Im Bann des teuflischen Kobolds

Maria Künzli, Berner Zeitung (27.04.2009)

A Midsummer Night's Dream, 25.04.2009, Bern

Ausgefuchst: Dirk Bach treibt als Puck in Benjamin Brittens «A Midsummer Night’s Dream» sein listiges Spiel mit Verliebten. Am Samstag feierte die Oper im Stadttheater Bern Premiere. Sehens- und hörenswert.

Wo gehts denn hier zum Zauberwald? Zwei karg gekachelte Wände verengen die Bühne zu einem engen Trichter. Ein Müllmann kehrt den Boden. Unbeeindruckt vom Streit zweier Paare, verrichtet der Mann in Orange seine Arbeit – bis die vermeintliche Realität zu wanken beginnt und der Zauberwald sein schillerndes Gesicht zeigt. Und schon ist der Müllmann zur Illusion geworden: Denn es ist Puck (Dirk Bach), der hinterlistige Kobold und Diener des Feenkönigs Oberon.

Shakespeare als Notlösung

Am Samstag feierte Benjamin Brittens Oper «A Midsummer Night’s Dream» im Rahmen des Musikfestivals Bern Premiere im Stadttheater. Der englische Komponist (1913–1976) griff für seine Auftragskomposition, mit der 1960 die restaurierte Jubilee Hall in Adleburgh eingeweiht werden sollte, aus Verlegenheit auf Shakespeares Komödie zurück. Denn zehn Monate vor der Uraufführung hatte Britten noch nicht mit der Arbeit begonnen. Aus Zeitnot «haben wir ein Libretto genommen, das schon irgendwie zur Hand war», schrieb er. Dass aus dem Notgriff eine der erfolgreichsten Opern des 20.Jahrhunderts wurde, ist vor allem der atmosphärischen und von avantgardistischen Zeitströmen unbeeindruckten Musik zu verdanken. Obwohl von der Kritik zuerst eher skeptisch aufgenommen, wurde das Werk vom Publikum von Anfang an geliebt.

Das zeigte sich auch an der Premiere in Bern: Frenetisch wurde die von Anthony Pilavachi in Szene gesetzte Oper beklatscht. Dem irischen Regisseur, der zum ersten Mal in Bern inszeniert, ist eine schlichte, aber wirkungsvolle Traum- und Märchenszenerie gelungen. Er bleibt stets nahe an Musik und Text, obwohl er sich das eine oder andere erotische Mätzchen erlaubt: Der Handwerker Bottom (Carlos Esquivel), von Puck in eine Eselsgestalt verzaubert, wird mit einem überdimensionierten Phallus buchstäblich blossgestellt. Die beiden irdischen Liebespaare Hermia und Lysander (Qin Du, Andries Cloete) sowie Helena und Demetrius (Anne-Florence Marbot, Robin Adams), die aus Versehen ebenfalls dem Zauber von Puck zum Opfer fallen, agieren in Unterwäsche, solange sie unter dem Einfluss des Zaubers stehen (Kostüme/Bühne: Tatjana Ivschina). Sie sind ungeschützt, verwirrt, ohne Scham und nicht mehr sie selber. Kaum ist der «Traum» vorbei, kommt auch das Schamgefühl zurück. So ist die Nacktheit nicht inszenatorische Plumpheit, sondern der nach aussen getragene innere Zustand der Figuren.

Pilavachi kann sich dabei auf ein hervorragend agierendes und ausgeglichenes Sängerensemble verlassen: Der französische Countertenor (Männeralt) Robert Expert gibt den androgynen Feenkönig Oberon würdevoll und intonationssicher. Hélène Le Corre schöpft als seine Partnerin Titania sämtliche Möglichkeiten des Koloratursoprans aus. Beeindruckend vielschichtig ist die Mezzosopranistin Qin Du als liebende Hermia: strahlend und klar als glücklich Verliebte, dunkel und getragen in der Phase der Verzweiflung. Brillant böse und teuflisch grinsend gestaltet der deutsche Comedian und Schauspieler Dirk Bach die Sprechrolle des Puck aus. Schade nur, ist seine Mimik unter der dicken Jokerschminke kaum erkennbar.

Für Lacher sorgten Carlos Esquivel und Stuart Patterson als Theater spielende Handwerker, obwohl Esquivel das komödiantische Potenzial seiner Rolle nicht voll ausschöpft. Seine Mimik und seine Gestik sind noch etwas brav und könnten noch drastischer, noch überzeichneter ausfallen.

Ein Ende in Harmonie

Das Berner Symphonieorchester (Leitung: Dorian Keilhack), zu Beginn noch etwas vorsichtig, steigert sich im zweiten Teil zu einem sensiblen Klangkörper, der die verschiedenen musikalischen Ebenen differenzierend ausgestaltet.

Nach Zauber und Verwirrung ist am Ende die Harmonie im Feen- und Erdenreich wiederhergestellt. Der Müllmann kehrt noch die Reste des Tohuwabohus weg – oder war doch alles nur geträumt?