Merlins Zauberasche im Fussballpokal

Tobias Gerosa, St. Galler Tagblatt (02.06.2009)

Orlando furioso, 29.05.2009, Basel

«Orlando Furioso» am Theater Basel

Vivaldis Opern haben es schwer. Trotz Barock-Renaissance und grosser CD-Edition tauchen sie selten auf den Bühnen auf. Das Theater Basel macht zum Saisonabschluss hier eine Ausnahme. Für «Orlando Furioso» hat man wieder Dirigent Andrea Marcon und das La Cetra Barockorchester verpflichtet – das Team, das vor einem Jahr Monteverdis «Orfeo» zum Sensationserfolg brachte. Wieder sitzt das Orchester nicht im Graben, sondern in einer Art Bucht in den ersten fünf Zuschauerreihen.

Spielfreude

Mit Verve stürzen sich die Musiker in die Partitur. Federnd die Rhythmen, knackig und frisch der Klang, lustvoll ausgespielt die Soli. Da gibt es nichts auszusetzen – ausser an der Partitur an sich, die über vier Stunden Dauer nur subtile Abwechslung zu bieten hat, vor allem in den Arien herrscht eine gewisse Gleichförmigkeit vor. Interessant wird es immer dann, wenn das Werk – wie mit dem Wahnsinn Orlandos – in eine freiere, dramatischere Form übergeht und die starre Folge von Rezitativ und Arie durchbricht.

Die Struktur dieser Adaption von Ariosts «Rasendem Roland» macht es nicht einfach, interessante Figuren auf die Bühne zu bringen. Es gelingt Regisseur Barrie Kosky, weil er mit einem ausgesprochen spielfreudigen Ensemble arbeiten kann. Daraus ragen vokal der dunkle, wandlungsfähige Mezzo von Delphine Galou (Orlando) und der süss timbrierte Counter von David DQ Lee (Ruggiero) hervor, während Franziska Gottwald als Alcina (noch) eine sehr korrekte Zauberin bleibt.

Verpoppter Barock

Nur: Zu singen gibt es in Koskys ideensprühender Inszenierung kaum einmal, hingegen einiges zu sehen. Zu den Arien werden Zehennägel lackiert, oder der Bikini-Body wird von vier Lustknaben eingecrèmt. Die Asche Merlins, die Alcinas Macht sichert, steht wie ein Fussballpokal in ihrer herrschaftlichen Villa. Alcina selbst übt ihren Zauber als Madonna mit türkisfarbigen Verführungsdrinks und -kniffs aus. Der poppige Zugriff auf einen barocken Stoff bewährt sich auch hier mit viel Zug und hohem Unterhaltungswert, weil die Figuren augenzwinkernd ernst genommen sind. Ein paar Kürzungen und Basel hat wieder ein hitverdächtiges Barock-Spektakel.