Die Scherben einer Liebesnacht

Georg Rudiger, Frankfurter Rundschau (28.04.2009)

A Midsummer Night's Dream, 25.04.2009, Bern

Es ist nicht unproblematisch, einen Fernseh-Comedystar für eine seriöse Opernproduktion zu engagieren. Der Presserummel vor der Berner Premiere von Benjamin Brittens "A Midsummer Night's Dream" mit Dirk Bach in der Sprechrolle des Puck ließ vermuten, dass sich der Abend nur um den kleinen Dschungelcamp-Moderator mit der markant-barocken Figur und dem Hang zum trashigen Humor drehen würde.

Am Berner Stadttheater eröffnet Dirk Bach den Abend. Ganz allein steht er als Straßenkehrer auf der Bühne, ehe sich der Platz allmählich mit verschiedenen Paaren füllt. Einen pantomimischen Prolog hat Regisseur Anthony Pilavachi diesem Sommernachtstraum vorgeschaltet, der den von Britten gestrichenen ersten Akt der Shakespeare-Komödie andeutet. Die Fetzen fliegen, der Brautstrauß landet im Mülleimer. Dirk Bach riecht an einer Blüte - dann erst setzt die Musik ein mit ihren zarten Streicherglissandi, die in der sensiblen, klangschönen Interpretation des Berner Symphonieorchesters unter der Leitung von Dorian Keilhack den Boden unter den Füßen verlieren lassen.

Unter den Händen von den als Schulkinder gekleideten Elfen (charmant und intonationsrein: der Kinderchor der Musikschule Köniz) verwandelt sich der Müllmann in Puck - mit Clownsmund und großen Segelohren. Spätestens hier ist der Kölner Comedian ganz in seine Rolle geschlüpft. In tadellosem Englisch, mit modulationsfähiger Stimme und klarer Mimik bewegt sich dieser Puck leichtfüßig durch den Abend.

Er wird von seinem Chef Oberon (lyrisch androgyn: Robert Expert) zwar getriezt, nimmt aber immer wieder die Fäden in die Hand - eindrucksvoll dargestellt beim intensiven Kampf zwischen den Rivalen Demetrius (präsent: Robin Adams) und Lysander (mit tenoralem Glanz: Andries Cloete), die beide von Puck an der Leine geführt werden. Und wenn er am Ende wieder als Straßenfeger die Scherben dieser Liebesnacht zusammenkehrt, dann schlägt dieser leichte, sinnliche und kluge Opernabend den Bogen zu seinem Beginn.

Der Zauberwald ist bei Ausstatterin Tatjana Ivschina eine sich verjüngende, von silbern glänzenden Wänden begrenzte Spielfläche, die immer wieder Überraschendes bietet. Mal steigen aus sechs Bodenklappen die Handwerker heraus, mal treten die Protagonisten plötzlich durch schwingende Spiegeltüren auf. Die subtile Lichtregie (Karl Morawec) schafft Atmosphäre, die fantasievollen, farblich abgestimmten Kostüme erfreuen.

Anthony Pilavachis Inszenierung bleibt nah am Text. Sie lässt der Komödie ihre berührenden Ruhepunkte wie beim Aufwachen der Liebenden nach der verstörenden Sommernacht, setzt aber auch ihre Derbheiten in Szene, wenn der Regisseur dem Handwerker Bottom (großartig: Carlos Esquivel) nicht nur mit Eselsohren und -hufen, sondern auch einem beängstigend erigierten Plastikpenis ausstattet. Er führt das junge, spielfreudige Berner Ensemble präzise durch die Verwirrungen dieser Sommernacht.

Auch musikalisch ist der Abend exquisit. Hélène Le Corre ist eine koloratursichere Titania, Qin Du eine Mezzowärme verströmende Hermia. Claude Eichenberger (Hippolyta), Tomasz Slawinski (Theseus) und Richard Ackermann (Quince) setzen weitere Akzente im ausgezeichneten Ensemble, dem Anne-Florence Marbot (Helena) mit ihrem geschmeidigen, fokussierten Sopran und ihrer hinreißenden Körperlichkeit noch ein Glanzlicht zufügt. Nach einem denkwürdigen Zickenkrieg in Unterwäsche und einer zum Brüllen komischen Theateraufführung der Handwerker, in dem Stuart Patterson als Thisbe nochmals alle komödiantischen Register zieht, mündet dieser pralle Opernabend in enthusiastischem Beifall.