St. Gallen muss sich anstrengen

Verena Naegele, St. Galler Tagblatt (01.07.2009)

Così fan tutte, 28.06.2009, Zürich

Konventionell und doch frisch und neu, das ist die unterhaltsame Neuinszenierung der «Così fan tutte» am Opernhaus Zürich. Mozarts Oper wird im Herbst auch in St. Gallen gespielt.

Das Bühnenbild von Rolf Glittenberg ist schlicht und doch atmosphärisch, und es lässt Raum für das Kammerspiel der Gefühle und Emotionen, das Mozart in seiner «Così fan tutte»-Oper über mehr als drei Stunden ablaufen lässt. Da gibt es eine hohe Zypresse, umrahmt von einem einfachen, dem Palladio-Stil nachempfundenen, nach hinten offenen Architektur-bau in Weiss. Schlichte Rokokostühle und im zweiten Teil ein mächtiger Tisch mit Decke sorgen nach guter alter Manier für Bespielungsmöglichkeiten aller Art.

Phänomenale Sänger

Sven-Eric Bechtolf ist ein Regisseur, der sein Handwerk versteht und – oh Wunder – nicht auf Teufel komm raus Neues erfinden muss.
In seiner Inszenierung vertraut er auf Mozarts musikalischen Geist und Witz und auf sein Sängerensemble, das mit einer phänomenalen schauspielerischen Leistung aufwartet. Mit welcher Raffinesse da skurrile und tragische Situationen gemimt oder erlebt werden, ist eine Freude. Die Sängerinnen und Sänger stammen bis auf den Star Anna Bonitatibus aus den eigenen Reihen und zeigen, auf welch exzellente Kräfte das Haus zählen kann.

Der aus dem internationalen Opernstudio hervorgegangene Tenor Javier Camarena verfügt bereits über eine bemerkenswerte Abgeklärtheit und Souveränität in Spiel und Gesang. Wunderbar, wie er in schönstem Mezzavoce mit schmelzender Stimme sein «Un'aura amorosa» singt. Sein Kollege Ruben Drole als Guglielmo steht ihm sängerisch in nichts nach, und zusammen mimen sie herrlich die Verlobten, die zuerst Spass am Verwirrspiel haben und sich am Schluss doch selber hörnen.
Der dritte im Bunde ist Oliver Widmer als Intrigant Don Alfonso, dessen komödiantisches Talent bekannt ist und der in seinem Rollendébut auch sängerisch mit pastosem Timbre bestens besteht.
Dominantes Orchester

Geführt werden sie von dem für diese Produktion ans Haus zurückgekehrten Franz Welser-Möst, der vom weit hochgefahrenen Orchestergraben aus so gut zu sehen und zu hören war, wie wohl nie während seiner Amtszeit.

In der Tat wirkte das Orchester mit seinen modernen Instrumenten zuweilen etwas gar direkt und dominant, auch wenn es spielfreudig, präzis und agil spielte. Welser-Möst ist eben kein «Historiker», bewies aber mit seinem auf klangliche und dynamische Differenzierung angelegten Dirigat, dass auch das «Andere» durchaus Sinn macht.
An dieser an Universalität alten Stils angelehnten Ästhetik orientierte sich insbesondere Malin Hartelius als Fiordiligi, die mit ihrem agilen, leichten Sopran und dem silbernen Timbre mit betonter Bruststimme stark an grosse Vorgängerinnen wie Elisabeth Schwarzkopf und Irmgard Seefried erinnerte. Sie, die Tragische des Stücks, wird in Bechtolfs Regie noch überhöht, denn sie trinkt am Schluss im allgemeinen Tohuwabohu den Gifttrank, den Alfonso zu Beginn in seiner Alchimistenstube kredenzt hat – und stirbt.

Der Star enttäuscht

Anna Bonitatibus ist die Enttäuschung des Abends, kämpfte sie doch mit Intonationsproblemen und fand erst als leicht beschwipste Dorabella im zweiten Teil auf das Niveau der anderen. Überstrahlt wurde sie von der sängerisch wie schauspielerisch umwerfend nuancenreich agierenden Martina Janková. Sven-Eric Bechtolf, der vom Publikum gefeiert wurde, machte zu Recht einen Kniefall vor seinem Ensemble. Die Latte für die St. Galler-Così-Produktion vom September ist hoch gelegt.