Freie Liebe mit Muskelriss

Frank Gerber, Blick (03.03.2009)

La fedeltà premiata, 01.03.2009, Zürich

Ein Misstritt. Ein Muskelriss. Doch Hauptdarstellerin Martina Janková singt die Oper zu Ende. «La fedeltà premiata» in Zürich.

Man macht sich von Anfang an Sorgen um das Personal in dieser Haydn-Oper. Man sorgt sich um das Seelenheil der Figuren, denn alle sind Mitglied einer Hippiesekte. Und man befürchtet die schlimmsten Geschlechtskrankheiten, denn alle schlafen mit allen.

Aber damit rechnet niemand: Die Hauptdarstellerin Martina Janková erscheint nicht zum Zwischenapplaus. Dafür tritt nach der Pause Hausherr Alexander Pereira auf die Bühne: Janková hat sich im ersten Akt einen Muskelriss am Unterschenkel zugezogen. Sie singt trotzdem weiter. Allerdings könnten die starken Schmerzmittel ihre Konzentration beeinträchtigen.

Davon ist nichts zu merken im zweiten Teil. Janková begeistert auch mit einbandagiertem Bein.

«La fedeltà premiata» wird selten gespielt. Im Jahr des 200. Todestages von Joseph Haydn lässt sich das Werk wiederentdecken. Es spielt in einem Land, in dem freie Liebe Pflicht ist. Wer treu ist, wird hingerichtet! Ein pikantes Sujet für eine Oper aus dem Jahr 1781.

Doch das Libretto ist hanebüchen. Psychologie und Logik sind nicht die Stärke der frühen Opern. Regisseur Jens-Daniel Herzog findet eine amüsante und überzeugende Lösung. Er verlegt «La fedeltà premiata» in eine Hippiesekte der 1970er-Jahre: Jede Menge freie Liebe, aber von Sektenmitgliedern erwartet niemand ernsthaft ein halbwegs logisches Verhalten. Peace!