Mozarts Blumen des Bösen

Christian Berzins, Mittelland-Zeitung (30.06.2009)

Così fan tutte, 28.06.2009, Zürich

Regisseur Sven-Eric Bechtolf und Dirigent Franz Welser-Möst setzen in Zürich Mozarts «Così fan tutte» mit alten Mitteln perfekt ins Heute.

Nichts leichter, als sich während «Così fan tutte» kugelrund zu lachen. Untreue, warum auch immer, belustigt die Menschen. Aber in W. A. Mozarts später Oper geht es um viel mehr als um eine Tändelei. Die Musik erhöht das derbe Spiel in eine unheimliche Sphäre.

Die Handlung ist einfach: Ein Zyniker wettet mit zwei Offizieren auf die Treue ihrer Verlobten. Eine Maskerade beginnt. Die Offiziere verführen übers Kreuz vertauscht ihre Geliebten und verlieren dabei nicht nur ihr Geld, sondern ihr Seelenheil. Der Scherbenhaufen ist gross, ein abschliessender Moralspruch kaum hilfreich.

In den letzten Jahren war es auf Opernbühnen sehr modisch, diese Versuchsanordnung nicht ernst zu nehmen: Man wusste zu Beginn, dass alles nur ein Spiel ist. Die falschen Schnäuze fielen schnell ab, die Damen machten sich einen Spass aus dem Tausch. Regisseur Sven-Eric Bechtolf vertraut nun aber der Maskerade und › zumindest halbwegs › den Treueschwüren. Er hört ins Orchester hinein und erkennt, dass dort Glück und Unglück, Himmel und Hölle, im Wettstreit sind. Allein um den Betrug zu beschleunigen, braucht es ein paar Gläser Wein: Dorabella trinkt aus Lust, Fiordiligi aus Frust. Dorabella fällt als Erste, Fiordiligi › im Mantel des Verlobten › folgt. Vorschnell ist der Hochzeitsvertrag unterschrieben.

Bechtolf zeigt das Spiel mehr oder wenig so korrekt und logisch wie einst Regie-Legende Jean-Pierre Ponelle. Aber trotz Perücken und Uniformen schafft es dieser Regisseur, moderne Menschen auf die Bühne zu stellen. Ab und zu verrückt er den Rahmen sanft › und klug. Die altertümlichen Schwerter haben diese Soldaten längst abgelegt. Und auch an den Text glaubt man nicht immer. Nicht nur die Schlussmoral «Glücklich, wer jede Sache von der guten Seite nimmt» lesen die Protagonisten im Libretto ab. Dadurch gelangt Bechtolf auf eine spielerische Ebene, die dennoch in den Todernst führt. Derweil man das Glas Champagner hochhält, greift Fiordiligi zum Gift. Fiordiligi › übersetzt: die Blume der Treue › wird zur Blume des Bösen. Bühnenbildner Rolf Glittenberg deutet das Unglück früh an: Er hat einen kargen Raum geschaffen, in dem aber selbst das Licht zu duften scheint. Und bedrohlich steht da im Mittelpunkt eine Zypresse, die an den Tod mahnt.

Die Sänger spielen famos auf. Einziger Wermutstropfen › und er geht wohl weniger auf die Kappe des Regisseurs als auf jene des Dirigenten › sind die Rezitative. Sie sind blass, gehen selten nahtlos in die Musik über. Schade. Denn die musikalische Seite an sich ist prächtig.

Dirigent Franz Welser-Möst zeigt ebenso wie der Regisseur einen modernen Mozart mit alten Mitteln. Schroff und streng die ersten Schläge, wundersam aufgehellt alsbald der Klang. Aber nie wird er romantisierend süss, sondern weist immer zügig nach vorne und gehorcht dennoch dem natürlichen Atem. Dieser Atem kann, wie in der zweiten Arie Fiordiligis, auch mal fast zum Stillstand kommen. Das verlangt von der Sängerin viel ab. Malin Hartelius lässt sich in ebendieser Arie auch nicht von den Trübungen der Hörner stören, sondern zeigte in ihrem ganzen Fiordiligi-Rollendebüt eine grosse Konstanz.

Eindrücklicher war nur Anna Bonitatibus als Dorabella. Singt jemand diese Rolle zurzeit besser? Vollmundig und eigen ihr Timbre, das sich in allen Lagen gleich hält, perfekt die Atmung und die Sprache, die den natürlichen Lauf der Linien bestimmen. In dieser Kunst können die anderen nicht mithalten: weder Oliver Widmer, der mit sehr hellem, aber überaus korrektem Bariton einen ungewohnten Alfonso gibt, noch Ruben Drole und Javier Camarena. Sie sind zwei junge Offiziere, die durch ihr engagiertes Spiel kleine sängerische Mängel wettmachen. Martina Janková gibt eine hellwache Despina.

Das Mozartglück ist gross. Ein Glück, das wie «Così fan tutte» nicht nur lachen macht.