In die Bergwelt gebeamt

Verena Naegele, St. Galler Tagblatt (03.07.2005)

Tiefland, 01.07.2006, Zürich

«Tiefland» von Eugen d'Albert – Junifestwochen-Premiere in Zürich

Banal ist die Geschichte, blühend ist die Musik und bravourös ist der Tenor: So das Fazit der reichlich langweiligen Festspiel-Premiere «Tiefland» von Eugen d'Albert am Opernhaus Zürich.

Pedro ist ein Naturbursche hoch in den Pyrenäen, Sebastiano ist ein dekadenter Mühlenbesitzer tief im Tal. Und Sebastiano befiehlt seinem Vasallen, herunterzukommen ins Tiefland, um seine Geliebte, die hin und her geschubste Marta, zu heiraten. Aber am Schluss siegt natürlich das Gute, die Liebe und die Naturhaftigkeit. Welch banales Libretto ist doch dieses 1903 kreierte «Tiefland» von Eugen d'Albert, welche Lichtmeilen entfernt von der fast gleichzeitig entstandenen «Salome». Zum Verismo wird die zweiaktige Oper gerechnet. Doch wo Tosca den Quälgeist Scarpia ersticht und Carmen ihre Eigenständigkeit in der Machismo-Welt behauptet, da lässt sich beim Deutschen die Marta zuerst verheiraten und dann zu ihrem Liebesglück bekehren.

Blut-und-Boden-Ideologie

In Matthias Hartmanns Regie ist Marta ein richtig deutsches Mädel mit blond lockendem Haar und züchtigem Kleid. Überhaupt siedelt Hartmann das Stück im Umfeld der Blut-und-Boden-Ideologie an und betont damit, dass Hitlers Filmerin Leni Riefenstahl den Plot einst auf Zelluloid gebannt hat. Damit erweist er d'Albert freilich einen Bärendienst, oder er zeigt auf geradezu zynische Art auf, wohin er das Werk wünscht: ins Pfefferland.

Jedenfalls geht sein Bemühen, die kraftvolle Plakativität der szenischen und musikalischen Welt von Berg und Tal zu brechen, gründlich in die Binsen. Im Prolog wird Pedro als eine im Labor gezüchtete Imagination Sebastianos gezeichnet, der per Videoinstallation in die Bergwelt gebeamt wird. Allerdings bleibt Ausstatter Volker Hintermeier in Atmosphäre und Technik in den 1930er-Jahren, weshalb die «Laborglocken» und andere futuristische Utensilien an Filme wie «Metropolis» erinnern und reinste Staffage bleiben. Zu übermächtig ist die deutschtümelnde hölzerne Wucht des folgenden Mühleninterieurs.

Gerade damit wird auch d'Alberts Musik teilweise der Lächerlichkeit preisgegeben. Er, der damaligem Geschmack entsprechend mit spanischem Kolorit arbeitet, ist mit seiner Musik in deutschem Ambiente auf verlorenem Posten. Da wird die von Startenor Peter Seifert grandios vorgetragene Wolfserzählung im Habanera-Rhythmus buchstäblich vergeigt. Dabei hat diese Musik durchaus ihren Reiz. Da blühen die Farben im reichhaltig besetzten Orchester, von Franz Welser-Möst mit Verve und Sinn für Kulinarik ausgekostet.

Einen schweren Stand haben die Protagonisten neben Peter Seifert, der mit Nuancenreichtum, das Lyrische wie das Dramatische beherrschender Gesangskunst brilliert und auch szenisch als naiver Bauernbursch überzeugt. Doch was für einen Charakter soll Petra Maria Schnitzer nur dieser Marta verpassen. Ihr blasser, eindimensionaler Sopran blüht hörbar auf, wenn sie in der grossen Szene mit Tommaso zur Liebe findet und wenigstens dramatische Töne anschlagen darf.

(Allzu) naiv

Zwiespältig ist der Eindruck von Matthias Goerne als Sebastiano, der extrem zwischen dem lyrisch geliebten Liedinterpreten und dem dramatisch-pulvernden Operndespoten schwankt. Wie gerne würde man diesen ausserordentlich kultivierten Bariton öfters auf der Bühne erleben, wie sehr sehnte man sich nach seinem Zürcher Wozzeck zurück. Entschädigt wurde man dafür durch Eva Liebau, die mit lieblichem, die Kantilenen auskostendem Sopran die einfältige Nuri sang. Eine naive Magd in einem (allzu) naiv gezeigten Stück.