Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (01.07.2009)
Für die Zürcher Festspielpremiere am Opernhaus stand Franz Welser-Möst wieder am Pult des Opernorchesters. Zusammen mit Sven-Eric Bechtolf vollendete er nun seine Mozart-Da-Ponte-Trilogie mit «Così fan tutte».
Die bange Frage am Ende von «Così fan tutte» lautet: Werden die Paare nach diesem böswilligen Verwirrspiel wieder zusammenfinden, und wenn ja, in welcher Konstellation? Bei Sven-Eric Bechtolf war am Sonntag an der Zürcher Festspielpremiere im Opernhaus eines sicher: Es gibt höchstens ein Paar. Fiordiligi hat sich vergiftet. Nicht absichtlich, sondern mit dem Gift, das Guglielmo zuvor in der Wut ins Glas geschüttet und stehen gelassen hat. Bei Don Alfonsos Triumph am Ende, wenn alle auf den Neuanfang anstossen, greift sie sich das fatale Glas und fällt mit dem Schlussakkord tot um.
Figuren bleiben stets komisch
Fiordiligis Tod ist eine bittere Pointe, nachdem die unselige Wette zwischen Don Alfonso und den beiden jungen, verliebten Offizieren, die an die unerschütterliche Treue ihrer Freundinnen glauben, zuvor schon so viel emotionales Porzellan zerschlagen hat, dass man kaum an das von der Musik zelebrierte Happy End glauben mag. Nicht einmal dann, wenn das Stück, wie Bechtolf es tut, ganz nach einer komödiantischen Lesart erzählt wird.
Die emotionalen Tiefenschichten, die moderne Inszenierungen mit Erfolg in Wolfgang Amadeus Mozarts Meisteroper fanden, blendet der sonst für solche Fragen nicht unsensible Regisseur völlig aus. Oder er traut ihnen nicht. Selbst in der Niederlage bleiben die Figuren komisch in ihrer aufkochenden Wut und ihrer abgrundtiefen Verzweiflung. So gerät die Versuchsanordnung im Liebeslabor von Lorenzo da Ponte und Mozart bei Bechtolf zu dem, was sie ihrer Herkunft nach ist: zur Liebeskomödie, zum Verwirr- und Verkleidungsspektakel, zu einer emotionalen Achterbahnfahrt mit dem obligaten lieto fine.
Dorftheater auf höchstem Niveau
Dafür tut Bechtolf alles, um das komödiantische Spiel am Leben zu erhalten: Kein Moment bleibt uninszeniert, keine Möglichkeit zur Pointe und witzigen Überzeichnung wird ausgelassen, bisweilen bewegt sich Bechtolf arg an der Grenze zum guten Geschmack, kalauert und klamaukt mit seinem überaus motivierten und beweglichen Ensemble nach Herzenslust. Handwerklich ist das toll gemacht, die Geschichte wird farbig und spritzig und so geradlinig erzählt, dass jede Primarschulklasse ohne Probleme damit klar kommt: Dorftheater auf höchstem Niveau, im edlen Ambiente einer von Rolf und Marianne Glittenberg mit Palladio-Symmetrien ausstaffierten Architektur.
Unter Franz Welser-Möst, seinem langjährigen Chefdirigenten, spielte das Zürcher Opernorchester wie eh und je: präsent, durchsichtig, kammermusikalisch wach. Nicht immer sassen bei der Premiere die Tempi gleich auf Anhieb, aber die Bandbreite an agogischen und auch dynamischen Nuancen, die Welser-Möst herausarbeitete, machte diesen Mozart-Abend lebendig und kurzweilig und bot den Sängern sehr viel Spielraum zur Gestaltung.
Vokale Souveränitat gezeigt
Entgegen dem Usus wurden die Rezitative kaum gekürzt, womit ihre musikalische, klangfarblich und nicht zuletzt sprachliche Ausformung noch wichtiger wurde. Vor allem Martina Janková als Despina und Ruben Drole als Guglielmo taten sich darin besonders hervor, aber auch die anderen liessen sich nicht abhängen. Und rein sängerisch überzeugte dieses Zürcher Mozart-Ensemble in jeder Hinsicht durch seine vokale Souveränität und Präsenz.
Berückend wie Anna Bonitatibus die Dorabella mit viel stimmlicher Sicherheit und abgerundeten Klangfarben sang. Malin Hartelius feierte als Fiordiligi ein beachtliches Rollendebüt, genauso wie Javier Camarena als Ferrando, der mit wunderschön lyrischen Momenten bezauberte, aber wie Drole auch mit kraftvollen Ausbrüchen die Dramatik steigern konnte. Und auch Oliver Widmer hielt sich als Don Alfonso beachtlich. Vor allem auch in den vielen Ensembleszenen bewies diese Besetzung eine erstaunliche Homogenität, sei es zwischen den beiden Frauen, den beiden Männern oder im gesamten Sextett.