Ein Abend voll gespielter Gefühle

Sibylle Ehrismann, Zürichsee-Zeitung (30.06.2009)

Così fan tutte, 28.06.2009, Zürich

Franz Welser-Möst dirigiert Mozarts «Così fan tutte» am Zürcher Opernhaus mit Verve und Präzision. Ein frisch aufspielendes Sänger-Ensemble sorgt dabei für beste Unterhaltung.

Über die Qualität gewisser Libretti lässt sich streiten. Als Mozart sich mit da Pontes «Così fan tutte» auseinandersetzte, war das Textbuch bereits fertig. Es war für Antonio Salieri bestimmt, dessen Vertonung aber nicht vollendet wurde. Die Geschichte um zwei Liebespaare, die zum Schein die Treue der Frauen testen und den ganzen Abend lang Gefühle vortäuschen, ist reichlich naiv und entsprechend langweilig. Kein Wunder, wurde dieses Libretto immer wieder intensiv bearbeitet und entstellt.

Regisseur Sven-Eric Bechtolf hatte für die Zürcher Neuinszenierung den Mut, den Stoff einfach so zu belassen, wie er ist. Dazu haben Rolf und Marianne Glittenberg ein ins Weisse abstrahiertes Einheitsbühnenbild mit historischen Kostümen geschaffen, die die Geschichte in die Zeit Mozarts verlegen: mit gepuderten Perücken für die Herren und Ringröcken für die Damen. So kann sich Mozarts Musik wunderbar entfalten, und die Sängerinnen und Sänger haben genügend Raum, sich auch schauspielerisch frei zu bewegen.

Starke Präsenz des Orchesters

Obwohl Franz Welser-Möst das Orchester mit modernen Instrumenten gewählt hat, ist der Orchestergraben hochgefahren. Dies hat eine starke akusti- sche Präsenz der Orchesterbegleitung zur Folge, die zeitweise zu dominant wirkt. Dennoch ist so der Kontakt des Dirigenten und des Orchesters zu den Sänger-Protagonisten sehr eng, und die kammermusikalische Intimität einzelner Arien gewinnt so eine betörende hintergründige Musikalität.

Welser-Möst dirigiert mit viel Sinn für die Theatralik dieser «falschen», nur vorgespielten Gefühle. Das Orchester wirkt kompakt und transparent zugleich, die farblich prägenden Holzbläser sorgen für vielschichtige Nuancen. Zudem führt Sven-Eric Bechtolf die quicklebendigen Figuren sehr genau in Mozarts musikalische Geste hinein. Dadurch kommen Pointen und Missverständnisse, Gefühlsausbrüche und echte Liebe ganz aus der Musik heraus zur Geltung, wunderbar unterstützt auch vom agilen Continuospiel von Enrico Cacciari (Cembalo) und Claudius Herrmann (Violoncello).

Die Bühne ist ein weisser, rechteckiger Kubus mit grossen Tor-Luken, die auf alle Seiten Auf- und Abgänge ermöglichen. Mittendrin steht eine hohe Tuja-Pflanze, die den Garten symbolisiert. Dazu kommen ein grosser Tisch und ein paar Holzstühle, die geschickt bespielt werden. Sehr schön gelingt so die Nachtszene mit den Lichtern im Hintergrund, die von Choristen wie Lichtsträusse bewegt werden. Oder dann das Versteckspiel der «falschen» Liebhaber, das mit schnellen Gängen durch den ganzen Bühnenraum verfolgbar ist. Sicher läuft sich dieses Einheitsbühnenbild im zweiten Teil etwas aus, doch die schauspielerische Leistung aller Beteiligten hält die Spannung aufrecht.

Drei Rollendebüts

Gleich drei Rollendebüts gibt es in dieser Neuinszenierung zu verzeichnen. Malin Hartelius gibt erstmals die Fiordiligi, die ernsthaftere der beiden Schwestern, die von ihren Verlobten an der Nase herumgeführt werden. Hartelius singt diese Partie mit inniger Leichtigkeit, mit weichem Timbre und reichhaltigen Facetten. Dorabella, ihre Schwester, wird von Anna Bonitatibus, die neu zum Zürcher Ensemble gestossen ist, schauspielerisch grandios gespielt. Hatte sie anfangs noch etwas Mühe mit der Intonation, so steigerte sie sich im Laufe des Abends auch sängerisch in eine mitreissende, weiblich sprühende Partie.

Einmal mehr erweist sich Ruben Drole in der Rolle des Liebhabers Guglielmo als ein erfrischend spontaner, unprätentiöser Schauspieler und Sänger. Ob komisch oder traurig, lustig oder niedergeschlagen, er wechselt die gespielten Gefühle problemlos und färbt sie stimmlich entsprechend ein. An seiner Seite gibt Javier Camarena sein Debüt als Ferrando. Er betörte vor allem in den lyrischen Momenten, in der Sehnsucht nach seiner Geliebten, mit unerhörtem Pianogesang und einem Legato, das nur so dahinschmolz.

Auch der Philosoph Don Alfonso wird von Oliver Widmer als Debüt gestaltet; die Figur scheint ihm wie auf den Leib geschnitten. Widmer gelingt es, die Balance zwischen Weisheit und der Freude am Verwirrspiel souverän aufrechtzuerhalten und sängerisch eine ganz eigene Note in die Liebesgeplänkelei der anderen hineinzubringen.

An seiner Seite sorgt Martina Janková als Dienerin Despina für herrlich komische, temperamentvoll ausgespielte Szenen. Ob als verkleideter Arzt oder Standesbeamter oder einfach als Despina – Janková bewegt sich derart quirlig und munter in die Musik hinein, dass man sich ob ihrer Lebenslust köstlich amüsiert. Und dabei singt sie so frei und makellos, als wäre das alles gar kein Problem. So ist dieser Abschluss der Mozart/da Ponte-Trilogie am Opernhaus Zürich eine erfrischende Sommerproduktion auf höchstem künstlerischem Niveau geworden.