Willkommen in der diffizilen Welt der freien Liebe

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (03.03.2009)

La fedeltà premiata, 01.03.2009, Zürich

Zwei Dutzend Opern hat Joseph Haydn komponiert, kaum je werden sie gespielt. Das Jubiläumsjahr hat nun am Sonntag im Zürcher Opern-haus jedoch zu einer rundum geglückten Produktion von «La fedeltà premiata» geführt.

Sexorgien im Zürcher Opernhaus, schon wieder! Nach der Bordellszene in Martin Kusejs Inszenierung von Strawinskys «The Rake's Progress» vor zwei Wochen liess nun auch Jens-Daniel Herzog bei seiner Interpretation von Joseph Haydns «La fedeltà premiata» die Statisten die erotischen Stellungsvarianten durchspielen. Allerdings behielten sie die Kleider dabei weitgehend an.

Herzog versetzte Haydns lustig-trauriges Schäferspiel um die Freiheit der Liebe und die Belohnung der Treue in den Dunstkreis eines indisch angehauchten Gurus mitten in die Flower-Power-Aufbruchstimmung der Nach-68er-Jahre. Bärtig wie einst Baghwan lächelt der Guru vom Monitor. In natura ist er weniger freundlich, denn die freie Liebe - hier Gesetz, und Treue auf Todesstrafe verboten - hat ihre Tücken: Eifersucht und Besitzdenken lassen sich nicht unter den Tisch kehren und bringen die Mitglieder der Kommune in arge Seelennöte. Die Geschichte ist so verschachtelt und verquer, dass selbst der Guru die Übersicht verliert. Es braucht eine Dea ex machina, die dem wilden Treiben Einhalt gebietet und die Treue wieder als Zierde der wahren Liebe an ihren Platz setzt.

Musikalische Finessen

Joseph Haydn (1732-1809) komponierte «La fedeltà premiata» 1781 zur Wiedereröffnung des Hoftheaters in der Residenz Esterháza seines fürstlichen Dienstherrn, das zwei Jahre zuvor abgebrannt war. Sowohl in der Thematik als auch in der Musik bewegt er sich dabei innerhalb der Konventionen und Erwartungen an ein unterhaltsames Musiktheater seiner Zeit. Man hört deutlich die Verwandtschaft mit Glucks Reformoper «Orfeo ed Euridice» oder mit den frühen Spielopern Mozarts à la «Finta giardiniera». Aufhorchen lassen manchmal Instrumentierungsfinessen aus dem vergleichsweise gross (mit Hörnern und Trompeten) besetzten Orchester.

Diese musikalischen Finessen waren im Zürcher Opernhaus bei Adam Fischer in den denkbar besten Händen. Kaum ein Dirigent kennt Haydns Musiksprache so gut wie der Ungare, der in Zürich schon ganz unterschiedliches Repertoire mit unterschiedlichem Erfolg dirigiert hat. Am Sonntag jedoch war er in seinem Element, sorgte mit nie nachlassender Energie und wachem Stilbewusstsein für eine äusserst aussagekräftige Darstellung von Haydns Instrumentierungsraffinessen und feuerte das engagiert mitgehende Orchester immer wieder an zu noch schrofferen Akzenten, noch leiseren Piani, eruptiven Fortissimo-Schlägen oder sanftestem Streicherglanz. Rhythmisch allerdings wackelte es da und dort, und die Partitur sass im Orchester bei der Premiere auch noch nicht überall so richtig fest. Aber die engagierte und dynamisch rücksichtsvolle Gangart Fischers wussten ihm auch die Sänger zu danken, die stets genügend Gestaltungsspielraum erhielten.

Überzeugendes Ensemble

Sängerisch beeindruckend etwa war die Mühelosigkeit und Sicherheit von Javier Camarenas schön geführtem, strahlkräftigem und rund klingendem Tenor. Eva Mei sang sauber, sicher und emotional berührend. Martina Janková, handicapiert ab dem zweiten Teil durch einen Muskelriss, der ihr Singen allerdings nicht beeinträchtigte, zeigte viel Engagement, aber stimmlich auch Limiten wie ein wenig zierliches Vibrato und spitze Höhen. In den eher buffonesk angelegten Rollen brillierten Carlos Chausson als Sektenguru, Sandra Trattnigg als seine dümmliche Assistentin, Gabriel Bermúdez als adelige Witzfigur und vor allem Christoph Strehl als umwerfend komischer, in seiner linkischen Gestik einfach hinreissender «Age of Aquarius»-Jünger mit bürgerlichen Hemmungen.

In diesen Detailzeichnungen offenbarte sich Regisseur Herzog als wahrer Meister der Personenführung, während ihm für die ernsteren Szenen solide, aber nicht ähnlich bezwingende Lösungen einfielen.