

Kaum eine andere Oper von Giuseppe Verdi kennt sprühende Leichtigkeit und emotionale Gegensätzlichkeit wie der «Ballo in maschera». Verdis «Ballo», 1859 im Apollo-Theater in Rom aus der Taufe gehoben, ist brillant in den feinen Kontrasten und elegant in der musikalischen Erfindung. Zunächst hatte Marc Adam, der Intendant des Stadttheaters Bern, allerdings einen Besetzungswechsel am Premierenabend anzukündigen. Anstelle des verunglückten Hoyoon Chung hatte er kurzfristig den chilenischen Tenor Felipe Rojas für die Hauptrolle des Riccardo gewinnen können. So herausfordernd solche Umbesetzungen sind, hier erwies sie sich als eigentlicher Glücksfall. Felipe Rojas demonstrierte bereits in der Canzone des ersten Akts eine beachtliche Stimmkultur, zeigte grosse Sicherheit in den Höhen und unterstrich seine musikalische Intelligenz in den Ensembles.

Den ekstatischen Rausch im Liebesduett umflocht Gabriela Georgieva mit dem vom Komponisten geforderten «entusiasmo». Gabriela Georgieva beeindruckte als Riccardos Geliebte Amelia mit feiner Akzentgebung. Dass in diesem Liebesduett von brennender Intensität zwei Menschen in ihrer Leidenschaft jeglicher gesellschaftlicher Wirklichkeit entrückt sind, empfanden zweifellos alle im Hause - mit Ausnahme der Regie, die der besondere Moment eher ratlos liess. Die schwarzen Ränder dieses vielseitigen Dramas scheinen den Ansatz von Regie und Ausstattung geprägt zu haben. Christoph Wagenknecht hat hierzu eine düstere, aber schlichte Säulenhalle geschaffen. Seine Kostüme kleiden die Menschen in eine aktuelle Gesellschaft, die von einer Militärjunta mit offensichtlicher Unterstützung der Kirche als moralischer Instanz dominiert wird. Indes, Verdis «Ballo» ist weit davon entfernt, ein politisches Stück zu sein.

Der Regisseur Wolf Widder definiert die verbotene Liebe zwischen Amelia und Riccardo sowie die komischen Interventionen von dessen Pagen Oscar als kleine Lichtblicke in einem düsteren Umfeld. Bei diesem Ansatz bleibt die Regie stecken. Widder arrangiert hier den Chor und forciert dort eine gezwungene Lustigkeit Oscars. Aber die Regie ficht ohnehin nicht mit feiner Klinge, etwa wenn sie mit einer Hinrichtung die Szenerie als Richtstätte bekunden muss, als ob das Publikum nicht längst erkannt hätte, an welch düsterem Ort sich hier Ängste und Leidenschaft begegnen. Statt, dass die Regie die extremen Kontraste durch entsprechende Personenführung deutlich gemacht hätte, konzentriert sie sich auf Bewegungen, die oft Ratlosigkeit hinterlassen.

Bei all dem szenischen Klamauk agiert Diana Tomsche als Page Oscar insbesondere in der Höhe brillant, überzeugt Helena Zubanovich als Seherin Ulrica durch suggestive Linien, wünschte man sich auch für den düsteren Einsatz des «Re dell'abisso» den von Verdi so selten eingesetzten echten Contralto-Klang. Davide Damiani als der gehörnte Gatte Renato wird im letzten Akt zur treibenden Figur des Mordanschlags, mehr noch, er steigert sich zur eigentlich tragischen Gestalt, wenn in «O dolcezze perdute» das verlorene Glück mit seinem Hass kontrastiert. Aber auch in den kleineren Partien überzeugt die musikalische Produktion dieses Berner «Ballo in maschera». Abgesehen von wenigen premierentypischen Unsicherheiten führt Srboljub Dinic das Berner Symphonieorchester mit bemerkenswertem Feingefühl für die unzähligen Stimmungswechsel und die orchestralen Finessen.