Reinmar Wagner, Mittelland-Zeitung (03.03.2009)
Zwei Dutzend Opern hat Haydn komponiert, kaum je werden sie gespielt. Das Jubiläumsjahr führte nun im Opernhaus Zürich zu einer Premiere von «La fedeltà premiata».
Sexorgien im Zürcher Opernhaus, schon wieder! Nach der Bordellszene in Martin Kusejs Inszenierung von Strawinskys «The Rake’s Progress» vor zwei Wochen liess am Sonntag auch Jens-Daniel Herzog seine Statisten die erotischen Stellungsvarianten durchspielen. Allerdings behielten sie die Kleider dabei weitgehend an. Herzog versetzte Haydns lustig-trauriges Schäferspiel um die Freiheit der Liebe und die Belohnung der Treue in den Dunstkreis eines indisch angehauchten Gurus mitten in die Flower-Power-Aufbruchstimmung der Nach-68er-Jahre.
Bärtig wie einst Baghwan lächelt der Guru vom Monitor. In natura ist er weniger freundlich, denn die freie Liebe › hier Gesetz, und Treue auf Todesstrafe verboten › hat ihre Tücken: Eifersucht und Besitzdenken lassen sich nicht unter den Tisch kehren und bringen die Mitglieder der Kommune in arge Seelennöte. Die Geschichte ist so verschachtelt und verquer, dass selbst der Guru die Übersicht verliert. Es braucht eine Dea ex machina, die dem wilden Treiben Einhalt gebietet und die Treue wieder als Zierde der wahren Liebe an ihren Platz setzt.
Joseph Haydn komponierte «La fedeltà premiata» 1781 zur Wieder-Eröffnung des Hoftheaters in Esterháza, das zwei Jahre zuvor abgebrannt war. Sowohl in der Thematik wie in der Musik bewegte er sich dabei innerhalb der Konventionen und Erwartungen an ein unterhaltsames Musiktheater seiner Zeit. Man hört deutlich die Verwandtschaft mit Gluck und Mozart. Aufhorchen lassen manchmal Instrumentierungs-Finessen aus dem vergleichsweise gross besetzten Orchester. Sie sind bei Adam Fischer in den denkbar besten Händen. Er sorgte am Sonntag mit nie nachlassender Energie und wachem Stilbewusstsein für ein äusserst aussagekräftiges Klangbild, feuerte das engagiert mitgehende Orchester immer wieder an zu noch schrofferen Akzenten, noch leiseren Piani, eruptiven Fortissimo-Schlägen oder sanftestem Streicherglanz.
Die engagierte und dynamisch rücksichtsvolle Gangart Fischers wussten ihm auch die Sänger zu danken, die stets genügend Gestaltungsspielraum erhielten. Beeindruckend etwa die Mühelosigkeit und Sicherheit von Javier Camarenas schön geführtem, strahlkräftigem und rund klingendem Tenor. Eva Mei sang sauber, sicher und emotional berührend. Martina Janková, handicapiert ab dem zweiten Teil durch einen Muskelriss, zeigte viel Engagement, aber stimmlich auch Limiten wie ein wenig zierliches Vibrato und spitze Höhen. In den eher buffonesk angelegten Rollen brillierten Carlos Chausson als Sektenguru, Sandra Trattnigg als seine dümmliche Assistentin, Gabriel Bermúdez als adelige Witzfigur und vor allem Christoph Strehl als umwerfend komischer, in seiner linkischen Gestik einfach hinreissender «Age of Aquarius»-Jünger mit bürgerlichen Hemmungen. In diesen Detailzeichnungen offenbarte sich Jens-Daniel Herzog als wahrer Meister der Personenführung, während ihm für die ernsteren Szenen solide, aber nicht ähnlich bezwingende Lösungen einfielen.