Ein Esel ist eben kein Teddybär

Herbert Büttiker, Der Landbote (28.04.2009)

A Midsummer Night's Dream, 25.04.2009, Bern

Voller Klangpoesie, menschlich und urweltlich, kommt Shakespeares «Sommernachtstraum» als Oper in der Vertonung von Benjamin Britten daher. Als deftiges Märchen zeigt ihn die Inszenierung im Stadttheater Bern.

Wer bis jetzt gemeint hat, Shakespeare lasse seinen Kobold Puck den Handwerker Bottom für die liebesbedürftige Elfenkönigin Titania in ein Schmusetier verwandeln, sieht sich im Stadttheater Bern jetzt eines anderen belehrt. Nein, der Esel ist kein Teddybär, und der Ruf der ihm seit jeher anhängt, bestätigt sich hier auf der Bühne in beachtlicher Länge. Die Elfen schauen verlegen beiseite, Titania hingegen neigt zur Verzückung und bringt damit auf den Punkt, was zu den Wirren dieser Sommernacht im sagenhaften Athener Wald führt.

Hier sind die Feenwelt mit Oberon und Gemahlin und die Menschenwelt gleich mit zwei Paaren in ein desaströses Liebesdurcheinander geraten. Puck hat es mit seiner Zauberpflanze verursacht, Puck soll es wieder richten, und wie Oberons unterwürfiger Famulus in der urkomischen Gestalt des populären Comedyschauspielers Dirk Bach atemlos durch den Wald schleicht, gehört zum Köstlichen einer bildstarken Inszenierung, die an der Premiere am Samstag bejubelt wurde.

Benjamin Brittens Oper, die Shakespeares «A Midsummer Nights Dream» zwar gekürzt, aber im Originaltext präsentiert, kam 1960 zur Uraufführung. Dass sich der Komponist damals das Liebesdurcheinander auf der Bühne dezenter vorgestellt hat, ist anzunehmen, dass er aber auch dezent komponiert hat, lässt sich nicht sagen: Bieder schön jedenfalls ist seine Musik nicht, die mit einem nicht sehr grossen, aber breitgefächerten Klangapparat expressiv pointiert arbeitet und von den Sängern Verausgabung fordert.

Unter der Leitung von Dorian Keilhack lässt das Berner Ensemble das alles mit Pracht und Sorgfalt hören. Einen Sonderapplaus verdient sich der Kinder- und Jugendchor der Musikschule Köniz für seinen klangschönen und präzisen Waldzauber. Die Aufführung insgesamt brilliert mit dem jungen, aber bewährten Team des Stadttheaters. Zu ihm gehören etwa der Counter-Tenor Robert Expert als Oberon mit lasziv-heiliger Aura, Hélène Le Corre als bei allen allzumenschlichen Eskapaden doch ätherische Titania, Andries Cloete, Robin Adams, Qin Du und Anne-Florence Marbot in den Rollen der vier jungen Athener auf dem komplexen Weg zur Paarbindung und Carlos Esquivel als der phallische Eselsmensch in der Handwerkergruppe, die im Wald ihre Theaterprobe abhält.

Zirkusreif

Sie alle sind auch schauspielerisch stark gefordert. Die Inszenierung von Anthony Pilavachi dringt eben tief in die Eselshaut des Menschen ein. Der Streit zwischen den jungen Paaren gipfelt in einer veritablen Wasserschlacht, der Handwerkerslapstick ist zirkusreif, und alle haben ihre beschwingten Auftritte und Abgänge durch die rotierenden Drehtüren. Diese gehören zur Ausstattung, die sich für ein Waldbild zunächst recht seltsam ausnimmt. Weisse, teils spiegelnde, gegen hinten sich verengende Wände umgrenzen den kühlen Raum, mit dem Tatjana Ivschina (Bühnenbild und Kostüme) die Fantasie herausfordert.

Die ihre lässt nicht auf sich warten: Die Kostüme der Menschen sind zwar nur Alltags- oder auch nur Unter- wäschekonfektion, aber mit dem Fashion-Look Oberons und Titanias, mit den elektrifizierten Schmetterlingselfen und natürlich mit der grossen magischen Blume, die sich auf Pucks Geheiss herabsenkt – alles in wunderbarer Beleuchtung, versteht sich –, bleibt die Fantasie nicht im Trockenen.

Auch die des Publikums belebt sich, ob mehr als Traum oder Albtraum, ist zwar die Frage, aber mit der grandiosen Lachnummer der Komödianten löst sich am Ende alles in Heiterkeit auf. Fast jedenfalls, denn die Welt, wie sie die Inszenierung jetzt zeigt, ist ein bisschen sehr in Ordnung geraten, Oberons Wunsch, die Paare möchten sich nun für immer in treuer Liebe ergeben sein, geht in Erfüllung: Zum Gesang der Feen wackeln die frischen Paare, schwer gealtert und zittrig geworden, zu den Sofas so good night into you all.