Strauss'sche Liebes- und Glücksspiele im Casino

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (11.05.2009)

Arabella, 09.05.2009, St. Gallen

Das Theater St. Gallen hat am Samstag mit «Arabella» eine der selten gespielten späten Opern von Richard Strauss auf die Bühne gebracht. Unterhaltsam, etwas oberflächlich und mit einer Titelheldin, die aufhorchen liess.

«Yes» steht gross als Leuchtschrift über dem Bühnenportal. «Yes», ohne «we can». Denn in der «Arabella» von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal geht es nicht ums Können. Können täte sie schon, die schöne Arabella, umschwärmt von der Jugend Wiens, aber keiner ist für sie der Richtige. Sie träumt vom Märchenprinzen, der eines Tages vor ihr steht. Das Märchen passiert, Mandryka steht vor ihr, und alles ist so wie geträumt, sogar der Vater ist einverstanden, denn der reiche Grossgrundbesitzer aus dem Osten ist die goldene Lösung für seine ruinösen Spielschulden.

Dumm nur, dass da noch Zdenka ist, die jüngere Schwester Arabellas, die als Knabe aufwächst, aber in Matteo, einen der Verehrer Arabellas, verliebt ist, so sehr und selbstlos verliebt, dass sie ihm in Arabellas Namen nicht nur Liebesbriefe schreibt, sondern ihm sogar den Schlüssel zu deren Zimmer überreicht - wo dann im Dunkel doch sie selber wartet. Dummerweise kriegt Mandryka Wind davon.

Schwacher Aufhänger

Die «lyrische Komödie» «Arabella» war die letzte Zusammenarbeit von Strauss und Hofmannsthal. Sie kam 1933 auf die Bühne der Dresdner Semperoper, schon umschattet von der Machtergreifung der Nazis, die Fritz Busch als vorgesehenen Dirigenten ausbooteten und Clemens Krauss an seine Stelle setzten. Strauss machte mit beim bösen Spiel, um das Stück zu retten.

Das bedeutungsschwangere Jahr 1933 der Uraufführung war denn auch für die St. Galler Inszenierung von Jakob Peters-Messer einer der Aufhänger. Einer allerdings, der kaum etwas hergibt: Hofmannsthal träumte von der konservativen Revolution und liess seine «Arabella» im Wien von 1860 spielen. Die Fiakermilli als Hitler-Parodie passt da kaum zum Stück, das hat wohl auch Peters-Messer gemerkt und sie beim zweiten Auftritt als Mickey Mouse verkleidet, wie er das ganze Stück ebenfalls in ein Spiel-Hotel des heutigen Las Vegas verlegt, inklusive Uriella als Kartenlegerin. Wenn man sich die konservative Welle in den USA vor Augen führt, passt er schon fast wieder, Arabellas berühmter Satz «Du sollst mein Gebieter sein», den Strauss mit delikaten Streicherklängen zu einem wunderschönen Liebesduett formte. In solch magischen Musikmomenten zog sich die Regie diskret zurück, was immerhin Sensibilität beweist in ei-ner ansonsten eher routinierten und oberflächlichen Arbeit. Allerdings liess sich mit Ausnahme der agilen Daphné Touchais als Zdenka auch mit keinem der Darsteller schauspielerisch wirklich arbeiten: An der szenisch steifen Arabella von Gal James hätte sich wohl jeder Regisseur die Zähne ausgebissen.

Herausragender Gesang

Ihr schauspielerisches Manko überdeckte James mit ihrem hervorragenden Gesang: zauberhafte Linien, weit gespannt, ohne Brüche und Unebenheiten, in einem Timbre, das gleichermassen Zartheit und Kern bereithielt, um annähernd schwerelos über dem Orchesterklang zu schweben. An diese magistrale Arabella kam nur Daphné Touchais annähernd heran. Die anderen Protagonisten fanden die Strauss'schen Schattierungen nicht, sangen meist viel zu laut oder waren wie Juremir Viera von der Rolle gänzlich überfordert. Über die heldentenoralen Anwandlungen von Corey Bix als Matteo konnte man noch hinweghören, bei Mandryka - der vielleicht schönsten Bariton-Rolle von Strauss - muss einfach mehr Sensibilität und Souveränität herrschen.

An sich läge es am Dirigenten, seine Sänger gemäss deren Stärken einzusetzen, aber es schien fast so, als dass David Stern, der neue Chefdirigent in St. Gallen, mit seinem Strauss-unerfahrenen Orchester noch alle Hände voll zu tun hatte. Charakter, Tempi, Gestus, Klangfarben passten schon meistens und ergaben ein an sich stimmiges Strauss-Klangbild. Die Präzision in den Details allerdings liess, zumindest an der Premiere, noch zu wünschen übrig.