Der Geist aus der Mülltonne

Patrick Fischer, Der Bund (27.04.2009)

A Midsummer Night's Dream, 25.04.2009, Bern

Umjubelte Premiere von Benjamin Brittens Oper «A Midsummer Night’s Dream» im Berner Stadttheater

Shakespeares Stoff im lichten Tonkleid: Das Ensemble des Berner Stadttheaters und der TV-Comedy-Star Dirk Bach begeistern mit hochkarätigen Rollenporträts. Anthony Pilavachi bündelt die Kräfte in einer stimmigen Inszenierung, die den Akteuren alles abverlangt.

Der Puck steht in Bern gleich in mehrfacher Hinsicht im Zentrum des Geschehens. Neben den Hockeygrössen gibt sich im Rahmen des Berner Musikfestivals «Vom Himmel» auch der aus Privatfernsehshows wie «Ich bin ein Star – holt mich hier raus» bekannte Comedyschauspieler Dirk Bach (siehe auch «Kleiner Bund» vom Samstag) die Ehre. Und zwar mit der Sprechrolle des Puck in der Produktion von Benjamin Brittens Oper «A Midsummer Night’s Dream» am Berner Stadttheater.

Bühne als Projektionsflächen

Die verspiegelten Bühnenwände mit Drehtüren, die sich auch als Projektionsflächen für Lichteffekte und Videoinstallationen anbieten, versprühen einen kühlen, fast eisigen Charme (Bühnenbild: Tatjana Ivschina). Auch das Terrain sollte sich als nicht minder unsicher erweisen – die Liebe eben: Dirk Bach betritt die Bühne in Strassenwischermontur, bewaffnet mit Besen, Schaufel und einer Mülltonne. Angesichts der untersetzten Postur des Schauspielers wäre dies bereits ein Brüller, aber Regisseur Anthony Pilavachi gibt seinen Schauspieler nicht der Lächerlichkeit preis, sondern lässt ihn mit obsessiver Ungründlichkeit den Bühnenboden kehren, während sich die Paare verbal beharken und Blumensträusse an den Kopf schmeissen.

Ja, die Paare haben tatsächlich Sträusse miteinander auszufechten, nachdem Puck vom Elfenchor eingelullt wird, nach hinten umkippt, schliesslich mit Fratze und Schweinsohren wieder in Erscheinung tritt. Der Kinder- und Jugendchor Köniz (Leitung: Thomas Mattmüller) verfügt über eine erstaunliche Bandbreite und bietet Jöh-Effekte, über die Bühne stolpernde Knirpse, aber auch profilierte Kindersoprane mit ansprechendem Schauspielertalent.

Symbolisch besetzte Gegenstände

Generell ist festzustellen, dass Pilavachi seinen Sängerdarstellerinnen und -darstellern vertraut, ihnen einiges zutraut und bisweilen auch einiges zumutet. Mit sparsamem Einsatz symbolisch besetzter Gegenstände wie dem Besen und einer übergrossen Blume schafft der Regisseur einerseits eine Handlungslogik in diesem verschachtelten Plot, andererseits aber auch Spielräume für seine Akteure. Diese interpretieren ihre Rollen ganzheitlich und lassen der bewussten Gestaltung von Gestik, Mimik und musikalischem Part gleichermassen grösste Sorgfalt angedeihen. Dies kann angesichts der anspruchsvollen Koloraturen und der äusserst transparenten Instrumentierung von Brittens Partitur nicht genug gewürdigt werden.

Der Countertenor Robert Expert stilisiert den Elfenkönig Oberon. Mit überkandidelter Gestik verstärkt er die Wirkung seines wallenden Gewands. Diesem ästhetischen Reiz erliegt auch Titania (Hélène Le Corre). Wie der Zuschauer fühlt sie sich aber auch abgestossen. Auch sie ästhetisiert – allerdings nicht geschmäcklerisch –, wenn sie mit ausladender Handbewegung ihre schwebenden Kantilenen nachzeichnet. Doch wird diese an antike Götterdenkmäler gemahnende Attitüde konterkariert durch die Traumeskapade mit dem zum dauergeilen Esel mutierten Handwerkerschauspieler Bottom (tierisch komisch: Carlos Esquivel).

Noch körperlicher agieren Andries Cloete als Lysander, Qin Du als Hermia sowie Robin Adams als Demetrius und Anne-Florence Marbot als Helena. Die von Puck mit Zauberkraut und diabolischer Freude durcheinandergebrachte Mesalliance zwischen Lysander und Hermia sowie weitere Verstrickungen durch Demetrius und Helena, die den beiden nachstellen, lassen die Szene zum verwirrenden Sinnenspektakel mit Ganzkörpereinsatz werden.

Zunächst fragt man sich allerdings, warum die Frauen halb nackt und klatschnass auf der Bühne herumrennen und Koloraturen singen müssen, nachdem sie im Bassin geplantscht haben. Das Ganze erhält aber in der Dynamik des Streits der Paare eine szenische Schlüssigkeit, deren Umsetzung schlicht begeistert.

Mit Slapstick und Witz

Burlesken Humor und eine weitere Handlungsebene steuert die Theatergruppe mit Bottom (Carlos Esquivel), Quince (Richard Ackermann), Flute (Stuart Patterson), Snug (Michael Leibundgut), Snout (Xavier Rouillon) und Starvelling (Erwin Hurni) bei. Das Sextett überzeugt mit sängerischen Einzelleistungen, Stilkarikaturen aller Art sowie Slapstick und Witz. Mit handfestem, aber niemals plumpem Humor sorgen die Sechs dafür, dass auch herzhaft gelacht werden darf, nicht nur über Pyramus und Thisbe. Den Rahmen für diese Theateraufführung bietet die Hochzeit von Hippolyta (Claude Eichenberger) und Theseus (Tomasz Slawinski), denen in dieser ironisch gebrochenen Ausgangslage die schwierige Aufgabe zukommt, ernst zu bleiben.

Nicht minder anspruchsvoll ist der Part des Orchesters unter der kompetenten Leitung von Dorian Keilhack: zweieinhalb Stunden exponierte, stilistisch bisweilen disparate Musik. Die Musikerinnen und Musiker des Berner Symphonieorchesters werden den Erwartungen mit Engagement, Können und profilierten Einzelleistungen gerecht.