Lustiger Partnertausch

Tobias Gerosa, Der Bund (30.06.2009)

Così fan tutte, 28.06.2009, Zürich

Ist Mozarts «Così fan tutte» wirklich eine Komödie? Die Neuinszenierung am Opernhaus Zürich versteht sie lange, zu lange so. Aber sie überzeugt musikalisch und mit einem Ensemble, das man sich homogener kaum denken kann.

Wenn die meisten Opernhäuser in der Sommerpause sind und die meisten Sommerfestivals noch nicht begonnen haben, zieht Zürich die Saison noch etwas weiter und nennt die letzten zwei Wochen Festspiele. Franz Welser-Möst und Sven-Eric Bechtolf haben in diesem Rahmen jetzt ihren gemeinsamen Zyklus der drei Opern von Wolfgang Amadé Mozart auf Texte von Lorenzo Da Ponte abgeschlossen. Nach einem kontrovers aufgenommenen «Don Giovanni» 2006, einer geschätzten «Nozze di Figaro» 2007 jetzt also noch «Così fan tutte».
Die Reaktion des Premierenpublikums im Opernhaus war begeistert, obwohl der Abend aufgrund einer strichlosen Fassung mit allen Rezitativen gegen vier Stunden dauert. Man hat sich am Ensemble und dem als Gastdirigent zurückgekehrten ehemaligen Generalmusikdirektor gefreut und sich an der szenischen Umsetzung amüsiert und viel gelacht.

Musikalisch ist diese «Così» ein hochklassiger Abend, dem ein paar kritische Einwände keinen Abbruch tun. Die Tempi von Dirigent Welser-Möst etwa sind in der Ouvertüre teilweise rasant und in den korrespondierenden Finali dann an der Grenze der Singbarkeit (und des sicheren Zusammenspiels).

Dafür schweben dann auch die langsamen Stellen wie Quintett und Terzett im ersten Akt nicht wirklich so, wie sie könnten. Doch die Relationen stimmen, und wie durchsichtig das mit acht ersten Geigen relativ klein besetzte Opernhausorchester unter Welser-Mösts Leitung spielt und die Gruppen auf sich hören und reagieren, zeugt von gegenseitiger Vertrautheit. Die musikalische Sorgfalt bricht auch in den Rezitativen nicht ab. Das Orchester ist gerade bei Mozart auch so versiert, dass es mit historischen oder wie jetzt (bis auf die ventillosen Hörner und Trompeten) modernen Instrumenten stilistisch überzeugt.

Ensemble ohne Star

Für die Zürcher Oper ungewöhnlich ist die Sängerbesetzung: kein einziger Star, dafür (fast) ein Hausensemble. Und das Ergebnis kann sich hören lassen. Da singen und spielen sechs Persönlichkeiten mit gleichem Ziel. Oliver Widmers Don Alfonso ist dabei zwar allzusehr Buffo ohne die nötige Bosheit oder den Zynismus des Versuchsleiters. Malin Hartelius’ Fiordiligi klingt (wie schon ihre Contessa und Donna Elvira) eigentlich zu leicht, gerade für ihre beiden grossen, emotional so reichen und schwierigen Arien. Aber die beiden passen ins Spiel, das zwei junge Paare durch eine leichtfertige Wette des Philosophen Don Alfonso mit Ferrando und Guglielmo auseinander- und die Liebe an sich ins Wanken bringt.

Das müssen jüngere Darsteller singen. Wie Martina Jankova als quirlige, aber praktische Dienerin Despina oder die beiden Männer, für die das Opernhaus zwei kürzlich aus dem Opernstudio übernommene Ensemblemitglieder hat. Ruben Drole gibt Guglielmo mit seinem kernigen Bariton markantes und differenziertes Profil mit reichen Zwischentöne. Mit seiner zauberhaft fein und nach innen gesungenen Arie «Un’ aura amorosa» setzt Javier Camarena den sängerischen Höhepunkt des Abends.

Sein Tenor ist leicht und hell, aber so süss im Timbre und gut fokussiert, dass auch leiseste Töne tragen. Dieses Umfeld und Anna Bonitatibus’ als Fiordiligis bodenständigere, stimmlich etwa herbe Schwester Dorabella passen, dass Hartelius ihre empfindsame Gestaltungsfähigkeit ohne Forcieren ausspielen kann.

Exakte, aber einseitige Komödie

Und die Szene? Sven-Eric Bechtolf siedelt das Stück in der Entstehungszeit an, Marianne Glittenberg hat relativ schlichte Rokoko-Kostüme geschaffen und Rolf Glittenberg einen hellen und grosszügigen Einheitsraum mit Indoor-Zypresse. Es dauert darin lange, bis die Komödie ernsthaft wird – und eigentlich geschieht es nur durch die Musik.

An der Grenze zum Klamauk

Der erste Akt überschreitet mehrmals die Grenze zum Klamauk des aufgesetzten Theaterlachens und der Versteckspiele und auch im zweiten, wo das Spiel der Verführung der falschen Frau zur wahrhaftigen seelischen Erschütterung wird, drohen komödiantische Elemente den zunehmenden Ernst zu verdecken. Vielleicht war das Ziel zu zeigen, dass beides zusammengehört. Aber wenn der betrogene Liebhaber auf allen vieren um den Tisch kriecht während die Frau in der Arie gerade ihre Standfestigkeit verliert oder wenn er versucht, dem neu formierten Paar von hinten das Messer in die Rücken zu jagen, ergänzen sich Musik und Handlung nicht, sondern lenken voneinander ab. Die Figuren stimmen, es wird genau aus dem Text gearbeitet, aber die Entwicklung vom Spiel zum unumkehrbaren Ernst schafft die Inszenierung nicht zu zeigen. Dazu passt das aufgesetzt wirkende, das zentrale Problem mit einem Gag umgehende Ende.